Sacra.Wiki Stift Vorau

Stift Vorau

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Gründungslegende Wie viele alte Klöster hat auch Vorau seine Gründungslegende, der die bekannte Hubertuslegende zugrundeliegt. Eines Tages, während er in seinen Wäldern um Vorau jagte, da gelangte der steiri­ sche Markgraf Otakar plötzlich an eine Lichtung, in deren Mitte die erst unlängst zu Ehren des hl. Apostels Thomas geweihte Kapelle stand. Und hier zeigte sich ihm im

Dämmerschein der Nebelschwaden die Silhouette eines prächtigen Hirsches. Der Blick des Tieres schien ihn festzubannen, so daß er die gespannte Armbrust wieder langsam sinken ließ. Durch das geheimnisvoll einspinnende Nebeltreiben gewahrte Otakar zwi­ schen den weitausladenden Geweihstangen ein leuchtendes Kreuz. Ein feiner Glocken­ ton vorn Dachreiter der Thomaskapelle durchbrach die Stille und wirkte wie eine Erlö­ sung auf den an Körper und Geist erstarrten Markgrafen. Als sein Blick sich wiederum der Waldlichtung zuwandte und erneut die Gestalt des Hirschen einzufangen suchte, fanden seine durch die seltsame Erscheinung ermüdeten Augen nur noch das Blätter­ kleid und Beerengestrüpp des Waldes, durch das hindurch der Hirsch geflüchtet war. Vorau 389


Dieses Erlebnis war für Otakar ein Fingerzeig des Allmächtigen, sein Vorhaben, ein Kloster zu gründen, an dieser Stelle zu verwirklichen. Seinen Entschluß ließ er sofort urkundlich besiegeln.

Gründung

Als sechstes Kloster der Steiermark (nach Göß, Admont, St. Lambrecht, Rein und Sek­ kau) wurde Vorau in jenem abgeschiedenen Landstrich zwischen Wechsel und Masen­ berg gegründet, den nach dem Tod des Grafen Ekbert III. von Formbach-Pitten (er fiel 1158 vor Mailand) Markgraf Otakar III. von Steier erbte. Markgraf Otakar, der durch sein Erbe eine besondere Machterweiterung erhalten hatte, war nun bestrebt, die Erschließung dieser unwirtlichen und noch äußerst dünn besiedelten Landstriche vor­ wärtszutreiben. Deshalb übergab er seinen Eigenbesitz um Vorau (predium nostrum Vo­ rowe dictum) dem Erzbischof von Salzburg, damit hier ein Kloster der regulierten Chor­ herren des hl. Augustinerrichtet werde. Die im Jahr 1163 erfolgte Gründung fällt in die Zeit der Blüte der Augustiner-Chorherren in der weitausgedehnten alten Salzburger Kir­ chenprovinz. Um seinem Wunsche auch Rechtskraft zu verleihen, rief Markgraf Otakar wohl im Spätherbst des Jahres 1163 zu Fischau am Steinfeld (Niederösterreich), dem damaligen geistigen und weltlichen Vorort für unsere Landschaft, eine größere Anzahl geistlicher und weltlicher Herren zusammen, tat ihnen nochmals seinen Willen kund, legte ihn in einer Urkunde fest, ließ die anwesenden Zeugen namentlich beisetzen und besiegelte die Urkunde mit seinem ReitersiegeL Die Gründungsurkunde gibt die Grenzen des Stiftungsgutes an, woraus wir sehen können, daß es sich größtenteils um noch ungerodetes Waldland handelte. Weiters befreite in dieser Urkunde der Gründer das Stift von allen Abgaben. Trotz des VorHe­ gens der Gründungsmkunde ist die Gründungsgeschichte von Vorau in ein gewisses Dunkel gehüllt, fehlt doch das genaue Ausstellungsdatum. Es steht aber fest, daß die Urkunde nach der Geburt Markgraf Otakars IV., also nach dem 19. August, sicher jedoch einige Zeit vor der Pfarrerhebungsurkunde von Mönichwald ausgestellt wurde. Im nahe­ gelegenen Mönichwald, einer Schenkung des Grafen Ekbert von Formbach an die Bene­ diktiner der Abtei Formbach am Inn, die nördlich vorn Wechsel-Semrnering zu Glogg­ nitz ein Priorat besaßen, weihte Erzbischof Eberhard arn 17. Dezember 1163 in Anwe­ senheit zahlreicher hochrangiger Zeugen ein zu Ehren des hl. Petrus erbautes Gottes­ haus, erhob es zur Pfarrkirche und bestimmte die Grenzen der Pfarre. Unmittelbar danach muß Erzbischof Eberhard von Mönichwald weggezogen und unverzüglich auf den besten Verbindungswegen nach Friesach gereist sein, stellte er doch dort schon am 20. Dezember neue Urkunden aus. Die Gründungsurkunde des Stif­ tes Vorau ist also wahrscheinlich im September oder Oktober 1163 ausgestellt worden, während der eigentliche Gründ ungsakt, auf den in der Urkunde Bezug genommen wird, in Vorau zeitlich vorher stattgefunden haben muß. Nichts weist darauf hin, daß die Akte von Fischau und Mönichwald hintereinander stattgefunden haben, ja die völlig ande- 390


