Sacra.Wiki Johann Georg Wiesmayr

Johann Georg Wiesmayr

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Johann Georg Wiesmayr, * 4. April 1695 in St. Florian (Oberösterreich), † 9. Juli 1755 ebenda, war Chorherr und 1732-1755 der 43. Propst des Stiftes St. Florian.

Leben und Wirken

Klostereintritt und seelsorgerische Tätigkeiten im Stift

Die Grundlagen des Wissens erwarb Wiesmayr im Stift, die humanistischen und philosophischen Studien absolvierte er in Linz. Er trat am 29. Juni 1716 in das Stift St. Florian ein, legte ein Jahr später die Profess ab und feierte am 1. Oktober 1719 seine Primiz. Vor seiner Priesterweihe studierte er Theologie in Graz. Wiesmayr wirkte 1722 bis 1730 gleichzeitig mit Leopold Wolfgang Treberer als Kooperator an der Stiftspfarre, wurde dann Pfarrvikar in Ebelsberg (Stadtgemeinde Linz) und am 19. Oktober 1732 wählten ihn die Chorherren von St. Florian fast einstimmig zum Propst.

Amtszeit als Propst und Tod

Wiesmayr bemühte sich, unklare oder strittige Rechtsverhältnisse zwischen dem Stift und dessen Nachbarn gütlich zu ordnen, um allen Prozessen zuvorzukommen. Ein derartiger Vergleich brachte auch das Patronat der von den Grafen von Starhemberg errichteten und dotierten Pfarrkirche in St. Gotthard an das Stift St. Florian, wogegen letzteres das Patronat von Guttau an den Grafen von Starhemberg, jenes von Heinrichsschlag im Viertel ober dem Manhartsberg in Niederösterreich an das Kloster Wilhering zur Entschädigung für mehrere Häuser abtrat, welche der Pfarre Grammastetten entzogen und St. Gotthard einverleibt wurden. Da sich bezüglich der mit dem Anschluss an die Lateranensische Kongregation verbundenen Rechte und Privilegien Zweifel erhoben, erwirkte Wiesmayr eine Bestätigungsbulle des Papstes Benedikt XIV. mit spezieller Aufzählung der Privilegien, die am 15. November 1741 ausgestellt wurde.[1] Wiesmayr starb am 9. Juli 1755 nach einer Rückkehr von Bad Gastein, dessen Heilquelle er zur Heilung der Folgen eines Schlaganfalls und der Wassersucht aufgesucht hatte.

Kulturelles und wissenschaftliches Wirken

Besonderes Engagement zeigte Wiesmayr bei der Einführung der Novizen und Kleriker in das geistliche Leben und in die Wissenschaft. Domenico Silvio Passionei (1682-1761, Kardinal 1738), von 1730 bis 1738 päpstlicher Nuntius am Wiener Hof, äußerte nach einem Besuch des Stiftes im Jahr 1745: "Die Ordnung und Zucht der Kanoniker hat mich in Erstaunen gesetzt [...]". Durch die Bemühung des Propstes und des Kardinals Passionei kam auch eine bedeutende Reliquie des heiligen Märtyrers Florian in die Schatzkammer des Klosters.

