Stift St. Dorothea in Wien
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Kirchliche Topographie | Diözese Passau, seit 1465 zur Diözese (seit 1723 Erzdiözese) Wien |
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Politische Topographie | Stadt Wien |
Frühere Bezeichnungen | Sand Dorotheenstifft (1414), Monasterium Sancte Dorothee Canonicorum Regularium Sancti Augustini in Vienna (1414), Sand Dorothe Gotzhauß zu Wienn (1417)
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Geschichtlicher Überblick
Herzog Albrecht II. (1298–1358) stiftete in der damaligen Lederstraße eine Kapelle zu Ehren der hl. Dorothea und Katharina, die 1353 erstmals urkundlich erwähnt wird. Geweiht wurde die Kapelle erst 1360, bereits unter der Herrschaft Rudolfs IV. Der Anlass der Stiftung ist nicht überliefert. Vermutlich handelte es sich um die Hauskapelle eines landesfürstlichen Gebäudes - die Hofburg lag schließlich in unmittelbarer Nähe. Das Patronat über die Kapelle hatten die Herzöge von Österreich. Seit 1353 sind an ihr Kapläne nachweisbar, mehrere Urkunden bezeugen ansehnliche Güterschenkungen an die Dorotheenkapelle.
Die Gründung eines Klosters bei St. Dorothea geht auf einen Wunsch Herzog Albrechts IV. zurück, der 1395 bis 1404 regierte. Der Beweggrund für diesen Wunsch war wohl das Aufblühen der Raudnitzer Reform im Orden der Augustiner-Chorherren. Diese Reform entsprach dem allgemeinen Wunsch nach einer religiösen Erneuerung in Klerus und Volk. Der frühe Tod des Herzogs verhinderte zunächst diese Absicht. Wirklich vollzogen wurde sie erst durch seinen Kanzler Andreas Plank. Andreas Plank, ein Weltpriester, ist erstmals 1391 als Pfarrer in Maigen urkundlich fassbar. 1402 ist er Pfarrer in Mödling und herzoglicher Notar, 1403 erhielt er die reiche landesfürstliche Pfarre Gars-Eggenburg und wurde zugleich Kanzler Herzog Albrechts IV. Dieses Amt erlosch mit dem frühen Tod des Herzogs. Plank wurde nun Lehrer und Erzieher des siebenjährigen Albrecht V., dazu 1406 Rektor der Dorotheenkapelle, behielt aber weiterhin seine Pfarre, die er durch einen Vikar verwalten ließ.
Die heftigen Streitereien um die Vormundschaft des jungen Herzogs zwischen seinen Oheimen, den Herzögen Leopold und Ernst, die zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führten, veranlassten Andreas Plank, das Land zu verlassen. Er ging 1407 nach Padua und widmete sich an der dortigen Universität den Studien. Als 1409 der Friede zwischen den verfeindeten Habsburgern geschlossen wurde, kehrte Plank nach Österreich zurück und wurde 1411 von seinem ehemaligen Schüler Albrecht V. neuerlich zum Kanzler berufen. Seine Einkünfte verwendete er zur Vermehrung des Besitzes der Dorotheenkapelle, so dass er schließlich daran denken konnte, den Wunsch des verstorbenen Herzogs Albrecht IV. zu erfüllen und bei St. Dorothea ein Chorherrenstift zu gründen. In einer Urkunde vom 15. August 1414 bezeugt Herzog Albrecht V., dass sein Kanzler Andreas Plank, Pfarrer von Gars, an der Kapelle zu St. Dorothea ein Stift von Augustiner-Chorherren gründet, bestätigt diesem Kloster den umfangreichen Besitz, den die Dorotheenkapelle bisher innehatte, und gewährt dem Kloster alle üblichen Freiheiten.
Am 28. August 1414 bestätigte der Passauer Bischof Georg von Hohenlohe diese Stiftung. Die Gründungsmannschaft des Klosters bestand aus fünf Chorherren. Vier kamen aus dem Stift Dürnstein, einer aus St. Pölten. Am 14. Dezember traten sie zur Wahl zusammen und wählten ihren Mitbruder Aegydius aus dem Stift Dürnstein, der noch in Wittingau (Böhmen) Profess abgelegt hatte, zum ersten Propst. Als Prior wurde ihm sein Mitbruder Anselm beigegeben. Die Raudnitzer Observanz pflegte nämlich den zweiten Mann im Kloster "Prior" zu nennen. Erst die "Wiener Konstitutionen" von 1421 führten in Dürnstein und St. Dorothea die in Österreich übliche Amtsbezeichnung "Dechant" ein. Das Stift St. Dorothea war von Anfang an zum Reformkloster bestimmt. Mag Albrecht IV. und in seinem Sinne auch der Kanzler Andreas Plank zunächst nur an eine fromme Stiftung für den neuen, aufstrebenden Chorherrenzweig der Raudnitzer Reform gedacht haben, so setzte Albrecht V. das Vermächtnis seines Vaters gezielt im Rahmen seiner kirchlichen Reformen ein.
Das neugegründete Stift sollte ein Musterkloster werden und die Keimzelle bilden für die Erneuerung der österreichischen Chorherrenstifte. Um von vorn herein Abweichungen von den Raudnitzer Statuten und das Eindringen weltlicher Sitten im neugegründeten Kloster zu verhindern, räumte Andreas Plank im Notariatsinstrument vom 12. Dezember 1414 den Prioren der Kartausen in Gaming, Mauerbach und Aggsbach ein gewisses Aufsichtsrecht über den Konvent von St. Dorothea ein - die Kartäuser galten als Garanten für monastische Strenge -, auch wenn diese Verfügung dem heutigen Begriff von Exemption widerspricht. Die von Herzog Albrecht V. mit päpstlicher Bewilligung 1418 angeordnete Visitation erreichte im April 1421 das Stift St. Dorothea. Die Visitatoren stellten dem jungen Stift ein sehr ehrenvolles Zeugnis aus. Die Visitatoren ordneten auch an, dass zwei Dorotheer Chorherren gemeinsam mit zwei Dürnsteiner Mitbrüdern die Raudnitzer Statuten in eine für Österreich passende Form überarbeiten sollten. Das Ergebnis waren die oben erwähnten "Wiener Konstitutionen" von 1421.
Offiziell anerkannt wurden diese Konstitutionen erst 1450 vom Passauer Bischof. Ihre strengen Vorschriften wurden bei einer weiteren Visitation 1427 etwas gemildert. Nach dieser neuen Verfügung soll der Propst die Tagesordnung so gestalten, dass die Konventualen den theologischen Studien möglichst viel Zeit widmen könnten. Diese Förderung der Wissenschaft, die ganz im Sinn der Raudnitzer Reform lag, trug im Dorotheerstift bald Früchte. Schon unter den ersten Professen des jungen Stiftes waren zwei Lehrer der Wiener Universität, Heinrich Bovel von Haslach und Johann Röckl von Straßburg. Der spätere Propst Stephan von Landskron gehörte zu den bedeutendsten Schriftstellern seiner Zeit. Propst Nikolaus Corona (von Kronstadt) wurde gemeinsam mit Dr. Martin aus dem Stift Waldhausen zum Vertreter aller österreichischen Chorherrenstifte beim Konzil von Basel gewählt (1431). Als ihn die Österreicher 1433 vom Konzil zurückriefen, da er in der Heimat gebraucht wurde, wollten ihn die Konzilsväter nicht entlassen und stellten seiner Tätigkeit ein glänzendes Zeugnis aus. Trotzdem reiste er ab. Der herzogliche Kanzler Andreas Plank wohnte im Stift und nahm auch - so weit es sein Amt zuließ- am Leben des Konvents teil. Obwohl er nicht die Ordensgelübde abgelegt hatte und auch kein klösterliches Amt bekleidete, war er die dominierende Persönlichkeit des Konvents. Er trug auch unermüdlich zur finanziellen Unterstützung des Klosters bei, so dass St. Dorothea zum reichsten Kloster nach dem Schottenstift unter den Wiener Stadtklöstern wurde. Er starb am 9. Juni 1435 und wurde als Stifter vor dem Hochaltar der Klosterkirche bestattet, obwohl er in seinem Testament - worin er das Stift als Alleinerben seines beträchtlichen Vermögens eingesetzt hatte - alle Ehre der Stiftung Herzog Albrecht IV. zugeschrieben hatte.
