Sacra.Wiki Stift Au-Gries

Stift Au-Gries

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Stift Gries, Ausschnitt eines Aquarells von L. Hörtmayr (1541)

Geschichtlicher Überblick

Das Augustiner-Chorherrenstift in der Bozner Au

Der Salzburger Reformkreis des 12. Jahrhunderts, der die Tradition der sogenannten Bischofsklöster aufgriff, brachte neben der Regulierung von bestehenden Domstiften etliche Neugründungen von Kanonikerstiften hervor. Hartmann, der als Domdekan das Salzburger Domstift reguliert und als Propst 1130 Kloster Herrenchiemsee reformiert hatte, wurde 1133 als erster Regularpropst in Klosterneuburg installiert. 1140 wurde er Bischof von Brixen. In kurzen Abständen entstanden damals in Südtirol drei Augustiner-Chorherrenstifte: Bischof Hartmann begründete in seiner eigenen Diözese 1142 mit einigen Mitbrüdern aus Klosterneuburg das Kloster Neustift; 1144/45 wurde St. Michael an der Etsch in der Diözese Trient (unter Bischof Altmann, ebenfalls aus dem Domstift Salzburg herkommend) mit Chorherren (vermutlich aus Suben) besiedelt; und wahrscheinlich nach 1163, sicher vor 1166, stiftete das kinderlose Ehepaar Arnold (III.) von Morit-Greifenstein und Mathilde von Vallay, Arnolds zweite Gemahlin, auf einem ihrer Gutshöfe in der Bozner Au das dritte in Südtirol, das – wie Neustift – von Klosterneuburg aus besiedelt wurde. Die Stiftungsurkunde ist nicht erhalten. Das Dokument vom 31. Oktober 1166 jedoch, das Kaiser Friedrich Barbarossa bei seiner Durchreise nach Italien auf Vermittlung des Trienter Bischofs Adalbert († 1172) ausstellte, bestätigt die Existenz des Stiftes sowie die Tatsache, dass nun die Eppaner Grafen Friedrich und Heinrich, Verwandte und Erben des Stifterpaares, die Rechte und Pflichten der Vogtei über das Stift in der Bozner Au wahrzunehmen haben.

Arnold von Morit-Greifenstein († 1166) war Vogt des Hochstiftes Brixen gewesen und verwaltete neben dem Kollegiatsstift Innichen und Neustift auch die Grafschaft Bozen. Mathilde († 1172) stammte aus dem Geschlecht der Vallay in Oberbayern, einem Seitenzweig der Grafen von Scheyern-Wittelsbach. 1173/74 bestätigte Papst Alexander III. offiziell seine geistliche Schutzherrschaft über das Stift in der Au.

Nach den Entdeckungen und Funden (infolge von Bauarbeiten und archäologischen Grabungen in den Jahren 1983, vor allem 1986) in der Bozner Au kann die Lage des Stiftes ziemlich genau angegeben werden: Die nach Osten hin ausgerichtete Kirche und der Kreuzgang liegen östlich bzw. unter jenem Abschnitt der Alessandriastraße, der sich zwischen der Baristraße und Genuastraße befindet. Die Ausgrabungsergebnisse zeigen weiterhin, dass das mittlere Kirchenschiff 21 m breit und wenigstens 29 m lang gewesen sein dürfte – beachtlich für eine Stiftskirche "auf dem Land" und für die damalige Zeit, ein dreischiffiger Bau, unterteilt von zwei Reihen einfacher Viereckpfeiler, mit halbkreisförmigen romanischen Apsiden, ohne Querschiff und ohne Krypta. Die Apsiden dürften überwölbt gewesen sein, während die Kirchenschiffe vermutlich ein offenes Dach hatten. Es lässt sich ein fester Triumphbogen erschließen, der Boden war mit Ziegelplatten belegt (später durch einen Kalkestrich ersetzt), isolierte Fragmente bemalten Verputzes deuten auf Wandmalereien hin. In der Mitte des Hauptschiffes war ein gemauertes Grab (allerdings ohne Deckplatte, aber mit Skelett in situ) eingesenkt. Ebenso wurden Teile des Kreuzgangs und Reste anliegender, durch spätere Überschwemmungen zerstörter Räume sowie eine Brunnenzisterne und im vermuteten Fassadenbereich einige Gräber gefunden. Am 21. November 1179 (vielleicht schon 1177) weihte der Apostolische Legat und Patriarch von Aquileja Ulrich II., ein Verwandter der Stifterin Mathilde, die Stiftskirche zu Ehren der Muttergottes Maria (zur geschlossenen Pforte), des Täufers Johannes und des Evangelisten Johannes. Der Patriarch bestätigte auch die Schutz- und Besitzprivilegien und die zugestandenen Freiheiten. Am 11. April 1186 sicherte in Verona Papst Urban III. dem Augustiner-Chorherrenstift in der Au seinen Schutz zu und bestätigte die Besitzrechte und Privilegien. In diesem Dokument werden zum ersten Mal die Güter des Stiftes namentlich genannt. Sie lagen großräumig verteilt im Bozner Becken, im Burggrafenamt und im Passeiertal, in Überetsch, in Neumarkt, in Petersberg und im Eggental, im Sarntal bis zum Jaufenpaß, in Barbian, im Bruneckerraum und im Antholzertal, im Pfitschtal und im Ridnaun. 1189 wurden im Schutzbrief des Kaisers Friedrich I. Barbarossa die Rechte und Güter bestätigt; bezüglich der Vogteirechte wurde bestimmt, dass im Fall des Aussterbens der Eppaner Vögte der Propst und der Konvent nach eigenem Ermessen sich einen Vogt wählen dürften.

