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Stift Vorau

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Geschichte

Gründungslegende

Wie viele alte Klöster hat auch Vorau seine Gründungslegende, der die bekannte Hubertuslegende zugrundeliegt.

Eines Tages, während er in seinen Wäldern um Vorau jagte, gelangte der steiri­sche Markgraf Otakar plötzlich an eine Lichtung, in deren Mitte die erst unlängst zu Ehren des hl. Apostels Thomas geweihte Kapelle stand. Und hier zeigte sich ihm im Dämmerschein der Nebelschwaden die Silhouette eines prächtigen Hirsches. Der Blick des Tieres schien ihn festzubannen, so dass er die gespannte Armbrust wieder langsam sinken ließ. Durch das geheimnisvoll einspinnende Nebeltreiben gewahrte Otakar zwi­schen den weitausladenden Geweihstangen ein leuchtendes Kreuz. Ein feiner Glocken­ton vom Dachreiter der Thomaskapelle durchbrach die Stille und wirkte wie eine Erlö­sung auf den an Körper und Geist erstarrten Markgrafen. Als sein Blick sich wiederum der Waldlichtung zuwandte und erneut die Gestalt des Hirschen einzufangen suchte, fanden seine durch die seltsame Erscheinung ermüdeten Augen nur noch das Blätter­kleid und Beerengestrüpp des Waldes, durch das hindurch der Hirsch geflüchtet war. Dieses Erlebnis war für Otakar ein Fingerzeig des Allmächtigen, sein Vorhaben, ein Kloster zu gründen, an dieser Stelle zu verwirklichen. Seinen Entschluss ließ er sofort urkundlich besiegeln.

Gründung

Als sechstes Kloster der Steiermark (nach Göß, Admont, St. Lambrecht, Rein und Seckau) wurde Vorau in jenem abgeschiedenen Landstrich zwischen Wechsel und Masen­berg gegründet, den nach dem Tod des Grafen Ekbert III. von Formbach-Pitten (er fiel 1158 vor Mailand) Markgraf Otakar III. von Steier erbte. Markgraf Otakar, der durch sein Erbe eine besondere Machterweiterung erhalten hatte, war nun bestrebt, die Erschließung dieser unwirtlichen und noch äußerst dünn besiedelten Landstriche vor­wärtszutreiben. Deshalb übergab er seinen Eigenbesitz um Vorau (predium nostrum Vo­rowe dictum) dem Erzbischof von Salzburg, damit hier ein Kloster der regulierten Chor­herren des hl. Augustin errichtet werde. Die im Jahr 1163 erfolgte Gründung fällt in die Zeit der Blüte der Augustiner-Chorherren in der weitausgedehnten alten Salzburger Kir­chenprovinz. Um seinem Wunsch auch Rechtskraft zu verleihen, rief Markgraf Otakar wohl im Spätherbst des Jahres 1163 zu Fischau am Steinfeld (Niederösterreich), dem damaligen geistigen und weltlichen Vorort für unsere Landschaft, eine größere Anzahl geistlicher und weltlicher Herren zusammen, tat ihnen nochmals seinen Willen kund, legte ihn in einer Urkunde fest, ließ die anwesenden Zeugen namentlich beisetzen und besiegelte die Urkunde mit seinem Reitersiegel.

Die Gründungsurkunde gibt die Grenzen des Stiftungsgutes an, woraus wir sehen können, dass es sich größtenteils um noch ungerodetes Waldland handelte. Weiters befreite in dieser Urkunde der Gründer das Stift von allen Abgaben. Trotz des Vorliegens der Gründungsurkunde ist die Gründungsgeschichte von Vorau in ein gewisses Dunkel gehüllt, fehlt doch das genaue Ausstellungsdatum. Es steht aber fest, daß die Urkunde nach der Geburt Markgraf Otakars IV., also nach dem 19. August, sicher jedoch einige Zeit vor der Pfarrerhebungsurkunde von Mönichwald ausgestellt wurde. Im nahe­ gelegenen Mönichwald, einer Schenkung des Grafen Ekbert von Formbach an die Bene­diktiner der Abtei Formbach am Inn, die nördlich vom Wechsel-Semmering zu Glogg­nitz ein Priorat besaßen, weihte Erzbischof Eberhard am 17. Dezember 1163 in Anwe­senheit zahlreicher hochrangiger Zeugen ein zu Ehren des hl. Petrus erbautes Gottes­haus, erhob es zur Pfarrkirche und bestimmte die Grenzen der Pfarre.

Unmittelbar danach muss Erzbischof Eberhard von Mönichwald weggezogen und unverzüglich auf den besten Verbindungswegen nach Friesach gereist sein, stellte er doch dort schon am 20. Dezember neue Urkunden aus. Die Gründungsurkunde des Stif­tes Vorau ist also wahrscheinlich im September oder Oktober 1163 ausgestellt worden, während der eigentliche Gründungsakt, auf den in der Urkunde Bezug genommen wird, in Vorau zeitlich vorher stattgefunden haben muss. Nichts weist darauf hin, dass die Akte von Fischau und Mönichwald hintereinander stattgefunden haben, ja die völlig anderen Zeugen in diesen beiden Urkunden sprechen sogar dagegen. Weil eine Kloster­gründung aber umfangreicher Vorarbeiten, Erhebungen und Genehmigungen bedurf­te, dürften die notwendigen Maßnahmen bereits einige Zeit zurückreichen, jedenfalls vor den Zeitpunkt der Geburt des Sohnes, die in der Überlieferung als Anlaß der Stifts­gründung angesehen wird. Auch der Text der Urkunde spricht dafür, dass Markgraf Otakar III. schon vor der Zusammenkunft in Fischau Unterhandlungen mit Erzbischof Eberhard I. geführt hatte.[1]

Als Anstoß zur Gründung des Chorherrenstiftes Vorau können letztendlich mehrere Aspekte in Betracht gezogen werden:

1.) Die bisherige Literatur sieht in Bischof Roman I. von Gurk, den Vertreter des Erz­bischofs von Salzburg, einen der Hauptakteure bei der Gründung des Stiftes. Roman, seit 1131 Bischof von Gurk, war seit 1138 bis zum Tod Erzbischof Konrads 1147 der eigentliche Regent der Metropolitankirche von Salzburg und auch der vertrauteste Rat­geber und die leitende Persönlichkeit der Erzdiözese unter dem neuen Erzbischof Eber­hard I. Er hat nicht nur 1149 das erste Kirchlein St. Thomas im Wald in Vorau geweiht, sein Name wird auch in der Gründungsurkunde, die Markgraf Otakar in Fischau aus­stellte, ausdrücklich hervorgehoben, denn er war damals der einzige anwesende Kir­chenfürst.

Bischof Roman kannte ja die Gegend und hat den abgelegenen Gebirgskessel wohl für eine Stiftsgründung als besonders geeignet befunden. Auch dass hier ein Chorher­renstift gegründet wurde, dürfte in erster Linie auf Bischof Roman zurückgehen, denn neben den Zisterziensern waren die Chorherren damals der modernste Orden der Zeit, der sich gerade in einem mächtigen Aufschwung befand. Auch Erzbischof Konrad ließ sich von der Idee des Propstes Gerhoch von Reichersberg, alle Priester zu Mönchen zu machen, begeistern und begann mit seinen in Salzburg residierenden Klerikern das gemeinsame Leben nach der Regel des großen Kirchenlehrers Augustinus mit einem Dompropst an der Spitze. Er führte die Augustinerregel auch bei der Geistlichkeit der Maria Saaler Kirche ein, und der erste Chorherrenpropst dieser Kirche, schon ab 1124 urkundlich nachweisbar, war Roman, der später als Bischof von Gurk ebenfalls von einem Chorherrenkapitel umgeben war. Roman weihte 1132 zusammen mit Erzbischof Konrad das Chorherrenstift Chiemsee, 1133 im erzbischöflichen Auftrag das Chorherrenstift Aue in Bayern, beide wohnten im Februar 1136 der Einweihung des Chorherrenstiftes Klosterneuburg bei, in Gegenwart Erzbischof Konrads konsekrierte Bischof Roman 1138 das Nonnenkloster in Reichers­berg, im selben Jahr das regulierte Chorherrenstift Beyharting in Bayern, und 1140 war er bei der Gründung des Chorherrenstiftes Seckau anwesend, die ebenfalls auf seinen Rat hin erfolgt ist. Die Gründung dieses Chorherrenstiftes erfolgte zuerst in St. Marein, musste aber drei Jahre später, weil der Ort an einer Durchzugsstraße lag und nicht die nötige Ruhe für ein religiöses Leben bot, nach Seckau verlegt werden. Roman, auf des­sen Rat hin 1161 auch Dechantskirchen zur Pfarre erhoben wurde, dürfte sich diesen Fehlschlag zu Herzen genommen haben und für die neue Chorherrenniederlassung das abgelegene Vorau ausgesucht haben. Neben seiner Verbundenheit mit der Chorherrenidee dürfen wir aber nicht verges­sen, dass Roman auch persönliche Bindungen an diese Gegend gefesselt haben, denn die Erben der Gründerin von Gurk, der hl. Hemma, Graf Wolfrad von Treffen und seine Gattin Hemma, gehörten ja seit 1141 zu den größten Grundherren des Vorauer Gebie­tes. Möglicherweise hat Bischof Roman, dessen Aufgabe es ja nicht war, kleine Kapel­len zu weihen, auch deshalb 1149 das Kirchiein St. Thomas eingeweiht.


2.) Ist Bischof Roman in erster Linie als der geistige Vater des Stiftes Vorau anzu­sprechen, so bleibt der eigentliche Gründer Markgraf Otakar III. von Steier, der bedeu­tendste Fürst aus dem Geschlechte der Traungauer, der in seinem kurzen, aber taten­reichen Leben das Land Steiermark geschaffen hat. Begünstigt durch große Erbschaften, aber auch getrieben von unbändigem Herrscherwillen hat er die damals noch lose ver­bundenen Landschaften unserer Heimat verschmolzen und die Landesherrschaft begründet. Auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines Lebens vollführte er drei Klo­stergründungen, denn neben Vorau gründete er 1160 noch das Hospital am Semmering, womit er die Semmeringstraße öffnete, und kurz vor seinem Tod die Kartause Seitz bei Gonobitz.


3.) Den letzten Anstoß zur Gründung des Stiftes Vorau gab sicherlich die Geburt des langersehnten Erben, des nachmaligen Markgrafen Otakar IV. und späteren ersten Her­zogs der Steiermark (1180-1192), am 19. August 1163. Die Ehe Otakars III. mit Kuni­gunde, der Tochter Dietpolds III. von Cham-Vohburg, die schon vor 1146 geschlossen worden war, war also eineinhalb Jahrzehnte kinderlos geblieben.


4.) In der Gründungsurkunde wird allerdings die Geburt des Sohnes nicht erwähnt. Otakar gibt hier seiner Hoffnung Ausdruck, dass nach dem Zeugnis der Schrift durch reiche Gaben die Sünden vergeben werden, weiters Gottesfurcht und die Sorge um das Heil seiner Seele, das seiner Frau Kunigunde und seines geliebten Sohnes Otakar sowie aller Vorfahren. Man ist daher fast geneigt, in der Gründung von Vorau eine Art Sühnestiftung zu sehen, was angesichts der rauhen und durchgreifenden Natur des Mark­grafen naheliegend erscheint.


5.) Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Aspekt für die Stiftsgründung mag in den kolonisatorischen Absichten des Markgrafen gelegen sein. Die Steiermark ist im Gegen­satz zu Salzburg oder Oberösterreich ein junges Kolonisationsland, das eine mehr abwei­sende als einladende Umwelt bot. Das 12. Jahrhundert jedoch brachte mit der Auswei­tung der Kolonisation und dem Sieg der kirchlichen Reformbewegung eine Hochblüte der Klostergründungen. Erzbischof Konrad I. bediente sich bei seinem Erneuerungs­werk vor allem der Chorherren, die zum Unterschied von den Mönchen auch in der Seelsorge tätig waren. Eine Stiftsgründung brachte auch Siedler, die die Erschließung die­ses unwirtlichen Landstriches der nördlichen Oststeiermark vorwärtstrieben, Siedler die für das ihnen zugewiesene Land Zinse und Abgaben zu entrichten hatten,die auf Umwegen wiederum dem Landesfürsten zugute kamen. Nur ein besiedeltes Land brachte Ein­nahmen.


6.) Vielleicht liegen der Stiftsgründung auch verteidigungsstrategische Aspekte zugrunde. Dem nach Osten offenen, dem Alpenwall vorgelagerten Land der östlichen Steiermark wurde durch die Geschichte ein Schicksal besonderer Härte auferlegt, da es als Glacis der Alpen zum Tummelplatz aller Völker wurde, die von Osten in den mittel­europäischen Raum vorstießen. Die gegen Einfälle der Magyaren errichtete Mark fand ihre Nahtstelle zum Osten schließlich in einer nordsüdlich verlaufenden Grenzlinie, die infolge Fehlens von natürlichen, geographischen Hindernissen umfangreicher Grenzsi­cherung bedurfte. So wurde ein von Nord nach Süd verlaufender Burgengürtel ange­legt, in dessen langer Kette vielleicht auch das Stift Vorau bei seiner Gründung als ein Glied miteingeplant war. Das im Laufe der Jahrhunderte zu einer starken Festung um­- und ausgebaute Stift bot seit seiner Gründung bis in die Zeit der Türken- und Kuruz­zenstürme im 18. Jahrhundert der ständig bedrängten Grenzbevölkerung bei Einfällen kriegerischer Horden eine letzte und willkommene Zufluchtsstätte.


Aufstieg und Reform im Mittelalter

Mit der Gründung hat das Stift eine dreifache Aufgabe übernommen: Es sollte ein Zentrum der materiellen Kultur werden und sollte das ihm übergebene Waldland roden, besiedeln und ertragfähig machen. Durch die Errichtung einer Klosterschule und einer Bibliothek trat es als ein Zentrum der Geisteskultur in Erscheinung. Die ersten Namen von Klosterschülern sind uns aus dem Jahr 1252 bekannt. Das Stift sollte auch ein Zentrum der Seelenkultur werden. Damit ist die geistliche Doppelaufgabe der Chorherren angedeutet: Gottesdienst durch Konventmessen und gemeinsames Chorgebet sowie Seelenheiligung durch Selbstvervollkommnung der Chorherren und durch Heiligung anderer in der Seelsorge. Die ruhige Entwicklung des noch jungen Stiftes wurde schon nach sieben Jahrzehnten jäh unterbrochen durch das unheilvolle Ereignis des 21 . November 1237, den großen Stiftsbrand, das unzweifelhaft schwerste Brandunglück in der Geschichte des Stiftes, bei dem Propst Bernhard II. ums Leben kam.

