Stift St. Pölten: Unterschied zwischen den Versionen
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|Kirchliche Topographie=Diözese Passau, seit 1785 Diözese St. Pölten | |Kirchliche Topographie=Diözese Passau, seit 1785 Diözese St. Pölten | ||
|Frühere Bezeichnungen=Treisma (799), Treisma ad monasterium Sti Ypoliti (976), Treisima civitas monasterii Sti Ypoliti (985/991), abbatiaad Sanctum Yppolitum (ca 1030), Sand Pelten (1297), Sand Polten (1344). Die römische Stadt trug den Namen Aelium Cetium. | |Frühere Bezeichnungen=Treisma (799), Treisma ad monasterium Sti Ypoliti (976), Treisima civitas monasterii Sti Ypoliti (985/991), abbatiaad Sanctum Yppolitum (ca 1030), Sand Pelten (1297), Sand Polten (1344). Die römische Stadt trug den Namen Aelium Cetium. | ||
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|Patrozinium=Hl. Hippolyt (976), ab 11./12. Jhd. zusätzlich Petrus, Stefan und Paul, später auch Maria | |Patrozinium=Hl. Hippolyt (976), ab 11./12. Jhd. zusätzlich Petrus, Stefan und Paul, später auch Maria | ||
|Politische Topographie=Landeshauptstadt von Niederösterreich, 60 km westlich von Wien, Stadt mit eigenem Statut. Ursprünglich in der karolingischen, nach 955 ottonischen Mark gelegen, Markgrafschaft Österreich, seit 1156 Herzogtum (1422 Erzherzogtum) Österreich unter der Enns; seit 1920 Bundesland Niederösterreich. | |Politische Topographie=Landeshauptstadt von Niederösterreich, 60 km westlich von Wien, Stadt mit eigenem Statut. Ursprünglich in der karolingischen, nach 955 ottonischen Mark gelegen, Markgrafschaft Österreich, seit 1156 Herzogtum (1422 Erzherzogtum) Österreich unter der Enns; seit 1920 Bundesland Niederösterreich. | ||
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==Geschichtlicher Überblick== | ==Geschichtlicher Überblick== | ||
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===Rechtliche Verhältnisse=== | ===Rechtliche Verhältnisse=== | ||
Das (Augustiner-) Chorherrenstift St. Pölten war immer ein Eigenkloster der Passauer Bischöfe. Ihnen stand daher auch die Obervogtei zu. Im 11. und 12. Jahrhundert hatten die Hochfreien von Perg, Verschwägerte der Babenberger, die Vogtei inne. Sie wird erstmals in einem Weistum um 1125 erwähnt, wobei es vor allem um die Marktrechte ging, die dem Kloster bereits 1058 oder früher (also vor Einführung der regulierten Chorherren) durch Kaiser Heinrich III. oder IV. gewährt worden waren. | Das (Augustiner-)Chorherrenstift St. Pölten war immer ein Eigenkloster der Passauer Bischöfe. Ihnen stand daher auch die Obervogtei zu. Im 11. und 12. Jahrhundert hatten die Hochfreien von Perg, Verschwägerte der Babenberger, die Vogtei inne. Sie wird erstmals in einem Weistum um 1125 erwähnt, wobei es vor allem um die Marktrechte ging, die dem Kloster bereits 1058 oder früher (also vor Einführung der regulierten Chorherren) durch Kaiser Heinrich III. oder IV. gewährt worden waren. | ||
1150 entzog Herzog Heinrich von Bayern (in Österreich Markgraf Heinrich II. Jasomirgott) dieses Recht und zwar auf Bitten seines Bruders Konrads, des Bischofs von Passau, und übergab die Vogtei dem Bischof. Doch bald übernahmen sie die Babenberger selbst (und später die Habsburger) als Lehen des Bischofs. Problematisch blieb lange Zeit das Verhältnis zum Passauer Bischof, der ja die Oberhoheit in der Stadt besaß, obwohl er nur einen Teil der Häuser innehatte. Zu einem Ausgleich kam es erst 1367, als das Stift auf die Marktrechte und Zölle und alle Häuser mit Ausnahme die des Klosterviertels verzichtete. Die Spannungen verlagerten sich nun auf das Verhältnis zur Stadt, da das Kloster auch ein Viertel der Stadtmauer zu erhalten hatte. | 1150 entzog Herzog Heinrich von Bayern (in Österreich Markgraf Heinrich II. Jasomirgott) dieses Recht und zwar auf Bitten seines Bruders Konrads, des Bischofs von Passau, und übergab die Vogtei dem Bischof. Doch bald übernahmen sie die Babenberger selbst (und später die Habsburger) als Lehen des Bischofs. Problematisch blieb lange Zeit das Verhältnis zum Passauer Bischof, der ja die Oberhoheit in der Stadt besaß, obwohl er nur einen Teil der Häuser innehatte. Zu einem Ausgleich kam es erst 1367, als das Stift auf die Marktrechte und Zölle und alle Häuser mit Ausnahme die des Klosterviertels verzichtete. Die Spannungen verlagerten sich nun auf das Verhältnis zur Stadt, da das Kloster auch ein Viertel der Stadtmauer zu erhalten hatte. | ||
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==Literatur== | ==Literatur== | ||
* | * Rudolf Büttner: Aelium Cetium. Das Fortleben seines Namens im Mittelalter. In: Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen lnstituts 40 (1953), Beibl. Sp. 185ff. | ||
* | * Rudolf Büttner: Propst Ulrich Feyertager. Seine Burgen und deren Geschichte. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich XXXVI (1964), S. 155–183. | ||
* DEHIO-Handbuch: Die Kunstdenkmäler Österreichs. Niederösterreich südlich der Donau | * DEHIO-Handbuch: Die Kunstdenkmäler Österreichs. Niederösterreich südlich der Donau. Teil 2. Horn / Wien 2003. | ||
* | * Richard Kurt Donin: Der mittelalterliche Bau des Domes zu St. Pölten. Ein Beitrag zur Geschichte der romanischen Baukunst in Wien und Niederösterreich. In: Mitteilungen für Geschichte der Stadt Wien XII (1932), S. 163. | ||
* | * Johann Fahrngruber: Aus St. Pölten. Bilder und Erinnerungen. St. Pölten 1885. | ||
* | * Heinrich Fasching: Auseinandersetzung zwischen Konvent und Propst im Stift St. Pölten 1722. In: Hippolytus N.F. 6 (1984), S. 3–59. | ||
* | * Heinrich Fasching: Dom und Stift St. Pölten und ihre Kunstschätze. St. Pölten-Wien 1985. Darin Beiträge von: Friedrich Schragl: Geschichte des Stiftes St. Pölten, S. 16–49; Mario Schwarz: Die Architektur der mittelalterlichen Klosterkirche, S. 50–70; Clara Bettina Wuhr: Archäologische Ausgrabungen im Kreuzgang, S. 71–76; Wilhelm Zorri: Der Neubau des Klosters in der Barockzeit, S. 77–91; Leonore Pühringer-Zwanowetz: Die Barockisierung der Stiftskirche, S. 92–96; Johann Kronbichler: Die künstlerische Ausstattung von Dom und Stift, S. 97–125. | ||
* | * Heinrich Fasching: Propst Johann Michael Führer von St. Pölten. Absetzung und letzte Lebensjahre (1739–1745). St. Pölten 1991 (4. Beiheft zu Hippolytus N.F.). | ||
* | * Johann Frast: Historische und topographische Darstellung von St. Pölten und seiner Umgegend etc. Wien 1828 (Kirchliche Topographie, I/7/2). | ||
* | * Walter Graf: Stifts- und Dommusik in St. Pölten. In: Die Domorgel. Festschrift anläßlich der Weihe der Domorgel zu St. Pölten. St. Pölten o. J. [1973], S. 6–26. | ||
* | * Karl Gutkas: Werden und Wesen der Stadt St. Pölten. St. Pölten 1980. | ||
* | * Hugo Hantsch: Jakob Prandtauer, der Klosterarchitekt des österreichischen Barock. Wien 1926. | ||
* | * August Herrmann: Geschichte der Stadt St. Pölten. 2 Bände. St. Pölten 1917–1930. | ||
* | * Sonja Horn: Des Propstes heilkundlicher Schatz. Medizinische Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts in der Bibliothek des ehem. Augustiner-Chorherrenstiftes St. Pölten. St. Pölten 2002 (Beiträge zur Kirchengeschichte Niederösterreichs, 9). | ||
* | * Richard Hübl: Die Gegenreformation in St. Pölten. St. Pölten 1966. | ||
