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Stift Salzburg

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Salzburg am Kapuzinerberg (1553)

Geschichtlicher Überblick

Hier sollen knapp 400 Jahre der Geschichte des Salzburger Erzkapitels skizziert werden, nämlich die Jahre 1122 bis 1514, in denen die Salzburger Domherrn als Regularkanoniker lebten.

Vorgeschichte des Salzburger Chorherrenstiftes

In der "Vita Severini" von Eugippius (511) steht: "... oppidum, quod Iuvao appellabatur, ..." (c. 13). An der zitierten Stelle der singulären Quelle aus der Völkerwanderungszeit wird ein Konvent von drei "viri spirituales" erwähnt, die eine wichtige "Basilika" betreuten. Das soll nicht heißen, dass diese schon Mönche oder "Kanoniker" im späteren Sinn waren, dass es aber schon früh Vergleichbares gab.

Durch den hl. Bischof Rupert aus Worms (596) wurde das durch die Barbareneinfälle halb zerstörte und verfallene Iuvavum wiederentdeckt bzw. wiederhergestellt. Er dürfte schon in der Gegend des heutigen Friedhofs von St. Peter eine Mönchsgemeinschaft vorgefunden haben, für die er ein Kloster errichtete und deren Mitglieder den Abtbischöfen in der Folge auch als Kapitularen dienten. 739 errichtete der hl. Bonifatius die Nebenresidenz der Agilolfinger zu einem "kanonischen" Bistumssitz mit bereits weitgehend fixiertem Sprengel. Unter dem hl. Bischof Virgil (745–784) ist schon früh eine gemischte Gemeinschaft von Mönchen und Klerikern erwähnt, die man als Vorform des späteren Kapitels ansehen darf. Die Reihe der Kapitulare weist zahlreiche romanische Namen auf, deren Träger für die Karantanenmission wichtig wurden. Ein formelles Domkapitel neben dem Mönchskapitel von St. Peter ist erst 925 belegt. Das ursprüngliche Klosterkapitel von St. Peter und das nach Virgils Dombau (774) immer unentbehrlicher werdende Domkapitel hatte zunächst weder getrennte Bibliothek, noch Schule und Skriptorium. Demnach waren dem Domkapitel bereits seit den von uns geschilderten Anfängen gewisse Frühformen des Ordenslebens keineswegs unbekannt. Erst als die missionsgeschichtlich bedingte Einrichtung des "Abtbischofs" allgemein aufgegeben wurde (987), machte man das Dom- und Erzkapitel vom hl. Rupert in Salzburg zu einer eigenständigen juridischen Person. Erzbischof Konrad I. wandelte das Domkapitel 1122 in ein Kloster von Augustiner Chorherren um.

Das reformierte Erzkapitel

Bernhard von Clairvaux (verstorben 1153), ein großer Freund der Regularkanoniker in der Champagne, in Lothringen und in Burgund, förderte die Umformung von weltlichen Kollegiatskapiteln in Regularkanoniker, wo er konnte. Die diesbezüglich auffallendste Konversion war die Reform der Stiftsherrn in Vorles/Châtillon, bei denen er in die Schule gegangen war. Er war ein Freund Norberts von Xanten (verstorben 1134) und Zeitgenosse Gerhochs von Reichersberg. Bernhard formulierte die diesbezüglichen gregorianischen Reformideen und die Hoffnungen der religiösen Bewegungen seiner Zeit wiederholt mit Hilfe seiner Hochzeitsallegorese: Der göttliche Bräutigam habe für seine Braut, die Kirche, in jenen schwierigen Zeiten zwei besondere "Morgengaben" bereitgestellt: Zuerst als Bekleidung für den Winter die Kukulle der Reformmönche als Sinnbild der Zurückgezogenheit, Einkehr und Demut (mit einem Wort der humilitas), sozusagen das Weihnachtsgeheimnis; dann die farbenfrohe Kanonikerkleidung mit dem adeligen Hermelin als Sinnbild der apostolischen Zuwendung, der Auferstehungsfreude und der Glaubensverkündigung (mit einem Wort der caritas), sozusagen das Ostergeheimnis. Die dunklen Pelzschwänzchen auf den Kanoniker Hermelinen stünden für die feurigen Zungen der Apostel, welche die Osterbotschaft laut verkündeten.

In dieser Ideenwelt lebte auch der gelehrte Augustiner Gerhoch, als er vom Reformzentrum Rottenbuch in Oberbaiern, über Regensburg/Stadtamhof (St. Mang), Passau/St. Nikola und schließlich Reichersberg am Inn von Erzbischof Konrad I., Graf von Abensberg (1106–1147) nach Salzburg berufen worden war. Er sollte 1122 behilflich sein, das Domkapitel zu regulieren und zu einem Mutterkloster einer ganzen Chorherren-Kongregation von 14 bzw. 17 mehr oder weniger affiliierten und unterstellten Propsteien zu machen. Es waren dies: Suben, Reichersberg am Inn (Passau), Au, Gars, Weyarn am Salzburger Innbogen, Höglwörth und St. Zeno Reichenhall im "baierischen" Anteil Salzburgs, Bischofshofen im Pongau und Zell am See im Pinzgau, Maria Saal und Gurk in Kärnten, Seckau und Vorau in der Steiermark - und das Salzburger Domkloster; dazu wurden die künftige Fürstabtei Berchtesgaden und Baumburg am Innbogen affiliiert.

Die Salzburger Reform diente auch für andere Klöster als Vorbild in der Observanz (etwa für Ranshofen, Waldhausen und Klosterneuburg). Der Erzbischof, der eines der größten Bistümer des Reiches zu verwalten hatte, gedachte künftig, seine bischöflichen Aufgaben gleichsam als Generalabt einer Chorherrenkongregation auszuüben, nachdem es im Bereich des Salzburger Bistumssprengels den Erzbischöfen relativ früh gelungen war, die Eigenkirchenrechte der Laien in die eigene Hand zu bekommen. Eigentlich hatte diese Entwicklung schon mit der Eigenkirchenpolitik Bischof Virgils (745–784) begonnen. Der Erzbischof nahm selbst den Ordenshabit, was damals mehr galt als eine bloße Äußerlichkeit. Er verzichtete damit im ersten Reformeifer auf die traditionell eigenkirchlichen Rechte des Hochstifts gegenüber seiner Klosterklientel; seine eigenen Maßnahmen führten aber eher zu einer weitgehenden Emanzipation der Klöster, auf deren Obedienz Salzburg vielfach nur mehr bei Synoden und ähnlichen Feierlichkeiten bestand - allerdings noch bis in die frühe Neuzeit hinein. Sogar bei Berchtesgaden mit seinem reichsrechtlichen Sonderstatus blieben diese symbolischen Bande. Es waren ausgerechnet Reformmönche im Salzburgischen Chrisam, die später darauf pochten, dem Erzbischof keine Obedienz zu schulden.