Das Stift St. Dorothea nahm rasch einen großen Aufschwung. Es wurde als Musterkloster angesehen. Das zeigt sich schon darin, dass der Vorauer Propst Andreas von Pranpeck 1433 zwei Dorotheer Chorherren zur Reform seines Stiftes erbat. Von St. Dorothea gingen auch Neugründungen aus: 1455 besiedelten Dorotheer Chorherren das Stift Rottenmann, 1459 das Chorherrenstift St. Ulrich in Wiener Neustadt und 1464 das Magdalenen- und Mauritiusstift in Friesach. Um die Ordensdisziplin aufrechtzuerhalten, schloss Propst Nikolaus mit dem Mutterstift Dürnstein, mit dem St. Dorothea schon seit 1420 in Gebetsverbrüderung stand, 1448 einen neuerlichen Vertrag, demzufolge die beiden Pröpste jährlich das andere Stift visitieren sollten. Die erste derartige Visitation durch den Dürnsteiner Propst fand sogleich statt und brachte ein für St. Dorothea sehr ehrenvolles Ergebnis, ebenso im folgenden Jahr 1449. Diese gewiss sehr nützliche Einrichtung hielt sich jedoch nicht lange. Propst Nikolaus wurde aber bis ins hohe Alter mit zahlreichen Klostervisitationen beauftragt, so von Kardinal Nikolaus von Kues 1451 und von Papst Nikolaus V. 1452. Das 1359 gegründete Chorherrenstift Glatz in Schlesien, das ziemlich heruntergekommen war, wurde 1456 durch Dorotheer Chorherren reformiert. Auch in Neustift bei Brixen führten auf Verlangen des Bischofs, Kardinal Nikolaus von Kues, 1457 Chorherren aus St. Dorothea die überarbeiteten Raudnitzer Statuten, die sogenannten "Wiener Konstitutionen" ein.
Dass sich St. Dorothea selbst als Reformstift verstand, zeigt sich auch darin, dass es sich von Anfang an mit den strengen Klöstern der Kartäuser und 1456 sogar ostentativ mit der Grande Chartreuse in Gebetsverbrüderung verband. Als der verdienstvolle Propst Nikolaus hochbetagt am 1. Juli 1458 starb, wählte der Konvent Stephan von Landskron zu seinem Nachfolger, einen Professen von St. Dorothea, der zuletzt auf Ersuchen des Stiftes Chiemsee dort Dechant gewesen war. Der neue Propst war nicht nur ein vorbildlicher Ordensmann, was er schon als Reformator einiger bayrischer Chorherrenklöster bewiesen hatte, sondern auch ein bedeutender Schriftsteller. Er verfasste mehrere theologische und asketische Traktate und auch einige deutsche Schriften. Propst Stephan erhielt von Kardinal Bessarion, der sich 1460 in Wien aufhielt, für St. Dorothea und die von diesem reformierten Klöster verschiedene Privilegien und Beichtvollmachten. Der Kardinal setzte Propst Stephan auch zum geistlichen Leiter der Wiener Chorfrauenstifte St. Jakob auf der Hülben, St. Laurenz und St. Magdalena ein. Neben Propst Stephan taten sich auch andere Chorherren des Stiftes St. Dorothea im Wiener Geistesleben hervor, so vor allem der Stiftsdechant Dr. Hieronymus Voglsank, ursprünglich Professe des Stiftes Olmütz und Gesandter am Basler Konzil, der bis zu seinem Tod 1467 der fähigste Mitarbeiter des Propstes war.
1473 konnte die Weihe der umgebauten und vergrößerten Stiftskirche durch Kardinal Markus Barbo, Patriarch von Aquileja, festlich begangen werden. Stephan von Landskron starb am 29. November 1477. Sein Nachfolger Gregor Teyninger fühlte sich wie er für die Tochtergründungen des Dorotheerklosters verantwortlich. Der Konvent umfasste zu seiner Zeit 28 Professen, wozu noch acht Chorherren kamen, die in die Tochterklöster zur Festigung der Observanz gesandt worden waren. Die misslichen Verhältnisse in diesen kleinen, unzureichend dotierten Häusern zehrten an den spirituellen und materiellen Ressourcen des Dorotheerstiftes. Dazu kamen noch die politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten, unter denen Österreich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts litt. Da erschien dem Stift ein unerwarteter Helfer in der Person des Bischofs Ludwig Ebner von Chiemsee. Er war Professe des Domstifts Salzburg, wurde 1470 Propst des Chorherrenstiftes St. Zeno in Reichenhall und wurde 1495 zum Bischof von Chiemsee berufen. 1502 resignierte er auf dieses Amt, und als Chorherrenprofesse suchte er um Aufnahme ins Stift St. Dorothea an. Dort nahm man ihn mit Freuden auf. Er war nun Mitglied des Konvents, genoss aber als Bischof verschiedene Freiheiten. So war ihm beispielsweise freigestellt, Ordenstracht oder bischöfliche Gewänder zu tragen. Er war nicht nur insofern Nachfolger des Stifters Andreas Plank als er dessen ehemalige Wohnung bezog, sondern auch im Hinblick auf dessen materielle Leistungen. Aufgrund päpstlichen Indultes standen Ebner weiterhin die Einkünfte einiger Herrschaften des Bistums Chiemsee zu, und die kamen nun zu seinen Lebzeiten dem Stift St. Dorothea zugute, ebenso wie das große Barvermögen, das er mitbrachte. Mit Recht wurde er deshalb als zweiter Stifter bezeichnet. Er starb am 4. Dezember 1516 und wurde in der Stiftskirche beige setzt.
Dass am Beginn des 16. Jahrhunderts in St. Dorothea ein guter Ordensgeist herrschte, beweist die Tatsache, dass der Propst von Vorau 1508 einige seiner Mitbrüder ins Wiener Stift sandte, um die dortige Ordensdisziplin zu lernen, und das 1504 gegründete Chorherrenstift Pöllau erbat sich im selben Jahr einen Professen aus St. Dorothea, damit er die Brüder in dem neuen Kloster in der rechten Observanz unterweise. Die offensichtliche Blüte des Ordenslebens in St. Dorothea welkte jedoch rasch. In Wien fasste die Reformation Martin Luthers relativ früh Fuß und wirkte sich bald auf die Disziplin in den Klöstern aus. Eine Visitation des Wiener Bischofs Johann de Revellis im Jahr 1525 deckte in St. Dorothea zahlreiche Missstände auf, vor allem Zwistigkeiten im Konvent. Außerdem fanden die Visitatoren lutherische Bücher. Mit der Resignation des Propstes Bernhard Zechmann im Jahre 1526 ging die Blütezeit des Stiftes zu Ende. Wie anderwo ging auch hier der spirituelle Niedergang mit dem wirtschaftlichen Hand in Hand. Propst Hieronymus Schmidl wurde 1533 wegen Vergeudung des Klostergutes abgesetzt. Es drohte sogar die Aufhebung des Stiftes, das Ferdinand I. den Augustiner-Eremiten übergeben wollte. Der Wiener Bischof Johannes Fabri konnte dies jedoch verhindern. 1544 hatte das Stift außer dem Propst nur drei Konventualen. Da der Klosterneuburger Hof vor dem Schottentor bei der Türkenbelagerung von 1529 zerstört worden war und die Klosterneuburger Pröpste bisher vergeblich ein Absteigquartier in Wien gesucht hatten, bot sich nun eine andere Lösung an.
Das Stift St. Dorothea war Klosterneuburg die ansehnliche Summe von 400 fl. schuldig, und da es diese Schuld nicht zu bezahlen vermochte, stellte es dem Stift Klosterneuburg 1547 einen Stock des Klostergebäudes zur Verfügung. Ob dies die ehemalige Wohnung der Stifter Andreas Plank und Ludwig Ebner war, ist nicht bekannt. Jedenfalls investierte das Stift Klosterneuburg ansehnliche Summen in den Ausbau dieser Wohnung, in der Propst Leopold Hintermayr von Klosterneuburg 1577 starb. Nachdem Klosterneuburg 1580 ein eigenes Haus am Minoritenfreithof erwerben konnte, verpflichtete sich St. Dorothea 1587 zur Rückzahlung des Betrages von 350 fl. Damit erlosch dieses Klosterneuburger Intermezzo. Welchen Geistes der zusammengeschmolzene Konvent von St. Dorothea war, zeigte sich, als 1552 der Klosterneuburger Chorherr Johann Weiß zum Propst postuliert wurde, denn gerade jener Johann Weiß war es, der in Klosterneuburg 1548 als erster protestantische Lehren verkündet hatte. Als Weiß 1563 starb, fand eine Visitation im Dorotheerstift fünf Konventualen, drei Konkubinen und sieben Kinder vor.