Der Wiederaufbau des Klosters wurde durch die Wirren der Raubritterzeit erschwert. In der Nordoststeiermark wimmelte es von Grenzburgen und festen Türmen. Die in ihnen hausenden Herren und Ritter fingen besonders nach dem Tod des letzten Babenbergers (1246) an, dem Stift und seinen Untertanen skrupellos die schwersten Schäden zuzufügen. Propst Gebwin (1243-1267) verlor nicht den Mut. Er befestigte an der Kirchentür ein Pergamentblatt mit den Namen der Missetäter und mit Androhung kirchlicher Strafen. Als 1277 Rudolf von Habsburg das Stift in seinen besonderen Schutz genommen hatte, begannen ruhigere Zeiten. Im 14. Jahrhundert wütete mehrmals die Pest im Wechselgau, 1383 zerstörte ein Großbrand einen Teil des Stiftes, Missernten infolge großer Hitze und Trockenheit hatten Hungersnot und gänzliche Verarmung der Bevölkerung zur Folge.

Nach 1400 bereitete sich ein disziplinärer und wirtschaftlicher Niedergang vor. Dieser erreichte 1432 seinen Höhepunkt, als die Chorherren zur Selbsthilfe griffen und ihren wirtschaftlich unfähigen Propst Nikolaus Zink in einen Turm sperrten. Sofort griff der Bischof von Seckau ein, die Chorherren nahmen eine entsprechende Buße auf sich, der Propst musste abdanken, und der Erzbischof von Salzburg ernannte einen Chorherren von Berchtesgaden, Andreas von Pranpeck, zum Propst von Vorau (1433-1453). Andreas erneuerte das Ordensleben mit Hilfe von Chorherren aus dem Reformstift St. Dorothea in Wien. Diese waren geschult in Ordenshäusern, die wegen ihrer musterhaften Disziplin in hohem Ansehen standen. Es waren vorbildliche Ordensmänner, ebenso fromm wie wissenschaftlich gebildet, die durch Wort und Beispiel bessernd und formend auf ihre Umwelt einzuwirken vermochten. Ihnen vertraute der Propst die wichtigsten Klosterämter an, aus ihnen nahm er den Dechanten. Auf solche Weise gelang es, eine vollständige innere Erneuerung des Stiftes herbeizuführen.

Besonders segensreich wirkten für die Reform die gelehrten Chorherren Johannes Jung von Dinkelsbühl, seit 1455 erster Propst von Rottenmann, sein Freund Wilhelm von Wilhelmsburg und der verdienstvolle Bibliothekar und Dechant Wolfgang Voitländer. Die von St. Dorothea kommenden Chorherren hatten ihre Ausbildung auch an der Wiener Universität erhalten, die damals unter dem Einfluss der großen Theologen Heinrich von Langenstein, Nikolaus von Dinkelsbühl und Thomas Ebendorfer stand. Ihre Werke sind unter Propst Andreas in zahlreichen Abschriften nach Vorau gekommen. Er selbst war zwar kein Gelehrter, aber ein Freund der Gelehrsamkeit. Als Bücherliebhaber kaufte und sammelte er Handschriften und verstand es, in seinen Chorherren solche Schreiblust zu wecken, dass in Vorau gerade zu der Zeit, als das Buchschreiben durch das Buchdrucken verdrängt wurde, von einer blühenden Schreib- und Malerschule gesprochen werden kann. Unter Andreas von Pranpeck erhielten die Vorauer Pröpste 1452 vom Papst die Erlaubnis, bei feierlichen liturgischen Handlungen Infel (Mitra) und Stab (Pastorale) zu tragen. Im Alltag tragen sie als Kennzeichen ihrer würdevollen Funktion Ring und Brustkreuz. Propst Andreas gilt als zweiter Gründer des Stiftes. Sein Nachfolger Leonhard von Horn ehrte ihn pietätvoll, indem er 1453 von Kaiser Friedrich III. die Erlaubnis erwirkte, das ursprüngliche Stiftswappen (den Apostel Thomas vor dem Welterlöser in blauem Feld) mit dem Familienwappen der Pranpeck (dem geflügelten Greifenfuß in gelbem Feld) zu vereinigen. Unter Leonhard von Horn (1453-1493) gelangte das Stift zu hoher Blüte und zu großem Ansehen. Im Haus herrschte eine musterhafte Disziplin. Die stiftische Schreib- und Buchmalerschule leistete ihr Bestes.

Der starke Zug zur Verinnerlichung zeigte sich unter Propst Leonhard auch im Bestreben, neue Gebetsverbrüderungen einzugehen, zunächst mit anderen Klöstern oder Ordensprovinzen, aber auch mit Weltpriestern und Laien. Nachweislich erstreckt sich der Umfang auf 50 Konföderationen, die zwischen 1302 und 1521 mit der Vorauer Chorherrengemeinschaft eingegangen wurden. Die immer bedrohlicher werdenden Gefahren von Osten her nach der Eroberung von Konstantinopel durch die Türken 1453 veranlassten Propst Leonhard 1458, sein Stift zu einer Klosterburg umzubauen. Um Kloster und Kirche wurde ein tiefer Wassergraben ausgehoben, innerhalb desselben eine hohe Wehrmauer aufgeführt und zur alten Prälatur eine Zugbrücke errichtet. Ein großer Vorhof mit einem einzigen Zugang unter dem Torturm sollte Zufluchtsstätte für Flüchtende sein. Ein großes Ereignis brachte das Jahr 1490. In Vorau konnte für die ganze Oststeiermark (zwischen Mur und Ungarn) der von Papst lnnozenz VIII. ausgeschriebene Jubelablass gewonnen werden. Es kamen 152.800 Pilger nach Vorau, also fast alle damaligen Oststeirer, außer den Kindern und Greisen. Die allgemeine Begeisterung hatte große Bedeutung für das religiöse Leben und die sittliche Erneuerung des gläubigen Volkes im Viertel Vorau. Dieser Jubiläumsablass war einer der letzten Höhepunkte im ausklingenden Mittelalter. 15 Jahre später, 1504, folgte die Gründung des nahegelegenen Chorherrenstiftes in Pöllau, das von Vorau mit den ersten Chorherren beschickt wurde.

Reformation und Gegenreformation

Am Ausgang des Mittelalters hatten die kirchlichen Verhältnisse etwas Überreifes und damit Reformbedürftiges und das allgemeine Bewusstsein erwartete einen Umbruch, wenn auch kaum jemand an die Einführung einer neuen Kirche dachte. Die gewaltige religiöse Bewegung, welche im 16. Jahrhundert die Bewohner aller deutschen Länder ergriff, hatte schon im 14. Jahrhundert in der Sekte der Waldenser auch in der Oststeiermark ihre Vorläufer. Diese war damals stark verbreitet, dürfte aber kaum bis in den Wirkungsbereich des Stiftes Vorau vorgedrungen sein. Der Beginn des Eindringens der lutherischen Lehre und ihres Gedankengutes lässt sich für Vorau nur schwer feststellen. Erst das Visitationsprotokoll von 1528 gewährt Einblick in die Lage der Kirche im Wechselbereich. Die Initiative zu dieser Visitation ging vom Landesfürsten Ferdinand I. aus und wurde im Einvernehmen mit dem Salzburger Erzbischof durchgeführt. Um sich nämlich über die kirchlichen und religiösen Zustände in seinen Ländern zu informieren, ordnete der König eine allgemeine Visitation an, die im Jahre 1528 in der Steiermark durchgeführt wurde. Vom 15. bis 17. Mai tagte sie in Vorau. Aufschluss geben die Aussagen der Vorauer Chorherren vor der Kommission am Freitag, dem 15. Mai. Das Vorauer Kapitel zählte 16 Chorherren und einen Kleriker und war damit im Vergleich zu den anderen Klöstern und Stiften der Steiermark keineswegs schlecht bestellt. In Rein und Neuberg wurden 13 Konventualen festgestellt, in Admont 14, in Pöllau zwölf, in Stainz acht, und Rottenmann war mit vier Chorherren das kleinste Kapitel.

Übertroffen wurde Vorau lediglich von St. Lambrecht mit 23 und Seckau mit 21 Mitgliedern. Von diesen 16 Religiosen standen die meisten, vornehmlich die ältere Garde, offensichtlich noch treu zum katholischen Glauben. Von den Jüngeren waren aber schon einige von der neuen Lehre ergriffen. Die Verschiedenheit der Auffassungen von der richtigen Lehre führte im Stift zu Auseinandersetzungen, worunter die klösterliche Einigkeit arg litt und schweren Kraftproben ausgesetzt war, wie den Aussagen des Propstes, der sich als erster der Kommission stellte, deutlich zu entnehmen ist. Im Augenblick konnte er zwar gegen seine Mitbrüder nichts Nachteiliges vorbringen, obgleich sie vor einiger Zeit erst aufgemuckt, sich dann aber wieder in "geystliche Zuchte geben" hätten. Aber er fürchtete, dass dieser Aufruhr jetzt neuerlich ausbrechen könnte, und bat beinahe ängstlich, ihm alle Beschwerden zur Kenntnis zu bringen, die sich auf seine Person bezögen, damit auch er dazu Stellung nehmen könne. Tatsächlich wurden auch Stimmen gegen den Propst laut. Durch Herrn Sebastian Schranckh erfuhr die Kommission, dass unlängst erst vier Kleriker wegen der "lutrischen Sachen" das Stift verlassen hätten. Der Prälat habe nichts unternommen, sie umzustimmen, sondern sich auf den Standpunkt gestellt, er wolle keinem über die Stiege nachgehen, der das Stift verlassen will. Als geizig und stur kritisierte ihn Herr Leopold, weil er mit den Kleidern sparsam umgehe und den Chorherren keine solchen geben wolle. Wollten einige von ihnen weltliche Kleider tragen? Stur fand er den Prälaten deshalb, weil er sich bisher geweigert hätte, einem seiner Chorherren die Erlaubnis zu geben, in ein anderes Kloster überzuwechseln. Auf solche Gesuche habe der Propst stets nur geantwortet: Wer nicht bleiben will, kann jederzeit durch das stets offene Tor das Stift verlassen. Auch der Organist Herr Andreas führte "Beschwär" wider den Prälaten, dass er wegen seiner "Schwachhait im Khopff" weder Beistand noch Hilfe erhalte, und Bruder Hans beklagte sich, zuviel arbeiten zu müssen. Wie diesen Beschwerden entnommen werden kann, bedeutete der Einbruch des Protestantismus nicht religiösen Aufschwung, sondern disziplinären Verfall. Propst Stephans entschiedenes Eintreten für die katholische Sache zog ihm die Gegnerschaft der geheimen Anhänger der Neuerung zu, so da er erklärte, "er wyß nit, ob er seins Lebens sicher sey".

Eindeutig der alten Lehre hingen aufgrund des Verhörs noch elf Chorherren an, der neuen Lehre verdächtig waren zwei, die sich aber rechtfertigen konnten, gegen drei lagen schwere Beschuldigungen vor. Diese waren stark vom verheirateten lutherischen Kaplan in Thaiberg beeinflusst, der ihnen lutherische Schriften ins Stift brachte. Vom Chorherrn Hans hieß es, dass er sich in der Predigt gegen Fegefeuer, Opfer und Messe geäußert habe, vom Chorherrn Lorenz, dass er gegen die Zeremonien der Kirche sei und vom Weihwasser, vom Fegefeuer und von den Heiligen nichts halte und die Messe mit der Wandlung anfangen lassen wolle. Am meisten von der neuen Lehre begeistert war der Pfarrvikar Kaspar von Dechantskirchen, gegen den besonders der Stadtpfarrer Ambros Krampi von Friedberg und der Gesellpriester Leonhard Aschmüller von Grafendorf schwere Anklagen vorbrachten. Er habe dem Schlosskaplan von Thaiberg das öffentliche Predigen erlaubt, obwohl dieser nur den Schlossleuten predigen dürfe. Auch nehme er keine Palmen- und Kerzenweihe vor, verwerfe die guten Werke und die Heiligenverehrung und mache sogar über die Jungfrau Maria anstößige Bemerkungen. Bei Versehgängen habe er das Sakrament wie ein Stück Brot mitgetragen und keine Glocke gehabt, da er der Meinung war, er sei keine Kuh, dass man ihm eine Glocke anhängen müsse.

Die von der neuen Lehre angesteckten drei Chorherren sahen ihre Irrtümer ein und baten um Gnade. Die beiden Chorherren Kaspar und Hans widerriefen am Sonntag, dem 17. Mai, von der Kanzel der Stiftskirche vor einer Menge Volkes feierlich ihre falschen Lehren, bereuten ihr Vergehen, bedauerten das gegebene Ärgernis und baten die Visitatoren um Barmherzigkeit und Absolution. Der Chorherr Lorenz, der die neue Lehre nicht öffentlich vertreten hatte, schwor seinen Irrtum im Zimmer des Propstes ab, worauf alle drei über besonderen Antrag der Visitationskommission vom Propst Johann Mistelherger von Pöllau absolviert wurden. Innerlich dürften jedoch einige Chorherren dem Luthertum treu geblieben sein und somit die Zersetzung des Konvents vorangetrieben haben. Auf den Tod des Propstes Stefan Feiner folgte - offenbar mangels eines Kandidaten aus den eigenen Reihen - der Pfarrer von Gratwein Dr. Augustin Geyer. Nach Ablegung der Ordensgelübde wurde er am 28. Februar 1534 durch Erzbischof Matthäus Lang zum neuen Propst von Vorau konfirmiert. Die Reduzierung des Kapitels schritt fort. Die alten Chorherren starben, die lutherisch Gesinnten verließen das Stift, und der Nachwuchs fehlte. Die Quellen geben auch Zeugnis, dass einzelne Herren, die vor der Visitationskommission mit Eifer die Namen der Freunde und Anhänger der neuen Lehre bekanntgaben und entschieden für den alten Glauben eintraten, mit der weiteren Entwicklung im Stift nicht einverstanden waren und wegzogen. Einer von diesen war Sebastian Schranckh, dem Propst Stefan ein Empfehlungsschreiben wegen seines Übertrittes in ein anderes Kloster erteilte, wie dessen eigenhändige Abschrift bezeugt.