renZeugen in diesen beiden Urkunden sprechen sogar dagegen. Weil eine Kloster­ gründung aber umfangreicher Vorarbeiten, Erhebungen und Genehmigungen bedurf­ te, dürften die notwendigen Maßnahmen bereits ein. ge vor den Zeitpunkt der Geburt des Sohnes, die in der Oberlieferung als Anlaß der Stifts­ gründung angesehen wird. Auch der Text der Urkunde spricht dafür, daß Markgraf Otakar III. schon vor der Zusammenkunft in Fischau Unterhandlungen mit Erzbischof Eberhard I. geführt hatte: Wir haben daher aus Gottesfurcht und Liebe zu Gott im Hinblick auf unser und unserer geliebten Gattin Kunigunde Seelenheil sowie auf jenes unseres teuersten Sohnes Otakar und aller unserer Vorfahren unser Gut, Vorau genannt , kraft unserer Herr­ schaftsgewalt an den Stuhl von Salzburg übergeben und mit Rat unseres Herrn Eberhard, des ehrwürdigen Erzbischofs, auf ebendem Gut nach der Regel des heiligen Augustinus lebende Ordensmänner für alle Zeiten angesiedelt. Als Anstoß zur Gründung des Chorherrenstiftes Vorau können letztendlich mehrere Aspekte in Betracht gezogen werden: 1.) Die bisherige Literatur sieht in Bischof Roman I. von Gurk, den Vertreter des Erz­ bischofs von Salzburg, einen der Hauptakteure bei der Gründung des Stiftes. Roman, seit 1131 Bischof von Gurk, war seit 1138 bis zum Tode Erzbischof Konrads 1147 der eigentliche Regent der Metropolitankirche von Salzburg und auch der vertrauteste Rat­ geber und die leitende Persönlichkeit der Erzdiözese unter dem neuen Erzbischof Eber­ hard I. Er hat nicht nur 1149 das erste Kirchiein St. Thomas im Wald in Vorau geweiht, sein Name wird auch in der Gründungsurkunde, die Markgraf Otakar in Fischau aus­ stellte, ausdrücklich hervorgehoben, denn er war damals der einzige anwesende Kir­ chenfürst. Bischof Roman kannte ja die Gegend und hat den abgelegenen Gebirgskessel wohl für eine Stiftsgründung als besonders geeignet befunden. Auch daß hier ein Chorher­ renstift gegründet wurde, dürfte in erster Linie auf Bischof Roman zurückgehen, denn neben den Zisterziensern waren die Chorherren damals der modernste Orden der Zeit, der sich gerade in einem mächtigen Aufschwung befand. Auch Erzbischof Konrad ließ sich von der Idee des Propstes Gerhoch von Reichersberg, alle Priester zu Mönchen zu machen, begeistern und begann mit seinen in Salzburg residierenden Klerikern das gemeinsame Leben nach der Regel des großen Kirchenlehrers Augustinus mit einem Dompropst an der Spitze. Er führte die Augustinerregel auch bei der Geistlichkeit der Maria Saaler Kirche ein, und der erste Chorherrenpropst dieser Kirche, schon ab 1124 urkundlich nachweisbar, war Roman, der später als Bischof von Gurk ebenfalls von einem Chorherrenkapitel umgeben war. Roman weihte 1132 zusammen mit Erzbischof Konrad das Chorherrenstift Chiemsee, 1133 im erzbischöflichen Auftrag das Chorherrenstift Aue in Bayern, beide wohnten im Februar 1136 der Einweihung des Chorherrenstiftes Klosterneuburg bei, in Gegenwart Erzbischof Konrads konsekrierte Bischof Roman 1138 das Nonnenkloster in Reichers­ berg, im selben Jahr das regulierte Chorherrenstift Beyharting in Bayern, und 1140 war er bei der Gründung des Chorherrenstiftes Seckau anwesend, die ebenfalls auf seinen