Der Nachfolger Klemens Staffelsteiner erhielt aber - ob sich die Verhältnisse besserten, ist nicht bekannt - von Papst Pius IV. am 3. Oktober 1564 das Recht zum Gebrauch der Pontifikalien. Eine Visitation im Jahre 1566 erbrachte ein sehr trauriges Ergebnis, und eine folgende fand es 1571 nicht besser. Daher wurde von der Regierung 1572 ein Weltpriester, der bisherige Almosenier Kaiser Maximilians II. Georg Premler, als Propst in St. Dorothea eingesetzt. Er blieb jedoch nicht lange in diesem Amt, denn schon 1578 wurde er als Propst nach Herzogenburg versetzt. Auch sein Nachfolger in St. Dorothea war Weltpriester, der bisherige Pfarrer von St. Michael in Wien, Martin Radwiger. Er war ein eifriger Verfechter der katholischen Sache und wurde daher 1586 zum Bischof von Wiener Neustadt ernannt, starb jedoch, bevor er dieses Amt antreten konnte. Nun wurde 1587 endlich ein Professe von St. Dorothea, der Chorherr Christoph Thutt, zum Propst eingesetzt. Er war ein tüchtiger Wirtschafter, schaffte für das Stift kostbare Paramente und Geräte an, strebte jedoch nach Höherem, nämlich nach der Prälatur von Klosterneuburg, was ihm trotz vieler Bemühungen und Intrigen nicht gelang.
Es wirkt daher wie ein Witz der Geschichte, dass sein Nachfolger ausgerechnet ein Klosterneuburger Chorherr wurde: Andreas Mosmiller. Dieser wurde sechs Jahre später wieder nach Klosterneuburg zurückgewählt, durfte allerdings St. Dorothea erst nach zwei weiteren Jahren verlassen. Ihm gelang es in seiner kurzen Amtszeit, die wirtschaftliche Situation des Dorotheerstiftes erheblich zu verbessern und die enorme Schuldenlast zu verringern. Sein Nachfolger Hieronymus König, wieder ein Professe von St. Dorothea, setzte diese Politik erfolgreich fort. Es gelang ihm, zahlreiche Stiftungen für St. Dorothea zu gewinnen, deren Kapital er gut verzinslich anlegte. Er neigte zu Prachtentfaltung. Die Feierlichkeiten bei seiner Amtseinführung 1618 kosteten die gewaltige Summe von 426 fl., wobei die Kosten für die Musik nicht eingerechnet waren. Propst Hieronymus und sein Bruder David, gleichfalls ein Konventmitglied, wurden am 4. Februar von Kaiser Matthias in den Adelsstand erhoben. 1624 wurde der Propst von Ferdinand II. zum Kaiserlichen Rat ernannt, starb aber bald dar auf.
Nun wählte der Konvent seinen leiblichen Bruder David König, bisher Stiftsdechant, zum Nachfolger. Eine Visitation im Jahr 1637 verzeichnete zehn Professen im Stift. Die wirtschaftliche Lage besserte sich zusehends, und das Stift St. Dorothea erfreute sich sowohl am kaiserlichen Hof wie beim Wiener Bischof hohen Ansehens. 1662 stiftete Propst Jakob Niernberger eine tägliche Messe für die Erhaltung des Erzhauses Österreich (diese Stiftung ging nach der Aufhebung des Dorotheerstiftes an das Stift Klosterneuburg, wo bis heute - allerdings nur einmal im Jahr - diese Messe gefeiert wird). Die Belagerung durch die Türken im Jahre 1683 brachte dem Stadtkloster viele Schwierigkeiten und Schäden, besonders auf seinen Besitzungen außerhalb der Stadt. Die niedergebrannten Kirchen in Rauchenwarth und Liesing mussten wiederhergestellt werden, die meisten Weingärten waren verwüstet. Dem Geschick des Propstes Hieronymus Hayden ist es jedoch zu verdanken, dass die Schäden in erstaunlich kurzer Zeit behoben wurden. Er konnte sogar dem Kaiser eine beträchtliche Summe für die Kriegsausgaben vorstrecken. Im Laufe seiner 27-jährigen Amtszeit erhöhte sich die Zahl der Konventmitglieder von acht auf zwanzig. Zweimal war er Rector magnificus der Wiener Universität. Sein Nachfolger, Ferdinand Nolthaeus von Ottendorf, war dreimal Rector. Er ließ die Stiftskirche durch Matthias Steinl im Barockstil neu ausgestalten, so dass sie zu einer der schönsten in Wien wurde.
Auch der Stiftsbibliothek galt seine besondere Sorge. Er ließ einen neuen Bibliothekssaal errichten und sorgte für die Vermehrung der Bücherbestände. Sein Nachfolger Ferdinand Adler setzte die Bemühungen um Verschönerung der Kirche und Erweiterung der Bibliothek fort. Nach seinem Tode wurde bei der Propstwahl am 2. September 1734 schon im ersten Wahlgang einstimmig der Stiftsdechant Joseph Rosner zum Propst gewählt, was den bei der Wahl anwesenden Weihbischof zur Bemerkung veranlasste, dass man so etwas noch nie erlebt habe. Propst Rosner wirkte im Sinn seiner Vorgänger weiter für die Verschönerung des Stiftes. Besondere Sorgfalt wandte er auf die Neuordnung des Archivs, auch legte er eine Münzensammlung an. Die Verwaltung der Stiftsgüter wurde genau organisiert. Der 1760 wiederum einstimmig gewählte Propst Ignaz Müller nahm eine führende Stellung im geistigen Leben Wiens ein. Er war ein gebildeter Mann, Doktor der Theologie und 1744/45 Dekan der Theologischen Fakultät der Wiener Universität. Er verkehrte in dem jansenistischen Kreis um Ambros Simon von Stock und Gerhard van Swieten und kam dadurch Kaiserin Maria Theresia nahe, besonders seit er ihr während ihrer Blattern-Erkrankung 1767 hilfreich zur Seite gestanden war. Schon 1769 ist er im Gefolge der Kaiserin, 1773 wird er ihr ordentlicher Beichtvater. Er gehörte auch der Jesuiten-Aufhebungs-Kommission an, die über die Folgen der päpstlichen Aufhebung des Ordens zu entscheiden hatte. Da ging es sowohl um die fernere Verwendung der ehemaligen Ordensleute, als auch um die durch ihren Abgang nötigen Reformen im Unterrichtswesen. Schon als 1760 die Studienhofkommission gegründet wurde, das oberste Gremium für das gesamte Unterrichtswesen, zählte Ignaz Müller zu ihren Mitgliedern.
Die Träger des geistigen Lebens in Wien waren in die Parteien der Jesuiten und Jansenisten gespalten, und als Wortführer der letzteren galt der Propst von St. Dorothea. Bei den Abendgesellschaften, die sich jeden Sonntag in seinem Stift versammelten, waren die führenden Köpfe des jansenistischen Wien vereint. Das Inventar seiner Privatbibliothek, das nach seinem Tod aufgenommen wurde, weist eine große Zahl jansenistischer und indizierter Bücher auf. Als der Propst im Mai 1780 an Rotlauf erkrankte, besuchte ihn Kaiserin Maria Theresia und weilte zwei Stunden an seinem Krankenbett. Wenige Monate später konnte Ignaz Müller diesen Liebesdienst erwidern und der Kaiserin in ihrer Todeskrankheit beistehen. Am 25. November nahm er ihr die Beichte ab und harrte bis zu ihrem Tode bei ihr aus. Am 26. November erteilte er ihr die Krankensalbung, und am nächsten Tag schied sie in den Abendstunden im Beisein ihrer Kinder und des Propstes Müller bei vollem Bewusstsein aus dem Leben. Dem Propst vermachte sie ein Legat von 500 Dukaten und einige persönliche Gegenstände. Ignaz Müller überlebte seine hohe Schutzbefohlene nicht lange. Er starb am 31. August 1782 im 70. Lebensjahr. Er hinterließ ein sehr gutes Andenken, und die Wiener Zeitung hob in einem ehrenden Nachruf hervor, dass er das große Vertrauen der Kaiserin nie für persönliche Zwecke missbraucht habe.
Der Tod des Propstes bedeutete zugleich das Ende des Stiftes. Eine Neuwahl wurde von der Regierung untersagt. Kaiser Joseph II. verfügte persönlich die Vereinigung des Stiftes St. Dorothea mit dem Stift Klosterneuburg. Dieses Stift sollte zunächst die Vermögensverwaltung des aufzulassen den Dorotheerstiftes übernehmen. Dank der guten Wirtschaftsführung des verstorbenen Propstes Ignaz Müller war der Besitz des Dorotheerstiftes sehr ansehnlich. Die Chorherren sollten vorerst noch im Kloster bleiben.[1] Sah es erst so aus, als sollte das klösterliche Leben weitergehen, wenn auch unter der Administration Klosterneuburgs, so stellten sich bald schlimmere Aussichten heraus. Am 11. August 1785 wurde verfügt, dass die Gegenstände aus anderen aufgehobenen Ordenshäusern im Dorotheerstift zu deponieren seien. Am 20. Februar 1786 verfügte ein Regierungsdekret, dass die noch dort wohnenden Chorherrren das Stift zu verlassen hätten, da dort ein Arbeitshaus eingerichtet werden sollte. Am 18. April 1786 versammelten sich die Chorherren zum letzten gemeinsamen Mahl. Es wurde ihnen nahegelegt, in das Stift Klosterneuburg zu übersiedeln, aber nur zwei (Engelbert von Augusti und Franz Demuth) gingen in das strengere Kloster. Die übrigen zogen es vor, in den Weltpriesterstand zu treten. Zwei bedeutende Gelehrte, Franz Neumann und Andreas Stütz, wurden in den Staatsdienst übernommen. Neumann wurde Direktor des kaiserlichen Münzkabinetts, Stütz Direktor des Hofnaturalienkabinetts.