Propst Georg gilt als Gründer der modernen Bibliothek des Stiftes: Im Haag, in Venedig, Lucca, Rom, Salzburg, Regensburg, München und Wien hatte er Agenten zum Ankauf seltener Werke; von 1736 bis 1754 wurden 11.888 fl. 36 kr. dafür verwendet.[2] Hatten frühere Erwerbungen größtenteils der Theologie gegolten, so fanden nun auch andere Wissensgebiete, vor allem aus der Geschichte, besondere Berücksichtigung. Die Corpora und Thesauri, die Scriptores und Opera, die Polyglottenbibeln und Maurinerausgaben der Kirchenväter ließ Wiesmayr ankaufen. Dabei korrespondierte er mit anderen Gelehrten. Beispielsweise bei Eusebius Amort und Odo Schwarz, Professor und Rektor der Universität in Salzburg, holte er sich Rat. Zudem erhielt er die Werkausgaben von anderen befreundeten theologischen Gelehrten, wie etwa von Abt Gottfried Bessel oder Ludwig Debiel, welcher der erste Direktor der theologischen Fakultät in Wien nach der Universitätsreform sowie erste Rektor des Theresianums war. Auch die Zusendungen von den Abhandlungen Hanthalers oder P. Basil Hölzls, einem Wiener Serviten, veranschaulichen die umfangreichen Verbindungen Wiesmayrs zur damaligen katholischen Gelehrtenwelt.[3] Für die wissenschaftlichen Sammlungen des Stiftes legte Propst Wiesmayr 1753 die "Collectanea pro adornando Cimelio, Technophysiotameo, Bibliotheca et Archivo" (Mskr. XC) an; für das Münzenkabinett ließ er die dreibändigen "Catalogi in rem numariam" anfertigen und ein Buch Hölbling's über das päpstliche Münzenkabinett ("Notwendige Einleitung in das neuaufgerichtete päpstliche Münzkabinett") kopieren.

Besondere Aufmerksamkeit widmete Wiesmayr der Ordnung des Archivs, bei der ihn Hanthaler und Hieronymus Pez berieten. Er hatte dafür auch einen seiner Geistlichen, Josef Pröller abgestellt und und sandte ihn nach St. Pölten, damit er "in ordine ad instruendam Bibliothecam et Archivum ain und andere Information die alten Codices zu lesen von H. Duellio einholen khönte".[4] Timer wurde von Wiesmayr wiederum nach Wien geschickt, um sich in der französischen, italienischen und hebräischen Sprache sowie in der Bibliothekswissenschaft auszubilden; er benützte diese Zeit auch, um sich numismatische Kenntnisse zu erwerben.

Das stiftliche Münzkabinett erweiterte Wiesmayr, indem er 1748 um den Preis von 20.000 fl. eine 10.766 Stücke umfassende Münzsammlung des venezianischen Gelehrten und Librettisten Apostolo Zeno (1668–1750) erstand, nachdem sie der gelehrte Professor und Bibliothekar am Theresianum in Wien, Erasmus Fröhlich, "für eine der vorzüglichsten, dergleichen man in Deutschland nach den Münzsammlungen der höchsten Fürsten finden kann" erklärt hatte. Auch das Naturalienkabinett und die Kunstsammlung fanden in ihm einen Förderer. Bedeutende Summen wurden für die Ausschmückung des eben vollendeten Hauses durch prachtvolle Gemälde von Altomonte und anderen erübrigt. Für die Stiftskirche ließ Propst Wiesmayr eine Kanzel von schwarzem Marmor aus einem Steinbruch bei Lilienfeld von dem Bildhauer Josef Resl in Wien anfertigen, und von dem Hofjuwelier Johann Andre eine Monstranz aus Gold, deren innerer Wert auf 9500 fl. geschätzt wurde, außerdem mehrere, darunter zwei sehr wertvolle, Ornate.

Der Propst schmückte die Kirche weiter aus, baute den Wohnbereich der Chorherren zu Ende, förderte ebenso intensiv die Künste und dekorierte den Raum um den Hochaltar mit Tapeten, die zweifach schimmernd aus Gold- und Silberfäden mit orientalischen Mustern bestickt waren. Auf seine Anordnung hin wurden die Wände des Oratoriums und der Prälatensakristei mit Gemälden verziert und zur Aufbewahrung des Kirchenschatzes besonders prachtvolle und praktische Kästen geschaffen.

Wappen

Den Wappenschild des Propstes teilt ein goldener Querbalken. In der unteren Hälfte erscheint ein Storch mit einer Schlange im Schnabel, das obere Feld schmücken drei Rosen. Über dem Spangenhelm steht ein Bauer mit grünen Gerstenähren in der Hand.