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Rat hin erfolgt ist. Die Gründung dieses Chorherrenstiftes erfolgte zuerst in St. Marein, mußte aber drei Jahre später, weil der Ort an einer Durchzugsstraße lag und nicht die nötige Ruhe für ein religiöses Leben bot, nach Seckau verlegt werden. Roman, auf des­ sen Rat hin 1161 auch Dechantskirehen zur Pfarre erhoben wurde, dürfte sich diesen Fehlschlag zu Herzen genommen haben und für die neue Chorherrenniederlassung das abgelegene Vorau ausgesucht haben . Neben seiner Verbundenheit mit der Chorherrenidee dürfen wir aber nicht verges­sen, daß Roman auch persönliche Bindungen an diese Gegend gefesselt ha ben, denn die Erben d er Gründerin von Gurk, der hl. Hemma, G raf Wolfrad von Treffen und seine Gattin Hemma, gehörten ja seit 1141 zu den größten G rundherren d es Vora uer Gebie­ tes. Möglicherweise hat Bischof Roman, dessen Aufgabe es ja nicht war, kleine Kapel­ len zu weihen, auch deshalb 1149 das Kirchiein St. Thomas eingeweiht. 2.) Ist Bischof Roman in erster Linie als der geistige Va ter des Stiftes Vorau anzu­ sprechen, so bleibt der eigentliche Gründer Markgraf Otakar III. von Steier, der bedeu­ tendste Fürst aus dem Geschlechte der Traungauer, der in seinem kurzen, a ber taten­ reichen Leben das Land Steiermark geschaffen hat. Begünstigt durch große Erbschaften, aber auch getrieben von unbändigem Herrscherwillen hat er die damals noch lose ver­ bundenen Landschaf ten unserer Heimat verschmolzen und die Landesherrschaft begründet. Auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines Lebens vollführte er drei Klo­ stergründungen, denn neben Vora u gründete er 1160 noch das Hospital am Semmering, womit er die Semmeringstraße öff nete, und kurz vor seinem Tode die Kartause Seitz bei Gonobitz. 3.) Den letzten Anstoß zur Gründung des Stiftes Vorau gab sicherlich die Geburt des langersehnten Erben, des nachmaligen Markgrafen Otakar IV. und späteren ersten Her­ zogs der Steiermark (1180-1192), am 19. August 1163. Die Ehe Otakars III. mit Kuni­ gunde, der Tochter Dietpolds III. von Cham-Vohburg, die schon vor 1146 geschlossen worden wa r, war a lso eineinhalb Jahrzehnte kinderlos geblieben. 4.) In d er Gründu ngsurkunde wird allerdings die Geburt des Sohnes nicht erwähnt. Otakar gibt hier seiner Hoffnung Ausdruck, daß nach dem Zeugnis der Schrift durch reiche Gaben die Sünden vergeben werden, weiters Gottesfurcht und die Sorge um das Heil seiner Seele, das seiner Fra u Kunigunde und seines geliebten Sohnes Otakar sowie aller Vorfahren. Man ist daher fast geneigt, in der Gründung von Vora u eine Art Süh­ nestiftung zu sehen, wasangesichtsder rauhen und durchgreifenden Na tur des Mark­ grafen naheliegend erscheint. 5.) Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Aspek t für die Stiftsgründung mag in den kolonisatorischen Absichten des Markgrafen gelegen sein. Die Steiermark ist im Gegen­ satz zu Salzburg oder Oberösterreich ein junges Kolonisationsland, das eine mehr abwei­ sende als einladende Umwelt bot. Das 12. Jahrhundert jedoch brachte mit der Auswei­ tung der Kolonisation und dem Sieg der kirchlichen Reformbewegung eine Hochblüte der KJostergründungen. Erzbischof Konrad I. bediente sich bei seinem Erneuerungs­ werk vor allem der Chorherren, die zum Unterschied von den Mönchen a uch in der See!- 392


sorge tätig waren. Eine Stiftsgründung brachte auch Siedler, die die Erschließung die­ ses unwirtlichen Landstriches der nördlichen Oststeiermark vorwärtstrieben,Siedler die für das ihnen zugewiesene Land Zinse und Abgaben zu entrichten hatten,die auf Umwe­ genwiederum dem Landesfürsten zugute kamen. Nur ein besiedeltes Land brachte Ein­ nahmen. 6.) Vielleicht liegen der Stiftsgründung auch verteidigungsstrategische Aspekte zugrunde. Dem nach Osten offenen, dem Alpenwall vorgelagerten Land der östlichen Steiermark wurde durch die Geschichte ein Schicksal besonderer Härte auferlegt, da es als Glacis der Alpen zum Tummelplatz aller Völker wurde, die von Osten in den mittel­ europäischen Raum vorstießen. Die gegen Einfälle der Magyaren errichtete Mark fand ihre Nahtstelle zum Osten schließlich in einer nordsüdlich verlaufenden Grenzlinie, die infolge Fehlens von natürlichen, geographischen Hindernissen umfangreicher Grenzsi­ cherung bedurfte. So wurde ein von Nord nach Süd verlaufender Burgengürtel ange­ legt, in dessen langer Kette vielleicht auch das Stift Vorau bei seiner Gründung als ein Glied miteingeplant war. Das im Laufe der Jahrhunderte zu einer starken Festung um­ und ausgebaute Stift bot seit seiner Gründung bis in die Zeit der Türken- und Kuruz­ zenstürme im 18. Jahrhundert der ständig bedrängten Grenzbevölkerung bei Einfällen kriegerischer Horden eine letzte und willkommene Zufluchtsstätte.

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