Da sich das Arbeitshaus nicht bewährte, verfügte Kaiser Joseph am 11. April 1787, dass das Versatzamt im Dorotheerkloster untergebracht werden solle. Die ohnehin unnütze Kirche der Dorotheer, welche in dieser Gasse gar nicht nothwendig ist, wie der Kaiser befand, wurde am 27. April 1787 exsekriert, die Gruft wurde geräumt, die Gebeine auf dem Matzleinsdorfer Friedhof beigesetzt. Nur die Gebeine des Gründers Andreas Plank konnten die Chorherren retten. Sie kamen zusammen mit den Archivalien nach Klosterneuburg und ruhen heute im Sockel der barocken Pieta von Lorenzo Mattielli im dortigen Kreuzgang. Die Einrichtung der Kirche wurde verkauft, die beiden Kirchtürme wurden abgetragen. Alle Gegenstände aus Edelmetall wurden eingeschmolzen. Der nördlich an die Kirche angrenzende Stiftshof, ein von Künstlern und Standespersonen bevorzugtes Wohnhaus, ging gegen eine beträchtliche Abfindungssumme an das Stift Klosterneuburg, mit der Verpflichtung, das alte Gebäude abzubrechen und an seiner Stelle zwei moderne Wohnbauten zu errichten (die heutigen Häuser Plankengasse 6 und 7, erbaut 1803 bis 1807 vom Hofarchitekten Johann Amann). Kirche und Kloster wurden als Versatzamt eingerichtet. An ihrer Stelle erbaute 1898 bis 1901 der Architekt Emil von Förster den neubarocken Prachtbau des heutigen "Dorotheums". Beim Abbruch der alten Gebäude kamen viele alte Steinfragmente zum Vorschein. Sie sind heute im Seitenhof des Versatz- und Versteigerungsamtes eingemauert. Sonst erinnert an Ort und Stelle nichts mehr an das einst so bedeutende Stift St. Dorothea.
Konföderationen
Bedeutend intensiver als die auf der Zugehörigkeit zum Raudnitzer Reformkreis beruhenden Beziehungen zu anderen Klöstern waren die äußeren Kontakte durch die Gebetsverbrüderungen (Konföderationen), die St. Dorothea von Anfang an mit vielen anderen Klöstern schloss. Es waren dies in der Reihenfolge der Konföderationsurkunden: Wittingau (1416), St. Andrä an der Traisen (1416), Kartause Aggsbach (1418), Kartause Gaming (1418), Neunkirchen am Brand (Diözese Bamberg, 1419), Schottenstift Wien (1419), Dürnstein (1420), Melk (1420), Indersdorf (Diözese Freising, 1420), Kartause Mauerbach (1425), Mariazell im Wienerwald (1431), Herzogenburg (1435), Klosterneuburg (1436), St. Florian (1436), Kazimierz (Diözese Krakau, 1438), Rohr (Diözese Regensburg, 1439), Tegernsee (1448), Glatz in Schlesien (1456), Gran de Chartreuse (Diözese Grenoble, 1456), Generalkapitel von Windesheim (1458), Reichersberg (1466), St. Michael an der Etsch (1466), St. Ulrich in Wiener Neustadt (1470), Rottenmann (1495), Olmütz (1502), Pöllau (1520), Chorfrauenstift St. Laurenz in Wien (1607), Geras (1731), Heiligenkreuz (1738), Cluny (1738), Formbach (1738), Seckau (1738), Raitenhaslach (1739), Stainz (1739), Waldhausen (1739), Seitenstetten (1739), Säusenstein (1742), Altenburg (1746), Chorfrauenstift St. Joseph in Eisenstadt (1754).
Wirtschaftliche, rechtliche und soziale Verhältnisse
Wirtschaftliche Verhältnisse
Das Stift St. Dorothea war nach dem Schottenstift das reichste unter den Wiener Stadtklöstern. Schon die alte Kapelle zu St. Dorothea und Katharina war seit 1353 mit Stiftungen begabt worden. Nachdem der herzogliche Kanzler Andreas Plank 1406 Inhaber dieser Kapelle wurde, vermehrte er die Stiftungen gewaltig, offensichtlich bereits im Hinblick auf die künftige Klostergründung. Durch Ankauf der Nachbarhäuser schuf er das Areal für die Klostergebäude. Sie lagen südlich der Kirche in Richtung zur Hofburg. Schon im Jahr nach der Gründung verkaufte Bernhard von Liechtenstein 1415 dem Stift St. Dorothea sein Haus nördlich der Kapelle (in Richtung zum Graben), das Nachbarhaus wurde 1444 dem Stift geschenkt. Weitere zwei Häuser wurden 1447 und 1490 dazugekauft. Nun gehörte dem Stift das sehr große Areal zwischen der Klosterkirche und der alten österreichischen Kanzlei (ehem. Palais Starhemberg, Dorotheergasse 9). Es entsprach den heutigen Häusern Dorotheergasse 11 bis 15 einschließlich der Plankengasse. Die dort stehenden Gebäude wurden vermietet.
Unter der Misswirtschaft des Propstes Hieronymus Schmidl ging ein Teil des Geländes (Dorotheergasse 11, heute Jüdisches Museum) wieder verloren. Auf dem noch immer großen Areal, das nördlich an die Klosterkirche anschloss, wurde 1671 bis 1675 der Dorotheer-Hof erbaut, einer jener großen Stiftshöfe in Wien, in denen standesgemäße Wohnungen an zahlungskräftige Persönlichkeiten vermietet wurden. Diese Mieterträge stellten einen wesentlichen Teil der Klostereinkünfte dar. Die eigentliche wirtschaftliche Grundlage des Stiftes bildete der Grundbesitz. Wie erwähnt, besaß die Dorotheenkapelle bereits vor der Gründung des Klosters Einkünfte aus Grundbesitz vor dem Stubentor, in Opping, in Riedenthal, in Höbersdorf und der Pinzenau. Andreas Plank, seit 1406 Inhaber der Kapelle, vermehrte deren Besitz um Einkünfte in Liesing, Kalksburg, Perchtoldsdorf und Rodaun. 1413 schenkte er das Dorf Neustift am Walde, ebenso Güter und Gülten zu Gersthof und Breitensee. Ein von der Herzogin Beatrix, Witwe Albrechts III., geschenktes Haus verkaufte Plank, um mit dem Erlös den Kreuzgang und die Klosterkirche für die 1414 einziehenden Chorherren zu errichten. Die Einkünfte des Stiftes bestanden weiters aus Zehent und Bergrecht (Abgaben aus Weingärten) zu Neustift am Walde, Rodaun, Liesing, Gersthof, Döbling, Grinzing, Nussdorf, Heiligenstadt, Oberstockstall, Langenrohr, Drösing, Göllersdorf, Traiskirchen, Möllersdorf, Tribuswinkel und Rauchenwarth. Eine Badstube am Sehweinmarkt (heute Lobkowitzplatz) verkaufte das Stift schon 1434.
Eine bedeutende Geldquelle - schon vor der Klostergründung - war die Salzstiftung Herzog Albrechts V. von 1416. Sie brachte dem Stift jährlich 3 Fuder Salz, das zollfrei aus Hallein zugestellt wurde. Eine Stampfmühle in Gumpendorf wurde dem Stift 1433 vermacht. Als Andreas Plank 1435 starb, erbte das Stift seinen beträchtlichen Besitz an Geld, Kleinodien und Grundstücken. Die Bücher, die Plank offenbar als das Kostbarste ansah, werden im Testament einzeln angeführt. 1476 schenkte Kaiser Friedrich III. dem Dorotheerstift das Dorf Siechenals (Wien IX.), zu dem auch das bekannte Siechenhaus St. Johann gehörte. Der Ungarnkönig Matthias Corvinus schenkte 1488 das sogenannte "Harnaschhaus" gegenüber der Augustinerkirche, das aber 1531 verkauft wurde. Durch die vielen Schenkungen und Stiftungen war das Stift in der Lage, als Kreditgeber aufzutreten, nicht nur an Wiener Bürger, sondern öfter auch an den Landesfürsten. Der Ausschank des Weines aus den stiftseigenen Weingärten war gleichfalls eine wichtige Einnahmequelle. Das Stift durfte jährlich 80 Fuder Wein steuerfrei in die Stadt einführen und hier ausschenken. Sollte dieses Kontingent überschritten werden - bis zu 20 Fuder war das zulässig - musste für diesen Überschuss die übliche Steuer gezahlt werden. Was darüber hinausging, verfiel zugunsten der Stadt Wien. Als Gegenleistung verpflichtete sich das Stift, in seinen Schanklokalen kein Kegel-, Karten- oder Würfelspiel zu gestatten.
