Sacra.Wiki Stift St. Andrä an der Traisen

Stift St. Andrä an der Traisen

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Stift St. Andrä, Kupferstich (1672) Georg Matthäus Vischer, Topographia archiducatus Austriae inferioris modernae. 1672; online unter: https://www.digitale-sammlungen.de/en/view/bsb10804602?page=142,143

Geschichtlicher Überblick

Die Klostergründung

Vermutlich seit Ende des 10. Jahrhunderts war das Geschlecht der Edlen von Traisen in Niederösterreich ansässig. Ob sie von dem führenden Adelsgeschlecht der Aribonen in Kärnten und Bayern direkt abstammen, ist nicht eindeutig geklärt, allerdings lässt sich ein Erbgang von den Aribonen an die Edlen von Traisen nachweisen. Urkundlich bestätigt ist jedenfalls, dass der Edle Hartnid, der Vater von Walther und Adalram (Gründer des Augustiner-Chorherrenstiftes von Feistritz-Seckau 1140) um 1070 Vogt des Benediktinerinnenklosters Göss war.

Als Walther um 1148 ehe- und kinderlos starb, widmete er einen Großteil seines Besitzes der Kirche, auf dass hier an seinem Wohnsitz, wahrscheinlich eine burgenähnliche Behausung, ein Kloster für Augustiner-Chorherren entstünde. Zu seinem Testamentsvollstrecker setzte er Otto von Rechberg und Lengbach ein, aus einer Familie, zu der vermutlich eine Verwandtschaftsbeziehung bestand. Bischof Konrad von Passau zögerte mit der Stiftung, da er eine Zusammenlegung mit dem Kloster zu St. Georgen, das von Hochwasser und Seuchen bedroht war, beabsichtigte. Otto von Rechberg widersetzte sich jedoch den Passauerischen Plänen. Unterdessen muss allerdings seit etwa 1150 bereits eine Klostergemeinschaft bestanden haben: "duo [...] beati Georigii et Andree apostoli cenobia cum omnibus utriusque fratribus..."

Erst 1160, zwölf Jahre nach dem Tod des Stifters, stellte Bischof Konrad die Bestätigungsurkunde aus. Wie sehr man in Passau eine Zusammenlegung der beiden Klöster angestrebt hatte, wird in einer (in Passau) gefälschten Papsturkunde aus 1150 deutlich, in der Papst Eugen III. sein Einverständnis dazu gibt. Um aber ganz sicher zu gehen, wandte sich Otto von Rechberg, dessen Familie noch die Vogteirechte besaß, mit Hilfe des Propstes Mercardus (Marquart) an den Papst, übereignete ihm den Besitz des Stifters Walther von Traisen, und stellte ihn gegen einen jährlichen Zins unter den Schutz des päpstlichen Stuhls.

Die Frage, ob das Kloster St. Andrä bereits eine Gründung Kaiser Ottos III. sei, wie vor allem Propst Erath es wahrhaben wollte, lässt sich mehrfach verneinen. Die Interpolation in dem Diplom von 998, April 29, Rom, lautet "... et Traysme clausuram habeat ..." und ist sehr wahrscheinlich zwischen 1492 und 1500 erfolgt. Andreas von Meiller hat 1870 die Urkunde eingesehen und den Zusatz als Fälschung bestätigt. Im ältesten Nekrolog von St. Andrä scheint der Sterbetag von Kaiser Otto III. nicht auf, wohl aber der von Walther am 29. September. Zum Zeitpunkt der Verfälschung befand sich nämlich der Nekrolog nicht mehr in Stiftsbesitz, sodass nichts nachgetragen oder verändert werden konnte. Es gab auch in der mittelalterlichen Kirche ("...in Monasterio Sancti Andree in choro...") eine Grabplatte mit folgender Inschrift: "Hec nostri Fundatoris tenet ossa [...] Dictus erat Walther."