Um die Umwandlung des Salzburger Domstifts besser zu verstehen, empfiehlt es sich auch Werdegang und Motive des aus mittelfränkischem Adel stammenden Erzbischofs kurz zu berühren. Im bekannten Investiturstreit zur Zeit Gregors VII. und nachher bis zum Wormser Konkordat (1122) war der deutsche Episkopat gespalten. Die Mehrheit hielt zum Kaiser, jeweils eine Minderheit, zu der die Salzburger gehörten, zum Papst. Das war schon unter Erzbischof Gebhard der Fall. Bischof Altmann von Passau, ein Mitstreiter, war damals ein leidenschaftlicher Förderer der Chorherrenreform geworden. Konrad I. nahm noch als Anhänger Kaiser Heinrich V. 1111 am Romzug, an der Synode zu Sutri und an den turbulenten Ereignissen in Rom teil, als Pascal II. gezwungen wurde, die uneingeschränkte Laieninvestitur zuzugestehen. Diese unerhörte Demütigung des Papstes führte zu einer Entfremdung zwischen Konrad und dem Kaiser. In der Folge musste er eine über zehnjährige Verbannung in Tuszien, in Admont und in Halberstadt bei Bischof Reinhard auf sich nehmen. 1111 hatte Konrad schon vergeblich eine Reform des Salzburger Kapitels versucht, indem er an der Reformunwilligkeit der Betroffenen und den Ministerialen, deren weltlichem Anhang, gescheitert war. Nachdem Worms (1122) theoretisch einen Kompromiss, praktisch aber einen Sieg der Laieninvestitur gebracht hatte, weigerte sich der Erzbischof, die Regelungen anzunehmen und setzte neben dem umsichtigen Ausbau eines Burgensystems und einer Modernisierung der Verwaltung energisch auf die "innere" Emigration, nämlich den späten Gregorianisrnus. Das war seine erstrebte Priesterreform auf dem Weg über die reformierten Kapitel. Er ging ziemlich konsequent vor und tauschte reformunwillige Kanoniker gegen reformbereite aus, die er etwa auch vom Rhein (und von Limburg, d. h. aus Klosterrath bei Aachen und aus Springiersbach an der Mosel) kommen ließ. Tatkräftig wurde er unterstützt: vom Regularpropst Gerhoch von Reichersberg, von Bischof Roman I. von Gurk und dem sel. Domdekan Hartmann, in der Folge Propst von Chiemsee und Klosterneuburg und Bischof von Brixen.

Konrad plante auf dem Areal des heutigen "Kapitelplatzes" an der Südseite des dann von seinem Nachfolger Konrad III. ausgeführten spätromanischen Dornes eine großzügige Klosteranlage. Sie bestand aus drei Teilen, einem für das Stiftskapitel, einem für die Laienbrüder und dem dritten, den an die heutige Franziskanerkirche anschließenden, für die Chorfrauen. Der heutige Domplatz hieß damals deretwegen "Frauenplatz". Jedem der drei Stände wurde ein eigener Kreuzgang bereitgestellt. Die Augustinerinnen verrichteten in der damaligen Stadtpfarrkirche (Franziskanerkirche) ihren Gottesdienst. Der Salzburger Codex 1482 aus dem 12. Jahrhundert in der Wiener Nationalbibliothek enthält Chorherrenstatuten, deren Text auf den bedeutenden Rechtsgelehrten und Kanoniker, den hl. Ivo von Chartres (verstorben 1116), zurückgeht. Sie sind so allgemein gehalten, dass sie je nach Bedarf äußerst anpassungsfähig waren. Für Historiker sind sie allerdings weniger ergiebig. Die regulierten Chorherren, normalerweise 24 an der Zahl, die in Krisenzeiten jeweils sogar bis auf nur sieben reduziert wurde, hatten ein gemeinsames Dormitorium wie etwa auch die Ordensritter auf ihren Burgen. Die adeligen Herrn mussten mit insgesamt vier Dienern auskommen, zwei für den privaten Bedarf und zwei für den Tischdienst im gemeinsamen Refektorium. Ein wichtiges Amt hatte der Spitalmeister (Hospitalarius) bei St. Johann (Kapitelgasse/Kaigasse) inne. Die Errichtung des Spitals durch den Erzbischof wurde 1143 beurkundet. Daneben gab es noch den Magister infirmariae, den Aufseher über die Krankenabteilung innerhalb der Klausur. Eine Seltenheit war der Oblajar, der Verwalter der Messstiftungen. Immer wieder sind Kustoden genannt. Die Ämter des Scholasticus (des Schulmeisters bzw . Novizenmeisters, wie spätere Zeiten gesagt hätten) und des Kantors wurden 1243 besonders dotiert. Beide standen sie für Wissenschaft und Kunst.

Die Kanoniker wurden im Sinne der Regel des hl. Augustin auch zur Handarbeit angehalten. So verursachte eine Metallschmelze in einer der Werkstätten 1127 den Dombrand. Die Kapitulare bekamen ein "peculium", das im späten Mittelalter (1366) 200 Gulden betrug. Dazu kamen Chorgelder als Anreiz für die persönliche Teilnahme am Offizium. Am 28. Oktober 1427 bestätigte Martin V. eine Neuregelung zur Verteilung der Pfründenerträgnisse. Die Chorherren waren aber rechtlich keine Pfründeninhaber. Für studierende Domicelli gab es im allgemeinen keine kirchlichen Pfründe, was sonst eher üblich war.

Mit der Erlahmung des regulären Geistes am Ende des Mittelalters wurde die Eigentumslosigkeit immer mehr zum Problem. Da der Dompropst seine Disziplinargewalt streng ausübte, wurde die Residenzpflicht im Unterschied zu später sehr ernst genommen. Dadurch wurde die viel beklagte Ansammlung von Ämtern und Pfründen verhindert. Die strenge Beobachtung des Gehorsamsgelübdes wurde von den meisten Kapitularen eher als ein Segen denn als ungebührliche Beschränkung der Freiheit verstanden. Nur zum Beginn der Neuzeit lechzten manch jüngere Domherrn nach den Freiheiten, von denen sie aus der Begegnung mit den benachbarten Kapitularen Bescheid wussten. Das Institut der Chorfrauen, das rechtsgeschichtlich noch an die Doppelklöster der "vita apostolica"-Bewegung des 12. Jahrhunderts erinnert, löste erst der Erzbischof Burckhard II. von Weißpriach (1462) auf. Das Kapitel bekam einträgliche Pfarren - vor allem im Lungau. Das Domkloster übernahm die bislang von St. Peter in der Michaelskirche ausgeübten Pfarr- und Begräbnisrechte in der Stadt Salzburg. Durch den Regularstatus des Salzburger Domkapitels stammten die weitaus meisten Erzbichöfe aus dem Kapitel, wobei sich die Pröpste als prädestinierte Anwärter auf das Amt des Fürsterzbischofs fühlten. Nicht nur der päpstlichen Kurie, auch dem Kaiser glückte es nur selten, den Erzstuhl mit einem direkten Protege zu providieren, so 1481 mit Johann von Gran. Als des Kaisers Besetzungspolitik bei Kardinal Lang erfolgreich wurde (1514), war es auch mit dem Regularstatus zu Ende.