Nur so ist die Tatsache erklärbar, dass das Stift in Gefahr kam auszusterben und sich 1539 unter Propst Augustin nur noch zwei Chorherren im Stift befanden. Propst Augustin erbat sich vom Apostolischen Nuntius in Deutschland Giovanni Marone die Erlaubnis, aus ihren Klöstern vertriebene Mitglieder anderer Orden aufzunehmen, doch niemand scheint sich gemeldet zu haben, denn als er am 23. November 1542 starb, hinterließ er Johannes Lankes als einzigen Chorherren, der allerdings nicht fähig war, die Leitung zu übernehmen. Diese triste Personalsituation hatte nicht nur eine länger andauernde Vakanz, sondern auch einen regelrechten Kampf in der Nachfolgefrage um die Vorauer Propstei zur Folge. Als erster bemühte sich der Hartberger Stadtpfarrer Kaspar Plank um die vakante Propstei. Er legte bereits 1543 beim Wiener Landtag eine Fassion der Einkünfte des Stiftes vor, wozu er vom Kaiser ermächtigt war. In dieser Gültenschätzung bezeichnete sich Plank als "erwellter brobst zu Voraw", siegelte die Einlage aber überraschenderweise mit seiner eigenen "petschafft unnd hanndschrift, anstat des gotshauß". Datiert ist dieses interessante Stück mit 12. November 1543.

Laut Aussage der Vorauer Chronik blieb ihm aber die Zustimmung von Salzburg versagt, denn Administrator Ernst von Bayern bestellte kraft des Devolutionsrechtes am 24. April 1544 bis auf Widerruf einen Administrator in der Person des Pöllauer Chorherrn Wolfgang Praithofer. Damit scheint König Ferdinand nicht einverstanden gewesen zu sein, der seinen Kandidaten, den Propst von Rottenmann Georg Ritzinger zum Propst von Vorau befördern wollte und ihn anscheinend anlässlich der im März 1545 in Vorau vorgenommenen Visitation durch die Kommissäre Kaspar Plank, Raron Kaspar von Herberstein, Christoph Resch, Vizedom der Steiermark, und Balthasar von Teuffenbach investieren ließ. Administrator Ernst von Bayern versagte ihm aber die Konfirmation, worauf Ritzinger sich schließlich zurückzog und in Vorau als Pfarrer wirkte. Außer der vermeintlichen Regelung der Nachfolgefrage wurde von der Kommission auch noch eine Bilanz über die wirtschaftliche Situation des Stiftes gezogen, die ähnlich der personellen die traurige Lage des Stiftes aufzeigt. Der Umsicht und dem Eifer des Administrators Wolfgang Praithofer, der am 6. April 1551 von Ernst von Bayern als Propst konfirmiert wurde, gelang es allmählich, in die stiftische Wirtschaftsführung einigermaßen Ordnung zu bringen. Da aber die personelle Krise bei der Stagnation der Ordensberufe nicht ohne weiteres zu beheben war, dürfte Praithofer aus seinem Mutterstift Pöllau einige Chorherren für etliche Jahre nach Vorau geholt haben, um mit ihnen die Zeit bis zum Eintritt neuer Ordensmitglieder zu überbrücken. Nachweisbar erscheint zum Beispiel der Pöllauer Dechant Johannes Mandl anlässlich der Verleihung des "titulus mensae" an Rupert Lackner im Jahr 1549 als Dechant von Vorau, eine nette Gegenleistung des Pöllauer Stiftes für die von Vorau übersiedelten Gründungskonventualen. Vermutlich gelang es aber auch Propst Praithofer nicht, seine Zielvorstellungen auch nur annähernd zu verwirklichen, weil er bereits 1556, fünf Jahre nach seiner Ernennung zum Propst, auf sein Amt resignierte.

Ihm folgte im selben Jahr der erst 1548 in Wien zum Priester geweihte, in der Ernennungsurkunde Praithofers zum Propst von Vorau (datiert vom 6. April 1551) aber bereits als "senior" bezeichnete Oswald Reibenstain (1556-1585). Wie jung müssen erst die damals zwei oder drei weiteren Mitbrüder gewesen sein, die ihn einstimmig zum neuen Propst wählten. Die am 20. August 1593 von Bischof Brenner vorgenommene Visitation zeigt, dass sich Reibenstains Nachfolger Propst Zacharias Haiden (1585-1593) mit Erfolg Mühe gegeben hatte, den wirtschaftlichen Zustand des Stiftes zu heben. Als Ökonom fand er darum des Bischofs Lob, doch wurde er hinsichtlich der Klosterzucht und der Erfüllung der geistlichen Verpflichtungen getadelt. Nun entzog der Erzbischof dem Vorauer Kapitel die freie Propstwahl und bestellte einen Chorherren aus Berchtesgaden, Johann Benedikt von Perfall, der einem alten bayerischen Adelsgeschlecht entstammte. Mit ihm übernahm ein geistig und geistlich hochstehender Oberer die Leitung des Stiftes, der dessen vollständige moralische wie auch materielle Regeneration durchsetzen konnte. Er wurde auch endlich Herr der schon über ein halbes Jahrhundert andauernden stiftischen Personalkrise, indem sich während seiner Prälatur die Anzahl der Kapitelmitglieder verdoppelte, so dass er bei seinem Tod 1615 acht Chorherren zurückließ.

Propst Benedikts Erneuerungswille zeigt sich nicht nur in der Wiederherstellung der vielfach schadhaften Klostergebäude, in der Erbauung des Glockenturmes (1597) und der Hebung der Zahl der Stiftsmitglieder, sondern auch in der Sorge für ein würdiges Gotteshaus und einen anziehenden Gottesdienst. Das Sakristeiinventar, das nach seinem Ableben vom Erzpriester Grassherger und dem Grazer Stadtpfarrer Georg Hammer am 10. Juli 1615 aufgenommen wurde, erwähnt sehr häufig den Ankauf von Pretiosen durch den verstorbenen Propst. Im Sinne des Tridentinums sorgte er auch für die Anlegung der Matrikenbücher, welche mit dem Jahr 1596 beginnen und zu den ältesten Steiermarks zählen. Die Gegenreformation setzte sich also verhältnismäßig rasch durch, wenn es auch naturgemäß noch einige Zeit dauerte, bis der gewünschte Erfolg überall erreicht war.

Die Glanzperiode des Stiftes

Unter Perfalls Nachfolger, dem 1584 zu Havelberg in Brandenburg geborenen Dani­el Gundau (1615-1649), der seine Ausbildung bei den Jesuiten in Graz erhalten hatte, fand die Reform trotz der Ungunst der Zeit - es wütete der Dreißigjährige Krieg - ihre Fortsetzung. Da Liturgiepflege und Seelsorge die zwei großen Aufgaben des Stiftes waren und noch heute sind, war Propst Gundau schon 1615 bemüht, eine geregelte Tagesordnung einzuführen, die wesentlich im Dienste der Liturgie stand und einen sehr guten Einblick in den damaligen klösterlichen Tagesablauf gibt.

Es war die Zeit des Wiederaufblühens des katholischen Lebens in Steiermark unter der starken Führung der von den Habsburgern berufenen Jesuiten. Das Stift gelangte zu mäßigem Wohlstand. Es kaufte den Edelmannsitz Klaffenau bei Hartberg (1607) sowie die Schlösser und Herrschaften Festenburg (1616; Taf. 2), Friedberg (1635) und Peggau (1654). Das etwa noch vorhandene protestantische Schlosspersonal wanderte ab. Der ganze Wechselgau war wieder katholisch. Um zeitgemäße Wohnungen und eine starke Grenzfestung gegen die Türken zu schaffen, wurde das Stift umgebaut: 1619 bis 1635 das sogenannte Vorgebäude und die Klausur, 1660 bis 1662 die Kirche, 1688 bis 1730 die Prälatur. Woher nahm das Stift das nötige Geld? Es führte eine musterhafte Wirtschaft. Viele Kandidaten aus begüterten Familien brachten eine namhafte Mitgift ins Stift. Auch betrieb das Stift eine segen- und gewinnbringende Geldwirtschaft. Es wurde zur siche­ren Sparkasse für die gefährdete Oststeiermark. Den Geldeinlegern zahlte es drei Pro­zent Zinsen und lieh das Kapital zu vier Prozent an den Staat weiter. Mit dem einen Pro­zent konnte man nach einigen Jahrzehnten eine Prälatur bauen. So konnte das Stift trotz der schweren Zeiten die Baukosten decken.

Nach dem Ableben des Propstes Daniel Gundau 1649 konnte der Seckauer Bischof Johann Markus von Altringen nach Salzburg berichten, dass "das Closter Vorau, so wol in geistlichen als weltlichen Sachen wol disponirt seie, das daselbst der Dechandt, auch noch drey oder mehr Subiecta geeignet seien und gewählt werden könnten". Ihm folgte der gebürtige Vorauer Matthias Singer (1649-1662). Wahre Her­zensbildung durch gesunde Aszese und gründliche Gei­stesbildung durch Pflege ernsten Studiums sollten die Chorherren für ihre hohe Aufgabe befähigen und das friedliche Zusammenleben garantieren. Es ist wohl das höchste Lob, das die Stifts­chronik einem Ordensobern spenden kann, wenn sie von Propst Matthias schreibt: "Unter diesem Prälaten blühten empor Frömmigkeit und Wis­senschaft, besonders aber die Liebe." Wie sehr ihm daran gelegen war, dass der Geist der Frömmigkeit im Stift herrsche, zeigt schon die Tatsache, dass er gleich nach seiner Wahl den heiligmäßi­gen Michael Toll zum Stifts­dechanten ernannte, dem die Überwachung der Disziplin anvertraut war.

Als Freund der Wissenschaften bereicherte Matthias die Bibliothek durch Ankauf zahlreicher theologischer und profaner Werke. Er ließ Urkunden des Stiftes in zwei Kopi­albüchern zusammenschreiben, die über 100 Urkunden von 1161 bis 1650 enthalten, deren Originale vielfach nicht mehr vorhanden sind. Der Propst verstand es, bei den jungen Chorherren solchen Studieneifer zu wecken, dass die meisten akademische Grade erwarben. 1651 errichtete er im Stift eine Apotheke, die in den folgenden Jahren weiter ausgestattet wurde.

Unter allen Stiftspröpsten hat sich Matthias Singer durch den Bau der Stiftskirche das schönste Denkmal gesetzt. Die alte gotisierte Basilika passte wegen ihres altertümlichen Aussehens schlecht zum neuen Stiftsgebäude; auch war sie wegen eingebauter Altäre und Kapellen eng und winkelig. Sie wurde deshalb 1660 abgebrochen. Die Einweihung erlebte Propst Matthias nicht mehr. Erst 46 Jahre alt, riss ihn der Tod am 3. Juli 1662 mit­ten aus seinem Wirken und Schaffen. Unter seinem Nachfolger Michael Toll (1662-1681)stand die Ordensdisziplin in wun­dervoller Blüte. Ein Wetteifer im Streben nach Vollkommenheit erfasste die Chorherren. Das innere Feuer schlug auch nach außen, so dass die Chorherren nicht bloß im Stift, son­dern auch auf den Pfarren mit wahrhaft apostolischem Eifer der Seelsorge oblagen. Tolls Nachfolger Christoph Pratsch (1681-1691) zeichnete sich als großer Marienverehrer aus.

Der kunstsinnige Prälat Philipp Leisl (1691-1717) zählt zu den glanzvollsten Gestal­ten unter den Vorauer Stiftspröpsten. Er vergab die Aufträge für die Kirchenausstattung - ein Gesamtkunstwerk aus Malerei und Plastik. Kaum einer hat Propst Leisl an erfolg­reicher Vielseitigkeit des Wirkens erreicht. Von umfassendem Wissen, vornehmer Abge­klärtheit und großer Willensstärke geprägt, war er weitherzig genug, den berechtigten Wünschen seiner Untergebenen verständnisvoll entgegenzukommen. Die größere Ver­herrlichung Gottes, die vollkommenere Heiligung seiner Mitbrüder, die wirksame För­derung des Seelenheiles der Gläubigen waren die leitenden Gesichtspunkte seines Stre­bens. Zeitgenossen ließen unter sein von Johann Cyriak Hackhofer gemaltes Porträt schreiben: "Virtutum et doctrinae omnium antecessorum suorum compendium,a pietate temp­lum vivum, a doctrina viva bibliotheca." Die Regierungszeit dieses Prälaten blieb aber auch von Heimsuchungen nicht ver­schont. Zur Fortsetzung des Türkenkrieges wurde vom Prälatenstand ein hohes Darle­hen begehrt. Um die das Stift Vorau treffenden 7.975 Gulden zahlen zu können, musste Leisl Geld aufnehmen. Am Anfang des 18. Jahrhunderts hatte das Stift schwer unter den ständig einbrechenden Kuruzzen zu leiden. Sorgenvolle Tage brachte den Vorauern das Pestjahr 1713. Vom 30. September bis zum 5. Dezember raffte die Seuche 38 Personen hinweg, unter ihnen der jugendliche Chorherr und Pestpriester Wilhelm Graf Strassoldo.

Die Regierung des Propstes Sebastian Graf von Webersberg (1717-1736) ist ähnlich der Leisls durch eine rege Bautätigkeit gekennzeichnet. Das umfassendste und kostspieligste Projekt war wohl der Bau des West- und Nordtraktes der Prälatur mit der Ausstattung der Stiftsbiblio­thek, mit denen die barocke Bauphase des Stiftes einen krönenden Abschluss fand.