* | * Josef Karas: Der Dom zu St. Pölten. Ein Führer durch seine Geschichte und Kunst. St. Pölten 1935. | ||
* | * Josef Karas: Eine kunstgeschichtliche Führung durch den oberen Kreuzgang im Bistumsgebäude. In: Der Traisengau (1935/36). S. 121–131. | ||
* | * Thomas Karl: Zur historischen und städtebaulichen Entwicklung St. Pöltens vom frühen Mittelalter bis zur beginnenden Stadterweiterung um 1850. In: Österreichische Kunsttopographie Bd. LIV. Die Kunstdenkmäler der Stadt St. Pölten. Horn 1999, S. LXIII–LXXXV. | ||
* | * Johann Kronbichler, Susanne Kronbichler: Diözesanmuseum St. Pölten, Katalog der ausgestellten Objekte. St. Pölten 1984. | ||
* | * Johann Kronbichler, Susanne Kronbichler: 100 Jahre Diözesanmuseum St. Pölten 1888–1988, Sonderausstellung 1988. St. Pölten 1988. | ||
* | * Volker Lutz: Stadt und Herrschaft St. Pölten 1491–1785. St. Pölten 1975. | ||
* | * Österreichische Kunsttopographie Bd. LIV. Die Kunstdenkmäler der Stadt St. Pölten und ihrer eingemeindeten Ortschaften. Horn 1999. | ||
* | * Eduard Sacken: Archäologische Wegweiser durch Niederösterreich. Wien 1878. | ||
* | * Friedrich Schragl: Glaubensspaltung in Niederösterreich. Wien 1973. | ||
* | * Friedrich Schragl: Kirchen und Kapellen im mittelalterlichen St. Pölten. In: Juste, pie, fortiter. Festschrift für Bischof Franz Zak. St. Pölten / Wien 1981, S. 146–167. | ||
* | * Hans Weigl: Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich I. Wien 1964, S. 210. | ||
* | * Gerhard Winner: Das Diözesanarchiv St. Pölten. Behörden und Institutionen, ihre Geschichte und Bestände. St. Pölten 1959. | ||
* | * Gerhard Winner: Die Diözesanbibliothek in St. Pölten. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege XXI (1967), S. 155–163. | ||
* | * Gerhard Winner: Die Klosteraufhebungen in Niederösterreich und Wien. Wien / München 1967. | ||
* | * Gerhard Winner: St. Pöltner Zehentbesitz im südöstlichen Waldviertel und in der Wachau. In: Das Waldviertel 18 (1969), S. 272–277. | ||
* | * Gerhard Winner: Zur Bibliotheksgeschichte des ehemaligen Augustiner-Chorherrenstiftes St. Pölten. In: Translatio Studii. Collegeville Minnesota 1973, S. 48–74. | ||
* | * Josef Wodka: Personalgeschichtliche Studien über das ehemalige Chorherrenstift St. Pölten. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich XXVIII (1939–43), S. 148–206. | ||
* | * Josef Wodka: Das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift St. Pölten. In: Beiträge zur Stadtgeschichtsforschung. Festschrift der Stadtgemeinde St. Pölten. Hg. anlässlich der 800-Jahrfeier der Verleihung des ersten Stadtrechtes. St. Pölten 1959, S. 156–198. | ||
* Josef Wodka: Das Nekrologium des einstigen Chorherrenstiftes St. Pölten als Geschichtsquelle. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich XXXVI (1964), S. 48–57. |
Aktuelle Version vom 13. Oktober 2022, 08:25 Uhr
Lage | Österreich |
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Datum von | 22.11.1083 |
Datum bis | 22.11.1784 |
Kirchliche Topographie | Diözese Passau, seit 1785 Diözese St. Pölten |
Politische Topographie | Landeshauptstadt von Niederösterreich, 60 km westlich von Wien, Stadt mit eigenem Statut. Ursprünglich in der karolingischen, nach 955 ottonischen Mark gelegen, Markgrafschaft Österreich, seit 1156 Herzogtum (1422 Erzherzogtum) Österreich unter der Enns; seit 1920 Bundesland Niederösterreich. |
Frühere Bezeichnungen | Treisma (799), Treisma ad monasterium Sti Ypoliti (976), Treisima civitas monasterii Sti Ypoliti (985/991), abbatiaad Sanctum Yppolitum (ca 1030), Sand Pelten (1297), Sand Polten (1344). Die römische Stadt trug den Namen Aelium Cetium. |
Patrozinium | Hl. Hippolyt (976), ab 11./12. Jhd. zusätzlich Petrus, Stefan und Paul, später auch Maria |
Geschichtlicher Überblick
Geschichte vor den Augustiner-Chorherren
Das römische Municipium Aelium Cetium, in dem nach seiner Passio der hl. Florian 303/304 im Exil weilte, ging bald nach 400 in den Wirren der Völkerwanderung unter und wird auch in der "Vita Severini" nicht mehr erwähnt. Entsprechend erbrachten die Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte keine Römerfunde aus dem 5. Jahrhundert, wohl aber Zeichen der Zerstörung. Das Gebiet zwischen Enns und Wienerwald dürfte von 500 an kaum besiedelt gewesen sein und stand unter dem Einfluss der Awaren. Mit dem Awarenkrieg Karls des Großen von 791 wurde das Gebiet bis zur Raab wieder dem christlichen Westen eingegliedert. Es folgte bayrische, aber auch slawische Besiedlung. In St. Pölten soll es bald zu einer Klostergründung gekommen sein. Allerdings gibt es auch eine Tradition, die Propst Christoph Müller von Prankenheim (1688–1715) populär machte. Demnach wurde in St. Pölten durch die beiden adeligen Brüder Adalbert und Ottokar bereits 746 ein Kloster errichtet. Wahr daran ist, dass sie Tegernsee gegründet haben. Wahrscheinlich haben sie durch ihre Beziehungen zu Abt Fulrad von St. Denis Hippolytreliquien erhalten, die sie nach Tegernsee stifteten. Auch 764 wurde als Gründungsjahr angegeben (H. Löwe 1937), doch dürfte dies eher auf großdeutsche Überlegungen zurückgehen. Vor 791 ist eine Klostergründung in Niederösterreich nicht denkbar. Es ist zu vermuten, dass sich das Kloster Tegernsee, das zu den wohlhabendsten gehörte, mit entsprechenden Truppen am Awarenkrieg beteiligte und von Karl dem Großen wie andere auch mit Gütern an der Traisen belohnt wurde. Tegernsee errichtete hier wohl eine Zelle, die dann später Abtei genannt wird.
Die Errichtung eines Klosters dürfte vor 840 geschehen sein, da dann Tegernsee Passauer Eigenkloster wurde. Vermutlich hatte Passau bereits vorher Besitz in St. Pölten. Die Schenkung der Martinskirche in Linz wurde 799 in Treisma getätigt, was für Passauer Besitz in St. Pölten spricht. Die erste sichere Nennung eines Klosters in St. Pölten geht auf eine Urkunde Kaiser Ottos II. aus dem Jahr 976 zurück. Darin bestätigt er dem Passauer Bischof seine Besitzungen, unter anderem "Treisma ad monasterium sancti Ypoliti." Ebenso bestätigt Herzog Heinrich (der Zänker) in einem Weistum, das in die Jahre 985/991 datiert wird, dem Passauer Bischof unter anderen Besitzungen
"deinde Treisimarn civitatem monasterii sancti Ypoliti martiris, ea integritate ut quondam beate memorie Adalbertus episcopus (946–970/971) sub Purchardo marchione (955–976) in sua tenuit vestitura et quemadmodum carta legali affirmatione antiquitus roborata et in publico recitata designabat."
Wie weit es sich dabei um ein bestehendes Kloster oder nur um einen Rechtstitel handelt, sei dahingestellt. Jedenfalls weisen die Ansprüche Tegernsees aus dem 11. Jahrhundert darauf hin, dass wir es ursprünglich mit einer Tegernseer Gründung zu tun haben. Denn in den Tegernseer Güterverzeichnissen wird auch St. Pölten als entfremdetes Gut bezeichnet, so um 1020 und um 1060, das der Passauer Bischof innehabe. Nun wurde das Kloster Tegernsee erst 978 reaktiviert. Es besteht also kein Zweifel, dass St. Pölten im 9. Jahrhundert von Tegernsee aus als Benediktinerkloster gegründet wurde. Ja, es besteht die berechtigte Meinung, dass St. Pölten auch an der Mission im Großmährischen Reich tätig war, wie das Hippolytpatrozinium in Neutra und Znaim-Pöltenberg nahelegt. Ob es den Magyareneinfall überstanden hat, ist ungewiss.
