Sacra.Wiki Michael Gitlbauer

Michael Gitlbauer

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Dr. Michael Gitlbauer, * 3. September 1847 in Leonding bei Linz (Oberösterreich), † 31. Mai 1903, war Chorherr des Stiftes St. Florian und Professor für klassische Philologie an der Universität Wien.

Leben

Gitlbauer trat am 28. August 1865 im Stift St. Florian ins Noviziat, legte am 28. August 1869 die feierliche Profess ab und empfing am 31. Juli 1870 die heilige Priesterweihe. Am 7. August 1870 feierte er seine Primiz. Bald darauf ging er als Hilfspriester nach Ried bei Mauthausen. Im Dezember 1872 kehrte er in das Stift zurück, wo er die Verwaltung des Münzenkabinetts übernahm und von Mai bis Juli 1873 an der theologischen Hauslehranstalt Moraltheologie supplierte. Im Oktober 1873 kam Gitlbauer zur philologischen Ausbildung an die Universität in Wien, im Oktober 1876 an die Universität in Berlin. Im selben Jahr promovierte er zum Doktor der Philosophie und im Oktober des nächsten Jahres ließ er sich an der Universität in Wien als Privatdozent der klassischen Philologie nieder. Seit Juli 1879 war er außerordentlicher Professor der klassischen Philologie, und im September 1901 erhielt er den Titel eines ordentlichen Professors. Wider Erwarten schnell starb Gitlbauer am 31. Mai des Jahres 1903.

Ein Schüler des Verstorbenen schrieb über ihn in der Neuen Freien Presse folgendermaßen:

"Der immer angeregte und anregende geistliche Herr war den alten, ernsten, würdigen Herren von der philologischen Zunft wahrscheinlich ebensolch ein Greuel wie sie ihm. Gegen sein Wissen, seine umfassende Belesenheit und seinen scharfen Geist ließ sich nichts einwenden; wodurch er sich's mit allen "Schulen" verdarb, das war seine Freude an geistreichen Spielereien, Behauptungen, Angriffen, die um so angenehmer wirkten, je weniger man sie unsachlich nennen durfte. Er war ein Polemiker ersten Ranges und sein Witz, sein Feuer, mit dem er seine Ansichten verfocht, machten ihn seinen Hörern ebenso lieb wie sein außerordentlicher Eifer als Lehrer."[1]

Viele und große Verdienste erwarb sich Gitlbauer auch um die nach Papst Leo XIII. benannte Österreichische Leo-Gesellschaft, der er seit ihrer Gründung 1892 angehörte. Er versah bei dieser das Amt eines Archivars und Historiographen und hatte die Stellung eines Obmannes der Sektion für Literatur und Kunst inne. Zudem war er zwischen 1892 und 1898 Herausgeber des literarisch-kritischen Organs der Leo-Gesellschaft, des Österreichischen (später Allgemeinen) Literaturblattes. Gitlbauer war sowohl Leiter des philologischen Proseminars als auch korrespondierendes Mitglied der numismatischen Gesellschaft in Wien.

Sonstiges

Die sich im 2. Wiener Gemeindebezirk befindliche Gitlbauergasse wurde 1954 nach ebendiesem benannt.[2]

Werke

Arbeiten auf dem Gebiet der Philologie

  • De Codice Liviano vetustissimo Vindobonensi. Wien 1876 (Digitalisat). – Rezension von Anton Zingerle in: Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien VI (1875), S. 435.
  • Sophokleische Studien. Separatabdruck aus der Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien Jahrgang XXVIII, Heft V. Wien 1877.
  • Schrifttafeln zur Geschichte der griechischen Schrift und zum Studium der griechischen Paläographie. Band 2. Hg. von Wilhelm Wattenbach. Berlin 1877 (Digitalisat).
  • Ein Wort über Madvigs Emendationes Livianae. Separatabdruck aus Heft V der Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien, Jahrgang 1878. Wien 1878 (Digitalisat).
  • Die Überreste griechischer Tachygraphie im Codex Vaticanus Graecus 1809. Erster Fascikel mit 14 Tafeln. Wien 1878 (Denkschriften der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften phil.-hist. Klasse, 28).
  • Die Überreste griechischer Tachygraphie im Codex Vaticanus Graecus 1809. Zweiter Fascikel mit 14 Tafeln. Wien 1884 (Denkschriften der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften phil.-hist. Klasse, 34) (Digitalisat); Rezension in Literarisches Centralblatt für Deutschland 16 (1879), Sp. 520–521.
  • Paläographische Nachlese. In: Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 29 (1878), S. 813–817 (Digitalisat).
  • Philologische Streifzüge. Mit einer Tafel in Lichtdruck. Freiburg im Breisgau 1886 (Digitalisat).