Der erste Propst Heinrich kam – wohl mit einigen Mitbrüdern – aus dem Kloster Neustift oder aus Klosterneuburg und wurde im Jahr 1167 in der Au installiert. Ulrich, der vierte Propst in der Au, soll die Leitungsfunktion vorzeitig zurückgelegt haben und 1204 gestorben sein. Propst Heinrich III. wurde aus St. Michael an der Etsch postuliert, wo er 1271 bzw. 1273 bis 1298 das Stift leitete; in Gries waltete er 1298 bis 1302 seines Amtes. Unter den Aufgaben und Leistungen der zwanzig Pröpste, die die Sorge um das Stift in der Au innehatten, sind vor allem zu nennen: die geistliche Leitung der kleinen Gemeinschaft mit den übernommenen und übertragenen Seelsorgsaufgaben, die Wahrung und Ausweitung der Rechtsprivilegien und Besitzungen, die ihnen von den Landesherren, den Bischöfen von Trient und von den Päpsten gewährt worden waren. Die vermittelnden und friedensstiftenden Fähigkeiten der Pröpste kamen auch immer wieder zum Tragen in öffentlichen Angelegenheiten und bei Auseinandersetzungen zwischen politischen wie geistlichen Amtsträgern. Viele Urkunden über Stiftungen, Besitzstandsklärungen und Bittschreiben um Rechtsbeistand liegen vor, wie Ansuchen um Mithilfe beim Bau der Wassermauern entlang der Talfer und dem Eisack, Akten über Fischereirechte, über Zollbestimmungen zur Einfuhr von Salz bzw. zum Verkauf von Wein, Getreide und Lebensmitteln, Ablassbriefe, Verbrüderungsurkunden und so weiter. Folgende Fakten seien beispielsweise genannt: Propst Gottschalk (1222–1234) und Propst Answin von St. Michael an der Etsch wurden von Papst Honorius III. beauftragt, im Streitfall mit der Gemeinde Kortsch die Rechte des Klosters Marienberg zu verteidigen. Propst Johannes von Köln (1361–1385) hatte 150 Jahre später (1365) in ähnlicher Weise gegenüber der Stadt Glurns und dem oberen Vintschgau die Rechte Marienbergs geltend zu machen. Propst Berchtold Maiser (1305–1329) schloss mit dem Benediktinerkloster Marienberg 1320 eine Gebetsverbrüderung ab. Propst Heinrich IV. Kropf (1329–1341) wurde von Herzog Johann von Kärnten und Graf von Tirol zu seinem Hofkaplan ernannt. Auch der Stiftbrief des Hiltprant von Firmian und seiner Ehefrau Adelheid aus dem Jahr 1369 sei erwähnt: Das Ehepaar stiftete eine tägliche Messe auf dem Heilig-Kreuz-Altar der Kirche in der Au, und sie wünschten, in diesem Gotteshaus begraben zu werden. Die Zinsen dafür flossen aus mehreren Höfen in Tisens und von einem Hof auf „Schreckpichl" (bei Girlan).

Das ständige Problem für das Stift waren die wiederholten, verheerenden Überschwemmungen durch die Flüsse Eisack, Etsch und Talfer und den Fagenbach in der Bozner Au (Wiesen, Äcker, Sumpfgebiet). Auch im Hinblick darauf – "propter in tolerabiles aquarum inundationes" – wurden dem Stift die Pfarren Unsere Liebe Frau im Walde (Senale; 1321), Jenesien (1328) und Marling (1394) mit allen ihren Gütern und Einkünften zur Betreuung übertragen.

Das Augustiner-Chorherrenstift in Gries

Infolge der sich immer wiederholenden Überschwemmungen durch Eisack, Talfer, Etsch und Fagenbach gab es für die Augustiner-Chorherren in der Au keine andere Überlebenschance als die zu Beginn des 15. Jahrhunderts unbewohnbar gewordenen Klostergebäude zu verlassen und einen neuen Lebensraum zu suchen. Herzog Leopold IV. von Österreich, der auch Vogt des Stiftes in der Au war, übergab mit der in Innsbruck ausgestellten Urkunde vom 22. Februar 1406 Propst Christoph und den Choherren in der Au seine landesfürstliche Burg in Gries, nämlich

"Haus und Veste zu Gries und darczu den Graben, so darum geet, mit dem Garten, so daran stosset, und mit der Müln und dem Mulpach, und auch der öden Hofstat dabey gelegen", als künftige Wohnstatt mit allen Freiheiten, Zinsen und Rechten – "ausgenommen unser Landgerichts und des Stabs daselbs zu Gries mit allen Leuten."

1407 bestätigten die Brüder Herzog Leopold, Herzog Ernst und Herzog Friedrich IV. gemeinsam die Schenkung an die Chorherren, die nu ze Gries ir kloster habent und da wonent. Die erste Erwähnung des in den Ort Gries verlegten Stiftes findet sich in der Urkunde von Senale (U.L.Frau im Walde) vom 4. Juni 1411: ...ecclesie et monasterii sancte Marie Virginis olim de Augea, nunc autem de Gryes prope Bulsanum...

Schon ab dem Sommer 1406 stellten die Chorherren von der Au einen Seelsorger für die Kirche U. L. Frau von Chellare in Gries zur Verfügung, nachdem der Weltpriester Friedrich Hakk seine pfarrchirch Unser lieben Frawn ze Gries pey Pozn im Pistum ze Triend gegen den jährlichen Zins von 27 Mark Meraner Münze dem hern Christoffel propst des wirdigen gotshaus Unser lieben Frawn in der Aw unter Pozen auf zehn Jahre verpachtet hatte. Das Gotteshaus, umgeben vom Friedhof, steht heute noch oberhalb des Grieserplatzes zum Tschögglberg hin. Die Pfarre Chelre (Gries) selbst wurde erst mit der Bulle des Gegenpapstes Johannes XXIII. vom 23. Januar 1412 dem Stift inkorporiert. Darin bestätigt der Papst ausdrücklich die Übersiedlung des Augustiner-Chorherrenstiftes von der Au nach Gries. Alle bisher zugestandenen Freiheiten und Privilegien wurden ebenfalls anerkannt. Die Chorherren sollten im neuen Kloster bleiben, die alten Gebäude in der Au aber nicht profanen Zwecken zuführen. Am 14. Mai 1413 wurde im Dom von Trient Propst Christophorus de bulzano praepositus Augee vom päpstlich Beauftragten, dem Propst des Augustiner-Chorherrenstiftes St. Michael an der Etsch, Jakob Payr von Caldiff, feierlich in die nach Gries verlegte Propstei investiert. Am 15. Oktober 1414 unterzeichnete der Gegenpapst Johannes XXIII., der auf seiner Reise zum Konzil nach Konstanz in Meran einen Zwischenhalt machte, die Bulle für Propst Christoph in Gries, in der er ihm erlaubte, die Mitra und den Abtstab zu gebrauchen, liturgische Geräte zu benedizieren und die niederen Weihen zu erteilen. Gleichzeitig unterstellte er in einer zusätzlichen Bulle das Kloster Gries der römischen bzw. päpstlichen Jurisdiktion.