Tätigkeit als Abgeordneter

Als Propst St. Florians nahm Wiesmayr auch an den Landesangelegenheiten tätigen Anteil, so 1748 als ständischer Vertreter an der Abschließung des sogenannten Dezennalrezesses, an der Zustandebringung der Steuerrektifikation, die infolge dieses Rezesses vorgenommen wurde, und als eine Hofentschließung vom 1. September und 17. Dezember 1749 den Ständen die freie Manipulation mit ihrer Kasse abnahm und eine Kasseadministration unter dem Präsidium des Grafen Andlern anordnete, wurde auch er zu einem der Beisitzer und Räte bei dieser Administration bestellt. Obgleich er einer der jüngsten Prälaten war, wurde er wiederholt zum Landtagskommissär ernannt und wohnte vielen Prälatenwahlen als kaiserlicher Kommissär bei. Zum Zeichen ihrer Gnade ließ ihm Maria Theresia bei ihrem Besuch des Stiftes am 26. Juni 1743 ein mit Smaragden besetztes Kreuz überreichen.

Von großer Bedeutung sind Wiesmayrs umfangreiche historische Sammlungen, die bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts reichen und eine Fülle von kaiserlichen Patenten, Resolutionen auf die Beschwerden der ober- und niederösterreichischen Stände, Gutachten namentlich in puncto religionis, von Dokumenten zum Bauernkrieg, Schriften zur Besteuerung der geistlichen Güter und zu einzelnen ständischen Schlüssen über Schriften zur militärische Organisation und Leistungsfähigkeit des Landes ob der Enns und der zur Frage der Säkularisation des Kirchengutes sowie auch Verordnungen der preußischen Regierung enthalten. 1752 ging er daran, zur Verteidigung gegen den Vorwurf, dass die Klöster Oberösterreichs auf die Pfarreien nur unfähige Leute schickten, und dass diese am Weitergreifen des Protestantismus schuld trügen, eine weitläufige Schrift (s.u. Hs. 95) zu verfassen, die aber nur ein Entwurf blieb. Das größte dieser Sammelwerke ist das "Informatorium Provinciale", das 14 Bände umfasst und eine Vielzahl von Aktenstücken, Anschlägen, Verzeichnissen über die ständische Finanzgebarung, eine Sessions- und Exekutionsordnung, Dokumente über den Einfall der Bayern nach dem Tod Karls VI., Reglements über die Verpflegung der Truppen, die Landmiliz, Nachweise über Kriegskosten und Befestigungen umfasst.

Werke

Auf Wiesmayr gehen eigenen Angaben zufolge Aufzeichnungen in 91 Folio- und 12 Quartbände zurück, die er entweder selbst schrieb oder durch andere schreiben ließ. Manche Arbeiten sind bekannt, gingen aber verloren, wie etwa die "Synopsis Theologiae moralis cum regulis conscientiae directivis".

Aus der Stiftsbibliothek St. Florian

  • Cod. XI 178 (1747): Manuductio ad Perfectionem Religiosam in IV Partes et LV Paragraphos divisa pro Directione Novitiorum Magistri ipso umque Novitiorum Canoniae San Florianensis.
  • Cod. XI 184 A: Manuale Singularis Pietatis Exertia Continens Quotidiano Usui Dedicatum – Die Handschrift wird Wiesmayr zugeschrieben.
  • Cod. XI 513 A: Directorium Decanale tripartitum Menstruale, Rituale, Disciplinale. – Informationen über alle Angelegenheiten der Disziplin, des Ritus im Stifte St. Florian, über Gewohnheiten und Gebräuche des Hauses.
  • Cod. 513 B:
  • Cod. XI 532 A (1748):
    • Catalogus Canonicorum Reg. Lat. Colleg. Ecclesiae ad S. Florianum. – Der Katalog setzt mit dem Jahr 1600 ein und wurde später fortgesetzt.
    • Rapulare seu Autographum Catalogi Vicariorum et Cooperatorum in parochiis Collegia S. Floriani incorporatis, recte ordine Succedentium. – Verzeichnis mitsamt der Seelsorger seit 1600.
    • Subsidium ad Catalogum. – Umfassende Informationen zu seinen damaligen Mitbrüdern.