Zunächst bestand der Grundbesitz des Stiftes nur aus den ehemaligen Gütern Walthers in St. Andrä selbst und dessen unmittelbarer Umgebung, nämlich Baumgarten, Hasendorf, Moos und Waltendorf. Wenn auch in der Folgezeit ein bedeutender Zuwachs des Besitzstandes, vor allem aus dem Erbe des Testamentvollstreckers Otto von Rechberg und Lengbach und seiner Familie, verzeichnet werden konnte - die Güter lagen nun auch in weiter entfernten Gebieten wie am Fuß des Jauerling -, so blieb die wirtschaftliche Entwicklung der Kanonie doch stets in bescheidenen Grenzen. Selbst im 17. Jahrhundert, als das Kloster seine größte Blütezeit erlebte, rechnete man anlässlich der durch die Türkenkriege notwendigen Steuerforderungen des Hofes das Stift an der Traisen zu den weniger leistungsfähigen Kanonien Österreichs.

Erste Blütezeit

Im 13. und 14. Jahrhundert erlebte das Kloster seine erste Blütezeit. Die Besitzungen lagen zeitweise über drei Viertel des alten Niederösterreich verstreut, allerdings mit gewissen Verdichtungen um das ursprüngliche Erbe der Stifterfamilie; ein weiterer größerer Besitzstand ist um diese Zeit südlich von St. Pölten, in der Gegend von Kilb und Kirnberg, festzustellen.

Der von tüchtigen Prälaten geförderte wirtschaftliche Aufstieg führte bald zu einer regen geistlich-karitativen und kulturellen Tätigkeit. So richteten die Konventualen ein Hospital ein und widmeten sich in einem "Siechenhaus" der Pflege gebrechlicher Menschen. Auch gehörte um diese Zeit ein Frauenkloster zum Stift, desgleichen bestand im Kloster eine Schule.

Der relative Wohlstand ermöglichte nicht nur einen großzügigen Ausbau der gesamten Anlage, sondern bildete auch die Voraussetzung für die künstlerische Ausgestaltung der im Kern romanischen Kirche. Die im südlichen Anbau des Turmes noch erkennbaren Fresken, deren Entstehung mit dem Jahr 1374 festgesetzt wurde, sind ein Zeugnis hoher Klosterkultur. Sehr bald kam es aber zu Streitigkeiten mit dem kaum zwei Kilometer entfernten Chorherrenstift Herzogenburg. Die Reibereien mit dem Nachbarn sollten bis zur Auflösung von St. Andrä nicht mehr aufhören, sodass ein späterer Chronist von einer fast ununterbrochenen gutnachbarlichen Feindschaft spricht. Es ging dabei vorwiegend um Differenzen über den Grenzverlauf an der Traisen, an deren Ufer durch Überschwemmungen immer wieder Grenzmarkierungen weggerissen wurden. Dadurch waren die Besitzrechte an bestimmten Viehweiden, Jagdgebieten und Fischwässern so strittig, dass sie bisweilen einer Klärung, sogar durch den Landesfürsten, bedurften. Besonders die Fischweiden bildeten ein ständiges und in Anbetracht der vielen in den Klöstern üblichen Fasttage erklärbares Streitobjekt. Unter den Pröpsten dieser Zeit seien besonders Gottschalk II. (1202–1215) und Siegfried (1215–1245) erwähnt, die des öfteren in Streitsachen anderer Stifte und Klöster mit kirchlichen Stellen zu Schiedsrichtern bestellt wurden - sicherlich ein Beweis des guten Rufes des Stiftes.

Niedergang in der Reformationszeit

Die weitere Vermehrung der Stiftsgüter und der Ausbau des geistlichen Lebens erfuhren im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts einen argen Rückschlag. Plünderungen und Brandschatzungen, besonders durch Soldaten des Matthias Corvinus, sowie das Eindringen der Reformation führten zum wirtschaftlichen Niedergang von St. Andrä und brachten das Kloster an den Rand der Auflösung. Zeitweise kam es zu einer Spaltung unter den Konventualen: ein Teil verweigerte den Pröpsten gänzlich den Gehorsam, ein anderer maßte sich an, eigenmächtig über die Einkünfte des Stiftes zu verfügen.

Als sehr nachteilig erwies sich auch am Beginn des 15. Jahrhunderts der Streit zwischen der Albertinischen und der Leopoldinischen Linie der Habsburger. Die Pröpste wurden als Mitglieder des Prälatenstandes in die Politik hineingezogen und waren daher oft lange Zeit von ihrem Kloster abwesend. Aufgrund dieser Ereignisse ist es kein Wunder, dass in St. Andrä viele Besitzungen verkauft werden mussten und die Verschuldung beängstigende Ausmaße annahm.