Nachdem 1417 das Konzil von Konstanz den neuen Papst Martin V. gewählt hatte, erbat sich der Grieser Konvent von diesem sofort die Bestätigung aller von Johannes XXIII. zugestandenen Rechte und Privilegien, woraufhin noch von Konstanz aus 1418 die entsprechende Bulle nachgeliefert wurde.

Nach dem Tod des Propstes Christoph wünschten sich die Grieser Augustiner-Chorherren den in St. Michael an der Etsch amtierenden Propst Jakob Payr von Caldiff als neuen Leiter ihres Konventes. Papst Martin V. gestattete ihm 1419 ausnahmsweise, dass er gleichzeitig zwei Stifte verwalten dürfe. 1432 wurde in Senale die erneuerte Pfarrkirche mit ihren vier Altären samt Friedhof vom Trienter Weihbischof Johannes OFM geweiht, ebenso die Kirche Kosmas und Damian (oberhalb Terlan, unterhalb der Burg Greifenstein). 1433 begrub man Propst Jakob Payr vor dem Kreuzaltar der Grieser Stiftskirche.

Schon 1452 hatte der Brixner Bischof Nicolaus Cusanus in eigener Initiative versucht, das zur Trienter Diözese gehörige Augustiner-Chorherrenstift Gries (unter Propst Hartung) nach dem Vorbild der Windesheimer Augustiner-Chorherren-Kongregation zu reformieren. Drei Jahre später erhielt er den päpstlichen Auftrag dazu. Nachdem Bischof Georg Hack von Trient und Herzog Sigmund von Tirol damit einverstanden waren, ernannte Cusanus 1455 den Neustifter Dekan Johannes Fuchs zum Visitator und Reformator von Gries. Propst Konrad Wolf, der die Reformvorschriften durchzuführen hatte, resignierte 1461 auf sein Amt. Nach langen Auseinandersetzungen wurden mit päpstlicher Erlaubnis in der Pfarre Marling ab 1474 nicht mehr Weltpriester, sondern Chorherren aus Gries als Pfarrherren eingesetzt. Propst Johannes Brixner hatte 1471 im Einvernehmen mit der Ortsgemeinde Gries den Brunecker Künstler Michael Pacher zum Bau eines neuen Altares für die Grieser Pfarrkirche gewinnen können. 1475 war das Schnitzwerk vollendet.

Propst Georg Reichsdorffer war Mitglied des Grieser Gemeinderates und hatte zum Beispiel bei der Ausrüstung und Bewaffnung der Grieser Kompagnie zur Abwehr der Türkengefahr von 1478 und 1489 und bei anderen Gemeindegeschäften mitzureden und entsprechende Geldmittel zur Verfügung zu stellen. Leonhard Gwin wurde im Jahr seiner Profess 1494 zum Propst gewählt, resignierte aber 1499 auf sein Amt. Der daraufhin gewählte Matthaeus Angermayr hatte dieses Amt bis 1506 inne. Nach dessen Tod wählten die Chorherren von Gries den vorhergehenden Propst Leonhard Gwin zum zweiten Mal zu ihrem Vorsteher. In der Zwischenzeit war er als Pfarrvikar in U. L. Frau im Walde tätig gewesen. Propst Melchior Barth (1515–1521) ließ viele Urkunden amtlich vidimieren und 1519 ein Kopialbuch und ein Urbarbuch anlegen. Im Bauernaufstand von 1525 stürmten die Grieser Einwohner auch das Stift, plünderten und raubten; dadurch ging viel Urkundenmaterial verloren. Propst Kaspar Tröster (1533–1540) ließ ein sogenanntes "Stockurbar" anlegen, um die infolge des Bauernaufstandes durcheinander geratene Ökonomie nach und nach wieder in Ordnung zu bringen. Die Güter, die in der Nähe des alten Klosters in der Au lagen, wurden einem sogenannten "Amtmann" zu Lehen gegeben, damit das Gebiet wieder gerodet und bebaut werde. So scheinen die Namen der nachfolgenden Pröpste vor allem in den Wirtschaftsakten auf.

Paulus Schrötter (1571–1596) kaufte unter anderem das Wirtshaus "Zur Gans" in der Stadt Bozen mit den dazugehörigen Stallungen, die sich in der Rauschertorgasse befanden. Im Kampidell (hinter Flaas) ließ er das Prälatenhaus bauen. Der durch Kompromiss gewählte Konrad III. Seyfrid (1596) wurde vom Brixner Weihbischof Georg Benigni de Doionis benediziert, und zwar in der Elisabethenkirche der Klarissen in Brixen. Nikolaus Schueler (1596–1621) wurde ebenfalls durch Kompromiss gewählt. Zwei Tage vor seinem Tod im Jahr 1621 bestellte er mit Einwilligung des Konvents den damaligen Stiftsdekan Balthasar Baur zum Administrator. Eine Woche später wählte der Konvent den Stiftsdekan und Administrator Balthasar Baur zum neuen Propst (1621–1638). Von der Wahl und Benediktion des Matthias Braun (Fuscus) im Jahr 1638 sind keine Unterlagen vorhanden. Er wurde wegen seiner Spielsucht und der eigenmächtigen und verschwenderischen Verwaltung der Stiftsgüter verklagt und nach jahrelangen Prozessen (1641–1656) zur freiwilligen Resignation gezwungen. Da er flüchtig war, setzte der Trienter Bischof die Chorherren Gaudentius Rolandin (1642–1645) und Paul Ranigler (1645–1657) als Administratoren ein. Propst Matthias Fuscus – wie er allgemein genannt wurde – starb 1668 "im Exil" in Trient.

Auf Geheiß Papst Alexanders VII. wurde 1657 der damalige Neustifter Chorherr und Pfarrer von Olang Johannes Chrysostomus Haberle von Haberspurg zum neuen Propst von Gries gewählt. Ihm zur Seite standen weitere Chorherren aus Neustift, zum Beispiel Felix Wild. Das Erbe seines Vorgängers Matthias Braun war zu ordnen und in bessere Bahnen zu lenken. Besondere Schwierigkeiten bereiteten dem "fremden" Propst Johannes Chrysostomus der unbotmäßige Grieser Pfarrer Augustin Gerwigg wie auch die Kirchgänger in Afing, Nobls, Jenesien und Glaning. Haberles Ansprachen im Stiftskapitel zeigen ihn als strengen, fordernden Mann.