Die Säkularisierung

Die erwähnten Vorteile des Salzburger Propriums eines Augustinerchorherren-Stiftes, das gleichzeitig für die Dauer von 400 Jahren als Domkapitel gedient hatte, wurden noch lange nach der Aufhebung deutlich gesehen. Die "Zimmerische Chronik" des 17. Jahrhunderts überliefert die volkstümliche Bezeichnung des Salzburger Domstiftes als das "geistlichste Kapitel in deutschen Landen". So lautete die bekannte Eingabe der Salzburger Landstände bei Erzbischof Leonhard von Keutschach 1513: Die ganze Kirchenprovinz habe durch das "ehrbare und geistliche Leben in ihrer Domkirche" gewonnen. Durch die Aufhebung drohte ein großes Ärgernis beim "gemeinen Mann", der sich die Gründe für die Aufhebung nicht erklären könne. Die Abschaffung der Ordensobservanz würde einem "ungeordneten Leben" in den benachbarten Domkapiteln Vorschub leisten. Die freie Wahl der Erzbischöfe sei dann nicht mehr gewährleistet. Denn die Ordensregel habe das Eindringen von päpstlichen und kaiserlichen Günstlingen verhindert. Sollte es dem Erzbischof gelingen, das "drohende Unheil" der Säkularisation abzuwenden, würden Seiner "fürstlich Gnad von dem heilligen lieben Augustin, Sant Ruprecht und Virgilien den Lohn und von der ganzen Landschaft groß Lob und Danck empfangen." Gegenüber dem Papst argumentierten die Stände am 25. April 1513 mit dem Konkordat von 1448, den "Kompaktaten der deutschen Nation": Die Aufzwingung eines Koadjutors gegen den Willen des Erzbischofs und des Kapitels verstoße gegen zwischenstaatliches Recht und sei demnach rechtswidrig.

Das regulierte Erzkapitel war keineswegs in schlechtem moralischen Zustand und deshalb reif für eine Liquidierung. Allerdings wehrte sich eine qualifizierte Minderheit heftig gegen den Regularenstatus – und nicht nur aus den eben angeführten kirchenpolitischen Gründen. Der Erzbischof, selbst ein überzeugter Chorherr und ehemaliger Propst von Eberndorf an der Drau, verhinderte die Durchführung der Säkularisation bis zu seinem Tod 1519. Der Medicipapst Leo X. musste ihn dazu noch sanft ermahnen, nachdem die diplomatische Mission des Ordensvikars der Augustinereremiten Johannes Staupitz, bekanntlich des Lehrers Martin Luthers, in Rom gescheitert war. Leonhard hatte das durch Krieg und Misswirtschaft zerrüttete Hochstift wieder durch größte Sparsamkeit und kluge Wirtschaft saniert. Nun erfolgte in seinen Augen ein Dammbruch von einer Seite, an die er am allerwenigsten gedacht hätte. Der Erzbischof verfügte, dass er im Augustinerhabit begraben würde. Anhänger der alten Ordensidee wie der Dompropst Rudolf von Kienburg (Kuenburg) erwirkten sich sogar noch in Rom als Bekenner die Erlaubnis, unter ihrer Kanonikerrobe den Ordenshabit zu tragen. Er führte ein besonderes Gelübde anlässlich einer schweren Krankheit ins Treffen. Der Kapitelsenior Balthasar von Stubenberg war der einzige, der sich sogar weigerte, den Vertrag mit Kardinal Lang zu unterschreiben. Er verschloss sich auch, den "neuen" nepotistischen Gepflogenheiten nachzugeben und einen Neffen für sein Kanonikat namhaft zu machen.

Salzburg vom Kapuzinerberg, Federzeichnung von 1553
Erzarbtei St. Peter, Salzburg

Die Befürworter der Säkularisation führte der Domdekan Andreas von Trautmannsdorff an. An ihm ließ Leonhard Tornator, der Chronist von St. Peter, kein gutes Haar: Er habe Habit und Regel des hl. Augustinus eine "Phantasterei" genannt. Polemisch, vielleicht auch un gerecht, aber auch nicht ganz unr ealistisch hieß es: "Sie zögen den Habit aus, um leichter ihrem Fleische frönen zu können." In Wirklichkeit lockten echter Pfründenbesitz, Ämterhäufung, Lockerung der Residenzpflicht, Palais, eigener Haushalt, adeliger Lebensstil, Stammbaum, Adelsprestige, dazu weltliche Würden und Ämter und – der Vergleich mit benachbarten Kapiteln und den Möglichkeiten, die man dort besaß. Der greise Erzbischof machte mit Recht einzig und allein die Uneinigkeit der Kapitulare dafür verantwortlich, dass der Humanistenfreund und Diplomat von europäischem Format, Matthäus Lang von Wellenburg 1514 Koadjutor von Salzburg und damit prospektiver Nachfolger des Erzbischofs Leonhard wurde. Dabei hatte der intelligente Renaissancemensch und Emporkömmling Lang die schwache Stelle des Regularkapitels blitzartig erkannt, um die uralte Kunst des "Divide et impera!" zu üben. Die Säkularisationsbulle Leo X. war mit 22. September 1514 erlassen worden und hätte binnen Jahresfrist (am 18. September 1515) durchgeführt werden sollen. In diesem Zusammenhang würde es wohl zu weit führen, die Ereignisse von Salzburg als "Reformation vor der Reformation" zu bewerten. Der Vorgang war harmlos, wenn man ihn etwa mit der reformationsbedingten Säkularisation des preußischen Ordenslands vergleicht (1525). Aber eine gewisse Umwidmung von zweckgebundenem Kirchengut war doch insofern gegeben, als der Kanoniker neuen Rechts nach 1514 immer mehr in weltlichen Regierungsgeschäften aufging und immer weniger für die eigentlich geistlichen Aufgaben zu verwenden war. Einige Jahrzehnte später musste das Konzil von Trient "labore improbo" gegen Pfründenkumulation und für die Residenzpflicht streiten, welche die Salzburger für ein Linsenmus verspielt hatten. Sie waren kaum mehr für die großen geistlichen Aufbrüche, die im Kommen waren, zu gebrauchen. Die Trienter Dekrete wurden auf anderen Wegen als über das Adelskapitel ausgeführt. Im Zuge der nachtridentinischen Reform wurde die Rede vom unreformierbaren Erzkapitel gang und gäbe. Das war nicht nur als polemischer Topos gemeint.