Besonders arg wirkte sich ein Feuer aus, das im Jahre 1485 das Kloster sowie den ganzen Ort in Schutt und Asche legte. Die Stiftsgebäude konnten erst durch die Hilfe des damaligen Bischofs von Seckau wieder aufgebaut werden, allerdings um den Preis, dass den Chorherren von St. Andrä ein Seckauer Konventuale, nämlich Johannes Zwickl, als Prälat vorgesetzt wurde. Das steirische Kloster hatte die finanzielle Hilfe aufgrund der historischen Tatsache geleistet, dass die Familie der Grafen von Traisen neben St. Andrä auch das Stift von Seckau gegründet hatte.

1512 erhielt Propst Wolfgang II. Unverdorben von Jägernberg die päpstliche Genehmigung, die bischöflichen Insignien, wie Mitra und Stab, zu führen. Auf einem im St. Andräer Pfarrhof aufgefundenen Teil eines Grabsteines Propst Wolfgangs kann man sehr gut das Wappen dieses ersten infulierten Propstes erkennen. Wenige Jahre später gab es eine neue Katastrophe: Türkische Heerscharen suchten 1529 auf ihren Streifzügen durch das Umland Wiens auch St. Andrä heim und richteten so arge Verwüstungen an, dass die Kirche, nur notdürftig instand gesetzt, fast 150 Jahre hindurch eine halbe Ruine blieb. Das Wüten der Türken hatte sich auch gegen einen überlebensgroßen Kruzifixus gerichtet, der über dem damaligen Hochaltar hing. Sie schlugen ihm das Haupt ab und warfen es in die Traisen. In den "Annales Andreani" wird berichtet, dass dieses eine Zeitlang flussabwärts, dann flussaufwärts zurück zur Kanonie geschwommen sei, wo man es aus dem Wasser fischen und auf einen neugeschnitzten Körper aufsetzen konnte. Dem heiligen Haupt seien daraufhin Bart und Haare gewachsen und es habe unter zahlreichen Wundern gezittert.

Auch der moralische Niedergang war unfassbar; er fand in der Person des Propstes Christoph Rein (1563–1575), dessen Lebenswandel geradezu als Paradigma der Epoche zu bezeichnen ist, seinen Tiefpunkt. Rein lebte nacheinander mit drei Konkubinen zusammen; er wurde gewalttätig und schoss sogar um sich, als ihn ein Passauer Offizial gefangennehmen wollte. Selbst die vorübergehende Ausnüchterung im Gefängnis von Greifenstein führte nicht zu seiner Besserung. Eine riesige Verschuldung des Klosters, Veruntreuung von Waisengeldern, Verwüstung der Kircheneinrichtung – all das waren die Begleiterscheinungen des Lebenswandels dieses im Jahre 1563 berufenen Propstes. Selbst von dem einzigen Konventualen, der damals im Kloster verblieben war, heißt es, er sei ein wilder, gottloser Schwärmer gewesen, der vor jedem Gottesdienst zur Stärkung "ein seitl prandtwein ausgetrunken" habe. Erst der Tod Christoph Reins und die vom Kaiser selbst veranlasste Postulierung eines gebildeten Wiener Geistlichen, Matthäus Reinfall, beendeten das unmoralische Regiment.

Zweite Blütezeit und barocke Ausbauphase

Mit dem tüchtigen Prälaten Stephan Stengelmayer (1656–1671), der aus dem Konvent der St. Pöltner Chorherren stammte, setzte wieder eine Periode des wirtschaftlichen Aufstiegs ein. Geschäftstüchtig, wie der geborene Bayer war, veranlasste er den schwachsinnigen Sohn des kaiserlichen Hofbuchhalters Leiss von Laienburg zum Eintritt in das Kloster, wobei er ihn verpflichtete, sein ganzes Vermögen dem Stift zu übertragen. Mit Hilfe dieses Geldes konnte Stengelmayer nicht nur den Besitz des Klosters und dadurch dessen Einnahmen vergrößern, sondern auch die Kirche einigermaßen renovieren und neue zweistöckige Gebäude mit Wohnungen und Vorratsräumen erbauen lassen. So bekam die Klosteranlage jenes Aussehen, das uns von dem Vischerschen Stich aus dem Jahre 1672 bekannt ist. Als Stengelmayer starb, wurde er, der aus dem schon verfallenden Kloster wieder die Stätte einer blühenden geistlichen Gemeinschaft gemacht hatte, vor dem damaligen Hochaltar der Stiftskirche begraben, und zwar neben dem Grabmal Walthers von Traisen. Auf seiner Grabplatte, die sich hinter dem heutigen Hochaltar befindet, wird er nach Otto III. und Walther als "Tertius fundator" bezeichnet.