Unter Jakob II. de Fridericis (1674–1695) wurde das Stift vom Trienter Bischof visitiert. Eine unter den vielen Anregungen und Auflagen war der Ausbau der Bibliothek. Vor der Wahl Gregor Thayrers hatten die Grieser Chorherren eine Wahlkapitulation aufgestellt. Während seiner kurzen Amtszeit von drei Jahren (1695–1698) versuchte er die "Gürtel-Bruderschaft zu Maria vom Trost und der heiligen Monika" mit einem privilegierten Altar in der Stiftskirche zu errichten – doch ohne Erfolg.

Für Propst Franz Joseph Schaitter zu Lebmansegg (1698–1752) war die Pflege des religiösen Lebens ein Herzensanliegen. Auf sein Ansuchen hin wurde 1699 Gries in die Kongregation der Lateranensischen Chorherren (C.R.L.) aufgenommen (1727 und 1728 erneuert). Damit war neben Privilegien für das Kloster auch die Vollmacht für den Propst verbunden, Kirchen, Kelche, Paramente, Glocken und anderes zu weihen. Die bischöflichen Visitationen von 1723 und 1749 bestätigten die gediegene Führung und gute Disziplin im Stift und lobten unter anderem das kürzlich eingeführte theologische Hausstudium. Durch die weiterführende Organisation der Ökonomie wurde ein genaueres Verzeichnis der Liegenschaften erstellt; so kam unter anderem in Afing 1711 der Hoferhof in den Besitz des Stiftes und wurden die Güter in der Au einem "Pächter" zur Bebauung übergeben. Propst Schaitter wurde 1704 in den engeren Ausschuss der Landesregierung in Innsbruck berufen, wo er sich immer wieder auch für die Anliegen anderer Klöster in Tirol einsetzte. Schon ab 1695 hatte er sich in besonderer Weise des neu gegründeten Cölestinerinnenklosters in Gries angenommen und wurde 1712 anstelle des Stadtdekans zum Vikar dieses Klosters bestellt.

Nach dem Tod von Propst Schaitter (Dezember 1752) wählte zu Beginn des Jahres 1753 das Stift den damaligen Stiftsdekan Albert Martin Prack zu Asch und Angerburg zum Propst. Vor dieser Wahl war er als Novizenmeister und Theologieprofessor in der Grieser Hausschule tätig gewesen. Sein Vorlesungsmanuskript De Deo uno et trino war 1750 von Carl Joseph Weiss in Bozen gedruckt worden. Auch er legte großen Wert auf die Pflege des geistlichen Lebens und eine gediegene Ausbildung. Da sich die Regierungsstellen mehr und mehr in die klösterlichen Angelegenheiten einmischten, gestaltete sich das Verhältnis zu den Behörden immer spannungsgeladener. Genaue Angaben aus der Ökonomie, über Eintritte, religiöse Feiern und Kriegsanleihen wurden von den Klöstern gefordert.

Die große "Leistung" von Propst Albert war der Bau der neuen Stiftskirche. Der Architekt und Bildhauer Joseph Sartori aus Sacco bei Rovereto, der Maler Martin Knoller und weitere Künstler und Handwerker aus dem Bozner Raum wurden damit beauftragt. Die Finanzierung des Neubaus wurde aber immer schwieriger, da nach erneuten Überschwemmungen der öde Landstrich in der Au und das versumpfte Gebiet um Siebeneich und Sigmundskron trockengelegt werden mussten. Besitzstreitigkeiten entstanden, die beigelegt werden mussten. Beim Tod von Albert Martin Prack (1781) war die neue Stiftskirche noch nicht vollendet.

Die Regierung in Wien nahm den defizitären Vermögensausweis des Stiftes zum Anlass, die fällige Propstwahl und die Aufnahme von Novizen zu verbieten. Der siebzigjährige Stiftsdekan Ignaz Ferrari musste 1781 bis 1783 die Leitung des Klosters übernehmen. Er wurde tatkräftig vom erst dreißigjährigen Augustin Nagele unterstützt, der dann 1783 bis 1787 als Administrator in Gries eingesetzt wurde. Neben der Neuordnung der eigenen Ökonomie musste Nagele auch die Güter aufgehobener Klöster verwalten. Der finanzielle Überschuss war an den Religionsfonds abzugeben. 1787 bestimmte die Regierung in Wien für Gries, Neustift und Stams sogenannte Kommendataräbte, die nicht aus der Reihe des eigenen Konvents kommen durften, dem Staat gegenüber loyal und vor allem gute Ökonomen sein sollten. Für Gries ernannte die Landesregierung den Stamser Konventualen Roger Schranzhofer und für Stams den Grieser Chorherrn Augustin Nagele. Letzterer setzte sich als Mitglied des engeren Ausschusses der Landesregierung für die Wiederherstellung der früheren Ordnung ein. In Gries konnte endlich am 31. August 1788 die noch unvollendete neue Stiftskirche vom Trienter Fürstbischof Peter Michael Vigil Graf von Thun eingeweiht werden. Bei dieser Gelegenheit wurde sie zur neuen Pfarrkirche der Gemeinde Gries erklärt.

Nach dem 1790 abgehaltenen Landtag gestattete Kaiser Leopold II. wiederum die Wahl eines Propstes in den genannten Stiften. In Gries fiel sie auf Augustin Nagele. Er setzte sich vor allem für die geistliche Erneuerung der Gemeinschaft ein, für die Wahrung der kirchlichen und staatlichen Rechte, und sorgte sich um die Hebung der finanziellen Lage des Klosters. Um die Hilfe Gottes zu erflehen, wurde alljährlich das Herz-Jesu-Fest in feierlicher Form begangen.

Augustin Nagele nahm 1791 den Kontakt mit Martin Knoller wieder auf, der dann nach neuen Vereinbarungen bis zum Jahr 1800 die noch fehlenden sechs Seitenaltarblätter mit den Hauptfesten des Kirchenjahres fertig stellte und 1803 als letztes Bild die "Abnahme Jesu vom Kreuz" für den Betchor und neben einem Porträt Nageles auch ein Selbstporträt lieferte.