Die erste Türkenbelagerung Wiens im Jahre 1529 brachte dem Dorotheerstift schwere Schäden. Das Dorf Liesing wurde völlig zerstört, ebenso Siechenals, und natürlich auch die Weingärten vor der Stadt verwüstet. Und die Misswirtschaft des damaligen Propstes Hieronymus Schmidl führte darüber hinaus dazu, dass viel Grundbesitz des Stiftes verschleudert wurde. Deshalb setzte ihn die Regierung 1533 ab, aber nur langsam konnte sich die Wirtschaft des Stiftes erholen - nicht zuletzt wegen des eindringenden Protestantismus. Nicht zu unterschätzen sind die Einkünfte, die dem Kloster aus Stiftungskapitalien zuflossen. Es handelt sich dabei meist um Stiftungen für Jahrtage und um Grabstiftungen. Wegen der Nähe zur Hofburg ließen sich viele Angehörige des Hofadels in der Kirche von St. Dorothea beisetzen. Schon im Spätmittelalter war sie eine beliebte Begräbnisstätte gewesen. Es sei nur an Johann Fuchsmagen erinnert, von dem noch die Rede sein wird. Einige berühmte Familien hatten hier ihre Erbbegräbnisse: Harrach, Herberstein, Khuen-Belasy, Khevenhüller, Krayg, Puchheim, Salm und andere. Diese Stiftungen waren vielfach in Renten angelegt, bildeten also verfügbares Kapital. Mehrmals konnten daher die Pröpste von St. Dorothea dem Kaiser größere Summen leihen.
Als nach dem Tode des Propstes Ignaz Müller ein Inventar des Stiftes aufgenommen wurde, zeigte sich ein beträchtliches Vermögen. Einem Aktivstand von rund 556.000 fl. standen nur 12.000 fl. Schulden gegenüber. Neben den Kapitalzinsen kamen die höchsten Erträge aus dem Weinbau. Die besten Weingärten lagen in Nussdorf, Perchtoldsdorf, Brunn am Gebirge, Liesing und St. Veit und brachten in guten Jahren einen Ertrag von 1.500 Eimern (1 Eimer = 56 Liter). Zehent bezog das Stift von Traiskirchen, Tribuswinkel, Möllersdorf, Neusiedel und Ober- und Unterlaa. Andere Zehenten wurden in Bestand gegeben. Das Stift besaß je einen Hof, Schloss genannt, in Liesing und in Rauchenwarth sowie eine Mühle in Gumpendorf. All das wurde nach der Aufhebung zugunsten des Religionsfonds verkauft. Da sich für den oben erwähnten Dorotheerhof kein Käufer fand, wurde er dem Stift Klosterneuburg übergeben. Dafür musste sich das Stift verpflichten, an seiner Stelle zwei große Neubauten zu errichten und damit die Plankengasse zu verlängern. Der Propst von Klosterneuburg übernahm diese Verpflichtung unter der Bedingung, dass das noch verbliebene Vermögen des Dorotheerstiftes dem Stift Klosterneuburg übertragen werde. Dies geschah auch, doch musste Klosterneuburg dafür ein jährliches Pauschale von über 15.000 fl. an den Religionsfonds entrichten.
Rechtliche Verhältnisse
Keimzelle des Stiftes war die von Herzog Albrecht II. gestiftete Kapelle zu Ehren der hl. Dorothea und Katharina, die 1353 erstmals urkundlich erwähnt wird. Sie stand unter dem Patronat des Landesfürsten und wurde mit ansehnlichen Stiftungen begabt. Seit der herzogliche Kanzler Andreas Plank 1406 Rektor der Kapelle wurde, vermehrte er den Besitz der Dorotheenkapelle und gründete schließlich 1414 hier ein Kloster für Augustiner-Chorherren der Raudnitzer Reformrichtung. Herzog Albrecht V. bestätigte die Gründung mit all ihrem Besitz, und ein ausführliches lateinisches Notariatsinstrument vom 12. Dezember 1414 hält die Gründung und alle Verpflichtungen des neuen Klosters fest. Suchte Andreas Plank damit vor allem einen frommen Wunsch Her zog Albrechts IV. zu erfüllen, so wollte Albrecht V. mit dieser von ihm geförderten Stiftung zugleich einen Stützpunkt für seine Klosterreform errichten, die er in den folgenden Jahren mit großem Erfolg durchführte. Um einem Verfall der Klosterdisziplin vorzubeugen, räumte Andreas Plank im Notariatsinstrument von 1414 den Prioren der Kartau sen Gaming, Mauerbach und Aggsbach ein gewisses Aufsichtsrecht über seine Stiftung ein. Ob dieses Recht je angewandt wurde, ist nicht bekannt.
Seit der Gründung war das Stift eng mit seinem Mutterkloster Dürnstein verbunden. Dies wurde auch durch die "Wiener Konstitutionen" bekräftigt, die 1421 von Dürnsteiner und Dorotheer Chorherren gemeinsam ausgearbeitet wurden. Sie galten in beiden Stiften. 1448 vereinbarten diese Stifte sogar, dass ihre Pröpste alle Jahre das andere Stift visitieren sollten, was allerdings nicht lange beibehalten wurde. Vergeblich wurde mehrmals ein rechtlicher Zusammenschluss der untereinander in enger geistiger Verbindung stehenden Klöster der Raudnitzer Reformrichtung angestrebt. 1460 regte Kardinal Bessarion die Bildung eines Generalkapitels durch die Stifte Dürnstein, St. Dorothea, Rottenmann und Glatz an, doch kam auch dieses Projekt nicht zur Ausführung. Kaiser Friedrich III. unternahm einen neuerlichen Versuch, diese Stifte unter der Leitung des Propstes von Wiener Neustadt zu einem Generalkapitel nach dem Vorbild der Windesheimer Kongregation zusammenzuschließen. Papst Pius II. genehmigte den Plan. Da sich jedoch das Stift Wiener Neustadt als nicht lebensfähig erwies, scheiterte auch dieses Projekt. Die Klöster der Raudnitzer Observanz blieben selbständig und daher auch der bischöflichen Jurisdiktion unterworfen.
Der Anschluss des Stiftes St. Dorothea an die Lateranensische Kongregation im Jahre 1739 änderte de facto nichts an diesem Zustand, denn er bedeutete nur eine Privilegiengemeinschft und eine lockere Gebetsverbrüderung. Am 26. Oktober 1782 verfügte Kaiser Joseph II. die Vereinigung des Stiftes St. Dorothea mit dem Chorherrenstift Klosterneuburg. Das letztere sollte die Verwaltung des Vermögens übernehmen, ein allfälliger Überschuss sollte dem Religionsfonds zufallen. Der Propst von Klosterneuburg erhielt vom Wiener Erzbischöflichen Konsistorium die Jurisdiktion über St. Dorothea in geistlichen Sachen. Ein Regierungsdekret vom 20. Februar 1786 verordnete die Räumung des Stiftes. Am 16. April 1787 wurde der Klosterneuburger Propst aufgefordert, Kirche und Kloster der Stiftungsoberdirektion zu übergeben. Die Kirche wurde entweiht. Seit 1788 war in Kirche und Kloster das Versatzamt "Dorotheum" untergebracht.
Soziale Verhältnisse
Schon die alte Dorotheenkapelle hatte als landesfürstliche Stiftung ein gewisses Prestige und daher auch ansehnliche Einkünfte. Das steigerte sich mit der Gründung des Klosters. Die Nähe zur Hofburg führte dazu, dass Hofbedienstete und vornehme Familien die Kirche zu ihrer Begräbnisstätte erwählten und auch ziemlich häufig Adelige in den Konvent eintraten. In ihrer überwiegenden Mehrheit stammten die Dorotheer Chorherren aus Wien. Das Bildungsniveau unter den Chorherren war von Anfang an hoch, wie es in der Raudnitzer Observanz üblich war. Schon im Jahrhundert der Gründung hatten die meisten Chorherren akademische Grade, und der Kontakt zur Wiener Universität war immer eng. Vier Pröpste des Stiftes waren Rektoren der Universität. Im 18. Jahrhundert wirkten einige namhafte Gelehrte im Dorotheerstift.
Da das Stift keine inkorporierten Pfarren besaß, wurde - im Gegensatz zu den meisten anderen Chorherrenstiften - keine reguläre Pfarrseelsorge ausgeübt. An den Patronatskirchen wirkten gelegentlich Chorherren als Seelsorger, auch wurde Aushilfsdienst geleistet. Für ein Stadtkloster war jedoch eminent wichtig, dass es gute Prediger aufweisen konnte. Viele Dorotheer Chorherren besaßen auf diesem Gebiet einen sehr guten Ruf. Mehrere Pröpste wurden geadelt, zu kaiserlichen Räten ernannt und zu Deputierten der Landstände gewählt. Dass das Stift dem Landesfürsten öfter Darlehen gewährte, wurde schon erwähnt. All diese Umstände führten dazu, dass das ehemalige Reformstift, das im 15. Jahrhundert vielen Klöstern als Vorbild diente und dessen Pröpste immer wieder als Visitatoren und Reformatoren herangezogen wurden, seit dem 17. Jahrhundert zu einem "Nobelkloster" wurde.