Diese Blütezeit wurde jäh durch den Türkeneinfall des Jahres 1683 unterbrochen. Bald nach Beginn der Belagerung Wiens drangen die Streitseharen der Osmanen auch über Gutenbrunn bis St. Andrä vor. Der damalige Propst Ivo Teschenbauer (1680–1698), ein gelehrter Jurist und ehemaliger St. Pöltner Chorherr, hatte sich gerade bemüht, die unter seinem unmittelbaren Vorgänger Matthias von Blauenstein etwas gelockerte Disziplin und eine neuerliche Verschuldung abzubauen – Blauenstein hatte das Leben eines unbekümmerten Edelmannes geführt –, als seine Tätigkeit durch einen heranstürmenden Tatarentrupp unterbrochen wurde. Die "Annales Andreani" wissen darüber folgendes zu berichten:

"Nachdem die Tataren die Tore der Kanonie aufgebrochen hatten, metzelten sie alle Menschen nieder, die sie dort vorfanden. Einige Bewohner retteten sich in den Turm der Kirche. Da sie aber vergessen hatten, das Tor zu schließen, wurden sie von den Verfolgern eingeholt und in Stücke geschlagen. Reichlich floss das Blut, überall, vom höchsten Teil des Turmes zum Fußboden herab. Überall lagen die Leichen der Getöteten herum, in den Weinkellern rings um die Fässer, in der Küche und in den Werkstätten; niemand überlebte das Gemetzel, sodass die schon stinkenden Leichname lange nicht begraben werden konnten. Die Barbaren schleppten das ganze Getreide aus dem Speicher ins türkische Lager, vergossen den Wein aus den aufgebrochenen Fässern, verstreuten die Dokumente des Archivs über den Innenhof und zertraten oder zerrissen sie mit den Hufen der Pferde." (Übers. I. S.)

Auch das Grabmal des Klostergründers Walther von Traisen wurde von den Türken auf der Suche nach Schätzen völlig zerstört und eine alte Marienstatue aus dem Jahr 1360 wurde schwer beschädigt; sie ziert heute – weitgehend wiederhergestellt und barockisiert – den mittleren Altar auf der Epistelseite der Kirche. In der Chronik heißt es weiter:

"Nachdem die Türken alles in der Kanonie geplündert und zerstört hatten, legten sie das ganze Kloster in Schutt und Asche, sodass es dem verwüsteten Troja ähnlich war. Nur die Mauern und das Gewölbe der Kirche blieben stehen; dieses aber benützten die Türken als Pferdestall".

Propst Ivo flüchtete nach St. Nikola bei Passau, seine Mitbrüder fanden im Stift Melk Zuflucht. Nach dem Abzug der Türken kehrten sie per Schiff über die Donau heim. Der Anblick der ungeheuren Schäden und die drohende wirtschaftliche Not ließen den Prälaten fast verzweifeln. In seiner Bedrängnis fand er im Schutt des verwüsteten Kirchenbodens eine Silbermünze, die den Patron Andreas mit der Aufschrift "Sanctus Andreas reviviscens" zeigte. Dieser "Fingerzeig Gottes" ließ den Propst wieder Mut fassen; gemeinsam mit der überlebenden Bevölkerung schritt er an die Beseitigung der größten Schäden, versah die Ruinen mit neuen Dächern und konnte aufgrund einer überreichen Ernte sowohl Getreidespeicher als auch Weinfässer wieder auffüllen.