Von der drohenden Aufhebung unter Joseph II. bis zur tatsächlichen unter Hitler

Wenn Vorau auch nie zu den reichen Stiften des Landes gehört hat, so erfreute es sich doch beim Ableben des Propstes Webersberg einer Wohlhabenheit, die früher und spä­ter kaum erreicht wurde. Was Webersberg am Ausbau des Stiftes nicht mehr vollenden konnte, wurde von seinem Nachfolger Lorenz Josef Leitner (1737-1769) nachgeholt: die Fertigstellung der Prälaturräume und der Bibliothek und die Ausstattung des Musik-­ und Betchores der Stiftskirche. Leitner war ein geistig sehr hochstehender und fein ge­bildeter Mann, ein vornehmer und gewinnender Charakter. Unter ihm stieg die Zahl der Stiftsmitglieder,die Novizen und Scholastiker (Philosophen und Theologen mit Pro­fess) mitgerechnet, auf 55. Obschon Leitner auch in wirtschaftlicher Hinsicht ganz auf der Höhe war,steuerte doch unter ihm das Stift langsam, aber unaufhaltsam einer Wirtschaftskrise zu.

Propst Leitner regierte das Stift in einer Zeit des geistigen Umbruchs. In den höheren Gesellschaftskreisen machten sich unter dem Einfluss einer religionsfeindlichen Philo­sophie kirchenfeindliche Strömungen immer stärker bemerkbar. Im Geistesleben setzte sich langsam eine gefährliche Überbetonung des Wissens gegenüber dem Glauben durch, es war die Zeit des Rationalismus, der Aufklärung. Im geistlichen Leben droh­ten Veräußerlichung und Verflachung sich durchzusetzen, ein Überwuchern der Volks­frömmigkeit gegenüber dem liturgischen Leben, ein Vorherrschen des äußeren Brauch­tums gegenüber der Veredlung des Herzens und dem Wachstum in der Gnade. Propst Leitner war ein klarsehender Kopf und hatte ein feinfühliges Gespür für die drohenden Gefahren. In einem Kapitel des Jahres 1760 ermahnte er seine Untergebenen eindring­lich zu einem gewissenhaften Ordensleben und beklagte am Schluss seiner Rede "diese für den Ordensstand so traurigen Zeiten, in denen die Religiosen ebenso häufig wie offen als faule Bäuche und nutzlose Landeslasten ausgegeben werden und ihr Verschwinden herbeigesehnt wird." Propst Leitner hatte durch drei Jahrzehnte sich gegen das immer stärker werdende Drängen und Fordern einer neuen Zeit gestemmt. Als er schon im Greisenalter stand, hatte er nicht mehr die Kraft zum unnachgiebigen Widerstand. So setzte er 1767 die Länge der Jahresexerzitien von zehn auf drei Tage herab. Wie er schon früher die für die Chorherren ganz zentrale Stellung des Chordienstes ein wenig hatte zurücktreten las­sen, indem er den Betchor vom Hochaltar weg auf den Musikchor verlegt hatte,so zeig­te er sich in den letzten Jahren seines Lebens geneigt, Matutin und Laudes vor Sonn-­ und Feiertagen auf den Vorabend zu verlegen.

Im 18. Jahrhundert entwickelte sich Vorau zu einem Ort der Wissenschaftspflege, der den Begabungen seiner Kanoniker reichen Entfaltungsraum bot. Es hatte damit teil an dem großen Beitrag, den die Stifte in Österreich geleistet haben. Zeitlich am Beginn die­ser Reihe von Vorauer Autoren wissenschaftlicher Druckwerke steht Dr. Eusebius Kendlmayr (gest. 1716), von dem 1691 das Exerzitienbuch "Canonica reformatio homi­nis veteris" erschien, dem er 1707 in Wien die Schrift "Devotio in honorem passionis et mortis Jesu Christi" und dann noch "Epitome viri ecclesiastici, quid ei cavendum et agen­dum" folgen ließ.

Ein bedeutender Gelehrter war auch Johann Zunggo (gest. 1771). Sein Hauptwerk ist die erste Geschichte des Augustinerordens "Historiae generalis et specialis de ordine canonicorum regularium S. Augustini prodomus"(2 Bde.,Regensburg 1742-1745). Zwei weitere Schriften beschäftigten sich mit dem Stift Pöllau (Graz 1750). Anzuführen bleibt noch seine "Vita venerabilis servi Dei Thomae a Kempis" (Venedig 1762). Für das Stift Vorau ist er überdies wichtig geworden durch den Entwurf des Aufstellungsplanes für die neue Stiftsbibliothek, durch die Anlage der Bandkataloge und zweier Verzeichnis­se mit den Titelkopien der Handschriften und Wiegendrucke. Sein starkes antiquari­sches Interesse stand wohl auch Pate bei der Ausgestaltung seines Alterswerkes, eines dreibändigen Antiphonars, das er nach Art mittelalterlicher Prunkbände mit Buchma­lereien schmückte.

In diesen Schriftstellern begegnen uns Vertreter der beiden seit den Anfängen des Stif­tes ausgeprägten Hauptrichtungen des gelehrten Lebens zu Vorau: einerseits die der Seelsorge dienende Erarbeitung von Hilfs- und Erbauungsliteratur, andererseits die Beschäftigung mit der Geschichte. Das Werk Zunggos wurde in gewisser Weise fortgeführt von Dr. Julius Pranz Guß­mann (gest.1776), der als Gelehrter hohes Ansehen genoss. In sechs Jahren erarbeitete er den ersten wissenschaftlichen Vorauer Handschriftenkatalog. Aus seiner Feder erschie­nen mehrere Schriften zu Fragen der Philosophie, Theologie, des Ordensrechtes und der Ordensgeschichte.

Einen Höhepunkt in der Reihe der Vorauer Geschichtsforscher stellt zweifellos Dr. Aquilin Julius Caesar dar (gest. 1792), weil er aus dem Umkreis der Beschäftigung mit der Vergangenheit seines Ordens hinaustrat und die Geschichte der Steiermark zu seinem Arbeitsgebiet machte. Seine "Annales ducatus Styriae"(3 Bde., 1768-1777, Bd. 4 als Handschrift in der Österreichischen Nationalbibliothek) und seine "Staats- und Kirchengeschichte des Herzogthum Steyermarks" (7 Bde., 1786-1788) stel­len in der steirischen Geschichtsforschung eine Epoche für sich dar, besonders was die strenge Orientierung an einem umfassenden Studium aller erreichbaren Quellen betrifft.

Unter Propst Franz Sales Freiherrn von Taufferer (1769-1810) erlebte das Stift einen bedauerlichen Niedergang. Die josephinische Zeitströmung wirkte sich in materieller und disziplinärer Hinsicht schädigend und zersetzend aus. Die staatlichen Maßnahmen gegen die "tote Hand", die Verpachtung der Stiftsgründe infolge der teilweisen Aufhe­bung der Robot und die großen Geldopfer zur Zeit der Franzosenkriege zerrütteten die Wirtschaft des Stiftes derart, dass es sich trotz umfangreicher Verkäufe nicht über Was­ser halten konnte. Propst Taufferer soll an Bargeld 30 Kreuzer hinterlassen haben. Dazu drohte dem Stift seit 1782 die Aufhebung. Das große Ansehen des Propstes als Gründer und Leiter der Hauptschule,die von Dechant Remigius Ebner von Ebenthal (1776-1801) eifrig gestützte Disziplin im Stift und geförderte Seelsorge auf den Pfarren sowie der große Einfluss des gelehrten Historikers Aquilin Julius Caesar dürften am wirksamsten beigetragen haben, dass die Aufhebung des Stiftes unterblieb. Der entscheidende Beschluss der Regierung ließ Vorau als einziges Chorherrenstift in Steiermark bestehen, während die Chorherren von Pöllau, Stainz und Rottenmann 1785 ihre Klöster verlas­sen mussten, mit einer ärmlichen Pension abgefertigt wurden und mitansehen durften, wie Klostergut verschachert und vielfach verschleudert wurde und wie manches wert­volle Denkmal der Wissenschaft und Kunst, von fleißigen Klosterhänden geschaffen und durch Jahrhunderte verständnisvoll behütet, zugrunde ging.

In dieser Zeit hatte das Stift auf dem Sektor Schule viel zu bieten. Propst Taufferer gilt als der große Schulmann. Schon als junger Chorherr war er zum Mitglied der Gymna­sialprüfungskommission in Graz ernannt worden, und im Jahr 1778 richtete er im Stift eine Hauptschule ein, der bald darauf auch noch die Führung eines Präparandenkurses zur Heranbildung von Volksschullehrern folgte. Taufferer verschaffte den Schülern unentgeltlich die nötigen Lehrbehelfe, stellte Prämien bereit und gab mehreren armen Schülern Kost und Unterkunft im Stift. Da das Stift die vier Hauptschullehrer selbst besoldete, wurde deren Bestellung und Bestätigung dem Stiftspropst überlassen. Schon 1788 anerkannte die Schulbehörde, dass die Hauptschule Vorau die besteingerichtete in ganz Innerösterreich sei.

Sein Nachfolger Propst Franz Sales Knauer (1811-1837) gründete 1812 im Stift ein Gymnasium, das bis 1817 weitergeführt wurde. Er hatte selbst trotz seines vorgerück­ten Alters lebhaftes Interesse für wissenschaftliches Streben. Um solches auch bei seinen Untergebenen zu wecken und um der Schule zu dienen, legte er eine Sammlung von Mineralien, Münzen, physikalischen Geräten und Altertümern an und hielt den Bestand in Katalogen fest, die er zum Teil selbst schrieb. Nach dem Tod des wirtschaftlich tüchtigen Propstes Knauer gelang es Propst Gott­lieb Kerschbaumer (1838-1862), die josephinische Geistesrichtung zu brechen; es kam zur Erneuerung des Ordenslebens. Der fromme Propst förderte auch unermüdlich eine zeitgemäße Seelsorgetätigkeit und führte so das Stift geistig und wirtschaftlich gefestigt in die Zeit des Liberalismus. Propst Kerschbaumer richtete eine feste Tagesordnung ein, stellte die Klausur wieder her, drang auf tägliche Betrachtung, geistliche Lesung, Silen­tium und Pflege der Studien, führte die jährlichen Exerzitien wieder ein und traf Anord­nungen über den Verkehr der Chorherren mit der Außenwelt, damit die Ehre des Stif­tes und seiner Mitglieder nicht Schaden leide. Zur Zeit der notwendigen Entspannung sollten sich seine Chorherren zu gemütlicher Unterhaltung zusammenfinden. Um die­ser ein standeswürdiges Niveau zu sichern, ließ er eine Kegelbahn und Schießstätte bauen und ein Billardzimmer zweckmäßig einrichten und regte darüberhinaus durch Förderung von Musik und Gesang auch höhere Interessen an. Im Chorgebet und in der Konventmesse sah er nicht bloß eine von der Kirche vorgeschriebene, sondern den Vor­auer Chorherren auch stiftungsgemäß obliegende Verbindlichkeit, die nach Möglichkeit erfüllt werden müsse. Propst Gottlieb Kerschbaumer war ein Reformator. Das Stift hat bis zur Jahrhundertwende, vielleicht sogar länger, von seinem Idealismus gezehrt.

Sein Nachfolger Dr. Eusebius Rössl resignierte bereits kurze Zeit nach seiner Wahl. Doch folgten ihm glücklicherweise zwei langlebige Prälaten, deren Wirken die Ent­wicklung des Stiftes bestimmend beeinflusste. Der eine war Isidor Allinger (1866-1903), der letzte starke Mann, der die Vorauer Infel trug, der Wahrer des stiftischen Ansehens zur Zeit des herrschenden Liberalismus und dessen wenig kirchenfreundlicher Gesin­nung. Der andere war Prosper Berger (1920-1953), der die Wirtschaftskrise nach dem Zusammenbruch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie überwinden musste, zu der in den Österreichischen Stiften einsetzenden Erneuerungsbewegung positiv Stellung nahm, die gewaltsame Aufhebung des Stiftes zur Zeit des erzwungenen Anschlusses Österreichs an Deutschland durchleiden musste und nach der Zerstörung des Stiftes während der letzten Kriegswochen des Zweiten Weltkrieges bis zu seinem Lebensende materiell und geistig aufbauend tätig war.

Propst Berger ließ 1920 das elektrische Licht einführen, baute eine stiftseigene Hoch­quellenwasserleitung und eine Dampfsäge in Bruck an der Lafnitz, um eine vorteilhaf­te Holzausbeute zu erzielen und war wie schon seine Vorgänger bemüht, das wissen­schaftliche Streben unter den Chorherren anzuregen und zu fördern. Er ließ von Pius Fank den Archivbestand ordnen und katalogisieren und von demselben eine volks­tümliche Stiftsgeschichte schreiben (1925, 2. erw. Aufl.1959), subventionierte die Mono­graphie des Malers Johann Cyriak Hackhafer (1931) und ließ auf Stiftskosten 1936 den von Pius Fank in über zehnjähriger Arbeit verfassten Handschriftenkatalog drucken. Sei­nem energischen Eingreifen war es zu danken, dass es 1928/29 zum Neubau der Straßen Rohrbach-Vorau und Rohrbach-Waldbach-Wenigzell kam. Fügt man dem noch seine Verdienste um das Volkswohl (Gründung und Ausgestaltung der Sparkasse des Mark­tes Vorau, Sorge für standesgemäße Wohnungen etc.), auf dem Gebiet der Seelsorge und der Liturgiepflege bei, dann kann man wohl ermessen, wie es ihm ergangen sein muss, als er über Nacht seines Ordenshauses beraubt wurde. Wohl enthüllte im Herbst 1938 der Gauleiter Uiberreither persönlich das steinerne Denkmal für den Historiker Ottokar Kernstock im Markt, das ihm noch das vaterländische Österreich errichtet hatte, doch dem Stift, aus dem er hervorgewachsen war, war der Untergang geschworen.

1940 wurde unser Stift, das über fast 800 Jahre hin als kulturelles Zentrum des Wech­selgaues alle Stürme überstanden hatte, vom NS-Regime mit der fadenscheinigen Phra­se,es sei nicht mehr zeitgemäß, erstmals in seiner Geschichte aufgehoben, beschlagnahmt und enteignet. Das Stift hieß nun "Burg Vorau" und wurde Parteischule (NAPOLA). Der damalige SS-Obersturmbannführer vermerkte am 19. April 1940 im Goldenen Gedenkbuch des Stiftes: "Nun ist aber Schluss. Dafür bürgt der Treuhänder des Stiftes Vorau Hubert Erhart, SS-Obersturmbannführer."