Schule und Wissenschaft

Heinz Dopsch betont, dass die Wissenschaftspflege des Regularkapitels im Schatten der Salzburger Benediktiner zu St. Peter gestanden sei. Man wird sich diesen Beobachtungen nicht ganz verschließen können. Jedoch sei eine Erklärung versucht, die sich aus dem Vergleich ähnlicher Institutionen u. a. auch ergibt. Zur Pflege der Wissenschaft gehören Traditionen, Kulturpolitik, Talent und Stille. Man kann zeigen, dass bedeutende Fürstabteien, große Bistümer mit deren Kapiteln und etwa tätige Ritterorden mit einem weitverzweigten Vermögensstand ihre begabtesten Mitglieder vielfach für Verwaltungsaufgaben einsetzen mussten, sodass dem einzelnen zum Bücherlesen und -schreiben wenig Zeit blieb.

Die Salzburger Chorherren hatten vielfältige Verwaltungsaufgaben zu übernehmen, auch wenn die Hofmeister, Hofrichter, Pfleger, Vizedome, Kastellane und andere Amtsleute meist von Laien gestellt wurden. Sie waren auch in der fürsterzbischöflichen Diplomatie und in der Verwaltung des Hochstifts tätig. D. h. mit anderen Worten, die Chorh erren mit Begabung und Vorbildung wurden eher von der entsagenden Arbeit der Studierstube und Bibliothek durch die Geschäfte dieser Welt abgehalten. Trotzdem war die Domschule im 12. und 13. Jahrhundert sehr angesehen, war doch auch die Zeit der Universitäten Prag, Wien, Leipzig und Avignon noch nicht gekommen.

Auch unter dem Babenberger Konrad II. (1164–1168), der selbst in Paris und Chartres studiert hatte, erfreute sich die Lehranstalt guten Zuspruchs – vor allem für Studierende, die der päpstlichen Partei anhingen. Erzbischof Eberhard I. (1200–1246) der selbst Scholasticus in Bamberg gewesen war, berief tüchtige Lektoren aus jenem Erzbistum an die Kapitelschule. Eberhard II. (1247–1264) übertrug die Ämter des Scholasticus und Kantors definitiv dem Regularkapitel mit dem strengen Auftrag der Jugenderziehung, nachdem eine gewisse Ermattung im Lehrbetrieb eingetreten war. Er berief auch bereits einen Dominikaner in den Lehrkörper – aus einem Orden, der nie direkt in Salzburg Fuß fassen konnte (außer mit den sog. Termineien ordenseigener Stadthäuser), aber trotzdem Räte des Fürsten stellte und so bis in die Neuzeit hinein eine wichtige Rolle spielte. Eine nicht unbedeutende Quelle zur Geschichte des späten Investiturstreits zur Zeit Friedrich Barbarossas und Alexander III. schrieb 1170 der Chorherr Heinrich, Archidiakon von Unterkärnten: "Historia calamitatum ecclesiae Salisburgensis".

Wirtschaftliche, rechtliche und soziale Verhältnisse

Wirtschaftliche Verhältnisse

Der in Österreich übliche Begriff "Stift" und "Stifte" für die Prälatenklöster erinnert daran, dass es im Mittelalter bis zur Entstehung der Bettelorden weder Mönche noch Chorherren gab, die ohne eine entsprechende materielle Grundlage der Versorgung, nämlich die "Stiftung", ausgekommen wären. D. h. die Freigebigkeit, Einsicht und Möglichkeit von Stiftern war die Voraussetzung für die Entstehung einer ganzen Klosterlandschaft. Es ist daher kein Zufall, dass mit der ersten Nennung eines selbständigen Salzburger Domkapitels (925) auch erstmalig urkundlich belegt ist, dass das Domstift neben dem Besitz von St. Peter und dem Erzstift über eine eigene Ausstattung verfügte, über die es bereits als juridische Person rechtmäßig verfügen konnte. Daran hatte auch durch die Einführung der Kanonikerreform (1122) nichts geändert. Es scheint im Gegenteil sogar so, dass die Reformer als Befürworter des "gemeinsamen Lebens" und des Verzichts auf Privateigentum größten Wert darauf legten, dass das Wirtschaftsgebaren des Kapitels besser überprüfbar wurde. Deshalb ist aus diesen Jahren das erste Traditionsbuch der Reformkanoniker mit insgesamt 372 Eintragungen erhalten. D. h. das Kapitel konnte erstmals seinen gesamten Besitz in Evidenz halten und natürlich auch gegen Entfremdung schützen. Vor allem bewahrte man aber so den jeweiligen Wohltätern ("benefactores") und Stiftern ein liturgisches Andenken im Offizium und in regelmäßigen Requiemmessen. Die "vita communis" bedeutete ja auch, dass von jetzt an nicht mehr jeder Kanoniker für sich seine eigene Pfründe nutzte und betreute, sondern das zweckgebundene Kirchengut gemeinschaftlich verwalten ließ. Dabei war es von Interesse für die Gemeinschaft zu wissen, mit welchen Einkünften das Kapitel jährlich überhaupt zu rechnen hätte.

Bevor die Gegenüberstellung von Besitz und jährlichen Erträgnissen in den bekannten Urbaren (ab 1392) systematisch aufgezeichnet wurde, gibt es schon im Traditionsbuch (zu 1210) das älteste Verzeichnis der Einkünfte des Domkapitels in seinen Ämtern im Lungau. Die waren beträchtlich und übertrafen in diesem Gau die des Erzstifts bei weitem. Der Grundstock für den Lungauer "Kirchenstaat" wurde noch vor der Kanonikerreform bezeichnenderweise durch Heinrich II. (1002) gelegt. Diesen kennen wir sonst als Gründer des Hochstifts Bamberg. Für ihn war die Entwicklung des Salzburger Domstifts aber auch kein unwesentlicher Bestandteil seiner kirchlichen Reichspolitik und seines kaiserlichen Wächteramtes. Durch entsprechende Schenkungen und Käufe wurde der Besitz so abgerundet, dass das Augustiner-Chorherrenstift zu Beginn des 13. Jahrhunderts in fünf Ämtern jeweils von einem Pfleger verwaltet werden konnte. Man nannte den stiftischen Besitz die "befreiten Winkeln", weil Höfe und Orte aus verschiedenen Herrschaften in die Ägide des Domkapitels übergegangen waren: Diese Ämter waren St. Michael, Weißpriach, Althofen bei Mariapfarr, Göriach und Judendorf. 1514 war die Zahl der fünf Ämter auf neun angestiegen: Murwinkel, St. Michael, Kendlbruck, Weißpriach, Sondergut, Göriach, Althofen, Judendorf und Mauterndorf. Das Kapitel war demnach der größte Grundherr im Lungau. Es übte relativ geschlossen die niedere Gerichtsbarkeit durch einen Hofurbarrichter aus. Das Blutsgericht verblieb allerdings beim Hochstift. Todeswürdige Verbrecher mussten an den erzbischöflichen Vizedom ausgeliefert werden.