Die kriegerischen Auseinandersetzungen der Franzosenkämpfe schafften neue Sorgen. Augustin Nagele nahm aktiv an den Beratungen zur Verteidigung des Landes teil. Zeitweise dienten Räume des Klosters als Lazarett für 1.800 Kranke. Im Frühjahr 1797 plünderten die Franzosen drei Stunden lang das Stift und verwüsteten es. Der weltliche Verwalter Joseph Lofferer konnte Schlimmeres verhüten.

Mit großem Mut und abwägender Klugheit hatte sich Propst Nagele für die Hebung und den Weiterbestand des Stiftes eingesetzt, konnte aber dennoch nicht verhindern, dass Gries, wie andere Klöster Tirols auch, im September 1807 von der bayerischen Regierung aufgrund der Bestimmungen des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 in Regensburg aufgehoben wurde. Die vierzehn Grieser Chorherren durften weiterhin im Kloster wohnen und wurden mit einer Pension abgefertigt. Propst Augustin nahm dann als Privatperson und mit Zustimmung des Konvents die Klostergüter in Pacht – in der Hoffnung, das Stift könnte so wiederhergestellt werden. Der Vertrag wurde 1808 anerkannt; so konnten die Güter nicht weiter verschleudert oder verkauft werden. Als durch den Frieden von Wien mit Napoleon I. 1809 das ganze Gebiet "Oberetsch" zu Italien kam, wurde Gries zum zweiten Mal aufgehoben. Die Kapitularen, die nicht aus dieser Gegend stammten, sollten Gries verlassen. Nagele blieb im Land und übergab die Güter dem treuen Joseph Lofferer zur Verwaltung. Noch ein letztes Mal bemühte sich der Propst 1813, als Tirol wieder zu Österreich kam, um die Wiederherstellung des Stiftes. 1815 starb Augustin Vigil Nagele.

Vergeblich richteten in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts einige Grieser Chorherren ein erneutes Bittgesuch an den Kaiser in Wien, um die Wiederherstellung des Stiftes zu erreichen. Nach mehr als 600 Jahren erlosch das Augustiner-Chorherrenstift Au-Gries. Mit der Übergabe des Gebäudekomplexes und der noch verbliebenen Güter an die aus Muri in der Schweiz vertriebenen Benediktiner im Jahr 1845 erhielt das Stift Gries eine neue Ausrichtung und einen neuen "Kulturpfleger" unter dem Doppelnamen Muri-Gries.

Wirtschaftliche und rechtliche Verhältnisse

Wirtschaftliche Verhältnisse

Die Stiftungen und erworbenen Besitzungen wurden im Lauf der Zeit vermehrt und ausgeweitet. Dies war besonders im Hinblick auf die Lage des Stiftes in der Au lebensnotwendig, denn die das Stift ("auf der Insel") umgebenden Flüsse und Bäche (Etsch, Eisack, Talfer und Fagenbach) brachten es durch ihre unberechenbaren und plötzlich einsetzenden Überschwemmungen immer wieder in arge Bedrängnis. So war die materielle wie finanzielle Rücklage wie auch der Rechtsschutz der geistlichen und weltlichen Autoritäten von großer Wichtigkeit. In den ersten beiden Schutzbriefen von 1186 (päpstlich) und 1189 (kaiserlich) werden die Güter und Besitzungen einzeln aufgeführt: Die Bozner Au selbst mit den umliegenden dazugehörigen Weingärten und Äckern, einige Gründe des Stiftsvogtes in Gries und Russan (Moritzing), mehrere Höfe in Mais, in Labers, namentlich der Grummserhof (bei Labers), Güter am Jaufen, im Passeiertal, Höfe in Hafling, in Vöran und in Mölten, auf dem Tschögglberg in Jenesien, in Nobls, namentlich der Malpegunerhof oberhalb Flaas, weitere Besitzungen in Sarnthein und Pens, in Girlan, in Andrian und Grissian, in Lana, Bauernhöfe am Guntschnaberg, in Neumarkt, in Petersberg, in Ekke (im Eggental), in Saubach bei Barbian, in Vill bei Thuins (Sterzing) im Wipptal, in Rust im Jaufental, in Ried und in Olang im Pustertal, Bärenbach (?), in Antholz, Thahelit (bei Antholz?), Riederwalt (bei Antholz), in Coste (?), in Koflach (bei Bruneck), in Pfitsch und im Kampidell.

In einem kurzen Blick auf das Urbarbuch von 1520 lässt sich eine Ausweitung und Vermehrung des Besitzstandes feststellen: Im Bozner Raum werden z. B. siebzehn Häuser gezählt; des weiteren sind z. B. seit dem 13. Jahrhundert hinzu gekommen: Güter in Eppan und Kaltem, in Fondo, Brez, Malosco und Sarnonico (auf dem Nonsberg), in Tisens, in Jenesien, Afing und Glaning, in Deutschnofen, auf dem Ritten, in Villanders und im Antholzertal.

Rechtliche Verhältnisse

In kirchlich-territorialer Hinsicht war der jeweilige Bischof von Trient für das Stift Au-Gries zuständig, ausgenommen jener Rechte, die der Gegenpapst Johannes XXIII. mit der Bulle von 1414 der römisch-päpstlichen Jurisdiktion vorbehielt und dadurch der Gewalt des Bischofs entzog. Nach dem Tod des Stifterpaares, der Gräfin Mathilde von Vallay und des Grafen Arnold III. von Morit-Greifenstein, waren die Grafen Friedrich I. und Heinrich I. von Eppan, Vettern des Grafen Arnold, die Inhaber der Vogtei. Diese ging in der Folge auf die Linie der Grafen von Eppan-Ulten, einige Wochen auf die Edlen von Wanga und ab 1259 auf die Grafen von Görz-Tirol über.

Bibliothek

In vielen Büchern aus der ehemaligen Bibliothek der Augustiner-Chorherren ist die Jahreszahl "1680" eingetragen – vielleicht ein Hinweis auf das Jahr der "Katalogisierung" der Bände. Ein Titelverzeichnis ist nicht erhalten geblieben. Der kleine "Haufen" von circa 900 Büchern, die nach der Aufhebung des Stiftes bei der Übernahme durch die Benediktiner von Muri in den Klostergebäuden noch vorhanden waren, wurde Ende des 19. Jahrhunderts in die auf dem früheren Sängerchor der alten Stiftskirche eingerichtete Bibliothek übernommen. Nach 1950 erfolgte eine neue Registrierung. Seit 1998 wird der Bibliothekskatalog EDV-erfasst und laufend ergänzt.