Weltliches Kollegiatstift
Im 11. Jahrhundert kam es jedenfalls zu einer Neuorganisation des Klosters. Im Nekrolog St. Pöltens werden die Bischöfe Berengar (1013–1045) und Eigilbert (1045/1046–1065) als "fundatores" des Klosters bezeichnet. Damals dürfte es zur Umwandlung des Klosters in ein weltliches Chorherrenstift gekommen sein, was durchaus im Trend der Zeit lag (vgl. Ardagger). Den genannten Bischöfen verdankte auch das Kloster die Verleihung seiner ersten Pfarren.
Die Augustiner-Chorherren
Von der Reformtätigkeit Bischof Altmanns von Passau (1065–1091) war auch das Eigenkloster St. Pölten berührt. Ab 1081 stattete er seine Stiftung Göttweig aus. Dies geschah unter anderem auf Kosten der Pfarre St. Pölten, die Teile an die an Göttweig gekommenen Pfarren Kilb und Pyhra verlor. Vermutlich erst nach 1083 wurden in St. Pölten regulierte Kanoniker eingeführt. Dies geschah gegen den Willen der dortigen Kanoniker, wie aus der "Vita sancti Altmanni" hervorgeht. Die St. Pöltner Kanoniker dürften mit ihrem kaiserlich gesinnten Vogt Walchun von Perg im Investiturstreit zu Kaiser Heinrich IV. gehalten haben. Altmann besetzte St. Pölten also mit regulierten Kanonikern vermutlich aus St. Nikola bei Passau. Neuer Propst wurde Egilbert, der auch zweimal als Archipresbyter bezeichnet wird. Doch blieb die Kontinuität im Kloster gewahrt, wie das besondere Gedächtnis an Kaiser Heinrich IV. und dessen Mutter Agnes beweist. Von früheren Pröpsten ist allerdings keiner namentlich nachweisbar. Auch der Ausbau des Klosters wahrte die Kontinuität: für 1065 und 1150 sind Kirchweihen überliefert.
Das Verhältnis zu den Passauer Bischöfen
Schon Kaiser Heinrich III. oder Heinrich IV. hatte die Kanonie mit den Marktrechten in St. Pölten ausgestattet (1058?). Nach 1121 bestätigte der Passauer Bischof diese Rechte. Kennzeichnend blieb das ganze Mittelalter das Nebeneinander von Klosterbesitz und den Besitzungen der Passauer Bischöfe in St. Pölten. Diese besaßen in St. Pölten auch ein eigenes Haus, das sie bei ihren Österreichbesuchen als Nebenresidenz benutzten. Mehrfach hielten sie hier auch Diözesansynoden (1284, 1294) ab. 1159 verlieh Bischof Konrad von Passau den St. Pöltner Bürgern bestimmte Rechte (Freiheit von Ordalien), die als ältestes Stadtrecht in Österreich gelten. Die Ummauerung der Stadt erfolgte allerdings erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts.
Dem Kloster gegenüber verhielten sich die Bischöfe meist großzügig. So gab Bischof Konrad 1159 dem Stift die Pfarre Bruck an der Leitha, Bischof Wolfger (1191–1204) übergab dem Kloster sein Haus, damit es den vierten Teil des Kreuzganges fertigstellen könne. Vermutlich lag dieses mit seiner Maximilianskapelle an der unteren Landstraße (Wienerstraße), wo später die Franziskaner ihr Kloster hatten (heute Priesterseminar). 1213 inkorporierten sie die Klosterpfarre "pleno iure" dem Stift. Bischof Otto von Lonsdorf (1254–1265) weilte häufig in St. Pölten und stellte hier mehr als 30 Urkunden aus. Zu Spannungen kam es wegen der Gemengelage von bischöflichem und klösterlichem Besitz in der Stadt, vor allem aber um die Rechte am bedeutenden Markt. Unter Propst Ulrich Feyertager (1360–1369) wurde 1365/67 ein Ausgleich zwischen Bischof und Kloster erzielt. Dieses verzichtete auf allen Besitz in der Stadt mit Ausnahme des Klosterviertels und bekam dafür als Entschädigung Zehente in der Umgebung und die bedeutende Pfarre Hürm. Bischof Georg von Hohenlohe residierte 1390 bis 1393 in St. Pölten, da ihm seine Bischofsstadt wegen der zwiespältigen Bischofsswahl nicht zugänglich war. Damit begann aber auch das Ende der Passauer Herrschaft in St. Pölten. Bereits 1389 musste die Stadt wegen Schulden erstmals an die Wallseer verpfändet werden, 1481 schließlich dem in Niederösterreich eingefallenen Ungarnkönig Matthias Corvinus. Nach dessen Tod 1490 eroberte König Maximilian Niederösterreich rasch zurück, behielt sich aber St. Pölten. Der Passauer Bischof konnte wegen Geldmangels die Pfandschaft nicht einlösen. So blieb die Stadt bis 1918 landesfürstlich. Für das Kloster bedeutete dies ein Ende der Streitigkeiten mit dem Bischof, hatte dieser doch nur mehr die geistliche Jurisdiktion inne. Allerdings gab es in Hinkunft die üblichen Reibereien mit der Stadtverwaltung.
Das Stift im Spätmittelalter
Ab dem 12. Jahrhundert kam es zum Ausbau des Klosters. 1150 ist ein Kirchweihdatum überliefert. Bereits 1133 wurde eine Leutkirche auf dem heutigen Domplatz konsekriert, deren Fundamente 1994 ergraben wurden. Die Andreaskapelle über dem Karner (ebenfalls auf dem Domplatz) wird erstmals 1179 erwähnt. Vor 1140 wurde das Hospital mit der Ägydiuskirche errichtet; als Weihedatum der Kirche wird 1130 angeführt. Eine Jakobuskapelle in der Infirmerie wurde 1184 geweiht. Ebenfalls bereits im 12. Jahrhundert bestand ein Konversenhaus für Frauen, da "moniales de S. Yppoliti" im Nekrolog von St. Andrä erwähnt werden. 1302 erhielt dieses "domus sororum" die Margaretenkapelle.
1209 wurden in der Sakristei (wohl anlässlich eines Umbaus) Reliquien unbekannter Heiliger gefunden, was zu einer kurzfristigen Wallfahrt nach St. Pölten führte; es wurde auch ein Mirakelbuch angelegt. Einen Höhepunkt erreichte diese Bautätigkeit in der Weihe des Klosters (wohl dem Charakter nach eher eine Kirchweihe) durch Bischof Gebhard im Jahr 1228. Den Übergang von den Babenbergern zu den Habsburgern schafft das Stift ohne größere Probleme. Noch 1248 erhält es durch Bischof Rudger eine Bestätigung seiner Besitzungen.
Das 14. Jahrhundert brachte dem Stift unter den Pröpsten Dietmar von Rohr (1332–1359) und Ulrich Feyertager (1360–1369) eine wirtschaftliche Blüte: Es kam zum Ausgleich mit dem Passauer Bischof bezüglich der Besitzungen in der Stadt, zum Erwerb der Pfarre Retz, die zu einer der stärksten wirschaftlichen Stützen des Klosters wurde, aber auch zu bedenklichen personellen und wirtschaftlichen Verknüpfungen mit den Angehörigen der Pröpste. 1358 wütete ein Großbrand. Die Leutkirche auf dem Freithof (Domplatz) wurde vergrößert wieder aufgebaut, wie die Ausgrabungen von 1994 nachwiesen. Propst Ulrich erwarb eine Reihe von Gütern, so den Ansitz Friesing, die Feste Hagenstein, Burg Fridau, Innerkasten, Schwabegg, Rennersdorf und Inning, wobei allerdings unklar bleibt, inwieweit dies auch private Erwerbungen der Familie der Feyertager waren. Damals grassierte immer wieder die Pest, wodurch die Güter oft billig zu erwerben waren.
Im 15. Jahrhundert wurde St. Pölten über Wittingau (Trebon) von der Raudnitzer Reform erfasst, auf die 1410 auch die Gründung der Augustinerpropstei Dürnstein zurückgeht. Gemeinsam mit dem Chorherrenstift Dürnstein beteiligte es sich 1414 an der Besiedlung des Augustinerklosters St. Dorothea in Wien. Das 15. Jahrhundert war eine Blütezeit für die Kanonie, auch wenn es mehrfach kriegerische Ereignisse brachte. So wurde 1424 durch die Hussiten die Stadt Retz zerstört und die Umgebung verwüstet. 1481 bis 1490 besetzten die Ungarn die Stadt. Den großen Stadtbrand von 1474 schildert ein zeitgenössischer Bericht, der auch eine Darstellung der Baulichkeiten des damaligen Stiftes bringt:
"Dy selb prunst und feur hot verprennt ... das closter der chorherrn mit dem ziegelhoff, dem phister (Bäckerei), und müll, mayrhoff, städeln, marstall, viehstall, kasten, zwei pad der herren im closter und des brobst, werichhaus der zimmerleut, pinthaus, obleyhaus, spital (das spätere Bürgerspital) mit aller zugehörung und zimmer, stall, stadl, pad kasten daselbs; item der chorherrn siechhaus (Infirmerie im Kloster), der jungkherrn schlaffhaus ganz und gar, der herrn schlaffhaus ain teil in ziegeldach, das dach vor dem refät (Refektorium), des dechants heüsl, das secret, der zynein knopf aus dem münster, des Heil. Geist kirchen, des kastner und schaffner zimmer, das schenkh haus das man heißt in dem Lüeglein; St. Margarethn das dach (Kirche der Chorfrauen), das dach auf dem korner (Karner), das dach und heusel in dem gusterhof, die schuel, messnerheusl, das kirchengässel, ..."