Schwer hatte unser Stift unter den Sendlingen der Gestapo zu leiden: Die Chorherren wurden gauverwiesen, zahlreiche Gemälde religiöser Thematik verbrannt und der Bibliothek 6.000 Bände entwendet. Der von den damaligen Machthabern geplante Schlussstrich in der Stiftsgeschichte unterblieb, denn dank der Fügung Gottes war es nur ein "Interregnum" von relativ kurzer Zeit.

Das Stift seit 1945

Als einziges steirisches Stift bekam Vorau die grausame Wucht des Zweiten Welt­krieges unmittelbar zu spüren. Abwechselnd von deutschen und russischen Soldaten besetzt, erlitt es verheerende Schäden. Im April 1945 wurde das Stift durch russische Brandbomben in Brand gesteckt. Völlig ausgestorben, ein Bild des Grauens und der Ver­wüstung, so bot sich das Stift den im Sommer 1945 aus ihrer Verbannung zurückkeh­renden Chorherren. Doch mit viel Mut und Energie, vor allem aber mit Gottvertrauen, ging damals Propst Prosper Berger mit seinen Getreuen an den Wiederaufbau seines Heimes.

Das Vorgebäude südlich des Torturms, das Maierhaus, die Werkstatt, die Wäscherei und die gesamten Wirtschaftsgebäude mit den Stallungen waren niedergebrannt. Am Hauptgebäude waren drei Ecktürme ausgebrannt. Die übrigen Stiftsgebäude waren durch ca. 70 Granattreffer arg beschädigt. Hinzu kam, dass zu diesem Zeitpunkt auch die Rechtsverhältnisse noch vollkommen ungeklärt waren. Der gesamte, im Jahr 1940 beschlagnahmte Stiftsbesitz ging nach Ende des Zweiten Weltkrieges in das Eigentum des Landes Steiermark über. Am 1. Mai 1946 wurde Propst Prosper Berger als Treuhän­der eingesetzt und erst am 4. Juni 1947 erfolgte die Rückgabe des gesamten Stiftsbesit­zes an die Vorauer Chorherren. Trotz dieser Schwierigkeiten wurde sofort nach dem Ende des Krieges mit den dringendsten Arbeiten begonnen. Der Finanzierung des Wiederaufbaues diente 1951 der Verkauf des Schlosses Klaffenau bei Hartberg samt Grund­besitz.

Der materielle Wiederaufbau des Stiftes konnte von Propst Bergers Nachfolger Gil­bert Prenner (1953-1970) durch die einsetzende Hochkonjunktur auf dem Holzsektor beschleunigt fortgesetzt und mit großen finanziellen Opfern vollendet werden. Für ihn und alle seine Mitbrüder hätte es wohl keinen schöneren und treffenderen Abschluss der ganzen Wiederherstellungsarbeiten geben können als die 800-Jahr-Feier unseres Stiftes im Jahr 1963. Alle Kriegsspuren waren beseitigt, das Stift stand wiederum in seiner alten Pracht und Schönheit da.

In einer Zeit wirtschaftlicher Besserstellung bemühte sich Propst Rupert Kroisleitner (seit 1970) mit künstlerischem Spürsinn um den baulichen Feinschliff des Stiftes. Zu den größten Arbeiten unter Kroisleitner zählen unter ande­rem der neue Marmorfußboden in der Sakristei (1971) und der Umbau der Verwal­tungskanzleien. Im Jahre 1977 wurde, finanziert aus Eigenmitteln des Stiftes, ein klei­nes, aber modernes Bildungshaus eröffnet. 16 Zweibettzimmer, eine Hauskapelle, ein Clubraum und drei mit allen erforderlichen audiovisuellen Geräten ausgestattete Vor­tragssäle stehen zur Verfügung. 1977 bis 1995 fanden hier 1.970 Veranstaltungen mit ca. 71.000 Teilnehmern statt.

Einen großen Erfolg brach­te die 1981 aus Anlass des 250. Todestages des Stiftsmalers Johann Cyriak Hackhofer ver­anstaltete Ausstellung. Der Abschluss der jahrelangen Außenfassadenerneuerung am ganzen Stiftsgebäude gab erfreulich Anlass, das 825-Jahr­ Jubiläum des Stiftes im Jahr 1988 in dankbarer und feierli­cher Weise zu begehen.

Bau- und Kunstgeschichte

Die mittelalterliche Bau- und Kunstgeschichte des Stiftes ist infolge der geringen Quel­lenlage bis heute nicht hinreichend geklärt und bedarf noch ausführlicher Untersu­chungen.

Als die ersten Chorherren mit ihrem Propst Liupold 1163 in Vorau eintrafen, um die Klostergründung ins Werk zu setzen, da fanden sie dort an sakralen Bauwerken ledig­lich das kleine Thomaskirchlein vor, welches 1149 vom Bischof Roman von Gurk geweiht worden war. Sie erbauten die für das klösterliche Gemeinschaftsleben nötigen Räum­lichkeiten. Dabei verwendeten sie ein Bauschema, das der Benediktinerorden im 9. Jahr­hundert entwickelt hatte und das bis ans Ende des Mittelalters beherrschend blieb. Dem­nach sind südlich der Klosterkirche um einen quadratischen Hof die Gebäude mit gemeinsamem Dormitorium, Refektorium, Kapitelsaal, Küche, Keller und Vorratsräu­men angelegt und durch einen den Hof einfassenden Kreuzgang miteinander verbun­den. Dazu gab es noch die Prälatur und Gebäude für die Klosterschule, die Kranken und die Klosterwirtschaft.

Hauptaufgabe der Chorherren war das Lob Gottes im feierlichen Chordienst mit Messe und Gebet. Dadurch wurde der Kirchenchor mit Altar und Allerheiligstem zum Mittelpunkt ihres klösterlichen Lebens und Wirkens. Hier versammelten sie sich allnächtlich zum "officium nocturnum", sechsmal am Tag, um das Chorgebet zu ver­richten. Und schließlich bildete die Konventmesse am Vormittag den Höhepunkt der täglichen Gotteshuldigung. Verständlich, dass für einen so intensiven Chordienst ein ent­sprechend geräumiges Gotteshaus nötig wurde. Das kleine Thomaskirchlein konnte diese Anforderungen nicht erfüllen und schon 1170 begann man mit dem Neubau einer dreischiffigen romanischen Pfeilerbasilika mit flacher Holzdecke in der Art des Gurker Domes. Das Gotteshaus war 40 bis 50 m lang und hatte eine Zweiturmfassade im Westen.

Weil das Stift nicht reich dotiert war, konnte der Bau der Stiftskirche nur langsam vor­anschreiten. "Um das fromme Bemühen des Propstes Liupold und seiner Brüder im neugegründeten Stift etwas zu unterstützen", schenkte Erzbischof Adalbert von Salzburg den Vorau­er Chorherren seinen Zehenthof in Grafendorf, der - offenbar samt dem Zehent, der dem Erzbischof zustand - ein jährliches Einkommen von 10 Mark sicherte. Zur Beförderung des Kirchenbaues (ad structuram basilice) überließ der Erzbischof im gleichen Jahr den Vorauern den Zehent, den sein Onkel Konrad II. dem Stift zum Unterhalt des Bischofs Ulrich von Halberstadt überlassen hatte. Dieser war papsttreu geblieben, beim Kaiser in Ungnade gefallen und darum nach Vorau geflohen. Zu Mariä Himmelfahrt 1172 weil­te der Erzbischof in Vorau, um die Krypta zu Ehren des hl. Paulus zu weihen. Sie muss ziemlich geräumig gewesen sein, weil sie später drei Altäre barg.

Am 6. Dezember 1202 weihte Bischof Markus von Beirut einen Magdalenenaltar, am 25. Dezember 1228 Bischof Karl von Seckau einen Altar zu Ehren des hl. Kreuzes und des Apostels Jakobus, beide in der Oberkirche. Diese ruhige Entwicklung wurde jäh unterbrochen durch das unheilvolle Ereignis am 21. November 1237: den großen Stiftsbrand. Bei diesem Brand wurden Stift und Kirche schwerstens beschädigt und mussten mühsam wieder aufgebaut werden. Vermutlich dürfte bei der Eindeckung der Stiftskirche die alte Holzdecke durch Gewölbe ersetzt worden sein.

Dieser ersten, also jedenfalls noch dem romanischen Stile angehörenden Kirche folg­te ein gotischer Neubau, der unter Abt Gebwin am 25. Oktober 1257 durch Bischof Ulrich von Seckau eingeweiht wurde. Fertiggestellt wurde das Gotteshaus aber erst unter Geb­wins zweitem Nachfolger Konrad II. (1282-1300). Von ihm berichtet die Stiftschronik "Gebürtig aus Salzburg, tat er viel Gutes in der Kirche,er kaufte viele Bücher und ließ sie schrei­ben." Der Chronist fährt dann etwas dunkel fort: "Monasterium a crucifixo usque ad finem testudine texit." Das neu erbaute Münster besaß beim Regierungsantritte Konrads außer dem Hochaltare noch drei andere Altäre: je einen zur Rechten und zur Linken dessel­ben, am 9. September 1259, und einen dritten am Lettner, den 5. Oktober 1266 einge­weiht. Bis dorthin, also bis zum sogenannten Triumphtor, dem westlichen Chorschlus­se, von dessen Höhen ein Kruzifix herabhing, scheint die Kirche völlig eingewölbt und eingedeckt gewesen zu sein, während man das Schiff (a crucifixo usque ad finem), ver­mutlich aus Mangel an Geldmitteln, nur mit einem Notdach versehen hatte. Im Jahr 1266 war von Bischof Almerich von Lavant ein Kreuzaltar unter dem Predigtstuhl (sub pulpitu) geweiht worden.

Propst Konrad errichtete noch drei Altäre, die am 7. Dezem­ber 1298 durch Bischof Ulrich II. von Seckau konsekriert wurden: einen Petrusaltar zur Linken und einen Altar zu Ehren der beiden großen Salzburger St. Rupert und St. Vir­gil zur Rechten. Das können gewöhnliche Seitenaltäre gewesen sein, aber auch Altäre im Abschluss der Seitenschiffe. Der dritte Altar, St. Michael geweiht, befand sich "inter turres",die Türme mussten also damals auch schon erbaut gewesen sein. Am 8. Dezem­ber 1298 wurde noch ein Annenaltar geweiht.

Damit war die Innenausstattung der Stiftskirche aber noch nicht zu Ende. Laut den Originaldedikationsschriften im aufschlussreichen Cod. 99 weihten weiterhin noch: Über besonderen Auftrag des Erzbischofs Friedrich III. Bischof Wocho von Seckau am 25. Oktober 1324 eine Kapelle mit dem Altar der hl. Elisabeth, zwei Tage später gleich drei Altäre in der Gruft, hier also wohl soviel wie Unterkirche, je einen zu Ehren der Apostel Andreas, Petrus und Paulus. Sodann am 14. Oktober 1330 Bischof Dietrich von Lavant eine Augustinuskapelle, am 14. Juli 1335 einen Hl.-Geist-Altar "juxta sepulchrum fundato­ ris", am 7. April 1338 Bischof Rudolf von Waizen einen Speis- oder Sakramentsaltar (al­ tare viaticum), am 18. November 1371 Bischof Blasius von Milo einen Altar zu Ehren der hl. Magdalena und einen Altar zu Ehren der hl. Bartholomäus, Nikolaus, Rupert und Virgil. Diese Weihen lassen den beständigen Ausbau des Stiftskomplexes erkennen.

Im Jahre 1384 wurde das Stift jedoch von einem neuerlichen Großbrand heimgesucht und teil­weise zerstört. Ein wirtschaftlicher aber auch disziplinärer Niedergang führte in den fol­genden Jahrzehnten zu einer Krise des stiftischen Lebens, die erst durch die Berufung des Andreas von Pranpeck aus Berchtesgaden als Propst nach Vorau (1433-1453) been­det wurde. Mit seinem mit Erlaubnis des Erzbischofs und des Stiftes Berchtesgaden mit­gebrachten bedeutenden väterlichen Erbe konnte er die ruinenhaft aussehenden Stifts­gebäude neu bedachen und ausbessern, sie mit der notwendigen Einrichtung versehen und die Schuldenlast, die er übernehmen musste, nach und nach tilgen. Neu aufgebaut wurden ein gewölbtes Dormitorium und die Infirmarie, vergrößert wurde die Prälatur. Keine Ausgaben scheute der Propst für die Verschönerung und würdige Ausstattung der Stiftskirche. Durch ihn erhielt sie wertvolle liturgische Gefäße, Gewänder und Bücher, darunter eine Monstranz im Wert von 170 Gulden, zwei große Fahnen und neue Ornate. Die heute noch am Turm hängende kleine Glocke kaufte Andreas 1447 laut Inschrift: "O Rex glorie Jesu Christe veni cum pace MCCCCXLVII".

Von seinem Nachfolger Leonhard von Horn (1453-1493) wurde das Kloster wegen der Ungarn- und Türkeneinfälle noch stärker befestigt und mit Wassergräben, Wehr­mauern und Basteien zur Fluchtburg für die Bevölkerung der Umgebung ausgebaut. Reste dieser Wehranlagen sind an der Südwestseite heute noch zu sehen. In dieser Zeit wurde auch der rechte Turm mit einem spätgotischen Uhrengeschoss und Keildach ver­sehen. Unter Propst Leonhard entstanden drei Altäre: ein Altar zu Ehren Mariä Heim­suchung an der Südseite der Kirche, ein Sebastianialtar auf der Nordseite unter der Front der Prälaturkapelle und ein Laurentiusaltar. Sie wurden im Juni 1466 geweiht. Propst Ulrich II. von Weiz (1496-1499) erbaute unter dem Turm eine Agneskapel­le und einen Allerheiligenal­tar, die Bischof Matthias Scheit von Seckau am 3. Okto­ber 1498 konsekrierte.

Auch unter Propst Virgil Gambs (1500-1507) gab es baulich keinen Stillstand, wie der Gültschätzung von 1506 zu entnehmen ist. Dieser schloss nämlich Propst Virgil die Bitte an, man möge doch den Umständen, dass das Stift Vorau an der ungarischen Grenze liege und es ihm auf­erlegt sei, Land und Bevölke­rung vor jeglichem Schaden zu beschirmen, Rechnung tragen und ihn, da er ohnehin trotz der Einnahmen mit der Verköstigung vieler Leute "swärlich beladen" sei, mit weite­ren Ausgaben verschonen. Derzeit habe er allein im Win­ter außer dem Konvent, bestehend aus 28 Chorher­ren, noch täglich 92 (!) Perso­nen, vor allem Zimmerleute, Maurer, Roboter und Hilfsar­beiter, zu speisen, "der in Sum­mer vil mer werden".