Aus dem Stiftsarchiv St. Florian

  • Hs. 45 (3 Bände): Fasciculus Myrrhae oder bittere Samblung aller bey Ausarbeithung des anbefolchenen Steur-Rectifications-Plan commissionaliter gepflogenen Beratschlagungen, eingeholter in- und auswärtiger Bericht, Guettachten und Reflexionen.
  • Hs. 51: Ordinari Ausschuss-Raths-Protocholl von Anno 1745 bis 1750. – Verschiedene Aufzeichnungen mitsamt den als Beleg dienenden Aktenstücken, Gutachten, Vorschlägen, Entwürfen, Berichten etc.
  • Hs. 71 (1745): Flebile pro Memoria id est Funesta Imago Austriae ex Invasione Galli ac Bavari Depravatae oder Diarium, wass sich bey französisch- und Chur-Bayrischen Einfahl, lnnhabung und Abzug aus unserem lieben Vaterland, sonderheitlich bey unseren lieben Stüfft St. Florian annis 1741 et 1742 zugetragen.
  • Hs. 90 (1753): Collectanea pro adornando Cimelio, Technophysiotameo, Bibliotheca et Archivo.
  • Hs. 94 (1752): Praeparatoria ad decennalem Recessum. – Aufzeichnungen zu sämtlichen ständischen Verordnungen von 1735 bis 1744.
  • Hs. 95 (1752): Vindiciae Regularium seu Motiva contra Regularium Parochiarum Austriae superiores invasores et aggressores.
  • Hs. 97: Verordneter-Raths Protocholl.
  • Hs. 98 (3 Bände): Informatorium domesticum. – Verschiedene Aufzeichnungen zu neugewählten Prälaten, Formulare, Roteln, Aktenstücke etc.

Literatur

  • Bernhard Hackl: Die Theresianische Dominikal- und Rustikalfassion in Niederösterreich 1748-1756. Ein fiskalischer Reformprozess im Spannungsfeld zwischen Landständen und Zentralstaat. Frankfurt am Main 1997 (Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs, Bd. 7), S. 24, 509 (zu seinen Tätigkeiten in der Prälatenkurie sowie seinen Verbindungen zum Wiener Hof).
  • Karl Rehberger: Ein Beitrag zur Vorgeschichte der "Historikerschule" des Stiftes St. Florian im 19. Jahrhundert. In: Sankt Florian. Erbe und Vermächtnis. Festschrift zur 900-Jahr-Feier. Hg. vom Oberösterreichischen Landesarchiv. Linz 1971 (Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs, 10), S. 210–250.

Einzelnachweise

  1. Siehe dazu das Regest von Stiftsarchiv St. Florian, Urk 1741 XI 15 auf monasterium.
  2. Die Kammeramtsechnungen des 16. und 17. Jahrhunderts in der Handschrift Cod. XI 684 geben keine Spezifikation der angekauften Bücher. Allerdings ist Wiesmayrs Buchführung sehr genau und bietet interessante Informationen über die damaligen Preise der Bücher. Ein Auszug bei Czerny, Die Bibliothek des Chorherrenstiftes St. Florian, S. 241f.)
  3. Darunter befand sich eine Ordnung der Bibliothek, welche im Jahr 1745 von Timer, einem Chorherrn von St. Florian, Hölzl und dem Linzer Buchhändler Igler neu katalogisiert wurde.
  4. Johann Georg Wiesmayr an den Prälaten des Chorherren-Stiftes St. Pölten am 21. September 1735.
VorgängerFunktionNachfolger
Johann Baptist III. FödermayrPropst des Stiftes St. Florian
1732–1755
Engelbert II. Hoffmann
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