Der Lebensstandard der Konventualen war verhältnismäßig hoch. Infolge ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit unterhielten sie viele Kontakte mit der Wiener Gesellschaft. In den letzten Jahren des Stiftes gab es auch einige Freimaurer im Konvent. Der letzte Propst Ignaz Müller, ein Vertrauter der Kaiserin Maria Theresia, spielte im Wiener Geistesleben eine gewichtige Rolle, und zwar ganz im Geist des Jansenismus. Seine berühmten Abendgesellschaften wurden schon erwähnt. Unter diesen Umständen nimmt es nicht wunder, dass sich nach der Aufhebung des Stiftes nur zwei Chorherren entschlossen, in das strengere Klosterneuburg zu übersiedeln. Die übrigen zogen es vor, in den Weltpriesterstand zu treten und entweder einen Seelsorgeposten zu übernehmen oder in Pension zu gehen. Zwei von ihnen machten eine wissenschaftliche Karriere in kaiserlichen Diensten.
Priorate und Inkorporationen
St. Dorothea war ein reines Stadtkloster. Zwar waren mehrere Neugründungen von ihm ausgegangen, aber niemals ein abhängiges Priorat. Das Stift besaß auch keine inkorporierte Pfarre, sondern nur einige Patronatskirchen im Rahmen seiner Grundherrschaften.
Das Schloss in Liesing, das 1435 an das Stift St. Dorothea kam, hatte eine Kapelle, in der die Bewohner des Dorfes den Gottesdienst besuchten. Wenn Chorherren als Verwalter dort saßen, pflegten sie die Liturgie zu feiern. Zweimal wurde das Liesinger Schloss schwer beschädigt, in den Türkenbelagerungen 1529 und 1683. Beim Wiederaufbau am Anfang des 18. Jahrhunderts wurde die Kapelle in den Turm verlegt. Nach der Aufhebung des Stiftes wurde die Herrschaft Liesing zugunsten des Religionsfonds verkauft.
Siechenals (heute Wien IX.) hat seinen Namen vom Siechenhaus, das mit seiner Johanneskapelle im 13. Jahrhundert erstmals erwähnt wird. Kaiser Friedrich III. übergab 1476 die Verwaltung dem Stift St. Dorothea, das auch die Seelsorge an der Kapelle besorgte. Bei der Belagerung von 1529 wurde alles zerstört. Da die missliche Finanzlage des Stiftes einen Wiederaufbau nicht erlaubte, übertrug Ferdinand I. Siechenals 1540 der Stadt Wien. Das Dorf Neustift am Walde (heute Wien XIX.) gehörte zum ältesten Besitz des Dorotheerstiftes. Die zuständige Pfarrkirche von Sievering war ziemlich weit entfernt, was vor allem im Winter den Neustiftern sehr lästig war. Deshalb wollten die Neustifter um 1709 mit Bewilligung des Propstes von St. Dorothea eine kleine Kapelle im Ort bauen. Auf Betreiben des Sieveringer Pfarrers verbot dies jedoch das bischöfliche Konsistorium von Passau. Die Neustifter fanden aber einen Ausweg. Sie - oder vielmehr der italienische Handelsmann Marco Abondio als Stifter - erbauten die Kapelle 1713/14 jenseits des Krottenbaches, der die Grenze zur Wiener Diözese bildete, also außerhalb der Passauer Jurisdiktion. Das Problem erledigte sich aber bald von selbst, da 1729 das ganze Viertel unter dem Wienerwald, zu dem auch Neustift gehörte, an die nunmehrige Erzdiözese Wien abgetreten wurde. Neustift wurde aber keine Pfarre, sondern wurde von einem dort wohnenden Benefiziaten seelsorglich betreut.
Im Zuge der josephinischen Pfarregulierung wurde Neustift 1784 von Sievering abgetrennt und zur eigenen Pfarre erhoben. Diese wurde dem Stift St. Dorothea über geben, obwohl es faktisch bereits aufgehoben war. Erster Pfarrer wurde der Dorotheer Chorherr Joseph Zöhr, dem 1787 von Rom die Säkularisation bewilligt wurde. Die Pfarre Neustift wurde 1786 dem Stift Klosterneuburg definitiv übergeben. Im selben Jahr resignierte Zöhr auf die Pfarre und starb im Ruhestand 1809 in Wien.
Bibliothek
Der Konvent des Stiftes St. Dorothea bestand von Anfang an aus theologisch hochgebildeten Priestern, die akademische Grade erworben hatten und zum Teil auch wissenschaftlich tätig waren. Unter ihnen ragte Propst Stephan von Landskron hervor, der Verfasser vieler theologischer Schriften. Seine lateinischen Werke sind noch weitgehend unerforscht, seine Werke in deutscher Sprache fanden weite Verbreitung, besonders die "Hymelstrasz" (ed. Jaspers 1971), eine Anleitung zum geistlichen Leben.
Dementsprechend besaß St. Dorothea eine reichhaltige Bibliothek, der die Schenkungen des Bischofs Ebner sehr zustatten kamen. Von Propst Siegmund Kugelberger (1501–1503) wird ausdrücklich berichtet, dass er der kostbaren Stiftsbibliothek besondere Sorgfalt angedeihen ließ. Ein summarisches Verzeichnis aus der Zeit um 1700, das nur die Wissensgebiete, aber nicht die einzelnen Titel aufzählt (Stiftsarchiv Klosterneuburg, K 223), lässt auf einen großen Bücherbestand schließen. Unter Propst Ferdinand Nolthaeus von Ottendorf (1675–1712) wurde mit dem Bau eines neuen Bibliothekssaals begonnen, der erst unter seinem Nachfolger fertiggestellt wurde. Da in den folgenden Jahren Bücher um rund 8.500 fl. angekauft wurden, musste noch ein weiterer Saal für die Bibliothek adaptiert werden. Der Aufhebungskommissär berichtet, dass er die Bibliothek sehr gut eingerichtet und mit guten Büchern versehen angetroffen habe.
Nach dem Tode des Propstes Ignaz Müller wurde ein Inventar seiner umfangreichen Privatbibliothek aufgenommen. Darunter findet sich eine erstaun liche Zahl jansenistischer Werke in französischer Sprache, die fast durchwegs auf dem Index der verbotenen Bücher standen. Am 13. November 1786 wird Propst Floridus Leeb von Klosterneuburg, dem Administrator des Dorotheerstiftes, befohlen, den vierhändigen Katalog der Bibliothek des aufgehobenen Stiftes nebst einem Verzeichnis der Handbibliothek des verstorbenen Propstes den Regierungskommissären zu übergeben, was am 6. und 11. April geschah. Was für die Hofbibliothek brauchbar schien oder für die Universitätsbibliothek oder die staatlichen Generalseminarien, wurde diesen unmittelbar übergeben. Der Rest wurde verkauft und damit in alle Winde zerstreut. Einige Handschriften aus St. Dorothea sind heute noch in der Wiener Nationalbibliothek nachweisbar, einige wenige in der Klosterneuburger Stiftsbibliothek.
Bau- und Kunstgeschichte
Die alte, 1353 erstmals urkundlich erwähnte Kapelle St. Dorothea und Katharina wurde erst 1360 geweiht. Wie sie aussah, ist nicht bekannt. Herzog Albrecht IV., der an eine Klostergründung dachte, dürfte hierfür das Nachbarhaus der Kapelle ausersehen haben. In einer von Albrecht V. ausgestellten Schenkungsurkunde von 1424 heißt es nämlich, dass dieses Haus von altersher zum Dorotheenstift gehört habe.
Zugleich mit der Klostergründung begann 1414 der Umbau der alten Kapelle zur Klosterkirche. 1422 waren angeblich die Bauarbeiten am Kloster abgeschlossen, die Nikolaus Altmann aus Znaim geleitet haben soll. Nach der Abbildung bei Georg Matthäus Vischer (1672) dürfte es sich bei der Kirche um eine vierjochige Basilika gehandelt haben. Aber schon einige Jahrzehnte später wurde ein überhöhter Langchor angefügt, der 1473 vom Patriarchen Markus von Aquileia geweiht wurde. Dieser Hochchor hatte drei Joche und einen Fünf-Achtel-Chorschluss. Er war von einem Netzrippengewölbe überspannt, aus dem sich im Chorhaupt ein reicher Rippenstern entwickelte. Dieser Bau ist wohl unter dem direkten Einfluss der Dombauhütte von St. Stephan entstanden. Er ist in einer Grundrisszeichnung überliefert. An der Südseite der Kirche stand jenes Haus, das von altersher zur Kapelle gehörte. Dazwischen lag ein schmales Gässchen, das von sieben Schwibbögen überwölbt war und erst 1424 vom Herzog dem Stift geschenkt wurde. Dieses Gässchen wurde in den Klosterbau mit einbezogen, hier entstand der "Untere Kreuzgang".