Artikel in Zeitschriften und Rezensionen zwischen 1878 und 1902

  • Titi Livi ab urbe condita libri. Erklärt von Wilhelm Weissenborn. 3. Bd. 2. H.: Buch IX–X. Berlin 1877; 4. Bd. 1. H.: Buch XXI, 2. H.: Buch XXII–XXIII. Berlin 1877; 6. Bd. 1. H.: Buch XXVII–XXVIII. 2. H.: Buch XXIX–XXX. Berlin 1878. In: Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 29 (1878), S. 917–935 (Digitalisat).
  • Titi Livi ab urbe condita liber XXI. Für den Schulgebrauch erklärt von Dr. Carl Tücking. Paderborn 1877; Titi Livi ab urbe condita liber XXIII. Für den Schulgebrauch erklärt von Dr. Hermann Müller. Leipzig 1878. In: Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 29 (1879), S. 28–31.
  • Kritische Beiträge zu Livius. In: Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 29 (1879), S. 103–105.
  • Titi Livi ab urbe condita libri. Erklärt von Wilhelm Weissenborn. 9. Bd. 1. H.: Buch XXXIX–XXXX; 2. H.: Buch XXXXI–XXXXII. Berlin 1875–76. In: Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 29 (1879), S. 742–748.
  • Verbesserungs-Vorschläge zu Cicero's Epp. ad familiares lib. X. (Digitalisat), Separatabdruck aus den "Wiener Studien" 1 (1879), S. 75–97 (Digitalisat), S. 246–269 (Digitalisat).
  • Gardthausen und die griechische Tachygraphie. In: Literatur-Blatt. Beilage zum Correspondenzblatt des Königlichen stenographischen Instituts zu Dresden 5 (1879), S. 18–20.
  • Literarische Miscellen. In: Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 30 (1880), S. 73–76.
  • Griechische Paläographie von V. Gardthausen. Leipzig 1879. In: Göttingische Gelehrte Anzeigen (1882), S. 184–198 (Digitalisat).
  • Antigone von Sophokles. Nach eigener Sichtung des griechischen Textes übersetzt von Michael Gitlbauer. Mit Vertonung der Gesangstheile durch Richard Kralik. Stuttgart / Wien 1897.
  • Die Stenographie der Griechen und Römer. Separatabdruck aus dem "Vaterland". Wien 1894.
  • Die drei Systeme der griechischen Tachygraphie. Mit vier Tafeln. Vorgelegt in der Sitzung vom 10. Januar 1894. Wien 1896 (Denkschriften der kaiserlichen Akademie der Wissenschaffen Phil.-Hist. Klasse, 44/2).
  • Zur ältesten Tachygraphie der Griechen. Eine Antwort auf Gomperz' Kritik. In: Festbuch zur hundertjährigen Jubelfeier der deutschen Kurzschrift. Gewidmet dem Andenken ihrer Begründer Mosengeil und Horstig. Zur Mosengeilfeier auf dem 4. Verbandstage für Vereinfachte deutsche Stenographie (System Schrey) zu Bonn am 28. Juni 1896. Hg. von Dr. Christian Johnen. Berlin 1896 S. 86–101. (Digitalisat)
  • Studien zur altgriechischen Tachygraphie:
    • I. Die tachygraphische Grabinschrift von Salona. In: Archiv für Stenographie. Monatsblatt für die wissenschaftliche Pflege der alten Tachygraphie und der neuzeitlichen Kurzschrift 53 (1901), Nr. 3, S. 49–64; Nr. 4, S. 73–80; Nr. 5, S. 101–102.
    • II. Tachygraphische Spuren im Papyrus der aristotelischen Ἀθηναίων πολιτεία. In: Archiv für Stenographie. Monatsblatt für die wissenschaftliche Pflege der alten Tachygraphie und der neuzeitlichen Kurzschrift 53 (1901), Nr. 7, S. 159–172.
    • III. Tachygraphische Texte. In: Archiv für Stenographie. Monatsblatt für die wissenschaftliche Pflege der alten Tachygraphie und der neuzeitlichen Kurzschrift 54 (1902), Nr. 7, S. 193–204; Nr. 8, S. 235–242.

Lateinische Werkausgaben

  • Q. Horatii Flacci Carmina selecta. Post C. J. Grysarii curam denuo recensuit. Vindobonae 1881.
  • Babrii Fabulae. Recensuit M. G. Vindobonae 1882.
  • Cornelii Nepotis vitae. In usum scholarum recensuit et verborum indicem addidit. Friburgi BrisgoviaeFriburgi Brisgoviae 1883. – Hiervon erschien auch eine Ausgabe mit einem englischen Vokabular. Rezension von Georg Andresen in: Philologischer Wochenschrift. 3. Jahrgang 1883. Hg. von Wilhelm Hirschfelder. Berlin 1884, Nr. 37, Sp. 1159–164. (Digitalisat)
  • Platonis Laches. In usum scholarum recensuit et verborum indicem addidit. Friburgi Brisgoviae 1884.
  • C. Julii Caesaris commentarii de bello Gallico. In usum scholarum recensuit et verborum indicem tabulamque Galliae antiquae addidit. Pars prior (I–V). Friburgi Brisgoviae 1884; Pars altera (VI–VIII). Friburgi Brisgoviae 1885.
  • Cornelii Taciti ab excessu divi Augusti libri. In usum scholarum recensuit. Pars prior (l–VI). Friburgi Brisgoviae 1887.
  • P. Terenti Adelphoe. Principia critica secutus ab usitatis diversa recensuit. Cum specimine editionis quadricoloris. Vindobonae 1896.