Die Schäden müssen enorm gewesen sein, so musste die Spitalskirche in der Unteren Landstraße (Wiener Straße) neu errichtet werden. Die Baulast für die Erneuerung des Kremserturmes und der Befestigungen bis zum Wiener Tor fiel dem Stift zu. Die Behebung der Schäden dauerte bis nach 1500.
Die lange Krise
Einem neuerlichen Stadtbrand fielen 1512 die Westfassade mit den beiden Türmen und offensichtlich auch die Sakristei zum Opfer. Letzteres geht aus einer Bischofsurkunde von 1513 hervor. Demnach gewährte Bischof Wiguleus Fröschl dem Konvent die Erlaubnis, anstatt der bisherigen Almuzien aus schwarzem Lammfell solche aus billigeren Eichhornfellen zu tragen. Von der Doppelturmanlage wurde nur mehr der Südturm wiederhergestellt. Daneben gab es noch andere Gründe für den Niedergang. Da waren zunächst die Türkenkriege, die 1529 und 1532 die Stadt erreichten. Wenn auch die Stadt nicht unmittelbar betroffen war, so litten doch die stiftlichen Güter. Zusätzlich musste das Kloster die Quart und die Terz entrichten und immer wieder dem Landesfürsten Darlehen gewähren. Schon 1526 musste es Silber im Wert von 530 Mark abliefern. Schon 1525 leistete es ein Darlehen von 800 Gulden, 1537 und 1539 von 600 Gulden, und 1558 musste es den Stiftshof in Pulkau verpfänden, um ein Darlehen von 3.000 Gulden aufbringen zu können.
Dazu kamen die relativ kurzen Amtszeiten der Pröpste, von denen drei resignierten: Johannes Marquard (1515–1530), Johannes Perlasreuter (1530–1538) und Martin Renhofer (1538–1539). Unter Propst Leopold Hagen (1539–1563) erreichte das Stift seinen Tiefpunkt. Natürlich wirkte sich für das Kloster auch das Eindringen der Reformation negativ aus, was sich besonders im Rückgang der Konventualen zeigte. Dazu starben in den Seuchenjahren 1541/42 sieben Konventualen. 1544 betrug ihre Zahl noch zwölf, 1561 waren es nur mehr sechs, 1566 vier, wobei einer sich auf der Stiftspfarre Retz befand. Ab Propst Georg Hueber (1569–1575) besserte sich die Personallage. In der Stadt kam der Protestantismus um 1560 zum Durchbruch. Gemeinsam mit dem Propst wurde der Prediger für die Frauenkirche (einstige Leutkirche auf dem jetzigen Domplatz) bestellt. Der Stadtrat machte daraus ein alleiniges Recht und bestellte protestantische Prediger. Daraufhin ließ Propst Georg die Kirche sperren. In seinem Todesjahr 1575 fand noch eine Visitation statt, die ein erfreuliches Bild zeichnete. Unter seinem Nachfolger Melchior Schad (1576–1598) schlitterte das Stift allerdings in tiefe Schulden und musste zeitweilig administriert werden. Seine Nachfolger Eucharius Warmuth (1598–1599) und Johannes Meringer (1600–1601) regierten nur wenige Monate. Unter Propst Johannes Metz (1601–1611) wurde in St. Pölten eine Visitation durch Offizial Melchior Khlesl durchgeführt. Einige Tage vor dem Tod seines Nachfolgers Johannes Roth aus Dinkelsbühl (1612–1621) kam es zu einem katastrophalen Stadtbrand, der auch das Stift schwer traf. Nach drei nur kurz regierenden Pröpsten wurde 1628 Wolfgang Panckhammer zum Propst gewählt. Er war ein frommer Mann und guter Güterverwalter, hatte aber den Konvent nicht im Griff und wurde sogar von den eigenen Chorherren mit Säbel und Pistole bedroht.
Die Blütezeit seit Propst Fünfleutner
Erst die Visitation durch den Klosterneuburger Propst brachte eine entscheidende Wende zum Besseren. Propst Bernhard von Klosterneuburg bot den St. Pöltnern auch einen Novizenmeister an, was vermutlich den Eintritt des Johannes Fünfleutner 1630 in das Stift zur Folge hatte. Er sollte zum bedeutendsten Propst des Stiftes werden. Fünfleutner wurde um 1589 in Schärding am Inn geboren; er war bürgerlicher Abkunft. Er erlangte den Doktorgrad der Medizin an der Universität Padua, war 1626 Dekan der medizinischen Fakultät in Wien, nahm 1628/1629 an einer kaiserlichen Gesandtschaft nach Konstantinopel teil und fungierte 1629 als Rektor der Wiener Universität (als Propst hatte er 1644 nochmals dieses Amt inne). Erst im Kloster dürfte er seine theologische Ausbildung erhalten haben. Es ist auch zu vermuten, dass er von seiner früheren Tätigkeit her ein größeres Vermögen mitbrachte. Er wurde bald Kämmerer und Stiftsdechant und nach dem Tod Panckhammers ging er siegreich aus der Neuwahl des Propstes am 17. Februar 1636 hervor.
Während seiner Tätigkeit als Propst durch 25 Jahre kam es zu 28 Neueintritten ins Kloster, wovon allerdings sieben Chorherren vor ihm starben. Bei der Neuwahl nach seinem Tod gab es immerhin 21 Konventualen. Zu seinen großen Leistungen gehörte der Neubau des Klosters. Somit entstand jenes Gebäude, das weitgehend mit dem heute noch bestehenden Bistumsgebäude identisch ist. Dies ersieht man aus einer Federzeichnung aus dem Jahr 1653, die im Diözesanmuseum aufbewahrt wird. Nur der Gästetrakt (heute Bischofstrakt) wurde im 18. Jahrhundert hinzugefügt. Er unterstützte den Wiederaufbau des Franziskanerklosters und sorgte für eine erste Barockisierung der Stiftskirche. Auf Fünfleutner geht auch die Errichtung der Kapelle zu Ehren der hl. Barbara zurück, die sich vor dem Wilhelmsburger Tor befand.
Zur Belebung der Frömmigkeit des Volkes führte er 1636 die Mariazeller Wallfahrt ein und 1646 die Manker Wallfahrt, die bis in die Gegenwart durchgeführt wird. Auf Initiative der Bürgerschaft reaktivierte er die Sebastianibruderschaft und errichtete 1646 die Rosenkranzbruderschaft, die breiten Anklang über St. Pölten hinaus fand. Fünfleutner starb am 29. Jänner 1661 im Alter von 72 Jahren. Sein Grabstein im rechten Seitenschiff der Domkirche rühmt ihn als Ratgeber dreier Kaiser, Erbhofkaplan, Rektor der Wiener Universität, Erbauer des Münsters in St. Pölten und Erneuerer des religiösen Lebens. Seine beiden Nachfolger Gabriel Kölsch (1661–1669) und Patrizius Zeller (1670–1683) konnten gut weiterarbeiten. Immerhin wurde im Stift Moraltheologie und zeitweilig auch Philosophie doziert.
Verheerend wirkte sich der Türkeneinfall von 1683 auf die Stiftsgüter aus. Zwei Chorherren fanden als Pfarrer den Tod. Propst Zeller floh nach Linz, wo er noch im gleichen Jahr starb. Ungefähr 200 Untertanen wurden verschleppt, über 5.000 Stück Vieh geraubt und 120 Häuser verbrannt oder geplündert. Die Kirchen in Weißenkirchen an der Perschling, Obergrafendorf und St. Georgen am Steinfeld und die Pfarrhöfe in Kasten und Gerersdorf wurden beschädigt.