1460 wurde der Konventbau erweitert. Nördlich der Kirche wurden sukzessive mehrere Häuser erworben. Hier entstand das 1444 erwähnte "Neugebäude" mit dem "Oberen Kreuzgang". Im angrenzenden Meierhof, den der Kärntner Landeshauptmann Konrad von Kraig dem Stift schenkte, fand der Dorotheer-Hof seinen Platz, in dem neben anderen Persönlichkeiten auch der Bischof Ludwig Ebner von Chiemsee bis zu seinem Tode wohnte. Von 1488 bis 1513 besaß das Stift auch das ehemals landesfürstliche "Harnaschhaus" (Ecke Dorotheergasse und Augustinerstraße). Nachrichten über die Ausstattung der Kirche und des Klosters betreffen vor allem Altäre und Kapellen. Der Hochaltar wurde vermutlich 1414 umgestaltet. 1446 wurde ein Alexius- und Elisabethaltar in der Kapelle der Infinnarie geweiht, 1453 ein Gottesleichnamsaltar im Oratorium oberhalb der "Schneckenstiege", wo das Chorgebet stattfand.
1514 stiftete die Bruderschaft der Bäckerknechte Geld für ein Ewiges Licht in der 1445 geweihten Augustinuskapelle oberhalb des oberen Kreuzgangs. Überreich war der Bestand an Grabdenkmälern und Gedenksteinen. Ein Codex von 1630 verzeichnet 72 Epitaphien. Nach der barocken Umgestaltung der Stiftskirche waren es immer noch 63 Grabdenkmäler. Der Stifter Andreas Plank war vor dem Hochaltar bestattet. In der Mitte des Kirchenraumes stand das marmorne Hochgrab des Grafen Niklas Salm, des Verteidigers Wiens in der ersten Türkenbelagerung, ein Hauptwerk der österreichischen Renaissance. Oberhalb des Chorgestühls hing der Wandteppich des 1510 verstorbenen Humanisten Dr. Johannes Fuchsmagen. Über diese und andere Kunstwerke wird weiter unten gehandelt. Als im Zuge der Gegenreformation das Klosterleben wieder aufblühte, wurde auch die Ausstattung der Kirche erneuert. 1612 wird ein neuer Johannesaltar erwähnt. Propst Hieronymus König (1618–1624) errichtete einen Leopolds- und einen Bricciusaltar. Außerdem ersetzte er den Dachreiter auf der Kirche durch einen massiven Fassadenturm. Eine neue Gruft für die Chorherren wurde angelegt.
1656 erhält der Maler Tobias Pock den Auftrag, für den Hochaltar der Stiftskirche ein großes Bild mit dem Martyrium der hl. Dorothea und ein kleines Bild mit der hl. Dreifaltigkeit für den oberen Teil des Altars zu malen. Als Honorar werden 1.200 fl. vereinbart. Die Tischlerarbeit am neuen Hochaltar wird 1658 Peter Eppele anvertraut, Honorar: 1.100 fl. Mit dem Bildhauer Tobias Kracker (hier Krocker genannt) vereinbart der Propst zugleich für Statuen der zwölf Apostel und andere Arbeiten ein Honorar von 650 fl. nebst Beistellung des Holzes. 1660 werden für Fassung des Hochaltars und Vergoldung des Tabernakels die Maler Hanns Georg Munthelfer und Hans Küsse! um je 800 fl. verpflichtet. Außerdem erhält 1660 der Tischler Peter Eppele den Auftrag, eine neue Kanzel um 100 fl. anzufertigen. Unter Propst Hieronymus Hayden (1671–1695) wurden auch die Konventgebäude erneuert.
Die große Neugestaltung der Kirche durch den berühmten Architekten Matthias Steinl, der übrigens im Dorotheerhof wohnte, erfolgte in den Jahren 1702 bis 1704. Der Architekt stand vor der schwierigen Aufgabe, unter Beibehaltung des Grundrisses der langen, schmalen Kirche ein neues Gesamtkunstwerk zu schaffen. Wie der Innenraum dieser Kirche aussah, ist nicht überliefert. Er wurde von den Zeitgenossen sehr bewundert. Der berühmte Maler Johann Michael Rottmayr schuf die Deckenfresken und mehrere Altarbilder. Die Fassade, die von dem Kupferstich Salomon Kleiners bekannt ist, trug der engen Dorotheergasse insofern Rechnung, als sie in der Mitte konkav zurückschwingt und so zwischen den beiden Türmen einen Vorplatz schafft. Damit erzielte der Architekt eine viel bewunderte, monumentale Wirkung. Am 6. Februar 1705 wurde die neugestaltete Kirche unter Anwesenheit des kaiserlichen Hofes feierlich geweiht. Die Pracht war jedoch nicht von langer Dauer, denn nach Aufhebung des Stiftes wurde die Kirche ausgeräumt. Ein Inventar, das bei dieser Gelegenheit aufgenommen wurde, verzeichnet folgende Altarbilder: Das Hochaltarbild "Marter der hl. Dorothea" von Tobias Pock wurde nach Rovereto gegeben. Pocks Skizze für dieses Bild befindet sich im Historischen Museum der Stadt Wien. Von Rottmayrs Hand stammten vier große Altarbilder. Das Bild des Augustinusaltars befindet sich heute im Museum der Schönen Künste in Budapest. Sein Gegenstück, die Marter der hl. Barbara, ist verschollen. Es gibt aber eine Handzeichnung Rottmayrs zu diesem Bild in der Kunsthalle Bremen. Die Kreuzabnahme Christi kam in die neu erbaute Pfarrkirche zu Reindorf (Wien XV.) und ist dort nicht mehr vorhanden. Ein Bild Rottmayrs mit dem selben Thema im Nationalmuseum in Breslau war mit ziemlicher Sicherheit der modello für das Bild der Dorotheerkirche. Und das vierte, große Bild Rottmayrs für diese Kirche war eigentlich kein Altarbild, sondern hing an der Wand. Es stellte die Glorie des hl. Kilian, des Patrons von Franken dar, und wurde von dem aus Würzburg stammenden Hofoptiker Johann Balthasar Benz 1712 gestiftet. Hier hielt die "Fränkische Nation" ihre Gottesdienste ab. Auch dieses Hauptwerk Rottmayrs ist verloren und nur durch einen Kupferstich von Johann Adam Delsenbach bekannt.
Auch Martin Altomonte malte für die Dorotheerkirche vier Altarbilder: St. Antonius von Padua, die Heilige Familie, St. Johann von Nepomuk und St. Petrus Fourerius. Die beiden ersteren Bilder sind heute in der Pfarrkirche von Reindorf (Wien XV.), die beiden anderen sind verschollen. Für die Sakristei malte Altomonte 1714 ein Vesperbild, das gleichfalls nicht mehr vorhanden ist. Die Altäre und sonstigen Kirchengerätschaften wurden am 4. Mai 1787 lizitationsweise um ein Spottgeld verkauft. Die Orgel, kaum 50 Jahre zuvor um mehr als 4.000 fl. angeschafft, wurde samt dem vergoldeten Chorgitter um 550 fl. losgeschlagen. Die Mensa des Hochaltars und die marmornen Chorschranken kamen in die neu erbaute Pfarrkirche von Nussdorf (Wien XIX.), ebenso Kirchenbänke und Beichtstühle. Ein 1514 von Niklas Forster gestiftetes Steinrelief ist heute in der Pfarrkirche von Deutsch Wagram. Das prachtvolle Marmorgrabmal des Grafen Niklas Salm, eine Widmung Kaiser Ferdinands 1. aus dem Jahr 1548, holte sich seine Familie zurück und ließ es im Salm'schen Schloss Raitz in Mähren aufstellen. Von dort kam es 1878 in die Wiener Votivkirche, wo es heute als Prunkstück in der Taufkapelle steht.