Arbeiten auf anderen Gebieten

Mehrere Novellen erschienen in den Katholischen Blättern und im Linzer Volksblatt sowie viele Artikel im Wiener Vaterland, die mit γ unterzeichnet wurden. Zahlreiche Rezensionen finden sich auch im "Österreichischen (jetzt "Allgemeinen") Literaturblatt".

  • Eine Geschichte aus dem Wanderleben. In: Katholische Blätter 4 (1869), Nr. 3–7.
  • Erinnerung an Joseph Gaisberger. In: 30. Bericht über das Museum Francisco-Carolinum. Linz 1871, S. 3–27.
  • Geschichte der Salzburger Bibliotheken von Dr. Carl Foltz. In: Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 30 (1879), S. 134–136.
  • Programmenschau. In: Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 30 (1879), S. 146–148, 471–475, 543–546.
  • Nekrolog. Josef Zechmeister. In: Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 31 (1880), S. 956–960.
  • Ansprache gehalten am Stiftungsfeste des katholischen Studentenvereines der Wiener Hochschulen "Austria". Wien 1881.
  • Maria, ein dreifaches Vorbild des Priesters. Primizpredigt, gehalten am 5. August 1883. Meinem lieben Freunde und Mitbruder Franz Xaver Prandl als Erinnerung an seine erste heilige Messe. Freiburg im Breisgau 1884.
  • Wildenbruch's verbotenes Drama "Der Generalfeldoberst". Kritisch beleuchtet von Jakob von Burgholz [Pseudonym]. Wien 1890.
  • Das Priesteramt ein Engelamt. Primizpredigt gehalten bei der feierlichen ersten heiligen Messe des Hochwürdigen Herrn Benedict Sobotka, reg. Chorherrn des Prämonstratenser-Stiftes, Schlägl am 2. August 1891 in der Stiftskirche. Linz 1891.
  • Joanni Baptistae Breselmayr Canonico Regulari O. S. Augustini ad St. Floriani magistro perquam dilecto quintum officii lustrum celebranti grati alumni. St. Florian 1891.
  • Reisebilder aus Schwabenland und der Schweiz. Wien 1893.
  • Der Sturm von William Shakespeare. Nach eigener Sichtung des englischen Textes übersetzt von Michael Gitlbauer. Wien 1897.
  • Faschingmontagspende 1895. Gewidmet den Nassen [als Manuskript gedruckt].
  • Leoni XIII. Summo Pontifici episcopatus lustrum X. peragenti quod bonum felix faustum fortunatumque sit precatur. Sodalitas Austriaca Leonina [Lateinisches Gedicht].

Quellen

  • Archiv der Universität Wien [UAW], PH RA 40 Gitlbauer, Michael (1875.07.10–1876.05.30).

Literatur

  • Thomas Dietzel / Hans-Otto Hügel: Deutsche literarische Zeitschriften 1880-1945: Ein Repertorium. Band 1. 1–764. A travers les Vosges – Deutsch Nordisches Jahrbuch. München / New York / London / Paris 1988, S. 949.
  • Irenze Ranzmaier: Die Philosophie um 1900. In: Universität – Forschung – Lehre. Themen und Perspektiven im langen 20. Jahrhundert. Band 1: 650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrhundert. Hg. von Friedrich Stadler / Katharina Kniefacz / Herbert Posch / Elisabeth Nemeth. Göttingen 2015, S. 143.
  • Daniela Saxer: Die Schärfung des Quellenblicks: Forschungspraktiken in der Geschichtswissenschaft 1840–1914. München 2014, S. 201.
  • Täthigkeitsbericht. In: Die Kultur. Viertel-Jahrschrift für Wissenschaft, Literatur und Kunst 5 (1904), S. 7–8. (Digitalisat) – Bericht zu Michael Gitlbauers in seiner Funktion als Leiter der literarischen Sektion innerhalb der Leogesellschaft.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Neue Freie Presse, 4. Juni 1903, S. 5–6 (Digitalisat).
  2. Gitlbauergasse. (23. März 2017). Wien Geschichte Wiki. Abgerufen am 31. März 2020, 09:27 von https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/index.php?title=Gitlbauergasse&oldid=259047
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