Im 16. Jahrhundert stürzte die von Martin Luther ausgehende Reformationsbewegung die katholische Kirche des Landes in eine schwere Krise. Auch Stift Vorau war davon betroffen; sein Ordensleben kam fast zum Stillstand und erholte sich erst am Ende des Jahrhunderts, als die katho­lische Gegenreformation, unterstützt von den habsburgischen Landesfürsten, den Erz­herzögen Kar!und Ferdinand, dem Willen zur Erneuerung und zu neuen Ausdrucks­energien zum Durchbruch verhalf. Erster Beweis für den Aufschwung in Vorau war der Neubau des linken Kirchenturmes durch Propst Benedikt von Perfall (1594-1615) im Jahre 1597. Im Stiftsarchiv liegt noch ein Einnahmenverzeichnis für den Bau dieses Glockenturmes auf.

Die Kosten für den Turmbau beliefen sich auf 712 Gulden, wovon 457 - rund zwei Drit­tel - von den stiftischen Untertanen aufgebracht wurden und das letzte Drittel zu Lasten des Stiftes ging, das zusätzlich noch die Kost bereitzustellen hatte. Zieht man die Beschaf­fung des Baumaterials mit den damals möglichen Transportmitteln und die Zahl der am Turmbau beschäftigten Personen sowie die uns leider unbekannte Länge der Bauzeit in Betracht, dann kann der Aufwand für die Kost nicht gerade gering ausgefallen sein. Auch das Visitationsprotokoll von 1617 hält seine Erbauung von Grund auf im Jahre 1597 fest: "Anno 1597 turrim novam,in qua campanae, magnis sumptibus ex fundamentis con­struxit."

Der Erbauer des Turmes verewigte sich an der Westfront ober dem gekoppelten Rund­bogenfenster mit den Buchstaben "I. B. A. P. P. V.", aufgelöst: l(ohannes B(enedictus) a P(erfall) P(raepositus) V(oraviensis). Die Nordseite trägt in gleicher Höhe die Jahreszahl 1597, und die an der Ostseite angebrachten Initialen "I H O" dürften sich auf den Namen des "O(pifex)" beziehen, über den leider keine Quelle Aufschluss gibt.

Mit seinem gekoppelten Rundbogenfenster und dem kräftigen Konsolgesims gehört der Glockenturm noch dem Stil der Spätrenaissance an. Künstlerisch verdichteten sich die neuen Energien, die zum glanzvollen Wiedererstarken der Kirche führten, im Barock­stil. Er wird zum Kunststil der katholischen Gegenreformation und erlangte darüber hinaus gerade im süddeutsch-österreichischen Raum nach und nach eine derart volks­tümliche Breitenwirkung, dass er das Aussehen unserer Städte und Märkte, Kirchen und Schlösser heute noch weitgehend prägt. Im Stift Vorau stellt sich diese Entwicklung beispielhaft dar. Innerhalb von nicht ganz 50 Jahren, der Regierungszeit der beiden tüchti­gen Pröpste Daniel Gundau und Mattbias Singer, wurden Stift und Kirche fast völlig neu erbaut, wurde z. T. bereits 400 Jahre Bestehendes abgebrochen und damit der mit­telalterliche Baubestand, ausgenommen nur den Uhrturm und die Wehranlagen, voll­ständig kassiert. Es ist dies die zweite große Bauphase des Stiftes. Damals entstand Vor­aus frühbarocker Baukörper und es ging dies in rascher Folge.

Angesichts der Bedrohung aus dem Osten sah sich Propst Daniel Gundau (1619-1649) noch mehr genötigt, die aus dem Mittelalter stammenden, nicht mehr zeitgemäßen Klo­stergebäude zu einer starken Festung umzubauen. So ließ er 1619 das langgestreckte Vorgebäude in zwei Geschossen aufführen. Dieses Jahr nennt die Inschrift über dem Toreingang: "16 D(aniel) P(ropst) Z(u) V(orau)19", desgleichen die zwei hofseitig datier­ten Portale. Südlich von der Kirche ließ Propst Gundau zwischen 1625 und 1635 an der Stelle meh­rerer älterer Wohnbauten das dreigeschossige Klausurgebäude als völlig einheitlichen Neubau um einen quadratischen Innenhof errichten. Die drei Flügel der Klausur wer­den durch kreuzgewölbte und in den Hof offene, geräumige Bogengänge verbunden; an der Außenseite ist im Westen ein quadratischer, im Osten ein sechseckiger Eckturm angefügt. Die Klausurgitter stammen von den Vorauer Schlossern Georg Hollaus (1843) und Alfred Fast (1982). Den Hof schmücken eine um 1700 geschaffene Sandsteinplastik des hl. Augustinus an der Kirchenwand (in vollem bischöflichen Ornat mit Bischofsstab, Mitra und dem brennenden Herzen in der Hand) sowie der 1370 gegrabene, 15 m tiefe Brunnen mit sechseckiger Steineinfassung; die reichgeschmiedete eiserne Brunnenlau­be wurde um 1635 aufgesetzt. Hier befinden sich die Wohnungen der Chorherren, der Kapitelsaal und das Refektorium.

Propst Gundaus Nachfolger Matthias Singer (1649-1662) ließ in der erstaunlich kur­ zen Zeit von drei Jahren, nämlich 1660 bis 1662, die neue Stiftskirche anstelle der abge­ brochenen alten aufführen. Ihr Baumeister war der Graubündner DomenicoSciassia aus Roveredo (gest. 1679 in Graz), die dominierende Persönlichkeit des Frühbarocks in der Steiermark. Unter Berücksichtigung der belassenen Turmbauten verbreiterteSciassia die neue Anlage an der Nordseite, dort wo also nichts angebaut war, um 1,5 m, so daß sich dadurch der ganze Bau gegenüber der Eingangshalle etwas aus der Achse verschob. Die Maße betrugen 62,5 minder Länge, 21m in der Breite und17m in der Höhe. Vom Typus her ist der Bau eine Wandpfeilerkirche mit Emporen, das heißt eine geräumige ein­ schilfige Halle mit flacher Stichkappentonne, die an beiden Seiten von je vier zwischen Wandpfeilern liegenden Kapellenmit darüber befindlichen Ernporen begleitet wird. Das Grundmuster zu diesem in den katholischen Ländern sehr verbreiteten Bauschema bot die Kirche Il Gesu in Rom (1568 begonnen). Im süddeutschen Raum wurde es erstmals in der 1597 vollendeten Michaelskirehe in München angewendet; für Österreich muß dazu der 1614 begonnene Salzburger Dom angegeben werd en. Der Vorteillag in einer wesentlichen Raumvereinheitlichung, die dennoch die Unterbringung mehrerer Altäre zuließ. Dem Langhaus fügt Sciassia eine Art Vierung an, die um vier Stufen erhöht liegt, aber von außen nicht erkennbar ist. Auf eine Kuppel verzichtete er; das Presbyterium schloß er gerade ab. Die Fassade, damals ja noch vom Prälaturumbau umschlossen und daher ohne vollgü ltige Schauseitenfunktion, beließ Sciassia sehr einfach und ungeglie­ dert. Am 15. November 1691 wurde, noch nicht ganz 30 Jahre alt, der aus Graz gebürtige Advokatensohn Johann Philipp Leis) zum neuen Stiftspropst gewählt. Mit Leisl setzt die dritte große Bauperiode in Vorau ein. Um 1700 wurde das Vorgebäude gegen Süden ausgebaut und insgesamt um einen Sch\ittboden erhöht. Die Flügel rechts und links vom Torturm verstärkte man durch je ein vortretendes Stiegenhaus mit Dacherker. Die zwei an den Ecken vorspringenden Sechsecktürme sind mit einer Zwiebelkuppel abge­ schlossen (1980 neu mit Kupferblech eingedeckt). Um 1700 erhielt a uch der Torturm sein achteckiges Obergeschoß aufgesetzt, das über einem Kuppeldach eine zierliche, kup-

ferbeschlagene Laterne trägt, die wieder eine Zwiebelkuppel krönt. Mit seinen 38Metern erreicht der Torturm die größte Höhe unter den noch erhaltenen 15 Türmen des Stiftes. Das mächtige, eisenbeschlagene Holztor (1679) und die Spitzen des Fallgitters sind die letzten Erinnerungen daran, daß hier eine bedrängte Grenzbevölkerung bei Einfällen kriegerischer Horden eine letzte Zufluchtsstätte finden konnte. Weiters ließ Leis!an dem von seinem Vorgänger begonnenen Prälaturtrakt weiter­ bauen. Für die Ausschmückung der Kirche verstand er es, Matthias Steinl, einen der besten Wiener Hofkünstler, zu engagieren. Er entwarf den prachtvollen Hochaltar, wofür der Hauptchor der Kirche um 10m verlängert wurde. Der Hochaltar hat riesige Ausmaße,17m Höhe und 11m Breite. Daß dieser kolossale Aufbau architektonisch über­ sichtlich und gefällig gegliedert wurde, ist das Verdienst von Matthias Stein,! daß die einzelnen Teile jeder für sich ebenmäßig, edel, überzeugend ausfielen, das der aus­ führenden Maler, Bildhauer und Tischler. Der Zentralgedanke liegt im Patroziniumge­ heimnis: Mariens Aufnahme in den Himmel. Nach Art einer gotischen Schreingruppe füllen den rechteckigen Mittelraum über dem Tabernakel die zwölf Apostel, die ver­ wundert den Sarg der Gottesmutter umstehen, denn er ist leer. Ein mächtiger freischwe­ bender Engel über ihren Häuptern gemahnt, die Blicke aufwärts zu lenken, wo von Engelshänden getragen, von Rosen rahmend umwunden, Maria als Gemälde empor­ schwebt, um von der wieder plastisch gestalteten Dreifaltigkeit ehrend, von seligen Gei­ stern jubelnd empfangen zu werden. Das ganze Riesenwerk ist in Holz ausgeführt, in dunklen und helleren Tönen marmoriert und mit Vergoldungen der Ornamente an den Sockeln und sonstigen Flächen, der von Putten gehaltenen Blumenketten, der Vasen, Kapitelle und Säulenbasen verschwenderisch ausgestattet; mit Ausnahme der unbe­ kleideten Körperteile sind auch alle figuralen Plastiken vergoldet,was selbstredend auch vom Tabernakel gilt. Das Gemälde der "Assunta" ist ein wohlgelungenes Werk Anto­ nio Belluccis. Durch die Anlage der Seitenräume, den tiefen Bet- und Orgelchor und das teilweise Überdecken der Chorfenster durch den Hochaltar ist die Beleuchtung des Kirchenrau­ mes eine gedämpfte, die den Glanz des Goldes keineswegs aufdringlich hervortreten läßt. Erinnert man sichaußerdem der farbenreichen Malereien,welchealle Mauerflächen überziehen: würde an den plastischen Werken nicht das Gold die beherrschende Note sein, es müßte der Gesamteindruck in ein buntes Chaos zerflattern;so aber läßt das Gold in der milden Beleuchtung die Farben der Fresken zugunsten einer großzügigen, ein­ heitlichen Wirkung zurücktreten und wird selbst andererseits durch die überwiegend warmen Töne der Wände und Wölbungen der satten koloristischen Grundstimmung eingefügt (Taf. 3b). Der Hochaltar füllt den halbkreisförmigen Schluß des Presbyteriums zur Gänze aus. An beiden Seiten sind kleine Kredenzaltäre zur Aufstellung gekommen, welche den vollen, aufrauschenden Akkord des Hauptaltares leise abklingen Jassen. Die Gemälde dieser Altäre stellen den Apostel Thomas und den Markgrafen Otakar dar; die Skulp­ turen weibliche Personifikationen von Tugenden. In engem stilistischen Zusammenhang


mit der Gruppe der drei Altäre stehen die in den Ecken des Vierungsraumes aufgestellten vier überlebensgroßen vergoldeten Holzstatuen von Bischöfen, die mangels anderer Attribute nicht näher benannt werden können. Die ihrem Entwurf nach gleichfalls als ein Werk Steinls angesehene Kanzel wurde 1706 errichtet (Taf. 5). An der geschweiften, mit vergoldetem Schnitzwerk übersponnenen Brüstung von rechteckiger Grundform sind ebenso wie an der Wandung der Treppe monochrome Malereien biblischer Szenen in Medaillons angebracht; an der Rückwand ist zwischen den allegorischen Verkörperungen der Heiligen Schriften des Alten und des Neuen Testamentes das von milder Hoheit verklärte Bild Christi als Weltenheiland zu sehen;auf dem Schall­ deckel schwebt zwischen posaunenblasenden Engeln die Gestalt von Gottvater. Das Ganze ist von gesättigter Pracht und harmonischer Vollendung. Um diese Zeit wimmelte es in den Stiftischen Quellen nur so von Bildhauern und Malern, die man darin bislang vergeblich suchte. Die von Städten und Kunstzentren weitabgelegene Stiftung des Markgraf en Otakar wird beinahe ein von ernstzunehmen­ den Künstlern belebter "Hof", der den Ruf von Admont,St. Lambrecht und Seckau über­ strahlt. Eine lange Liste von Namen wie Andreas Straßgietl, Matthias Zisser, Gabriel Niedermayr, Franz Caspar, Servilian Haas, Karl Ritsch, Jakob Seer, Josef Grafienstein etc. könnte aufgezählt werden, die Vorau damals jenen Glanz verliehen, der noch heute erstrahlt. Nicht zuletzt muß noch der Name des Stiftsmalers Johann Cyriak Hackhafer (1685-1731) genannt werden, zählt er doch zu den bedeutendsten Freskanten der Stei­ ermark. Als Hofmaler des Stiftes schuf er zwischen 1708 und 1731 eine Fülle von Kunst­ werken, von denen die Sakristei als sein Meisterwerk gelten darf. Auf den Wänden der Sakristei erscheinen in einfachen illusionistischen Rahmungen Szenen aus dem Leiden Christi, die wohl kaum von der Hand Hackhofers, sondern unter seiner Anleitung eher von seinen Schülern stammen: "Fußwaschung", "Letztes Abend­ mahl","Jesus am Ölberg","Geißelung","Dornenkrönung","Jesus trägt das Kreuz"und "Kreuzigung". Einen verbindenden ruhigen Sockel für diese Darstellungen schafft die kunstvoll verzierte Vertäfelung aus Nußholz mit zart gravierten Zinneinlagen (1716). Der Darstellung der Leiden Christi auf Erden (Passionsszenen an den Wandfeldern) steht an der Decke die Verherrlichung Christi beim Jüngsten Gericht gegenüber (Taf. 6).