Bau- und Kunstgeschichte

Das Stift in der Bozner Au wurde durch die Überschwemmungen der Flüsse Eisack und Talfer im 15. Jahrhundert völlig zerstört. Erst durch die Ausgrabungen in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts konnte die Lage der Kirche und des Kreuzgangs und einiger Nebenräume wieder genau identifiziert werden. Die landesfürstliche Burg in Gries, die Herzog Leopold IV. von Österreich 1406 den Augustiner-Chorherren in der Au als neuen Wohnsitz angeboten und übergeben hatte, musste samt Wassergraben, Garten, Ackerfeld, Mühle und Mühlbach sowie der dazugehörigen Hofstelle den Bedürfnissen eines Stiftes angepasst werden. Drei in der Stiftssammlung vorhandene Kapitelle aus dem 12./13. Jahrhundert weisen auf das Alter der Anlage hin. Vermutlich ließen Propst Christoph (1402–1417) und sein Nachfolger Jakob Payr von Caldiff (1417–1433) nebst anderen Zubauten den Palas der Burg verlängern, die Hocheingänge sowohl beim Palas wie beim Turm schließen und über dem verlängerten Wohngebäude ein zusätzliches Stockwerk aufbauen. An den freskierten Fensterrahmen auf der Nord- und Westseite der heutigen Bibliothek ist neben anderen Wappen auch jenes des Propstes Christoph angebracht. In der Exemptionsbulle von 1414 sagt der Gegenpapst Johannes XXIII., dass das Kloster, wie behauptet wird, bei der Stadt Bozen vor kurzem stattlich erbaut worden und fast vollendet sei.

Zur Erinnerung an den offiziellen Einzug der Chorherren in die zum Kloster umgebaute Burg wurde am früheren Eingangsturm ein Fresko mit dem Wappen des Propstes Jakob Payr von Caldiff angebracht. Die romanische, nach Osten hin ausgerichtete, zweigeschossige Burgkapelle war ursprünglich innen flach eingedeckt. Beim Umbau wurden die romanischen Fenster innen und außen zugemauert, der Kappellenraum nach Süden hin verlängert, in gotischem Stil eingewölbt, mit fünf oder sechs Spitzbogenfenstern versehen, durch ein nach Westen zugelegenes, breites Seitenschiff vergrößert und der Altarraum nach Süden ausgerichtet. Nach Norden wurden die früheren Wohnräume der Burg zu einer Sängerempore umgebaut und eingewölbt.

Der ehemals südlich vom Palas stehende zweite, ebenso mächtige Bergfried wurde so abgebaut, dass nur die östliche Mauer dieses Wohnturms stehen blieb und in den an dieser Stelle errichteten zunächst flachgedeckten Kreuzgang sowie in die darüber liegenden Räume eingebaut wurde. Wohl erst im 16. Jahrhundert wurde der Kreuzgang eingewölbt. Die Freiräume zwischen Zwingermauer und Ringmauer waren im Lauf der Zeit überdacht und zu Lager- und Wohnräumen umgestaltet worden. Ein gotischer Türbogen zum alten Stiegenaufgang ist noch erhalten. Die Tradition sagt, dass die Augustiner-Chorherren aus dem überschwemmten Gebäudekomplex in der Au einige Säulen und Säulenkapitelle und die Grabplatte der Stifterin Mathilde von Vallay nach Gries gebracht und in der Kirche bzw. im Kreuzgang wieder verwendet hätten. Unter Propst Johannes Saller (1462–1467) waren vermutlich die Umbauarbeiten an der Stiftskirche abgeschlossen, sodass unter seinem Nachfolger Johannes VIII. Brixner im Jahr 1469 der Trienter Weihbischof Albertino den erneuerten Kirchenraum wieder einweihen konnte. Teile des heute in der sogenannten Kulpakapelle stehenden neugotisch gefassten Flügelaltars könnten aus dieser Zeit stammen (z. B. der "Heimgang Mariens", der dem Meister Narziss von Bozen zugeschrieben wird). Die Pfarrgemeinde Gries hatte 1471 wohl im Einverständnis mit dem Propst Johannes Brixner den Brunecker Künstler Michael Pacher zum Bau eines Flügelaltars für die Grieser Pfarrkirche gewinnen können. 1475 war dieses gotische Meisterwerk fertiggestellt. Der Steinmetz Caspar Reisperger gestaltete für das sogenannte Prälatenhaus im Kampidell den Wappenstein des Propstes Paulus Schrötter (1571–1596) und des Stiftes; der Künstler brachte darin die Initialen seines eigenen Namens (CR) an. Nach dem Tod des Proptes 1596 schuf Reisperger auch die Grabplatte Schrötters, die heute in der Nordmauer des Kreuzganges steht. 1601 ließ Propst Nikolaus Schueler im unteren Kreuzgang eine neue Totengruft bauen und das mit einem Erker versehene Prälatenzimmer mit Holzintarsien auskleiden. Auf St. Kosmas und Damian wurde die Kirche renoviert, in Jenesien die Turmpyramide neu gedeckt, für die Grieser Pfarrei die kleine Monstranz mit dem Kreuzpartikel angefertigt und 1614 die vom Blitzschlag getroffenen Gebäude im Kampidell wiederhergestellt.

Propst Balthasar Baurs (1621–1638) Kunstsinn zeigte sich in den Erneuerungen bestehender Bauten und in der Errichtung neuer Kirchen, so in St. Kosmas und Damian, bei der Renovierung der Grieser Stiftskirche, beim Einbau des dritten Einganges in der Alten Grieser Pfarrkirche, beim Bau der Kampideller St. Magdalenenkirche im Jahr 1629 und bei der Renovierung verschiedener Räume im Kloster. 1630 weihte der Trienter Weihbischof Petrus Belli da Condino fünf Altäre in der Stiftskirche; einzelne Altarblätter sind noch erhalten.