Nur kurz währte die Amtszeit von Propst Hieronymus Griesmayr (1683–1688). Mit Propst Christoph Müller von Prankenheim (1688–1715) kam wiederum eine energische Persönlichkeit an die Spitze der Kanonie. Er ließ den Kirchturm erhöhen und in seine heutige Form bringen. Auch schaffte er ein neues Geläute an, das noch weitgehend erhalten ist. Er war auch auf die Vergrößerung des Stiftsbesitzes bedacht. So erwarb er die Ochsenburg für das Stift zurück, kaufte den Schwaighof südlich der Stadt und ließ ihn künstlerisch ausstatten. Ebenso erneuerte er den Lesehof in Joching in der Wachau und den Stiftshof in Pulkau. Doch war er auch wissenschaftlich tätig und verfasste eine Stiftsgeschichte, die dann in Werken von Duellius und Maderna Eingang fand. Unter Propst Christoph fand eine Änderung der Kleidung der Chorherren statt. Anstatt Weiß wurde nunmehr Schwarz getragen, was sich allerdings schon früher abgezeichnet hatte. Zu seinem Nachfolger wurde der 34-jährige aus Melk stammende Michael Führer gewählt. Beim Tod seines Vorgängers wurden 115.500 Gulden Schulden festgestellt, denen allerdings 50.000 Gulden Aktiva gegenüberstanden. Auf Grund der prekären Lage musste Führer versprechen, die Gebäude zu erhalten und nur notwendige Neubauten zu errichten, sowie die Konventualen bei wichtigeren Angelegenheiten zu konsultieren. Ringsum hatte der "Bauwurm" die Prälaten erfasst. So entwarf Führer auch einen Plan zur Barockisierung der Stiftskirche, wahrscheinlich auf Pläne Prandtauers zurückgehend, der auf hohem Niveau verwirklicht wurde. Auch in den Stiftspfarren wurde gebaut und in Nutzbauten in den Weinbaugebieten investiert. Wegen der hohen Auslagen kam es 1722 zu einer Revolte im Konvent. Einige Chorherren richteten eine Klageschrift an die Regierung, in der dem Propst Verschleuderung des Stiftsgutes vorgeworfen wurde. Propst Führer, der durchaus auch Anhänger im Konvent hatte, rechtfertigte sich: Gerade der Weinbau sei für das Stift wichtig, bestehe doch das Haupteinkommen des Stiftes aus dem Weinbau und Weinzehent. Zudem zahle man für den Eimer Grinzinger zehn Gulden, während der aus anderen Lagen nur die Hälfte erbringe. Er verteidigte auch seine Bautätigkeit und die Anschaffung von Chorgestühl und neuer Orgel für die Kirche; zugleich verwies er auf die notwendige, aber teure Gastlichkeit. Die Regierung nahm diese Rechtfertigung zur Kenntnis. Führer fühlte sich gestärkt. So setzte er die Theologieprofessoren ab und schickte die Kleriker zum Studium zu den Franziskanern. Auch den anderen Opponenten entzog er ihre Funktionen und forderte strikten Gehorsam. 1722 bis 1725 war Führer einer der zwei Vertreter des niederösterreichischen Prälatenstandes im niederösterreichischen Landtag, und 1725 bis 1728 gehörte er dem Verordnetenkollegium des Landtages an. Da er meist in Wien wohnte, kaufte er für das Stift das Haus Krugerstraße 5 und ließ es renovieren, was den Schuldenstand noch erhöhte. Nach seiner Rückkehr aus Wien widmete er sich erneut der Bautätigkeit, sollte doch die Barockisierung der Stiftskirche zum Tausendjahrjubiläum des Klosters im Jahr 1740 vollendet sein. Aber auch außerhalb der Stadt ließ er die stiftlichen Gebäude erneuern.
Im Stift selbst begann er 1727 mit dem Ausbau der Bibliothek und dem Neubau eines Gartenhauses. 1735 kam es zur Neueinwölbung der Stiftskirche, in der Folge wurde ihre Einrichtung geschaffen. Auf Führer geht auch die Prälatenstiege und der neue Gästetrakt (heute Bischofstrakt) im Nordosten zurück, ebenso das neue untere Tor (heute Bischofstor).
1737 wurde mit Hippolyt Wolff durch die Kapitularen ein neuer Dechant gewählt, der schon länger zu den Opponenten Führers gehört hatte. Nachdem er sich einen Einblick in die finanzielle Situation verschafft hatte, erhob er Anklage gegen den Propst: Dieser habe gegen 200.000 Gulden illegal Schulden gemacht. Diesmal griff der Kaiser durch den Klosterrat entschieden ein. Führer wurde 1739 seines Amtes enthoben. Untersuchungen brachten Schulden von etwa 380.000 Gulden zum Vorschein. Davon hatte er 181.000 mit dem gefälschten Konventsiegel und etwa 60.000 Gulden allein auf seinen Namen aufgenommen. Der Propst musste das Kloster verlassen und wurde auf der Ochsenburg, im Stift St. Florian und dann in Korneuburg interniert. Während des Baierneinfalls 1741 tauchte er wieder im Kloster auf, musste aber dann 1742 bis zu seinem Tod 1745 in Bruck an der Leitha leben. Die Mehrheit der Kanoniker und auch die Stadtbevölkerung blieb ihm treu.
Der Ausklang
Nach dem Abgang Führers wurde das Stift administriert. Dechant Wolff hatte keine glückliche Hand. Sein Nachfolger, der Klosterneuburger Chorherr Bernhard Paul (Administrator 1741–1747), konnte den Schuldenstand zwar etwas reduzieren, hatte aber mit dem zerstrittenen Konvent seine Not. Nun wurde wiederum Wolff bestellt (1747–1753), der aber zahlreiche Gegner hatte. Erst unter Matthis Alteneder kam das Kloster in ruhigere Bahnen.
Da sich die Schulden auf 222.000 Gulden vermindert hatten, wurde 1755 eine neue Propstwahl gestattet. Gewählt wurde Alteneder, der bis zu seinem Tod 1779 den Schuldenberg auf 34.790 Gulden reduzieren konnte. Auch unter seinem Nachfolger Ildephons Schmidbauer (1779–1784) hielt die positive Entwicklung an. Zur Zeit der Klosteraufhebung waren nur 15.000 Gulden Passiva gegeben. Auch der Personalstand war mit 32 bzw. 37 Mitgliedern erfreulich. Man kann mit Recht von einer späten Blüte des Klosters sprechen. Das Stift fand sein Ende nicht wegen Missständen oder Misswirtschaft, es fiel vielmehr den Diözesanplänen Kaiser Josephs II. zum Opfer. Dieser befahl am 9. Juni 1784 die Aufhebung des Klosters, die am 1. Juli vollzogen wurde. Schmidbauer wurde an der ehemaligen Domkirche in Wiener Neustadt Propsteipfarrer (verstorben 1791). Die Klostermitglieder traten in den Dienst der Diözesen St. Pölten und Wien. Am 25. Jänner 1847 starb als letzter ehemaliger St. Pöltner Chorherr Andreas Malachias Spitzl, Pfarrer und Dechant in Bruck an der Leitha.
Wirtschaftliche, rechtliche und soziale Verhältnisse
Wirtschaftliche Verhältnisse
Über die Wirtschaftsgeschichte liegen bisher keine gründlichen Untersuchungen vor. Es gibt keine Gründungsurkunde und keine frühen Urbare. Dagegen ist der Besitzstand aus der Zeit der Aufhebung bekannt. Demnach lag St. Pölten nach den Großklöstern Klosterneuburg, Melk und Göttweig, wenn auch mit Abstand, an etwa vierter Stelle. Eine Urkunde Papst Alexanders III. (1159–1181) nahm das Stift mit seinen Besitzungen in Schutz. Darin werden zunächst alle dem Stift gehörigen Kirchen aufgezählt: St. Pölten (mit dem Marktrecht), Böheimkirchen, Kapelln mit den dazugehörigen Kirchen Weißenkirchen, Katzenberg, Haselbach, Würmla und Murstetten, die Pfarren St. Christophen und Bruck a. d. Leitha. In der Pfarre St. Michael in der Wachau der halbe Zehent, in Pulkau und Zellerndorf der Drittelzehent, in Nalb und Retz der halbe Zehent. Dann folgt die Aufzählung der Lehen und Huben des Stiftes. Die lagen zumeist in der weiteren Umgebung von St. Pölten. Weiter entfernt waren Besitzungen in Pillichsdorf, Ollersdorf und Waltersdorf. Davon gehen die drei Pfarren Böheimkirchen, Kapelln und St. Christophen auf eine Schenkung Bischof Berengars (1013–1045) zurück. Die Pfarre Bruck gab 1159 Bischof Konrad dem Stift.