454 Ferdinand Hutz


In der Mitte des östlichen, stark belichteten Deckenteiles thront Christus auf dem Regenbogen, der sich über einen ausgedehnten, kreisrunden Leerraum wölbt. Um diesen von einem Kranze golde­ ner Wolken abgesteckten Frei­ raum schließt sich der Kreis der streng radial angeordneten Schar der Heiligen des Alten und des Neuen Bundes sowie anbetender Engel. Je weiter sich das Auge die Decke entlang zur Westwand wendet, umso mehr verliert der Raum an natürlicher Helligkeit. Engel tragen die Leidenswerk­ zeuge Christi und das Kreuz, das wie ein Pfeil zur westlichen Wand weist, und grelle Blitze zucken aus finsteren Gewitterwolken, die an der Westwand in das in eine rät­ lichbraune Dämmerung getauch­ te Bild des "Höllenshuzes" über­ gehen. Dieses wohl bekannteste Werk Hackhafers zeigt umgeben von Flammen, teuflischen Gestal­ ten und anderen höllischen Unge­ heuern den Sturz personifizierter menschlicher Laster wie Geiz, Abb. 15: Das von J. C. Hackhafer bemalte Gartenhaus im Unzucht, Unmäßigkeit, Hoch­ Lindenhain,1721 mut, Trunksucht, Verleumdung etc. Sicherlich war Stein! dem kunstsinnigen Propst Philipp Leisl bei der Auswahl der Freskenmaler für die Aus­ schmückung der Kirche behilflich. Erstmals in der Steiermark wurde in dieser Kirche ab 1700 eine Freskenausschmückung sämtlicher Wände und Gewölbe ohne Felderstuck angewandt. Das umfassende Programm dieses überreichen Freskenschmuckes ver­ herrlicht in drei einander ergänzenden Themenkreisen Jesus Christus als Erlöser der Welt und verdankt vier Künstlern seine Ausführung: Karl Ritsch, Josef Graffenstein, Johann Kaspar Waginger und Karl Unterhuber. Es würde nicht überraschen, wenn Propst Leis!den KünstlerSteinlauch mit der archi­ tektonischen Neugestaltung des noch immer unfertigen Stiftskomplexes betraut hätte. Von der Prälatur war ja erst der Osttrakt aufgemauert. Tatsächlich existiert im Stiftsarchiv von Vorau ein Stich der ganzen Anlage, der Steinl als Erfinder angibt. Er zeigt eine im Sinne des Spätbarock völlig zentrierte Anlage mit der Kirche als Mittelachse, an ihrer Südseite die Klausur, im Norden die gleichgestaltete neue Prälatur und vor der barocki­ sierten Westfront der Kirche die mit ihr einen inneren Vorhofbildende alte Prälatur. Die langgestreckten Vorgebäude mit dem äußeren Torturm lagen parallel zu diesem Kom­ plex und umschlossen den großen äußeren Vorhof. Doch blieb dieser Stich ein Ideal­ entwurf, der nicht zur Ausführung kam. Propst Leisls Nachfolger Graf von Webersberg (1717-1736) ließ das Prälaturgebäude von den Vorauer Baumeistern M. Zisser und A. Straßgietl fertigstellenund bezog in des­ sen Westtrakt seine Wohnung. Man hielt sich dabei an die Größe und Bauweise der Klau­ sur mit dreigeschossigen Pfeilerarkaden im Hof und einem geräumigen sechseckigen Eckturm. Das alte Prälaturgebäude aber ließ Webersberg abreißen. Auch eine Begradi­ gung der Vorbauten erfolgte nicht mehr. Jedoch betrieb Webersberg die Ausgestaltung der Bibliothek des neuen Prälaturtraktes (Taf. 3a). Sie reicht mit einer Länge von27m über zwei Stockwerke und beherbergt heute 18.500 Bände. Vorauer Tischler fertigten die mit reichen Rocailleschnitzereien verzierten Schränke. Außerdem schmücken Malereien und zarter Stuck die Wände und Decken. Auch einige Zimmer und Gänge in der Prälatur und die gesamte Hoffront von Prälatur und Klausur wurden mit einer dezen­ ten Stuckverzierung aus "Bandlwerk"-Arrangements versehen. So bot sich der breitge­ lagerte Stiftkomplex nun endgültig in jener Ganzheit dar- spätere Bauten sind kaum erwähnenswert- wie sie dem Gestaltdenken des 18. Jahrhunderts entsprach und auch bei den anderen zahlreichen Klöstern Süddeutschlands und Österreichs angestrebt wurde: in symmetrischer Gleichgewichtigkeit um eine Mitte, in straffer Zusammenfas­ sung der Baukörper als Sinnbild einer wohlgeordneten Welt, die sich wiederum alsSpie­ gelung jener höheren gottgewollten Ordnung versteht.

Bibliothek

Der im Nordtrakt des Prälaturhofes untergebrachte, freskengeschmückte 27m lange und zwei Stockwerke hohe Bibliothekssaal zählt zu den attraktivsten Sehenswürdig­keiten für die Stiftsbesucher. Die Bibliothek besitzt 415 Handschriften, die seit dem Ankauf eines Handschriftenfragmentes im Jahr 1990 nun bis ins 9. Jahrhundert zurückreichen, 206 Inkunabeln und etwa 40.000 Drucke (ab 1500).

Von den 415 Handschriften sind nach dem Vorauer Handschriftenkatalog vier Fünf­tel mittelalterliche: eine fällt in das 9., zwei fallen in das 11., 40 ins 12., über 70 ins 13., über 50 ins 14., über 170 ins 15. Jahrhundert. Auch sind die mit Miniaturen versehenen Handschriften in der Minderzahl gegen jene, welche nur Initialen aufzuweisen haben. Das älteste Bücherverzeichnis entstand um das Jahr 1200 und ist in der Handschrift 17 (fol. 183 v) zu finden. Knapp vier Jahrzehnte nach der Klostergründung besaß das Stift rund ein halbes Hundert Bücher. Dazu kommen noch die privaten Bücher der Chorherren und die Handbibliothek des Propstes. In dem erwähnten Verzeichnis dominieren liturgische, biblische und theologische Bücher, Behelfe für die Seelsorge und das klösterliche Leben, Lebensbeschreibungen von Heiligen, aber auch offensichtliche Lernbehelfe wie Ovid, Cato und Boetius sind vertreten.

Beim großen Stiftsbrand im Jahre 1237 wurde die ganze romanische Anlage des Klo­sters ein Raub der Flammen. Der damalige Propst Bernhard II. (1235-1237) stürzte sich in die schon brennende Sakristei und warf Urkunden, Kodizes und andere Schätze durch das Sakristeifenster ins Freie. Er übersah in seinem Eifer, dass er von den Flammen ein­geschlossen wurde, und kam im Feuer um. Von den geretteten Handschriften nimmt der unter dem Namen "Vorauer Hand­schrift" bekannte Sammelband aus dem 12. Jahrhundert (Cod. 276) den ersten Platz ein. Es handelt sich um die älteste Sammelhandschrift deutscher Dichtungen, zusammen­gebunden mit den lateinischen "Gesta Friderici" Ottos von Freising. Der umfangreichere deutsche Teil der Handschrift bringt mit der Kaiserchronik die erste Weltchronik in deut­scher Sprache. Die Dichtung beginnt mit der Gründung Roms und wird dann in zwei Teilen zur biographischen Darstellung der Geschichte der römischen Kaiser von Caesar bis Konstantin VI. und der mittelalterlichen Kaiser von Karl dem Großen bis Konrad III. Mit der Kreuzpredigt des hl. Bernhard von Clairvaux bricht das Werk Ende 1146 ab. Im Anschluss an die 19.000 Verse umfassende Kaiserchronik und das Alexanderlied des Pfarrer Lamprecht bringt der Kodex zahlreiche Dichtungen geistlichen Inhalts aus der Zeit von 1050 bis 1150, darunter die Vorauer Genesis, die Vorauer Sündenklage, die Gedich­te der Frau Ava.

Im Vergleich zu anderen bedeutenden Klosterbibliotheken Österreichs besitzt Vorau eine erstaunlich große Zahl an mittelalterlichen Handschriften und Textfragmenten in deutscher Sprache. Erstaunlich deshalb, weil bis tief in die Neuzeit hinein das religiöse und wissenschaftliche Schrifttum die tragenden Säulen einer klösterlichen Bücher­sammlung der lateinischen Sprache vorbehalten sind. Bei den "Textus germanici" und den "Poemata ger­manica (Fank, Catalogus, 1936, 249 u. 269) findet der Germanist, was ihn besonders angeht: Das "Büchlein von der Liebhabung Gottes" (Cod. 155 u. 163), das Gedicht "Frewt euch liebe Seelen" (Cod. 6), die Nibelungenbruch­stücke aus Cod. 138 etc. Cod. 118 A ent­hält die 1877 von Schönbach veröffentlichten Wigaloisfragmente und Cod. 178 des Zister­ziensers Andreas Kurzmann deutsche Übersetzung des "Speculum humanae salvationis". Nicht unerwähnt bleiben darf in die­sem Zusammen­hang die "Vorauer Novelle" (Cod. 412). Diese Erzählung handelt von zwei Jünglingen, die aus den bergenden Klostermauern aus­brechen, sich der schwarzen Kunst verschreiben und fortan ein Sündenle­ben führen. Während der eine beim Herannahen seines Todes verstockt bleibt, will der andere Buße tun. Er bit­tet deshalb den unbelehr­baren Freund, er möge ihm nach dem Tod erscheinen und von seinen Erlebnissen im Jenseits berichten­ - eine erste Gestaltung des "Faust"-Stoffes?

Zahlreiche der frühen Handschriften sind her­kunftsmäßig nach Seckau zu verweisen, von wo aus die Besiedlung der neuen Stiftung teilweise erfolgte. Die Handschriften sind überhaupt reich an Eintra­gungen und Hinweisen, die das Anwachsen der Sammlung erkennen las­sen. Man kann allerdings, wenn auch gelegentlich vereinzelte Stücke angefer­tigt worden sein mochten, bis ins 15. Jahrhundert für Vorau keine Schreibschule nachweisen. Die meisten Handschriften gelangten durch Kauf oder Schen­kung in die Bibliothek. Vom Markgrafen Otakar IV., dem späteren ersten Herzog der Steiermark und Sohn des Stiftsgründers, rührt ein Psalterium (Cod. 261) her. Durch das Vermächt­nis des Pfarrers Ulrich von Hartberg kamen Ende des 12. Jahrhunderts die Handschrif­ten 4 (2 Bde.) und 341 in die Bibliothek, und der Priester Wernher von Lind bei Zeltweg gab das Missale Cod. 21. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts waren die Pröpste Bernhard III. (1267-1282) und Konrad II. (1282-1300) besonders an der Vermehrung der Bibliothek interessiert. Beide Pröpste waren vor ihrer Berufung Domherren in Salzburg und brachten einzelne Handschriften von dort mit und ließen andere in Salzburg herstellen.

"Multos comparavit libros et scribi fecit" berichtet der Biograph Konrads. Um 1300 legte der Kustos und spätere Propst Dietrich in Cod. 342 abermals ein Inventar des Kirchen­schatzes und der Bücher an. Sicher handelte er dabei im Einvernehmen mit dem Propst, der bald danach resignierte. Vergleichen wir die beiden Verzeichnisse, so erkennen wir eine Zunahme um etwa 60 Handschriften, wobei noch zu berücksichtigen bleibt, dass der 1200 ausgewiesene Bestand durch den Stiftsbrand im Jahre 1237 sicherlich dezimiert worden ist. Noch heute trägt Cod. 274 deutliche Brandspuren. "Diese großen Initialen der Paulusbriefe,die uns die reiche Variationsfähigkeit der ornamentalen Ausstattung eines und des­selben Buchstabens durch einen hervorragenden Ornamentkünstler vor Augen führen, gehören zu dem trefflichsten, was die Vorauer Bibliothek an Initialornamentik zu bieten vermag" (Paul Buberl). Übertroffen aber wird die Ausstattung der Paulusbriefe von den herrlichen Evangelistenbildern des "Vorauer Evangeliars", das dem letzten Viertel des 12. Jahr­hunderts angehört (Cod. 346). Diese Kostbarkeit steht als einzige aller Handschriften noch heute in Verwendung: sie dient den Vorauer Klerikern bei der Ablegung der Gelüb­de, wenn sie die Schwurfinger auf den Johannesprolog legen. Ein Salzburger Missale (Cod. 332) vermachte Ende des 13. Jahrhunderts Pfarrer Konrad von Birkfeld dem Stift, und dem Pfarrer Heinrich von Wenigzell ist die Handschrift 174 zu verdanken. Im Jahr 1332 vollendete der Vorauer Chorherr Gottfried das von ihm verfasste "Lumen animae" (Cod. 130).