Aus der Dorotheerkirche stammt der Bildteppich, den der Humanist Dr. Johann Fuchsmagen (1450–1510), ein Rat und Diplomat der Kaiser Friedrich III. und Maximilian 1., in Brüssel in Auftrag gab. Es zeigt den erst kürzlich kanonisierten hl. Leopold mit Gattin und Kindern, vor dem der Stifter Fuchsmagen kniet. Die berühmte Tapisserie weist Verwandtschaft mit dem Babenberger-Stammbaum im Stift Klosterneuburg auf und geht zweifellos auf historische Forschungen Ladislaus Sunthayms zurück. Dr. Fuchsmagen hat wohl den Brüsseler Teppichwirkern Notizen und Skizzen Sunthayms vorgelegt, nach denen sie den Teppich gestalten konnten. Er hing in der Dorotheerkirche beim Grab Fuchsmagens und wurde nach der Aufhebung des Stiftes 1786 vom Stift Heiligenkreuz erworben. Ein weiteres Epitaph aus der Dorotheerkirche hat sich erhalten, die Grabtafel des Bischofs Ludwig Ebner von Chiemsee aus dem Jahr 1516. Sie wird von Otto Benesch dem Meister der Madonna des Abtes Valentin Pirer zugeschrieben und befindet sich jetzt im Stiftsmuseum in Klosterneuburg. Der Bischof wird vom hl. Hieronymus der Gottesmutter vorgestellt, deren Kind von der hl. Dorothea Blumen entgegennimmt. Daneben stehen die hll. Barbara, Agnes und Valeria, gegenüber die hll. Virgil, Ulrich und Rupert. Unter den Bildern, die nach der Aufhebung des Dorotheerstiftes nach Klosterneuburg gelangt sind, befinden sich Werke eines Chorherrn. Der Wiener Ambrosius Sebastian Ledentu (1628–1656), Sohn eines Hofmalers, war Professe des Stiftes St. Dorothea und betätigte sich gleichfalls als Maler. Er schuf 1656 das Bild des hl. Augustinus, das heute den Altar der Chorkapelle des Stiftes Klosterneuburg schmückt. Es ist eine Kopie nach einem Gemälde von Philippe de Champaigne, das als Kupferstich weit verbreitet war. Nach Klosterneuburg kamen noch weitere Bilder Ledentus, nämlich zwei Vorsatzbilder, wie man sie früher gerne auf Seitenaltären aufstellte. Eine Serie ganzfiguriger, lebensgroßer Bilder von Ordensheiligen, unter denen die besten von der Hand Ledentus stammen, kam auch nach Klosterneuburg. Aus St. Dorothea soll ferner ein sehr schönes Marmorrelief der Madonna kommen. Was sonst aus dem Dorotheerstiit von Klosterneuburg übernommen wurde, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Als 1898 die Reste der Klosterkirche abgetragen wurden, fand man im Boden zertrümmerte Architekturteile, Reste von Grabmälern und von Skulpturen. Die ansehnlichsten Stücke wurden an der Wand des Seitenhofes im heutigen Dorotheum eingemauert.
Archivalien
St. Dorothea dürfte das einzige aufgehobene Stift sein, dessen Archiv vollständig erhalten ist, zum größten Teil noch in der alten Ordnung. Propst Floridus Leeb ließ die Dorotheer Archivalien 1786 von Lasttträgern nach Klosterneuburg bringen, wo sie bis heute einen eigenen Archivkörper bilden. Bei den Akten wurde die alte Ordnung beibehalten. Die Handschriften und Grundbücher wurden neu geordnet, die Urkunden in chronologischer Reihe aufgestellt. Pläne und Zeichnungen wurden in die Plansammlung eingereiht. Der Bestand an Urkunden reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück und umfasst rund 1.000 Originale, dazu mehrere Kopialbücher und Repertorien. Unter den Handschriften verdient besonderes Interesse ein 1751 angelegter Codex, in dem sämtliche Grabdenkmäler der Stiftskirche beschrieben und abgezeichnet sind. Ferner sind Gerichtsbücher, Rechnungsbücher und Inventare vorhanden. Eine wichtige Quelle zur Stiftsgeschichte ist die umfangreiche Papierhandschrift des letzten Stiftsdechants Petrus Fourerius de Pauli (1713–1784).[2] Grundbücher (Dienst-, Satz-, und Gewährbücher) betreffen folgende Herrschaften:
Neustift am Walde, Gersthof, Weinhaus, Breitensee, Neusiedel vor dem Stubentor, St. Ulrich, Perchtoldsdorf, Döbling, Heiligenstadt, Nussdorf, Brunn am Gebirge, Hernals (Siechenals), Thury, Liesing, Speising, Kalksburg , Oberstockstall und Rauchenwarth. Im Archiv des Bundesministeriums für Unterricht liegt das Inventar der Privatbibliothek des Propstes Ignaz Müller.
Literatur
- Agathe Deutschmann: Das Augustiner-Chorherrenstift St. Dorothea in Wien, seine kulturgeschichtliche Bedeutung für den niederösterreichischen Raum. Diss. Univ. Wien. Wien 1975.
- Karl Drexler: Grabsteine aus der St. Dorotheerkirche in Wien. Mit 3 Tafeln. In: Berichte und Mitteilungen des Altertumsvereines in Wien 32 (1898), S. 1–35.
- Maximilian Fischer: Historische Darstellung des Stiftes der regulierten lateranensischen Chorherren St. Dorothea zu Wien bis zu dessen Vereinigung mit dem Stifte Klosterneuburg. In: Topographie des Erzherzogthums Österreich. Band 15: Decanat inner den Linien Wiens. Das gewesene Stift von St. Dorothea und die Pfarre Rostau mit der vom Lichtenthale. Hg. von Johann Christian Stelzhammer. Wien 1836, S. 1–240.
- Erich Hubala: Rottmayrs Altarbilder in der ehemaligen Dorotheerkirche zu Wien. In: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 33 (1980), S. 163–173.
- Erich Hubala: Johann Michael Rottmayr. Wien 1981.
- Stefan U. Krause: Das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift St. Dorothea in Wien. Kunsthistorische Rekonstruktion der mittelalterlichen Klosterkirche. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege 59 (2005), S. 213–222.
- Edit Madas: Die in der Österreichischen Nationalbibliothek erhaltenen Handschriften des ehemaligen Augustiner-Chorherrenstiftes St. Dorothea in Wien. In: Codices manuscripti 8 (1982), S. 81–114.
- Elisabeth Oberhaidacher-Herzig: Das Glasbild der Patronin aus dem ehemaligen Augustiner-Chorherrenstift St. Dorothea in Wien. Ein wieder aufgetauchtes Glasgemälde aus der Wiener "Herzogswerkstatt". In: Mitteilungen der Gesellschaft für Vergleichende Kunstforschung in Wien 70 (2018), S. 1–7.
- Richard Perger / Walter Brauneis: Die mittelalterlichen Kirchen und Klöster Wiens. Wien / Hamburg 1977 (Wiener Geschichtsbücher, 19/20), S. 169–176.
- Leonore Pühringer-Zwanowetz: Matthias Steinl. Wien 1966.
- Floridus Röhrig: Die Klosterneuburger Stiftshöfe in Wien. In: Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg N.F. 9 (1975), S. 47–58.
- Floridus Röhrig: Die Vorgeschichte der Pfarre Neustift. In: Festschrift 200 Jahre Pfarre Neustift am Walde. Hg. von Bruno Schüch. Wien 1983, S. 28–36.
- Albert Starzer: Die ehemalige Kirche zu St. Dorothea in Wien. In: Monatsblatt des Alterthums-Vereines zu Wien 18 (1901) S. 55–56.
- Winfried Trusen: Weinausschankrecht und Erwerbsgeschäfte von Klerikern. Ein Gutachten des Thomas Ebendorfer von Haselbach für den Propst des Stiftes St. Dorothea zu Wien (Mitte 15. Jahrhundert). In: Festschrift Nikolaus Grass zum 60. Geburtstag dargebracht von Fachgenossen, Freunden und Schülern. Bd. 1. Hg. von Louis Carlen / Fritz Steinegger. Innsbruck 1974, S. 285–298.
- Gerhard Winner: Die Klosteraufhebungen in Niederösterreich und Wien. Wien 1967, S. 47–58.
- Siegfried Felix Wintermayr: Das Chorherrenstift St. Dorothea in Wien, zwei Jahrhunderte aus seiner Geschichte. Diss. Univ. Wien. Wien 1934.
- Siegfried Felix Wintermayr: Die Aufhebung des Chorherrenstiftes St. Dorothea in Wien. Arbeit zur Erlangung der venia legendi an der theologischen Lehranstalt des Stiftes Klosterneuburg. Wien 1936; teilweise abgedruckt in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Wie 17 (1938), S. 52-87.
- Walter Zechmeister: St. Dorothea in Wien: Vier Erharde des 15. Jahrhunderts. In: Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg N.F. 21 (2011), S. 51–86.
Einzelnachweise
- ↑ Der Hofmeister schrieb: Bei diesem unserem Unglück ist noch ein Trost, dass wir in dem jetzigen h. Prälaten von Klosterneuburg einen discreten und vernünftigen Oberen haben.
- ↑ "Origo et progressus ecclesiae et canoniae ad sanctam Dorotheam". Sie beschreibt die Jahre von 1353 bis 1512 und wurde von Johannes Cornides ediert (masch.geschr. Dipl.arb. a. d. geisteswiss. Fakultät d. Univ. Wien, 1992).