Als unter Propst Franz Joseph Schaitter (1698–1752) die Pläne zur Erweiterung und Renovierung der Stiftskirche undurchführbar und zu kostspielig erschienen, wurde ein Neubau im Bereich der nördlich des Burgkomplexes gelegenen Stallungen geplant. Aus diesem Grund mauerte man den nördlichen Eingang zum Stift zu, schüttete die dahin führende Brücke und den Wassergraben auf, schlug einige Meter in östlicher Richtung einen neuen Durchgang in die ehemalige Zwinger- und Ringmauer und verband die Stiftsgebäude mit der neuen Kirche bzw. der Sakristei durch einen gedeckten Gang.

Propst Albert Martin Prack (1753–1781) schloss mit dem aus Sacco bei Rovereto gebürtigen Architekten Giuseppe Sartori 1769 den Bauvertrag ab. 1771 bis 1776 malte der aus Steinach gebürtige Martin Knaller die Fresken auf der Chororgel, im Langhaus und in der Kuppel und das Hochaltarbild, die Motive aus dem Leben des heiligen Augustinus wiedergeben. Aus finanziellen und politischen Gründen konnte die Ausstattung nicht zügig weitergeführt werden. Unter dem Kommendatarabt Roger Schranzhofer wurde 1788 die noch unvollendete Kirche vom Trienter Fürstbischof Peter Michael Vigil von Thun und Hohenstein eingeweiht. Der 1790 gewählte Abt Augustin Nagele konnte Martin Knaller wieder dafür gewinnen, in den sechs Seitenaltarblättern die Hauptfeste des Kirchenjahres zu malen. Anstelle der Dreifaltigkeitsdarstellung, die Knoller auf Wunsch des Konvents nachträglich in das Hochaltarbild hineinmalen musste, fand ein "Abendmahl Jesu" an einem hinteren Seitenaltar seinen Platz. Eine "Abnahme Jesu vom Kreuz", zwei Porträts des Propstes Nagele und ein Selbstporträt des Künstlers folgten. Ebenso wurden einige Skizzen Knallers dem Konvent in Gries verkauft. 1804 starb der "Fürst der Maler Deutschlands und Italiens", wie es unter dem Selbstporträt Knollers in der Sakristei der Grieser Stiftskirche heißt.

Nach der Aufhebung des Stiftes 1807 durch die bayerische Regierung aufgrund des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 durften die Chorherren weiterhin in den Räumlichkeiten wohnen und die Stiftskirche auch für die Gottesdienste des Konvents benützen. Nach und nach wurden einzelne Gebäude und Räume profanen Zwecken zugeführt.

Archivalien

Felix Wild ist durch seine Aufzeichnungen für die Stiftsgeschichte von besonderer Bedeutung. In Neustift eingetreten, legte er 1640 die Profess ab, kam als "Aushilfe" nach Gries, wirkte als Seelsorger 1661 bis 1677 in Senale und in Jenesien, sammelte Informationen und Daten zur Stiftsgeschichte und stellte verschiedene Verzeichnisse zusammen, unter anderem das "Mortilogium". Felix Wild starb am 2. November 1681 in Gries. Nach der Aufhebung des Stiftes kam ein Teil der Archivalien in das Bozner Rentamtsgebäude, einige Urkunden gelangten in das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, andere gingen verloren. Nach dem Einzug der Benediktiner aus Muri wurde ein größerer Teil des Archivs wieder zurückerstattet. Ferdinand Vogel ordnete das Grieser Archiv neu und erstellte ein Repertorium, das Bernhard Lierheimer, Martin Kiem und Vincenz Gasser ergänzten. Martin Kiem (1829–1903) hinterließ ein Concept und ein Manuskript "Geschichte des Augustiner-Chorherren-Stiftes Au-Gries", das er laut seiner Vorrede in Jenesien am 16. September 1898 abschloss, aber nicht in Druck gab.

Ansichten und Pläne

Für das Stift in der Bozner Au sind die Aquarellzeichnung des Leonhard Hörtmayr (1541) von der Überschwemmung des Eisack im Mündungsbereich in die Etsch und eine andere Zeichnung aus dem Jahr 1671 von einzigartigem Wert. Das Wandgemälde auf der Straßenseite des Anreiterhofes in Moritzing bietet die älteste bisher bekannte Ansicht der Burg und des Klosters Gries, vermutlich aus dem Jahr 1514. Der Kupferstich von Matthäus Merian mit dem Titel "Botzen" (1649) zeigt auch das Stift Gries und die Alte Grieser Pfarrkirche. Das Ölgemälde von ca. 1767 blickt von Süden her auf die Ortschaft Gries und die am Tschögglberg gelegenen Höfe. Ein Stahlstich (Beginn des 19.Jahrhunderts) hält die Ortschaft Gries im Bild fest. Für die Stiftsanlage in Gries liegen zwei Situationspläne vor, vermutlich vor der Mitte des 18. Jahrhunderts, vom Bozner Bettinazzi gezeichnet. Ebenfalls sind Pläne von den zum Stift gehörigen Gütern und Ackerfeldern vorhanden. Der aus Muri nach Gries übersiedelte Benediktiner Burkhard Küng kolorierte seine Handzeichnungen von der Klosteranlage in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Gedruckte Quellen

  • Felix Wild / Vincenz Gasser: Das Mortologium des Augustiner-Chorherren-Stiftes Au-Gries bei Bozen (1167–1673). In: Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs 7 (1910), S. 1–16; 87–102; 175–190.
  • Franz Huter (Bearb.): Tiroler Urkundenbuch. Herausgegeben von der historischen Kommission des Landesmuseums Ferdinandeum in Innsbruck. I. Abteilung: Die Urkunden zur Geschichte des deutschen Etschlandes und des Vintschgaus. 3 Bände. Innsbruck 1937–1957.