Nach der Katastrophe der Türkenjahre setzte unter seinem Nachfolger, Propst Augustin Erath (1698–1719), die barocke Ausbauphase ein. Erath gehörte zu den gebildetsten Männern des damaligen Klerus; er war bis zu seiner Berufung Bibliothekar des Fürstbischofs Joseph Dominicus von Lamberg von Passau gewesen. Gleich in den ersten Jahren seiner Regierung begann er mit dem Neubau der Klostergebäude, die ja nur notdürftig wiederhergerichtet worden waren. 1705 war das neue Stiftsgebäude unter Dach. In den Innenräumen des Komplexes, der den ehemaligen Kreuzgang miteinbezog, kann man heute noch die prächtigen Stuckarbeiten bewundern, mit denen der Prälat die Decken ausschmücken ließ. In den Gebäuden waren 33 Räume untergebracht, darunter die 1705 fertiggestellte, gut ausgestattete Bibliothek. Über der Prälatur, die über eine Prunkstiege zu erreichen war, gab es im zweiten Stock einen Gesellschaftsraum mit Spieltisch, Elfenbeinkugeln und Stöcken – also ein Billardzimmer. Eine alte, ehemals gotische Kapelle, die heutige Annenkapelle, wurde zur Begräbnisstätte der Pröpste umgebaut; sie beherbergt auch das Grab Augustin Eraths.

Die nächste Sorge des Propstes galt der alten, sehr verwahrlosten Kirche. Sie war in ihrer Substanz beinahe 700 Jahre alt und konnte schon lange nicht mehr den Ansprüchen des Stiftes genügen. Bereits 1702 hatte Erath mit dem Umbau des romanischen Turms begonnen, dessen Dach er abtragen und durch eine Kuppel mit dem kaiserlichen Doppeladler auf der Spitze ersetzen ließ. Allerdings reichten seine Mittel für einen Neubau der Kirche nicht aus. Er schmiedete 1711 lediglich Pläne dafür, deren Ausführung er seinem Nachfolger überließ. Dem Nachfolger Eraths, Anton von Ruckenbaum (1719–1745), dem hochgebildeten Sohn eines begüterten Wiener Ratsherrn und bisherigen Dechanten des Stiftes, fiel es nichl leicht, das Vermächtnis seines Vorgängers zu erfüllen. Erst der aufmunternde Rat seines Freundes, des großen Bauherrn Berthold Dietmayr von Melk, war für ihn ausschlaggebend, das große Werk eines Kirchenneubaus in Angriff zu nehmen. Am 3. Mai 1726 erfolgte die Grundsteinlegung, am 16. Juli 1729 wurde die neue Kirche durch den Bischof von Passau Joseph Dominik Graf Lamberg geweiht. Im Alter ging der so erfolgreiche Propst noch einer schweren Zeit entgegen. Durch Krankheit an beiden Beinen gelähmt, musste Ruckenbaum 1741 den Einfall der Franzosen und Bayern in Österreich erleben. Dabei wurde auch das Kloster von St. Andrä nicht verschont und zu einer hohen Kontributionszahlung verhalten. Da der Propst diese nicht leisten konnte, wurde er trotz seines schlechten Gesundheitszustandes als Geisel nach St. Pölten verschleppt. Erst als Gottfried Bessel, der Abt von Göttweig, helfend einsprang und die Summe erlegte, ließ man den alten, kranken Mann frei.

Anton von Ruckenbaum scheint das Wunder vollbracht zu haben, die schöne Kirche, wie sie sich uns heute noch präsentiert, ohne Verschuldung der nicht sehr reichen Kanonie zu errichten. Auf der linken Seite der Kirchenvorhalle ist seine Grabplatte angebracht, deren Inschrift besagt, Ruckenbaum habe das Gotteshaus mit großem Fleiß und ohne Belastung für das Stift von Grund auf erbaut. Der Nachfolger Ruckenbaums, Leopold Franz Nickel, regierte zwar nur fünf Jahre, doch war seine Wirtschaftsführung derart verschwenderisch – unter anderem ließ er nach dem Vorbild adeliger Schlösser eine Orangerie anlegen –, dass die von ihm hinterlassene Schuldenlast den kaiserlichen Hof veranlasste, das Stift vom Jahr 1751 an unter die Oberadministration der Herzogenburger Pröpste zu stellen. Zunächst wurde die Administration dem Herzogenburger Propst Frigdian Knecht übertragen, dann folgten die Dechanten Jakob Gruber und Joachim Gerstorffer.