Sukzessive wurde Mauterndorf zum Zentrum der Verwaltung, der Wirtschaft und der Gerichtsbarkeit ausgebaut. Das Schloss wurde errichtet, in dem ein stiftischer Pfleger wie in einer Hauptstadt residierte. Mauterndorf war die älteste bekannte Zollstätte in den Ostalpen überhaupt. Deren wirtschaftliche Bedeutung war schon Heinrich II. bei seiner Stiftung von 1002 bekannt. Dazu gewährte Kaiser Friedrich II. (1217) dem Salzburger Domkapitel das Recht der Markterhebung (1227). Die Marktgemeinde war die einzige in Salzburg, die nicht dem Erzbischof unterstand, und gehörte zu den Landständen mit Sitz im Landtag. Nach Heinz Dopsch war das stiftische Mauterndorf zeitweise der größte und bedeutendste Markt im Erzstift Salzburg. Grund dafür war, wie gesagt, der uralte Handelsweg zur Überquerung der Tauern, auf dem schon der hl. Severin von Ufernorikum nach Binnennorikum gezogen war. Hier nächtigten Fernhändler aus Nord und Süd mit ihren Karawanen und Lasttieren. Hier bezahlten sie ihre Maut und ließen so beträchtliche Summen Geldes zurück. Dazu kam die Vermarktung der Bergbauprodukte aus dem Murtal.

Eine Kuriosität war der namhafte Grundbesitz in Friaul (San Odorico am Tagliamento), den Graf Friedrich der Eppensteiner schon früh (1058) gestiftet hatte, den aber das Kapitel nicht lange zu halten vermochte. Der übrige Streubesitz des Domstiftes außerhalb des Lungaus war in neun Ämtern zusammengefasst: Abersee, Abtenau, Ennstal (um Haus), Radstadt , Gaißau, Kuchl (Taugl), Pinzgau, Pongau und Salzburg-Stadt. Ähnlich wie in Mauterndorf (Lungau) besaß das Domkapitel dazu Herrschaftsrechte außerhalb der Salzburger Hoheit zu Arnsdorf in der Wachau und Traismauer an der Traisen, wo heute noch das Salzburger Schloss zu sehen ist, zwischen Tulln und Krems. Das Domstift besaß Weingärten in der Gegend von St. Pölten, Krems und Melk, die jeweils einem Hofmeister, zeitweise auch einem geistlichen, unterstanden. Hans Wagner verweist darauf, dass die Chorherren mit ihrem "Arnsdorfer Wein" durchaus zufrieden waren, bis die "Säkularisierten" kamen und über seine Säure klagten.

Die Führung und ständige Überprüfung der Urbare war bis zur Auflösung des Ordensstatus (1514) die vordringlichste Verwaltungstätigkeit des Dompropstes. Er trug innerhalb des Kapitels die Verantwortung dafür, dass die Finanzen stimmten, salopp ausgedrückt. Er verwaltete innerhalb dieses Gemeinwesens von Augustiner-Religiosen eine Art von "Rechnungshof". Die tägliche Urbarverwaltung führten innerhalb des Kapitels der Kustos, der Kämmerer und der Kellermeister. Jährlich gab es ein "Stifttaiding" unter Vorsitz des Urbarpropstes, auf dem sich die Amtsleute ("officiales") trafen, Rechenschaft ablegten und der Lösung anstehender Fragen harrten.

Die Höfe und Güter wurden von bäuerlichen Eigenleuten bewirtschaftet, deren Abgaben und Dienste an das Domkapitel genau geregelt waren. Das alles konnte, kodifiziert im Stiftrecht des Salzburger Domkapitels, jeweils nachgeprüft werden. Zu den stiftischen Eigenleuten gehörten bis ins 13. Jahrhundert auch Angehörige des städtischen Bürgertums – etwa in der Salinenstadt Reichenhall. Die Domherrn hatten im 12. Jahrhundert auch eine wehrfähige Ministerialität, die aber bald vom Hochstift übernommen wurde. Das Domstift bewahrte sich durch die Jahrunderte einen gebührenden Anteil am Salinenwesen Salzburgs. Als es mit den Chorherren von Berchtesgaden im 12. Jahrhundert zu einem Rechtsstreit um das Halleiner Salz kam (am Tuval bzw. Gutratsberg), vermittelte der Erzbischof durch eine Drittelung der Gottesgabe für alle drei Anrainer, Berchtesgaden, Domstift und Hochstift (1198). 1237 gestattete außerdem Eberhard II. den Chorherren, zusammen mit den Zisterziensern aus Salem am Bodensee, das Sudhaus Oberhof in Hallein zu betreiben. Bis ins Jahr 1530 baute das Kapitel das Salz mit Hilfe der Zisterzienser ab. Wenn im Volksmund die Redeweise blieb "Unterm Krummstab ist gut sein!", so gilt das sicher besonders auch für die wirtschaftliche Berechenbarkeit des Domstiftes als einer Grundherrschaft und seine durch Jahrhunderte gepflegte Rechtskultur.

Rechtliche Verhältnisse

Die Kanoniker erfreuten sich des praktisch unangefochtenen Rechts, den Erzbischof und Landesfürsten – meist aus ihren Reihen – zu wählen, bei Erledigung des Erzstuhls das Land zu regieren und vertraglich abgesicherte Bedingungen an den Kandidaten zu stellen (die sog. Wahlkapitulationen). Im Wormser Konkordat (1122) hieß es noch formelhaft, Klerus und Volk wählten den Erzbischof, bevor ihn der Kaiser mit dem Stift belehnen würde. In Wirklichkeit wählten nach 1246 nur mehr die Kanoniker. Im Sinne einer Prinzipienverwahrung pflegte die Kurie den Neugewählten nicht anzuerkennen, gab aber praktisch in der Regel immer nach. Eine Doppelwahl wie die 1403 zur Zeit des Abendländischen Schismas war damals ein gesamtkirchliches Problem, das für Salzburg nicht zu überschätzen ist. Selbst die Wahl des kaiserlichen Kandidaten Johann III. Beckenschlager (von Gran: 1481) kam nicht ohne eine Minorität von wählenden Domherrn zustande. Bei Sedisvakanz hat en die Domherrn die volle Regierungsgewalt über das Land Salzburg inne. Solch eine Machtfülle war bei Ordensleuten sicher einzigartig und fand sich höchstens noch in souveränen Ritterorden. Das Kapitel hatte auch das Nominationsrecht bei den auswärtigen Propstwahlen in Weyarn, Suben und Höglwörth inne.