Literatur

  • Rupert Amschwand: Siegel und Wappen des Klosters Muri-Gries. Samen 1973 (Beilage zum Jahresbericht des Kollegiums Samen, Beilage 1972/73).
  • Karl Atz / Adelgott Schatz: Der deutsche Antheil des Bistums Tirent. 5 Bände. Bozen 1903–1910.
  • Edgar Baumgartl: Martin Knollers Werke für die Gireser Stiftskirche. In: Schlern 62 (1988), S. 540–564.
  • Martin Bitschnau: Burg und Adel in Tirol zwischen 1050 und 1300. Grundlagen zu ihrer Erforschung. Wien 1989 (Sitzungsberichte. Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse, 403), S. 250f.
  • Martin Bitschnau: Gries-Morit. In: Tiroler Burgenbuch. Band 8: Raum Bozen. Hg. von Oswald Graf Trapp. Bozen / Innsbruck / Wien 1989, S. 207–256.
  • Franz Charamelle / Richard Frischauf: Die Stifte und Klöster Tirols. Innsbuck / Wien / Bozen 1985, S. 37–46.
  • Lorenzo Dal Ri: Archäologie in Bozen-Gries. In: Der Schlern 81/5-6 (2007), S. 10–29.
  • Erich Egg: Tirol in alten Ansichten. Nord-, Ost- und Südtirol. Salzburg 1973 (Österreich in alten Ansichten, 4).
  • Otto Eisenstecken: Zur Lagebestimmung des Augustinerklosters in der Au. In: Schlern 57 (1983), S. 450.
  • Anton Gallmetzer / Plazidus Hungerbühler / Elmar Pattis: Zur Geschichte der Stiftspfarre Gries. In: Schlern 62 (1988), S. 515–539.
  • Vincenz Gasser: Geschichte des ehemaligen Klosters, der Wallfahrt und Pfarre Senale – Unsere liebe Frau im Walde – am Nonsberge. In: Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg 45/3 (1901), S. 81–126.
  • Vincenz Gasser: Lage und Überschwemmung des Augustiner-Chorherren-Stiftes in der Au unter Bozen. In: Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs 6 (1909), S. 359–363. (Digitalisat)
  • Plazidus Hungerbühler: Stiftskirche Muri-Gries bei Bozen. Bozen 1998 (Farbkunstführer, 17).
  • Franz-Heinz Hye: Gries bei/in Bozen. Gründzüge einer Entwicklungsgeschichte (Vorarbeiten zum Tiroler Städtebuch II: Südtirol). In: Schlern 62 (1988), S. 575–597.
  • Franz-Heinz Hye: Die Städte Tirols. Teil 2: Südtirol. Innsbruck 2001 (Schlernschriften, 313), S. 86–147.
  • Plazidus Hungerbühler / Volker Stamm: Die Sammlung älterer Urkunden im Kloster Muri-Gries bei Bozen. In: Der Schlern 85/6 (2011), S. 24–33.
  • Georg Jenal: Die geistlichen Gemeinschaften in Trentino-Alto Adige bis zu den Gründungen der Bettelorden. In: Atti dell'Accademia Roveretana degli Agiati A Ser. 6/25 (1985), S. 309–370, hier: S. 361–366.
  • Martin Kiem: Augustin Vigil Nagele, letzter Prälat des Augustiner-Chorherrenstiftes zu Gries bei Bozen (1790-1815) und seine Zeit. Innsbruck 1899.
  • Egon Kühebacher: Die Ortsnamen Südtirols und ihre Geschichte. Band 1: Die geschichtlich gewachsenen Namen der Gemeinden, Fraktionen und Weiler. Bozen 1994 (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs, 1), S. 138.
  • Bernhard Maria Lierheimer: Eine alte Rotula. In: Studien und Mitteilungen aus dem Benediktiner- und Zisterzienserorden 2/1 (1881), S. 111–115.
  • Bernhard Maria Lierheimer: Die Pfarrkirche in Jenesien und ihre Frescogemälde. Bozen 1883. (Digitalisat)
  • Luca Mor: Anno 1205 circa: la Croce trionfale di Gries. In: Le arti a confronto con il sacro. Metodi di ricerca e nuove prospettive di indagine interdisciplinare, Atti delle giornate di studio, Padova, 31 maggio – 1 giugno 2007. Hg. von Valentina Cantone / Silvia Fumian. Padova 2009, S. 71–79.
  • Hannes Obermair: "Lebenswelten" nel sistema parrocchiale sudtirolese del tardo medioevo. L'esempio di Gries a Bolzano. In: La chiesa "dal basso": organizzazioni, interazioni e pratiche nel contesto parrocchiale alpino alla fine del Medioevo. Hg. von Simona Boscani Leoni / Paolo Ostinelli. Milano 2012 (Geostoria del territorio, 12), S. 137–164.
  • Hannes Obermair / Martin Bittschnau: Die Traditionsnotizen des Augustinerchorherrenstiftes St. Michael an der Etsch (San Michele all‘ Adige). In: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 105 (1997), S. 168.
  • Hannes Obermair / Volker Stamm: Zur Ökonomie einer ländlichen Pfarrgemeinde im Spätmittelalter. Das Rechnungsbuch der Marienpfarrkirche Gries (Bozen) von 1422 bis 1440. Bozen 2011 (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs, 33).
  • Elmar Pattis: Albert Martin Prack Als Propst Des Augustinerchorherrenstiftes Gries Bei Bozen Und Seine Zeit. 1753–1781. Diss. Univ. Innsbruck. Innsbruck 1985.
  • Elmar Pattis: Das Grabmal der Gräfin Mathilde von Vallay. Stifterin des Chorherrenklosters in der Au. In: Der Schlern 58 (1984), S. 153–156.
  • Flordius Röhrig: Alte Stifte in Österreich. Band 2: Steiermark, Kärnten, Salzburg, Tirol, Vorarlberg. Wien / München 1967, S. 58–61.
  • Siegfried Christian / und Eberhard Katz: Das Wirken Des Malers Martin Knoller für Das Ehemalige Augustiner-Chorherrenstift Gries Bei Bozen. In: Jahresbericht des k. k. Stiftsgymasiums in St. Paul (Kärnten) XIV (1899), S. 5–22.
  • Ambros Trafojer: Das Kloster Gries (Bozen). Vom Chorherrenstift in der Au und in der Burg zu Gries zum Benediktinerkloster Muri-Gries. Bozen 21982.
  • Ambros Trafojer: Das Kloster Muri-Gries. In: Jahrbuch des Südtiroler Kulturinstitutes 2 (1962), S. 277–292.
  • Josef Weingartner: Die Burg Gries. In: Schlern 1 (1920), S. 353–357.
  • Josef Weingartner: Die Kunstdenkmäler Südtirols. Band 2: Bozen und Umgebung, Unterland, Burggrafenamt, Vinschgau. Bearb. von Adelheid von Zallinger-Thurn / Josef Stadlhuber. Innsbruck / Wien / München. Bozen 71991, S. 67–70.
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