Im Jahr 1751 besaß St. Andrä 335 Untertanen. Das Stift übte damals auch noch die Dorfgerichtsbarkeit aus, während die Landgerichtsbarkeit, vor allem was die Blutsgerichtsbarkeit betraf, dem Adel vorbehalten blieb. Im Jahr 1767 kam es noch einmal zu einer Prälatenwahl, gewählt wurde Gregor Grindler. Er starb am 9. April 1783 und schon am 16. August 1783 wurde die Aufhebung und Unterstellung St. Andräs unter Herzogenburg mittels Dekret angeordnet. Aufschluss über den Zustand des Klostergebäudes zur Zeit der Aufhebung geben Eintragungen in die Inventare von 1783 und 1785:

Zur Kirche:

"Diese ist zimlich gros, von guter Bauart, und durchaus gewölbt, und einer Orgel, hält in sich einen hohen, und 6 Seitenaltäre, darneben ist vorhanden eine Todenkapelle mit 1 Altar, dann in der Höhe ein klenes Altärl für den Prälaten, und einige Bilder. Auf dem Thurm nebst den Glocken eine Thurmuhr."

Zum Stiftsgebäude:

"Von zimlich gutem Baue ganz ordinair, worinn 33 mittere Zimmer mit Oefen, ein grosses Billardzimmer mit einem Ofen, eine Archivkammer, ein grosses Bibliothekzimmer (...), ein Kanzleyzimmer mit Ofen, ein Refectorium, ein grosses Tafelzimmer, ein kleines Salettel, über der Prälatur im 2ten Stock ist statt der Zimmer ein Behältniß, oder Schüttkasten für die Körner, eine Salzkammer, eine Pfisterery (...), eine Eisenkammer, zwo Mahlkammer, eine Brodkammer, eine grosse Stiftsküche nebst einem Zimmer, ein Arrest, eine Thorwärterswohnung nebst einem Nebengebäude, das alte Stift genannt von einem Stockwerke hoch, bestehend dermal in 2 grossen Behältnissen zum Früchten schütten, dann eine Weinpresse, nebst dem wohlgebauten Gartenhauß im Ziergarten, und samt dem Schulhause, und Mayerhofsgebäude, worinn die Wohnung des Beamten und der Mayerleute nebst den darbey befindlichen Stadel, Schupfen, und Stallungen wird geschätzt alles zusammen auf 1.500 fl."

Von der Aufhebung 1783 bis zur Gegenwart

Nach der Aufhebung des Stiftes St. Andrä stand das Gebäude ab dem Jahre 1795 leer. Der Pfarrer übersiedelte in den Meierhof, der noch heute als Pfarrhof dient. In den Jahren 1797 und 1801 trat die Regierung an den Propst von Herzogenburg heran mit dem Ersuchen um Überlassung des Stiftsgebäudes als Kaserne. Von 1805 bis 1809 wurde das Gebäude als Lazarett verwendet. Durch kaiserliche Entschließung vom 23. Jänner 1826 wurde das Kloster St. Andrä mit allen seinen Gülten dem Stift Herzogenburg übertragen. Im Jahre 1828 wurde das Stiftsgebäude um 8.000 Gulden an den Staat verkauft und noch im selben Jahr dem Armenfonds der Stadt Wien übergeben.

Am 1. Juli 1828 fand die Eröffnung des kaiserlich-königlichen Versorgungshauses für 300 verarmte Wiener jeden Alters und Geschlechts statt. Am 16. April 1853 brach in Folge der Unachtsamkeit eines Pfleglings im Versorgungshaus ein Brand aus. Die Flammen drangen von der Laterne in die Kuppel ein und verwüsteten den Turm vollständig. Glücklicherweise blieb die Kirche selbst fast unversehrt. Mangels finanzieller Mittel behalf man sich damals mit einer Kirchturm-Notbedachung, die bis heute unverändert ist.