Immer wieder stammten auswärtige Pröpste und Bischöfe aus dem Salzburger Kapitel. Auffallend viele Bischofskandidaten auf den Suffragansitzen kamen aus dem Erzkapitel wie aus einer Bischofsschmiede. Die Salzburger Kapitulare bildeten ohnedies die bevorzugten Kandidaten für die verbriefte Besetzung der innerösterreichischen Bistümer (Gurk, Seckau, Lavant), sie schlugen aber wiederholt die „Zwetschkenbistümer", wie sie z. B. Lavant nannten, wegen der geringen Bedeutung aus. Diese Zurückhaltung war allerdings keine Salzburger Besonderheit. Sie findet sich auch anderswo. Der Dompropst fungierte seit 1139 als Archidiakon für die Pfarreien des Rupertiwinkels und die übrigen Salzburger Gaue. Erst 1478 musste er die Präzedenz an die Eigenbischöfe (Gurk, Seckau, Lavant und Chiemsee) abgegeben. Allerdings erfreuten sich noch im 16. Jahrhundert die Kapitularen von St. Peter der Präzedenz vor den Kanonikern, den Propst ausgenommen. Das war eine Salzburger Besonderheit und geschichtliche Reminiszenz der bedeutenden Vergangenheit in der Diözesanverwaltung, auf welche das Mönchskapitel in den ersten Jahrhunderten zurückblicken konnte. Dadurch, dass sich der Erzbischof das Vogteirecht vorbehielt, konnte sich das Kapitel von allzuviel Einmischung der Laien schützen. Das alte Vogteirecht wurde wie bei den Reformmönchen ein freigewähltes Defensorenamt. Während andere Kapitel dieser Art wie etwa das Mainzer bereits nach 100 Jahren wieder ihren Ordensstatus aufgaben, behielten diesen die Salzburger mit ihren Eigenbistümern bis zum Vorabend der Reformation. Zur Aufnahme in das Kapitel genügte nach allgemeinem Recht das Subdiakonat; die Salzburger verlangten hingegen die Priesterweihe zur Erlangung der vollen Kapitelrechte, d. h. vor allem des aktiven und passiven Wahlrechts. Das Recht der Pontifikalien wurde dem Dompropst schon im Jahre 1233 verliehen.

Soziale Verhältnisse

Die personelle Zusammensetzung der Regularkanoniker spiegelte die Universalität der Gesamtkirche. Ihre ritterbürtigen Familien stammten etwa in der gleichen Zahl aus Bayern und aus den österreichischen Erblanden, weniger aus den hochstiftlichen Salzburger Gauen. Im 14. Jahrhundert sind nur zwei – allerdings promovierte – Nichtadelige bezeugt: der Reichenhaller Pilgrim Laubez und Karl Muschopf, stiftungsfreudiger Patrizier aus Regensburg. Dazu kamen noch drei nicht näher bekannte bürgerliche Domherrn, zwei aus Wien und einer aus Kraiburg am Inn. Das ist aber nichts Besonderes, weil im späten Mittelalter ein höherer Universitätsgrad dem Adelsbrief gleichgesetzt wurde. Außerdem brauchte ein Kapitel auch ausgebildete Kanonisten, was vor allem ab dem 15. Jahrhundert immer spürbarer wurde. Die bürgerlichen Kapitulare stammten alle, wenn der Anschein nicht trügt, aus wohlhabenden Geschlechtern bzw. aus dem städtischen Patriziat. Die Salzburger Kanoniker finden sich mit denen aus anderen Diözesen bei Gesandtschaften, an Reichstagen und sonstigen diplomatischen Missionen wieder. Etwa ein Drittel der Domherrn hatte nach 1300 an einer Universität studiert, die meisten von ihnen (nämlich 27 Kapitulare) studierten in Wien, sieben auch in Bologna, dazu auch in Paris, in Prag, in Avignon und in Leipzig. Das war für adelige Kapitel damals vergleichweise viel.

Bau- und Kunstgeschichte

Baugeschichte

Als Erzbischof Konrad I. 1122 die "vita communis" im Domstift Salzburg einführte, errichtete er für Kleriker, Laien und Domfrauen drei zusammengeschlossene Klosterbereiche. Diese erstreckten sich an der Südseite des frühmittelalterlichen Domes, eines dreischiffigen Saalbaues mit langgestreckter Apsis und Eingangshalle im Westen, an die Konrad zwei Türme anbauen ließ. Nach der Weigerung Konrads II., den von Kaiser Friedrich I. erhobenen Gegenpapst Paschalis anzuerkennen, wurde die Stadt Salzburg 1167 von den Pfalzgrafen überfallen und in Flammen gesetzt, Dom und Klöster wurden dabei vernichtet. Die spätromanische, monumentale Gestalt des Domes in der Stadtansicht von 1553 geht auf den Neubau seit 1181 unter Erzbischof Konrad III. zurück. Man bekommt hier also ein ungefähres Bild vom Aussehen des regulierten Domstiftes vom Beginn des 13. Jahrhunderts bis zur Säkularisierung.

1956/58 und 1966/67 durchgeführte Grabungen haben eine genauere Rekonstruktion ermöglicht: ein sechsjochiges, eingewölbtes Langhaus von 73,5 m Länge grenzt an ein Querhaus von 57,5 m Breite mit Apsiden an den Stirn- und Ostseiten. Das hochragende Mittelschiff flankieren (nach F. Pagitz) zwei Seitenschiffe, im Süden bildet eine Kapellenreihe ein weiteres Seitenschiff. An die Vierung schließt der 22 m lange Chor mit Rundapsis an. Vom Hauptschiff aus führen zwei Abgänge in die dreischiffige Hallenkrypta, dem Bestattungsort der Bischöfe. Seitlich des achteckigen Vierungsturmes ragen zwei Rundtürme über der nördlichen und südlichen Querhausapsis empor. Die beiden hohen Westtürme mit der Eingangshalle sind noch aus der Zeit Konrads I. erhalten. Von den Vorgängerbauten des Domes unter Bischof Virgil (Weihe 774), Erzbischof Arno (785–821) und Erzbischof Hartwik (991–1023) wurden für den Konrad-III.-Dom die wesentlichen Baulinien und auch die Maßeinheiten des Langhauses übernommen, der Kirchenbau aber nach Osten hin noch etwas ausgedehnt. An das südliche Seitenschiff schließt unmittelbar der nördliche Kreuzgangarm des Konvents an. Im Westen des quadratischen Kreuzganges befindet sich die Propstei, im Osten das Kapitelhaus mit dem Dormitorium, weiters drei Kapellen, deren Funktion der Chronist Johann Stainhauser im beginnenden 17. Jahrhundert folgendermaßen beschreibt: die St-Augustin-Kapelle habe als Grablege der Pröpste gedient, in der 1442 geweihten Katharinenkapelle habe sich das Kapitel zur täglichen Lesung versammelt, in der 1223 geweihten Heinrichskapelle seien die Domherren zur Wahl der Erzbischöfe und der Dompröpste zusammengekommen. Das Frauenkloster ist nun räumlich getrennt an der Nordseite der Pfarrkirche (der heutigen Franziskanerkirche) angesiedelt. Nach der Säkularisation des Domstiftes ließ Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau infolge der irreparablen Brandschäden von 1598 schließlich den alten Dom vollständig abtragen und den frühbarocken Neubau nach Plänen von Vincenzo Scamozzi errichten. Seine Hauptachse ist gegenüber den geosteten Vorgängerbauten leicht nach Süden hin verschoben.