Nach den Vermerken lassen sich nur wenige Erwerbungen des 14. Jahrhun­derts feststellen, umso zahlreicher und vielfältiger werden diese Nachrichten im 15. Jahr­hundert. Unter Propst Andreas von Pranpeck (1433-1453) wurde die Bibliothek durch Kauf und Anfertigung besonders liturgischer Handschriften bereichert. Drei Handschriften (Cod. 1,3,7) die Erhard Grutsch de Marchegg, Kaplan in Hainburg, dem Stift St. Doro­thea in Wien vermacht hatte, kaufte der Propst im Jahre 1446. Es gelang ihm weiters, eine Schreib- und Buchmalschule ins Leben zu rufen, deren künstlerisch bedeutendsten Leistungen die Handschriften 254, 255 und 260 darstellen. Mit seinem Namen bleibt auch das kunsthistorische Hauptstück aus dem 14. Jahrhundert, das vierbändige Riesenanti­phonar (Cod. 259) verbunden, das eine der interessantesten Odysseen in der Vorauer Buchgeschichte aufweist (Taf. 4). Dieses gewichtige Stück im Sinne des Wortes (jeder Band ist 59 cm hoch, 16 cm dick und wiegt 22 kg) wurde 1363 im Kloster Vysehrad bei Prag geschrieben. Als das Kloster in den Hussitenkriegen zerstört wurde, kam die Hand­schrift nach Wien, wo sie auf dem Jahrmarkt zum Kauf angeboten wurde. Dort erwarb Propst Andreas um 1435 um billiges Geld dieses Riesenwerk und brachte es unter vie­len Mühen nach Vorau. Nach Jahren wollten die Vorauer Chorherren das Werk den ursprünglichen Besitzern zurückerstatten,doch ließen diese durch einen Boten erklären, dass sie es im Stift belassen. Nun schritt man in Vorau zu einer Umarbeitung des Textes, um ihn für die Benützung am Ort brauchbar zu machen, gehörte doch Vorau zur Salz­burger Erzdiözese. An diesem Verbesserungswerk, das zwei Jahre (1496--1498) in Anspruch nahm und ein Unikum darstellt, beteiligten sich mehrere Chorherren. Viele Seiten wurden herausgenommen, dafür andere eingefügt, Initialen herausgeschnitten und auf neu beschriebene Blätter geklebt, vieles sorgsam ausradiert und neu über­schrieben.

Einige Handschriften (134, 366, 367, 145) gelangten durch Wolfgang Voitländer in die Bibliothek und Pfarrer Petrus Pranpek aus Böheimkirchen hinterließ die Handschriften 152, 176 und 282. Vorbesitzer der Handschriften 59, 138, 150 und 131 war Caspar Flew­ger, der uns in Cod. 150 das Verzeichnis seiner Büchersammlung hinterlassen hat. Die angeführten Stücke kamen durch den Odenburger Kaplan Johann Nef nach Vorau. Eine Reihe von Handschriften spendete Leonardus Frisching vel Rasoris de Leoben im Jahre 1476 (Cod. 112, 127, 199, 221, 250, 306, 313, 362, 373).

Der Nachfolger von Propst Andreas, Leonhard von Horn (1453-1493), hatte das Inter­esse seines Vorgängers an Buch und Wissenschaft übernommen; unter ihm wurden ungefähr 50 Kodizes geschrieben bzw. gekauft. Über die damals entstandenen Werke urteilt Paul Buberl: "Die Arbeiten der Vorauer Illuminierschule des 15. Jahrhunderts werden in einer zusammenfassenden Geschichte der Österreichischen Miniaturmalerei des 15. Jahrhunderts einen ehrenvollen Platz einnehmen." In diese Zeit fällt auch die im Jahre 1467 fertiggestell­te Vorauer Volksbibel, die mit ihren insgesamt 559 Miniaturen nicht nur die mit Abstand reichst bebilderte Vorauer Handschrift, sondern im Vergleich mit den noch rund 100 erhaltenen deutschsprachigen Historienbibeln mit dieser gewaltigen Fülle von Bildern die am umfangreichsten ausgestattete ist und als ein hervorragendes Beispiel der urwüchsig fri­schen, volkstümlichen Illustrationskunst Beachtung verdient. Nicht unerwähnt bleiben mögen in diesem Zusammenhang die zahlreichen, vom Vorauer Buchbinder Jacobus in den Jahren 1474 bis 1478 angefertigten gotischen Blindstempeleinbände. An fremden Handschriften besitzt Vorau nur zwei, die beide dem 14. Jahrhundert angehören: eine italienische Dekretalenhandschrift mit hübschen kleinen Miniaturen (Cod. 153) und eine französische Bibel (Cod. 59).

Die revolutionären Folgen der Erfindung des Buchdruckes schränkten die Herstel­lung von Handschriften auf ein Minimum ein, ja waren vielfach sogar der Anlass, bereits Bestehendes zu zerstören. So manche Vorauer Handschrift ist uns nur deshalb erhalten geblieben, weil sie im 15. bis 17. Jahrhundert als Makulatur zum Neubinden von Büchern verwendet wurde, wofür viele Bände in der Stiftsbibliothek Zeugnis geben. Nicht unbe­gründet schrieb deshalb ein verständiger Bibliothekar des 17. Jahrhunderts in den Cod. 275, aus dem über 40 Folioblätter herausgeschnitten wurden: "Quid fecisti, frater idiota, quod hunc librum Decretalium glossatum ita perdideris?" Weitere Verluste erlitt die Samm­lung durch Abgänge in andere Bibliotheken: 1549 gelangten vier Handschriften durch Wolfgang Lazius in die Wiener Hofbibliothek, weitere Kodizes liegen unter anderem in Budapest, in der Handschriftensammlung der Universitätsbibliothek in Graz, im Stift Reichersberg, eine Papierhandschrift in der Studienbibliothek in Klagenfurt. Der im Laufe der Jahrhunderte stark angewachsene Bücherschatz des Stiftes machte den Neubau eines Bibliothekssaales notwendig, den man im Nordtrakt des unter Propst Franz Sebastian Graf von Webersberg (1717-1736) aufgeführten Prälaturtraktes unter­brachte. 1730 wurde mit künstlerischem Feingefühl mit der Ausstattung des 24 m langen und zwei Stockwerke hohen gewölbten Raumes begonnen. Bereits 1731 war der Handschriftenraum vollendet, der nur ein Stockwerk hoch und vom Bibliothekssaal über eine an der Westwand geschickt angebrachte Doppelwendeltreppe erreichbar ist. Die­ser Raum, in dem bis 1912 die Handschriften und Inkunabeln aufgestellt waren - aus Sicherheitsgründen hat man sie damals in einen feuer-und einsturzsicheren Raum ver­lagert - wurde von J. B. Bistoli stuckiert, von Josef Georg Mayr, einem jugendlichen Vor­auer Künstler, ausgemalt und erhielt vornehme Bücherschränke.

Der Bau des Bibliothekssaals gab Anlass zur Neuaufstellung, Nummerierung und erst­maligen Beschreibung der Handschriften durch den Bibliothekar Julius Franz Gußmann, eine Arbeit, die im Jahre 1733 abgeschlossen wurde. Durch den vom Vorauer Chorherrn Pius Fank in zehnjähriger umfassender Arbeit erstellten Handschriftenkatalog, den das Stift 1936 aus Eigenmitteln drucken ließ, ist seither der Vorauer Handschriftenbestand für alle Welt erschlossen. Seine Drucklegung ist letztlich auch die Ursache dafür, dass diese Sammlung von Manuskripten Gegenstand intensiver Forschung geworden ist.

Der Bearbeitung und Erschließung des mittelalterlichen Handschriftenschatzes sei­ner Bibliothek widmete das Stift Vorau gerade in den letzten Jahrzehnten sorgfältige Aufmerksamkeit durch die Faksimilierung mehrerer Kodizes. So wurde bereits im Jahr 1953 die in der "Vorauer Handschrift" (Cod. 276) enthaltene Kaiserchronik in Faksimi­le (gegenüber dem Original um ein Drittel verkleinert) aufgelegt, ihr folgten 1958 die deutschen Gedichte aus demselben Kodex. 1983 wurde von Ferdinand Hutz der künst­lerisch kostbarste Schmuck des "Vorauer Evangeliars" (Cod. 346), die vier ganzseitigen Evangelistenbilder und die dazugehörigen Incipit-Seiten, mit zwölf Faksimile wieder­gaben und einführendem Text allgemein zugänglich gemacht, vom gleichen Autor erschien 1986 eine Faksimilewiedergabe aller 51 Seiten des Buches Exodus aus der "Vor­auer Volksbibel" von 1467 (Cod. 273). Das große Interesse, das dieses Werk hervorge­rufen hat, bewog das Stift Vorau zur Faksimilierung der ganzen Volksbibel, die in vier Teilbänden erschien.

Wer immer aber die Vorauer Stiftsbibliothek besucht oder als Forscher Einblick in die Vorauer Handschriftensammlung nimmt, möge sich von jenem Chronogramm (1731) leiten lassen, das im Kreuzgang des Prälaturhofes über dem mächtigen Portal des Biblio­thekseinganges angebracht ist: "IngreDere absqVe MorIs, pLaCltls Laetaberis horIs. Vt sapIens fIas saepIVs Ito VIas".

Archiv

Über die Frühzeit des Archives ist so gut wie nichts bekannt. Sein Bestand reicht zwar auch jetzt noch bis in die Gründungszeit zurück, also über mehr als acht Jahrhunderte, doch sind zahlreiche wertvolle Archivalien bei Bränden und verschiedenen Unglücks­fällen zugrunde gegangen. Dem großen Stiftsbrand von 1237 folgte das Brandunglück von 1384, dem der größ­te Teil der Prälatur zum Opfer fiel. 1584, ein Jahr vor dem Tod des Propstes Oswald Rei­benstain, brach in der Prälatur neuerlich Feuer aus, das wiederum wertvolle Urkunden und Akten vernichtete. Sein Nachfolger Zacharias Haiden ersuchte den Salzburger Erz­bischof im März 1588 um eine neuerliche Bestätigung der Privilegien, da "dieselben Pri­vilegia aber vor etlichen Jaren in ainer Prunst undergangen".

Auch der Neubau der Prälatur 1727 und die drohende Aufhebung des Stiftes unter Joseph II. 1782 bis 1784 setzten dem stiftischen Aktenbestand arg zu. Als nämlich die Aufhebung des Stiftes schon sicher zu sein schien, vernichtete Propst Taufferer alle Akten des Archives, nachdem schon 1765 ein paar Kisten "mit alten Schriften" nach Wien abgeliefert worden waren. Nur die Hand­schriften und Urkunden des Archives,die Taufferer schön geordnet hatte, entgingen der Vernichtung.

Das Kriegsjahr 1945 fügte auch der Urkundensammlung einen schmerzlichen Verlust zu. Alle Urkunden waren seit der Neuordnung des Archives im Jahr 1924 durch Pius Fank in speziell angefertigten, tragbaren und verschließbaren Urkundenkästen aus Holz sorgfältig unterge­bracht. Die SS, die damals das Stift besetzt hielt, schaffte im April 1945 alle Urkun­denkästen aus Sicherheitsgründen nach Birkfeld, wo sie im Schlosshof von Birkenstein vor den herannahenden Russen liegengelassen wurden. Als man sie nach Kriegsende wieder fand, war eine Lade samt Inhalt dem Feuer zum Opfer gefallen. Der Inhalt die­ser Lade umfasste immerhin alle 57 Stück Originalpergamenturkunden und eine Papier­kopie für den Zeitraum von 1541 bis 1599. Was für diese Zeit an Urkundentexten noch vorhanden ist, entstammt Abschriften und Kopialbüchern.

Um den Aufbau des Archives machten sich mehrere Vorauer Chorherren als Archi­vare verdient; so Aquilin Julius Caesar (gest. 1792), Franz Stierl (gest. 1835), der junge Ottokar Kernstock in den Jahren 1872 bis 1877 und besonders Augustin Rathafer (gest. 1916). Pius Fank ordnete als junger Archivar von 1920 bis 1924 provisorisch das Archiv und legte einen Katalog an. Eine Neuordnung nach den schädigenden Kriegsereignis­sen konnte Pius Fank Ende Mai 1969 zum Abschluss bringen. Dr. Ferdinand Hutz, seit 1974 als erster Laie Archivar und Bibliothekar des Stiftes Vorau, ordnete 1979 das von Propst Prosper Berger (1920-1953) angelegte sogenannte Prälaturarchiv in das Stiftsar­chiv ein,ließ zum Schutze der noch vorhandenen Urkunden für jede einzelne eine Urkun­denschachtel anfertigen und ordnete 1987/88 den umfangreichen Kernstocknachlass.

Sämtliche Archivräume wurden im Zuge des Bildungshausausbaues 1976 bis 1977 neu adaptiert und zeitgemäß unter Belassung des noch guten alten Mobiliars einge­richtet. Zum wesentlichen Archivinhalt zählen:

a) Urkunden Die rund 950 Urkunden - davon ca. 350 Originalpergamenturkunden - erstrecken sich über den Zeitraum von 1161 bis 1863, also über sieben Jahrhunderte. Die älteste aus dem Jahr 1161 ist die Gründungsurkunde der Pfarre Dechantskirchen, eine aus dem Jahr 1451 trägt die eigenhändige Unterschrift des hl. Johannes Capistran. Der Text nicht weniger, inzwischen leider verlorener Urkunden blieb erhalten in mehreren Kopialbüchern des 17. und 18. Jahrhunderts und im "Protocollum antiquissimum", das Urkundenab­schriften vom 15. bis 18. Jahrhundert enthält.

b) Akten Die große Fülle der vorhandenen Akten ist in Schubern und Laden untergebracht und durch den von Pius Fank abgefassten Katalog zeitsparend einsehbar. Sehr umfangreich ist der Aktenbestand zum Pfarrschulwesen im Dekanat Vorau und zur 1654 angekauf­ten Herrschaft Peggau (nördlich von Graz).

c) Handschriften Die vielen historischen Handschriften wie Inventare, Urbare, Zinsregister, Steuerbücher, Chroniken usw. beinhalten alle Bereiche und dokumentieren die Geschichte seit dem 15. Jahrhundert. Sehr wertvolle Quellen sind die Vorauer Zinsregister des Mittelalters (1445, 1450 und 1497), das alte Gerichtsprotokoll (ab 1604) sowie die von Augustin Ratho­fer abgefassten Chroniken, Urkunden- und Gedenkbücher.


Literatur

  • Text 1
  • Text 2

Einzelnachweise

  1. Wir haben daher aus Gottesfurcht und Liebe zu Gott im Hinblick auf unser und unserer geliebten Gattin Kunigunde Seelenheil sowie auf jenes unseres teuersten Sohnes Otakar und aller unserer Vorfahren unser Gut, Vorau genannt, kraft unserer Herr­schaftsgewalt an den Stuhl von Salzburg übergeben und mit Rat unseres Herrn Eberhard, des ehrwürdigen Erzbischofs, auf ebendem Gut nach der Regel des heiligen Augustinus lebende Ordensmänner für alle Zeiten angesiedelt.
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