Von 1924 bis 1938 gab es die Gemeinde Neu St. Andrä, die aus parteipolitischen Gründen von St. Andrä getrennt wurde und nur aus dem Versorgungshaus und einem eigenen Bürgermeister bestand. In der nationalsozialistischen Zeit kam es auch zu einer baulichen Abgrenzung des Heimes gegenüber der Kirche. Die Verwaltung ließ die Anstaltskapelle und den Kreuzgang, die im Besitz des Versorgungsheimes standen, räumen, sie wurden in der Folge als Magazin genützt. Mitte der sechziger Jahre begann eine Zeit der Modernisierung und der Erweiterung des Hauses. Die den Innenhof auf der nördlichen Seite begrenzenden alten Werkstätten wichen einem dreigeschossigen Neubau, der sich architektonisch dem Altbestand unauffällig angleicht. Aufgrund der Aufgabenstellung, vermehrt kranke alte Menschen zu betreuen, erfolgte 1974 die Änderung der Anstaltsform von einem Altersheim zu einem Pflegeheim. Am 14. Juli 1978 fand ein großer Festakt anlässlich der 150-Jahr-Feier als Heim der Stadt Wien statt. Die renovierte Kapelle wurde vom Propst des Stiftes Herzogenburg, Prälat Clemens Moritz, geweiht und damit ihrer ursprünglichen Bestimmung wieder übergeben. Seit diesem Zeitpunkt finden hier regelmäßig Gottesdienste statt. Der gleichfalls renovierte Kreuzgang entwickelte sich immer mehr zum Aufenthaltsbereich und Kommunikationszentrum für Patienten und für kirchliche Veranstaltungen.

Wirtschaftliche, rechtliche und soziale Verhältnisse

Wirtschaftliche Verhältnisse

Zu dem ursprünglichen Besitz, der im engeren Kreis um die Gründungsörtlichkeit lag und aus den Dörfern St. Andrä, Baumgarten, Hasendorf, Moos und Waltendorf bestand, kamen im Laufe des 12. Jahrhunderts weiter entfernte Güter dazu. So schenkte Otto von Rechberg und Lengbach die beiden Dörfer Trandorf und Zeiring am Jauerling, einen Meierhof in Unterstockstall mit fünf Lehen, ferner zwei Lehen in Neulengbach und einen Weingarten und Ackerland im benachbarten Walpersdorf dem Kloster. Im 13. und 14. Jahrhundert konnte der Besitz weiter vermehrt werden, und zwar durch Schenkung, Kauf und Tausch. Im Viertel unter dem Wienerwald hatte St. Andrä Weingärten bei Klosterneuburg, Höflein und St. Veit erworben. Im Viertel ober dem Wienerwald wurden die nahegelegenen Ortschaften Angern, Hameten und Unterwinden aufgekauft neben einigen Häusern in Oberwinden, Reidling, Gumperding sowie Herzogenburg. Auch kamen Besitzungen um St. Pölten dazu, wie Mamau, Kilb an der Mang, bei Pyhra, Wilhelmsburg, Kasten bei Altlengbach, Waasen bei Kirchstetten und Penzing bei Rappoltenkirchen. Im Viertel ober dem Manhartsberg kamen Besitzungen am Jauerling und im Viertel unter dem Manhartsberg solche in Unterstockstall, Amonsthal und Fels am Wagram in die Hand des Klosters. Im 17. Jahrhundert gestattete die durch die Erbschaft des Ferdinand Leiss geänderte Vermögenslage dem Stift, neue Güter zu erwerben, so die des ehemaligen Chorherrenstiftes Schrattenthal bei Retz und die Herrschaft Blumau im Waldviertel.

Rechtliche Verhältnisse

Der Besitz des Klosters stand ursprünglich unter der Vogtei Ottos von Rechberg und Lengbach. Im Jahre 1235 erlosch mit Otto V., von dem es heißt, dass er erschlagen wurde, die männliche Linie der Lengbacher. Das Vogteirecht ging in die Hand des Landesfürsten über, in dessen Vertretung später der Burggraf von Leng(en)bach erschien.

Soziale Verhältnisse

Die sozialen Verhältnisse im Stift waren sehr wechselhaft. Nach einem Verfall des Klosterlebens während der Reformation – im Jahre 1561 wird berichtet, dass nur noch zwei Konventualen, zwei Konkubinen, ein Eheweib des Propstes Benedikt und sieben Kinder anwesend waren – erholte sich der Personalstand unter den tüchtigen Barockvorstehern Erath und Ruckenbaum wieder und stieg auf zwölf Mitglieder. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde unter Gregor Grindler, dem 1772 die Spiritualadministration entzogen wurde, ein neuerlicher Tiefstand erreicht, was schließlich zur endgültigen Einverleibung St. Andräs in das Stift Herzogenburg führte.