Eine Urkunde Bischof Rudigers von 1248 bringt ähnlich der Papsturkunde eine Aufzählung des Klosterbesitzes. Zunächst werden auch hier die Pfarren mit ihren exempten und nichtexempten Filialen aufgezählt: Bruck (Wilfleinsdorf, Arbesthal, Göttlesbrunn und die Nikolauskapelle in der Stadt), Kapelln (Jeutendorf, Weißenkirchen und Katzenberg), Böheimkirchen (Außer- und Innerkasten, Lanzendorf, Schildberg und Stössing), St. Christophen (Brand und Seebach), St. Pölten (Ober- und Unterpottenbrunn, Schlosskapelle Viehofen, Obergrafendorf, Weinburg, Haindorf, Kapelle Markersdorf, Hafnerbach, Schlosskapelle Pielach, Kapelle Karlstetten, Kapelle St. Georgen am Steinfeld). Als wesentlicher Zehentbesitz werden angeführt: St. Michael in der Wachau, Kottes, Meisling, Pulkau, Retz, Nalb, Mautern, Weiten und Melk jenseits der Donau. Der Hausbesitz wird detaillierter als in der Papsturkunde angegeben. Das Stift besaß damals etwa 350 dienstpflichtige Häuser. Der Schwerpunkt der Besitzungen lag zwischen Pielach und Perschling.
Weitere Schwerpunkte waren die Weingärten im Tullnerfeld (Amt Königstetten) und in Grinzing, deren Wein sich gut verkaufen ließ. Weitere größere Besitzungen gab es im Marchfeld (Ulrichskirchen); aber auch die Weingüter um Pulkau und Retz waren für das Stift bedeutsam. Ein weiteres Weinbaugebiet war in der Wachau (Joching), wo das Stift den Weinzehent, aber auch Eigengüter besaß. In der Umgebung von St. Pölten erwarb das Stift 1366 die Herrschaft Kasten, 1383 das kleine Gut Ochsenburg und bekam 1398 endgültig die Pfarre Hürm mit ihren Zehenten, nachdem es drei Viertel der Stadt an den Passauer Bischof abgetreten hatte. Natürlich ging auch immer wieder Besitz verloren oder wurde abgetauscht. Im Großen und Ganzen aber blieb der wichtigere Besitz konstant. Erst in der Neuzeit kamen einige Neuerwerbungen dazu. Bei der Inventarisierung anlässlich der Aufhebung des Stiftes 1784 ergab sich folgendes Bild. Das Gesamtvermögen wurde auf 518.033 Gulden berechnet, das jährliche Einkommen mit etwa 40.000 Gulden taxiert, womit das Stift zur begüterteren Hälfte der niederösterreichischen Klöster gehörte. Der Stiftsbesitz setzte sich zusammen aus der Stiftsherrschaft St. Pölten, den Herrschaften Hürm, Kasten, Retz (mit Pulkau), Ochsenburg, dem Freihof Harthof und dem Schwaighof. Dazu gehörten außerdem das Pfarrgut Bruck a. d. Leitha und das Haus in Wien Krugerstraße, das Propst Führer 1726 von den Tullner Dominikanerinnen erworben hatte. Die engere Stiftsherrschaft umfasste den stiftlichen Meierhof von St. Pölten mit 85 Joch Acker, 528 Joch Waldungen, 55 Joch Auen und 20 Joch Viehweide. Dazu gehörten die Lesehöfe in Grinzing mit 40 Viertel, mit 93 Viertel in Joching und 30 Viertel in Loiben, und in Königstetten mit 35 Viertel Weingärten, weiters 474 untertänige Häuser, von denen sich 41 in der Stadt befanden. Der meiste Zehentbesitz lag in den Pfarren St. Pölten, Pyhra, Böheimkirchen und Kapelln sowie in der Wachau (Weinzehent). Die Herrschaft Hürm besaß 48 Untertanen, Kasten 126, Retz mit dem Freihof Pulkau 100, die Herrschaft Ochsenburg (1699 wieder erworben) 50, der Harthof (1662 erworben) neun. Das Pfarrgut Bruck hatte 18 Untertanen und einige Weingärten im Joiser- und Neusiedlergebirge in Ungarn. Aus diesem doch recht ansehnlichen Wirtschaftskörper (ausgenommen das Gut Retz) wurde das Religionsfondsgut St. Pölten gebildet, das dann auch das Patronat über die ehemaligen Klosterpfarren bis 1938/39 innehatte. Allerdings waren bis zu dieser Zeit bereits zahlreiche Stücke veräußert worden.
Rechtliche Verhältnisse
Das (Augustiner-)Chorherrenstift St. Pölten war immer ein Eigenkloster der Passauer Bischöfe. Ihnen stand daher auch die Obervogtei zu. Im 11. und 12. Jahrhundert hatten die Hochfreien von Perg, Verschwägerte der Babenberger, die Vogtei inne. Sie wird erstmals in einem Weistum um 1125 erwähnt, wobei es vor allem um die Marktrechte ging, die dem Kloster bereits 1058 oder früher (also vor Einführung der regulierten Chorherren) durch Kaiser Heinrich III. oder IV. gewährt worden waren.
1150 entzog Herzog Heinrich von Bayern (in Österreich Markgraf Heinrich II. Jasomirgott) dieses Recht und zwar auf Bitten seines Bruders Konrads, des Bischofs von Passau, und übergab die Vogtei dem Bischof. Doch bald übernahmen sie die Babenberger selbst (und später die Habsburger) als Lehen des Bischofs. Problematisch blieb lange Zeit das Verhältnis zum Passauer Bischof, der ja die Oberhoheit in der Stadt besaß, obwohl er nur einen Teil der Häuser innehatte. Zu einem Ausgleich kam es erst 1367, als das Stift auf die Marktrechte und Zölle und alle Häuser mit Ausnahme die des Klosterviertels verzichtete. Die Spannungen verlagerten sich nun auf das Verhältnis zur Stadt, da das Kloster auch ein Viertel der Stadtmauer zu erhalten hatte.
Intensiver wurde der Einfluss des Landesfürsten im 16. Jahrhundert, als König Ferdinand Klostervisitationen vornehmen ließ und der Landesfürst ab 1568 durch den Klosterrat unmittelbar Einfluss auf das Klosterleben ausübte. Für Außenbesitzungen gab es wenig belegte Untervögte. Eine eigenartige Beziehung bestand zum Kollegiatstift Marz(-Hierpach) im damaligen Ungarn, das um 1220 durch die Familie Osl gegründet worden sein dürfte. Dafür stellte das Stift St. Pölten mehrere Pröpste, wie aus dem Nekrolog hervorgeht, wo sie als "fratres", also als Konventmitglieder, bezeichnet werden. Eine Ernennungsurkunde aus dem Jahr 1295 hat sich erhalten. 1438 verzichtet der St. Pöltner Propst auf das Ernennungsrecht und erlaubte der Gemeinde und den Pfarrleuten, den Propst von Marz selbst zu wählen.
Soziale Verhältnisse
Über die Herkunft der St. Pöltner Kanoniker vor 1080 gibt es keine Auskunft. Die ersten Augustinerpröpste entstammten wahrscheinlich dem höheren Adel, wie etwa der spätere Passauer Bischof Reginbert (1138–1147), der vorher Propst in St. Pölten war. Ansonsten gehörten die meisten Chorherren dem niederen Adel an.
Im 15. Jahrhundert verstärkte sich der Anteil der Bürgerlichen vor allem aus Wien, Tulln und Wiener Neustadt. Ausländer, wie etwa Propst Johannes Moravus (1370–1372), finden sich selten. Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mehren sich Eintritte aus Bayern und Vorderösterreich. Im 17. und 18. Jahrhundert überwogen wieder die Eintritte aus der näheren und weiteren Umgebung. Darunter waren auch immer wieder Nobilierte. Eine erste Aufzählung des Konvents gibt es um 1190, als zehn Chorherren angeführt werden; der Zusatz "et ceteri fratres" weist auf mehr hin. Exakter wird die Anzahl der Chorherren erstmals in einer Urkunde von 1259 mit zwölf Priestern ohne Propst angeführt. 1273 bestand der Konvent aus 14 Priestern und einer nicht genannten Zahl von Klerikern mit niederen Weihen und Konversen. Die Zahl dürfte weiter gestiegen sein, da Herzog Albrecht III. 1380 die Höchstzahl der Klosterinsassen mit 24 festlegte. Im 15. Jahrhundert waren es zwischen 15 und 22.