Bildende Kunst

Salzburg gehörte als geographischer Knotenpunkt durch das ganze Mittelalter hindurch zu den großen Zentren der bildenden Kunst im Hl. Römischen Reich. Schwierigkeiten bereitet es, die Kunstproduktion im Auftrag des Domstifts bzw. der schöpferisch tätigen Domherren von den Kunstaufträgen für den Erzbischof zu trennen. Weiters, in der Buchmalerei, zwischen den Schreibschulen der einzelnen Klöster zu differenzieren. Nach der Ausgliederung des Klosters St. Peter aus der Gesamtheit der Domgeistlichkeit Ende des 10. Jahrhunderts bildeten sich mit St. Peter und dem Domkapitel zumindest zwei unterschiedliche Entwicklungsströmungen in der Buchkunst heraus.

Auswirkungen des einflussreichen Schaffens des Salzburger Domskriptoriums zeigen sich in den Werken anderer österreichischer Chorherrenstifte bis nach Klosterneuburg. Den typischen flächigen Federzeichenstil des Domskriptoriums weisen zwei ganzseitige Zeichnungen auf, die den Text des aus fünf Nekrologen bestehenden Totenbuches des Domstiftes ergänzen. Es enthält Eintragungen von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts. Einzig erhaltenes Kunstwerk aus der Chorherrenzeit im heutigen Dom ist das bronzene Taufbecken (1321 von Meister Heinrich gegossen), das auf vier liegenden Löwen mit stilisierten Mähnen (um 1220) ruht. Die Außenwand des Beckens ziert ein reliefierter Fries aus 16 Rundbögen, in denen Bischofsfiguren stehen. Das Museum Carolinum Augusteum verwahrt – wahrscheinlich vom alten Dom – ein marmornes Marientympanon, entstanden um 1220. Eine zweiflügelige Holztüre von 1450 mit zwölf Reliefs (Maria mit Kind, Johannes d. T. und zehn Apostel) wurde von Erzbischof Wolf Dietrich in die Salzburger Kapuzinerkirche übersetzt.

In den Quellen wird hinsichtlich der Ausstattung des mittelalterlichen Domes von Wand- und Glasmalereien berichtet, 1219 von der Weihe des Johannesaltars in der Krypta, 1201 wird ein Rupertialtar vor dem Lettner erwähnt. Immer wieder richteten Feuersbrünste große Schäden an. 1393 stiftete Erzbischof Pilgrim in der ehemaligen Nikolaikapelle eine neue Kapelle mit sechs Altären und sechs Benifizien. Erzbischof Gregor Schenk von Osterwitz (1396–1403) ließ eine große Orgel über dem Westeingang einbauen und eine neue Kanzel aufstellen. Erzbischof Sigmund I. von Volkersdorf (1452–1461) beauftragte Stefan Krumenauer, das Westportal aufzuführen. Mehrere Erzbischöfe beauftragten ihre Grablegen im Dom, so auch Leonhard von Keutschach im nördlichen Seitenschiff. Die blühende Salzburger Plastik um 1500 reflektiert das Keutschachdenkmal auf der Festung Hohensalzburg.

Die Goldschmiedearbeiten des Domschatzes sind großteils verlorengegangen. So ließ Erzbischof Wolf Dietrich das bedeutendste silberne Kunstwerk, den Passionsaltar des Salzburger Goldschmieds Wolfgang Faust von 1466, einschmelzen. Viele Objekte der erzbischöflichen Silberkammer gelangten durch Großherzog Ferdinand III. von der Toskana, der während der napoleonischen Kriege vorübergehend das reichsfürstliche Gebiet des Erzstiftes Salzburg als Kurfürstentum erhalten hatte, nach Florenz in den Palazzo Pitti, z. B. sog . "Heiltümer", kostbar gefasste Naturmaterialien wie Greifenklauen oder Doppelpokale, die zu liturgischen Zwecken dienten. Wenige Stücke befinden sich noch im Salzburger Domschatz, darunter die ursprünglich über dem Taufbecken hängende Hostientaube, eine Arbeit aus Limoges um 1200, oder der sog. "Rupertikelch", ein Messkelch aus dem dritten Viertel des 13. Jahrhunderts.

Bibliothek

Der Handschriftenbestand des alten Regularkapitels betrug etwa die Hälfte der Manuskripte, die das Augustinerstift St. Florian heute noch besitzt. Vom Ende des 12. Jahrhunderts ist ein erster Katalog mit 30 verzeichneten Handschriften erhalten. 1433 zählte der Bibliothekar Mag. Johannes Holveld 393 Handschriften, die mit Ketten an der Wand auf 18 Stellagen befestigt waren und auf bereitgestellten Stehpulten gelesen werden konnten. Mehr als die Hälfte der Bücher befassten sich mit Theologie, dazu kamen liturgische Handschriften und solche juridischen Inhalts. Geschichte, Philosophie und Literatur galten dagegen eher als Freizeitbeschäftigung und waren kaum vertreten. Historisches wird man wohl bei Tisch vorgelesen haben. Der wichtigste "Bücherlieferant" für das Domkapitel war die oberbaierische Reichsabtei Tegernsee. Durch deren Schreibschule kamen auch Wiener Scholastiker nach Salzburg. Die Exemplare befinden sich seit der Säkularisation zum Teil in der Erzabtei St. Peter (mit dem Totenbuch Cod aIX 7), teilweise in Paris (1801), Wien (1806, Consuetudines von Klosterrath) und München. Mit der Auflösung des Domklosters ging die Bibliothek keineswegs in den Besitz des Erzbischofs oder des neuen Domkapitels über, sondern wurde zunächst in alle Himmelsrichtungen zerstreut.

Peter Wind konnte schon vor einigen Jahren kompetent zeigen, dass die Benediktinische Schreibschule und die der "ecclesia maior" von Salzburg doch sehr unterschiedlich arbeiteten. Man habe viel zu vorschnell in Millstadt, St. Peter, Michelbeuern, Admont, bei den Petersfrauen mit ihrem berühmten Graduale oder beim Orationale vom Nonnberg und anderswo ohne Unterschied von "Salzburger" Provenienz und Einfluss gesprochen. Nach Wind wurde sehr wohl ein Unterschied nach Ordenszugehörigkeit gemacht. Das zeigte sich schon in den Kalendarien, wo eben die Ordensheiligen unterschiedlichen Rang einnahmen. Auch die Zusammensetzung der Autoren war von der Ordenszugehörigkeit beeinflusst, wenn nicht bestimmt. Bei den Chorherren findet sich daher viel Augustin und Theologen aus der augustinischen Tradition wie Honorius von Autun, Rupert von Deutz, Hugo von Saint-Victor in Paris u. a. Über die aus dem Salzburgischen "Territorium" Friesach in Kärnten stammenden Dominikaner, die Eberhard II., wie schon erwähnt , als Professoren der Philosophie und Theologie an die Kapitelschule gebracht hatte, kamen weiters die Scholastiker in die Bibliothek, und nicht zu vergessen, der neue Aristotelismus. Es fanden sich jetzt Peter Lombardus, Thomas von Aquin, Kommentare zu den Dekretalien und Formelbücher ein. Auch die Homiliare (Sermonare) in St. Peter aus dem 15. Jahrhundert stammen von den Chorherren. Zu den Augustinerbeständen gehörten ferner die Pastoralregel des hl. Gregor I. und der Volksprediger Berthold von Regensburg. Es hat den Anschein, als hätten die Chorherren auch mit ihrer Büchersammlung an die 19 inkorporierten Pfarreien mit ihren Vikaren gedacht.