Die Krise des 16. Jahrhunderts wirkte sich in St. Pölten aus. Zwar verließ nur ein Chorherr den geistlichen Stand, doch machte sich der Mangel an Nachwuchs bemerkbar. Zudem starben 1541/42 sieben Mitglieder an der Seuche, sodass 1544 der Konvent nur mehr aus zwölf Mitgliedern bestand. Im Haus lebten sechs Priester und zwei Kleriker, auf den Stiftspfarren wirkten vier Priester. Von 1561 bis etwa 1590 betrug die Zahl meist nur vier bis sechs. Um 1600 aber waren es bereits zehn. 1611 und 1623 gab es zwölf Wahlberechtigte. Unter Propst Fünfleutner nahm der Konvent endlich einen Aufschwung; bei seinem Tod 1661 war der Konvent auf 21 gestiegen und erreichte 1675 sogar 30. Bei der Propstwahl von 1715 waren 24 Konventualen stimmberechtigt. Um 1740 gab es etwa 30, im Jahr der Aufhebung 1784 32 Konventualen. Im Mittelalter war offensichtlich das Institut der Konversen von größerer Bedeutung. Im Nekrolog werden 104 angeführt; ihre Zahl dürfte aber höher gewesen sein. Davon gehören etwa zehn noch dem 12. Jahrhundert an. Ebenfalls zehn gehören dem beginnenden 14. Jahrhundert an. Dann bricht die Institution ab. Im Nekrolog werden 85 weibliche Konversen angeführt, wobei unklar bleibt, wie weit es sich um Mitglieder des Frauenkonvents handelt.
Bau- und Kunstgeschichte
Es wurden bisher keinerlei Reste aus der Karolingerzeit gefunden. Für die Stiftskirche sind Weihedaten zu 1065, 1150 und 1228 überliefert. Eine weitere Weihe dürfte um 1280 stattgefunden haben. Von der ältesten Kirche sind an der Nordmauer auf der Kreuzgangseite romanische Fenster zu sehen. Der jetzige Kirchenbau geht wohl auf den Beginn des 13. Jahrhunderts zurück. Dagegen dürfte die Doppelturmanlage der Westfassade älter sein. Das alte Aussehen der Kirche ist noch in der Rosenkranzkapelle erhalten, die zwei Joche des rechten Seitenschiffs umfasst.
Nach dem Brand von 1512 wurde der Nordturm nur mehr bis zur Höhe das Daches wiederhergestellt, der Südturm wurde 1560 aber höher als bisher ausgebaut und erhielt 1693 seine heutige Form. Der Plan zu einer barocken Scheinfassade mit dem Südturm als Zentrum kam nicht zur Ausführung. Im Inneren bewahrt die Kirche die dreischiffige romanische Anlage, wurde aber im 18. Jahrhundert vollständig barockisiert. Eine erste barocke Einrichtung erhielt die Kirche unter Propst Fünfleutner; 1648 wurden fünf Seitenaltäre geweiht und 1658 durch Tobias Pock das Hochaltarbild geschaffen, das einzig erhaltene Stück dieser Phase. Propst Führer führte unter Leitung von Jakob Prandtauer und Josef Munggenast eine radikale Neugestaltung durch. Die Kirche wurde barock gewölbt und die romanischen Pfeiler mit Stuckmarmor verkleidet. Freskenmaler waren Thomas Friedrich Gedon, Antonio Tassi, Daniel Gran und Bartolomeo Altomonte. Der Hochaltar ist eigentlich nur eine Wandgliederung mit dem alten Maria-Himmelfahrtsbild von Pock. An den Seitenaltären arbeiteten prominente Künstler wie Jakob Ch. Schletterer (Kreuzaltar) mit, der auch die zwei Sandsteinreliefs in den Seitenschiffen schuf. Die Altarbilder stammen zumeist von Daniel Gran. Die St. Pöltner Kunsthandwerker Hippolyt Nallenburg und Peter Widerin schufen die Kanzel und das Chorgestühl. Bemerkenswert sind auch die Beichtstühle. Von den Grabdenkmälern sei nur auf das Fünfleutners im rechten Seitenschiff verwiesen.
Die Kirche wurde seit ihrer Fertigstellung um 1747 kaum verändert. Neu ist das Denkmal für Bischof Kerens. 1856/58 mussten die Plastiken des Hochaltars erneuert werden. Der Volksaltar stammt von 1983. Das Stiftsgebäude wurde nach dem Brand von 1621 in frühbarocker Form bis 1650 praktisch neu errichtet, auch wenn die alte Anlage drei Höfe gehabt haben dürfte. Der Kreuzganghof wurde vergrößert. Der Brunnenhof dürfte die alte Substanz behalten haben. Der Binderhof blieb zwar in der Gestalt gleich, doch bekam er eine neue Funktion. Statt Getreidespeicher und Binderei wurden Wohnungen für die Domherren und Büros für die Bistumsverwaltung geschaffen. Weitere Änderungen im Inneren gab es unter Propst Müller, unter dem die beiden Sakristeien und das Oratorium ausgebaut wurden. Unter Propst Führer kam es zum Bau des Gäste(Bischofs-)trakts und des dorthin führenden Stiegenhauses mit dem qualitätvollen Sandsteinrelief sowie zur Ausgestaltung der Bibliotheksräume, die unvollendet blieben; weiters ließ er das Einfahrtstor an der Ostseite errichten (1908 zurückversetzt) sowie 1726 das Gartenhaus. Einzelne Reste erinnern an die ältere Klosteranlage. So einige romanische Bögen im Brunnenhof und am Domplatz.
Ausgrabungen brachten im Kreuzganghof und unter der Domherrensakristei (1949, 1980, 1982) die Heilig-Geist-Kapelle und den alten Kapitelsaal mit zwei Altären zum Vorschein. Das alte Refektorium wurde etwas südlich vom jetzigen Sommerrefektorium ergraben; es dürfte schon im 15. Jahrhundert abgekommen sein. Aus der Zeit des Chorherrenstiftes stammen noch einige liturgische Geräte und Paramente. Zwei Monstranzen aus dem 18. Jahrhundert, ein Ziborium von 1608, eine Reihe von Kelchen, wovon der älteste von 1479 (?) stammt, ein anderer von 1524, und einige weitere aus der Barockzeit. Unter den Reliquiaren ist ein Kreuzreliquiar aus dem frühen 15. Jahrhundert von besonderer Bedeutung. Von den Ornaten seien der 1726 durch Propst Führer um 12.000 Gulden angeschaffte rote Ornat und der Altenederornat von 1760 erwähnt.
Bibliothek
Über der Geschichte der Bibliothek waltete kein guter Stern. Zwar dürfte um 1200 die Wissenschaftspflege im Kloster geblüht haben, wie auch aus der späteren "Vita Altmanni" hervorgeht, doch hat sich nicht allzuviel erhalten. Ab 1200 werden immer wieder "scholastici" erwähnt. Die meiste Information liefert der Bibliothekskatalog des Albert Maderna von 1761. Die ältesten Handschriften betreffen Bibel und Liturgie. Ein Missale (Hs. 14) reicht in das frühe 13. Jahrhundert zurück, ebenso zwei Lektionare (Hs. 60 und 41). Unter Propst Heinrich (1252–1268) wurden zahlreiche Handschriften aus Passau zum Kopieren entlehnt, die vor allem kanonistischen Inhalt hatten. Die St. Pöltner Pröpste waren häufig als delegierte Richter tätig.
Zu Beginn des 14. Jahrhunderts bestand eine Buchmalschule, wenn auch auf bescheidenem Niveau. In diesem und dem folgenden Jahrhundert kam es offensichtlich zu einem Aufschwung der Wissenschaftspflege. Beigetragen dazu hat die enge Verbindung mit der Wiener Universität ab 1380. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts dürfte die Bibliothek etwa 200 Handschriften und 220 Frühdrucke umfasst haben. Von den Handschriften sind nur mehr 80 erhalten, von den Frühdrucken etwa 140. Abgesehen von den liturgischen Büchern waren Handschriften mit Ketten befestigt und lagen auf Pulten. Die Spuren davon sind noch zu sehen. Vermutlich befand sich die Bibliothek oberhalb der Sakristei.
1439 kam es zur Stiftung von 100 Pfund für die Einrichtung der Bibliothek, wohl zur Anschaffung der Pulte. Nach dem Neubau wird 1653 die Bibliothek im Bereich des heutigen Dompfarramts ausgewiesen. Vor 1722 begann Propst Führer mit dem Ausbau der Bibliothek und deren kostbarer Ausschmückung, die aber nie vollendet wurde. Als Freskanten waren Paul Troger und Daniel Gran tätig. Das 16. Jahrhundert bringt nur wenig Nachrichten zur Bibliothek. Ein Umschwung setzte mit Propst Fünfleutner (1636–1661) ein, der von seiner früheren Tätigkeit als Professor für Medizin vor allem medizinische Werke mitbrachte. Seit etwa 1660 wurde im Kloster auch Theologie doziert, was zur Vermehrung der theologischen Werke führte. Mit Raimund Duellius (1693–1769) trat erstmals ein hauptberuflicher Bibliothekar in Erscheinung. Ihm folgte Albert Maderna (1703–1780), der eine Neuaufstellung der Bibliothek vornahm und 1756 dazu auch einen Katalog herausgab. Bei der Inventarisierung des Klostervermögens 1784 wird die Bibliothek nur summarisch erwähnt. Sie ging 1785 in den Besitz der neu gegründeten Diözese über und wurde Grundstock der Diözesanbibliothek.
Archiv
Bereits 1250 wird von einer Devastierung bei den Klosterurkunden berichtet. Wohl deswegen kam es zur Anlegung von Kopialbüchern. Nach der Krise des 16. Jahrhunderts brachte der historisch interessierte Propst Müller (verstorben 1716) das Archiv wieder in Ordnung. Aber zwischen 1725 und 1846 gab es große Verluste. Eine gewisse Schuld dürfte beim Stiftsmitglied Raimund Duellius gelegen sein, der für sein Werk "Excerpta genealogico-historica saec. XII., XIII., XIV., XV., XVI" 325 Urkunden behandelte, von denen heute nur mehr 42 Stück erhalten sind.
Beim Franzoseneinfall 1741 wurde das Archiv neuerlich in Unordnung gebracht. Mit der Aufhebung des Stiftes fiel das Archiv in den Wirkungskreis der Kameraladministration, der auch das Religionsfondsgut St. Pölten unterstellt war. Bei der Übernahme dürften die Akten und Kanzleiregistraturen als wertlos vernichtet worden sein. Erhalten blieben sechs Kopialbücher, einige Urbare und Grundbücher, 266 Urkunden und einige Akten. Davon gelangten fünf Kopialbücher und die anderen Stücke 1848 an das Staatsarchiv. 1860 bzw. 1862 und sogar noch 1934 kamen weitere neun Handschriften (Kopial-, Gerichts-, Lehen- und Dienstbücher) dorthin. Im Diözesanarchiv St. Pölten befinden sich nur ein Karton Akten, zehn Urkunden und sieben Bücher aus dem Klosterbestand, weiters das Archiv des Gutes Ochsenburg. Zur Erforschung der Klostergeschichte müssen also Bezugsarchive herangezogen werden.
Literatur
- Rudolf Büttner: Aelium Cetium. Das Fortleben seines Namens im Mittelalter. In: Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen lnstituts 40 (1953), Beibl. Sp. 185ff.
- Rudolf Büttner: Propst Ulrich Feyertager. Seine Burgen und deren Geschichte. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich XXXVI (1964), S. 155–183.
- DEHIO-Handbuch: Die Kunstdenkmäler Österreichs. Niederösterreich südlich der Donau. Teil 2. Horn / Wien 2003.
- Richard Kurt Donin: Der mittelalterliche Bau des Domes zu St. Pölten. Ein Beitrag zur Geschichte der romanischen Baukunst in Wien und Niederösterreich. In: Mitteilungen für Geschichte der Stadt Wien XII (1932), S. 163.
- Johann Fahrngruber: Aus St. Pölten. Bilder und Erinnerungen. St. Pölten 1885.
- Heinrich Fasching: Auseinandersetzung zwischen Konvent und Propst im Stift St. Pölten 1722. In: Hippolytus N.F. 6 (1984), S. 3–59.
- Heinrich Fasching: Dom und Stift St. Pölten und ihre Kunstschätze. St. Pölten-Wien 1985. Darin Beiträge von: Friedrich Schragl: Geschichte des Stiftes St. Pölten, S. 16–49; Mario Schwarz: Die Architektur der mittelalterlichen Klosterkirche, S. 50–70; Clara Bettina Wuhr: Archäologische Ausgrabungen im Kreuzgang, S. 71–76; Wilhelm Zorri: Der Neubau des Klosters in der Barockzeit, S. 77–91; Leonore Pühringer-Zwanowetz: Die Barockisierung der Stiftskirche, S. 92–96; Johann Kronbichler: Die künstlerische Ausstattung von Dom und Stift, S. 97–125.
- Heinrich Fasching: Propst Johann Michael Führer von St. Pölten. Absetzung und letzte Lebensjahre (1739–1745). St. Pölten 1991 (4. Beiheft zu Hippolytus N.F.).
- Johann Frast: Historische und topographische Darstellung von St. Pölten und seiner Umgegend etc. Wien 1828 (Kirchliche Topographie, I/7/2).
- Walter Graf: Stifts- und Dommusik in St. Pölten. In: Die Domorgel. Festschrift anläßlich der Weihe der Domorgel zu St. Pölten. St. Pölten o. J. [1973], S. 6–26.
- Karl Gutkas: Werden und Wesen der Stadt St. Pölten. St. Pölten 1980.
- Hugo Hantsch: Jakob Prandtauer, der Klosterarchitekt des österreichischen Barock. Wien 1926.
- August Herrmann: Geschichte der Stadt St. Pölten. 2 Bände. St. Pölten 1917–1930.
- Sonja Horn: Des Propstes heilkundlicher Schatz. Medizinische Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts in der Bibliothek des ehem. Augustiner-Chorherrenstiftes St. Pölten. St. Pölten 2002 (Beiträge zur Kirchengeschichte Niederösterreichs, 9).
- Richard Hübl: Die Gegenreformation in St. Pölten. St. Pölten 1966.
- Josef Karas: Der Dom zu St. Pölten. Ein Führer durch seine Geschichte und Kunst. St. Pölten 1935.
- Josef Karas: Eine kunstgeschichtliche Führung durch den oberen Kreuzgang im Bistumsgebäude. In: Der Traisengau (1935/36). S. 121–131.
- Thomas Karl: Zur historischen und städtebaulichen Entwicklung St. Pöltens vom frühen Mittelalter bis zur beginnenden Stadterweiterung um 1850. In: Österreichische Kunsttopographie Bd. LIV. Die Kunstdenkmäler der Stadt St. Pölten. Horn 1999, S. LXIII–LXXXV.
- Johann Kronbichler, Susanne Kronbichler: Diözesanmuseum St. Pölten, Katalog der ausgestellten Objekte. St. Pölten 1984.
- Johann Kronbichler, Susanne Kronbichler: 100 Jahre Diözesanmuseum St. Pölten 1888–1988, Sonderausstellung 1988. St. Pölten 1988.
- Volker Lutz: Stadt und Herrschaft St. Pölten 1491–1785. St. Pölten 1975.
- Österreichische Kunsttopographie Bd. LIV. Die Kunstdenkmäler der Stadt St. Pölten und ihrer eingemeindeten Ortschaften. Horn 1999.
- Eduard Sacken: Archäologische Wegweiser durch Niederösterreich. Wien 1878.
- Friedrich Schragl: Glaubensspaltung in Niederösterreich. Wien 1973.
- Friedrich Schragl: Kirchen und Kapellen im mittelalterlichen St. Pölten. In: Juste, pie, fortiter. Festschrift für Bischof Franz Zak. St. Pölten / Wien 1981, S. 146–167.
- Hans Weigl: Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich I. Wien 1964, S. 210.
- Gerhard Winner: Das Diözesanarchiv St. Pölten. Behörden und Institutionen, ihre Geschichte und Bestände. St. Pölten 1959.
- Gerhard Winner: Die Diözesanbibliothek in St. Pölten. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege XXI (1967), S. 155–163.
- Gerhard Winner: Die Klosteraufhebungen in Niederösterreich und Wien. Wien / München 1967.
- Gerhard Winner: St. Pöltner Zehentbesitz im südöstlichen Waldviertel und in der Wachau. In: Das Waldviertel 18 (1969), S. 272–277.
- Gerhard Winner: Zur Bibliotheksgeschichte des ehemaligen Augustiner-Chorherrenstiftes St. Pölten. In: Translatio Studii. Collegeville Minnesota 1973, S. 48–74.
- Josef Wodka: Personalgeschichtliche Studien über das ehemalige Chorherrenstift St. Pölten. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich XXVIII (1939–43), S. 148–206.
- Josef Wodka: Das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift St. Pölten. In: Beiträge zur Stadtgeschichtsforschung. Festschrift der Stadtgemeinde St. Pölten. Hg. anlässlich der 800-Jahrfeier der Verleihung des ersten Stadtrechtes. St. Pölten 1959, S. 156–198.
- Josef Wodka: Das Nekrologium des einstigen Chorherrenstiftes St. Pölten als Geschichtsquelle. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich XXXVI (1964), S. 48–57.