Archiv

Was wir bei der Bibliothek und ihrem Schicksal beobachten konnten, gilt auch für die Archivalien. Heinz Dopsch beklagt, dass das Archiv der regulierten Domherrn ohnedies nicht sehr reich war und dass es offenbar fast zur Gänze im 19. Jahrhundert nach Wien ausgelagert wurde. Das Domkapitelarchiv fand demnach ziemlich geschlossen seinen Weg in das HHStA Wien, einiges auch in das BStA München. Die diesbezügliche Quellenlage könnte auch im Mittelalter besser gewesen sein. Hans Wagner interpretiert das als Folge des Religiosenstandes der Archivbesitzer.

Literatur

  • Heinz Dopsch: Geschichte Salzburgs - Stadt und Land, Mittelalter Band I/2: Vorgeschichte, Altertum, Mittelalter. Salzburg 1983, S. 1042–1047.
  • Heinz Dopsch: Das Domstift Salzburg. Von den Anfängen bis zur Säkularisation (1514). In: 900 Jahre Stift Reichersberg. Augustiner Chorherren zwischen Passau und Salzburg. Katalog der Ausstellung des Landes Oberösterreich, 26. April bis 28. Oktober 1984 im Stift Reichersberg am Inn. Hg. von Dietmar Straub. Linz 1984, S. 171–188.
  • Franz Fuhrmann: Salzburg in alten Ansichten. Salzburg / Wien 3. Aufl. 1981.
  • Christian Greinz: Die fürsterzbischöfliche Kurie und das Stadtdekanat zu Salzburg. Ein Beitrag zur historisch-statistischen Beschreibung der Erzdiözese Salzburg. Salzburg 1929, S. 62f.
  • Karl Friedrich Hermann: Erläuterungen zum Historischen Atlas der österreichischen Alpenländer. 2. Abteilung: Die Kirchen- und Grafschaftskarte, Teil 9: Salzburg. Salzburg 1957.
  • Kurt Holter: Die mittelalterliche Buchkunst der Chorherrenstifte am Inn. In: 900 Jahre Stift Reichersberg. Augustiner Chorherren zwischen Passau und Salzburg. Katalog der Ausstellung des Landes Oberösterreich, 26. April bis 28. Oktober 1984 im Stift Reichersberg am Inn. Hg. von Dietmar Straub. Linz 1984, S. 205–231.
  • Franz Hörburger: Salzburger Ortsnamenbuch. Bearb. von Ingo Reifenstein / Leopold Ziller. Salzburg 1982.
  • Ulrich Kopf: Kann man von einer Spiritualiät der Augustiner-Chorherren sprechen?. In: Die Stiftskirche in Südwestdeutschland: Aufgaben und Perspektiven der Forschung. Hg. von Sören Lorenz / Oliver Auge. Leinfelden-Echterdingen 2002, S. 141–158.
  • Franz Ortner: Salzburger Kirchengeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Salzburg 1988.
  • Franz Pagitz: Quellenkundliches zu den mittelalterlichen Domen und zum Domkloster in Salzburg. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 108 (1958), S. 21–156.
  • Franz Pagitz: Die mittelalterlichen Dome in historischer Sicht u. Versuch einer Rekonstruktion des Konrad-III-Domes, in: 1200 Jahre Dom zu Salzburg, 774–1974. Festschrift zum 1200jährigen Jubiläum des Domes zu Salzburg. Hg. von Hans Spatzenegger. Salzburg 1974, S. 31–62, 83–89.
  • Kurt Rossacher: Der Schatz des Erzstiftes Salzburg. Ein Jahrtausend deutscher Goldschmiedekunst. Salzburg 1966.
  • Johann Sallaberger: Kardinal Matthäus Lang. Salzburg 1997.
  • Teréz Gerszi (Bearb.): Die Salzburger Skizzenbücher des Paulus van Vianen. Mit topographischen Erläuterungen von Herbert Klein. Salzburg 1983 (Schriften des Salzburger Barockmuseums, 10).
  • Rudolf Schieffer: Die Entstehung von Domkapiteln in Deutschland. Band 2. Bonn 1982 (Bonner Historische Forschungen, 43).
  • Georg Schreiber: Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert: Studien zur Privilegierung, Verfassung und besonders zum Eigenkirchenwesen der vorfranziskanischen Orden vornehmlich auf Grund der Papsturkunden von Paschalis II. bis auf Lucius III. (1099–1181). 2 Bände. Stuttgart 1910.
  • Georg Schreiber: Gregor VII., Cluny, Cîteaux, Prémontré zu Eigenkirche, Parochie, Seelsorge. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abt. 45 (1947), S. 31–171. (Digitalisat)
  • Hermann Vetters: Die mittelalterlichen Dome in archäologischer Sicht: In: 1200 Jahre Dom zu Salzburg, 774–1974. Festschrift zum 1200jährigen Jubiläum des Domes zu Salzburg. Hg. von Hans Spatzenegger. Salzburg 1974, S. 73–82.
  • Hans Wagner: Das Domkapitel von Salzburg zur Zeit des Augustinerchorherrenstiftes 1122 bis 1514. Salzburg um 1958, Typoskript.
  • Hans Wagner / Herbert Klein: Salzburgs Domherren 1300–1514. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 92 (1992), 1–81.
  • Stefan Weinfurter: Salzburger Bistumsreform und Bischofspolitik im 12. Jahrhundert. Köln / Wien 1975 (Kölner Historische Abhandlungen, 24).
  • Peter Wind: Zum Skriptorium des Salzburger Domstifts (1122–1514). In: 900 Jahre Stift Reichersberg. Augustiner Chorherren zwischen Passau und Salzburg. Katalog der Ausstellung des Landes Oberösterreich, 26. April bis 28. Oktober 1984 im Stift Reichersberg am Inn. Hg. von Dietmar Straub. Linz 1984, S. 189–203.
  • Gerhard B. Winkler: Die nachtridentinischen Synoden im Reich. Salzburger Provinzialkonzilien 1569, 1573, 1576. Wien / Köln / Graz 1988.
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