Bau- und Kunstgeschichte

Romanische und gotische Bauphase

Den ältesten Bauteil, der allerdings nicht mehr aus der Gründungszeit stammt, sieht man, wenn man über den Friedhof zur Westseite der Kirche geht. Der dort dem Kirchenschiff in nicht gänzlich achsialer Stellung vorgesetzte Turm zeigt ein gekuppeltes Rundbogenfenster mit ornamentalem Säulenkapitell, das unzweifelhaft als romanisch erkennbar ist. Auch aus dem im Jahre 1959 von Adalbert Klaar angefertigten Baualterplan der Kirche geht hervor, dass der Baubestand des dreigeschossigen Turmes fast vollständig romanisch ist; lediglich der oberste Teil wurde um das Jahr 1702 barockisiert und mit einem Zwiebelhelm versehen, den allerdings seit 1853 – nach einem Brand – ein recht unpassender Spitzhelm ersetzt. Die Basilika von St. Andrä war ursprünglich eine romanische Westturmkirche. Da sich der Altar bis zum barocken Neubau auf der Ostseite befand, betrat man die Kirche von der Turmseite aus. Der Turm diente also – wie damals üblich – zum Schutz dieses ursprünglichen Eingangs. Die ganze Anlage erscheint als eine verkleinerte eintürmige Variante des romanischen Westwerks vom Wiener Stephansdom.

Will man die Frage nach der architektonischen Anlage des ehemaligen Langhauses beantworten, muss man davon ausgehen, dass die in gotischer Zeit vorgenommenen Umbauten meistens die romanischen Grundformen beibehielten. Augustin Erath, der Annalist aus dem 18. Jahrhundert, kannte noch das Aussehen des gotischen Gotteshauses und bestätigt dessen romanische Struktur. Er schreibt nämlich, das beinahe 700 Jahre alte Gebäude weise einen antiquierten Baustil auf; das Innere sei sehr dunkel, deshalb habe er die Bögen der zwei Seitenaltäre verbreitert und höher gesetzt, um bessere Lichtverhältnisse zu schaffen. Aus dem Vorhandensein solcher seitlicher Chorbögen ist abzuleiten, dass der Kirchenraum dreischiffig angelegt war. Die ursprüngliche Niedrigkeit dieser Bögen lässt also auf einen Weiterbestand der romanischen Anlage bis ins 18. Jahrhundert schließen. Überdies erkennt man auf dem Vischerschen Stich aus dem Jahr 1672 das niedere Dach des Seitenschiffes auf der Nordseite der Kirche.

Auf dem Hochaltar stand etwa um die Mitte des 14. Jahrhunderts eine hölzerne Marienstatue mit dem Jesusknaben auf dem Arm, die heute ihren Platz auf dem Marienaltar gefunden hat und die nach neueren Forschungen in den Nahbereich von Werken des Wiener Michaelermeisters gebracht wird. Darüber befand sich ein überlebensgroßer hölzerner Kruzifixus. Dieser Altar wurde im Jahre 1529 von den Türken völlig zerstört; sie verstümmelten den Gekreuzigten und warfen ihn in die Traisen. Der Kopf der Figur wurde einige Zeit später wieder aufgefunden - er war angeblich den Fluss aufwärts geschwommen.

Die Klostergebäude selbst dürften in frühester Zeit aus Holz errichtet worden sein, wie das bis ins 13. Jahrhundert üblich war; lediglich Kirche und Kapitelsaal waren Steinbauten. Diese Bauweise dürfte die Ursache für die totale Einäscherung der Gebäude bei den mehrfach überlieferten Feuersbrünsten gewesen sein; allein im 13. Jahrhundert brannte das Kloster dreimal vollständig nieder. Aus der vorbarocken Klosteranlage stammt der ehemalige Kreuzgang, der einen kleinen Hof umschließt. Die gotischen Gewölbeformen sind noch zu erkennen, ebenso die Strebepfeiler an den Außenwänden. Unter Erath wurde der Kreuzgang zur Gänze überbaut, sodass die Öffnungen zum Innenhof nun durch Fenster verschlossen sind; die Kreuzrippengewölbe wurden mit Blütenstuck überzogen. Eine besondere Kuriosität stellt innerhalb des Klosterkomplexes jene Kapelle dar, die eine Zeitlang der hl. Anna geweiht war, seit ca. 1690 der Allerseelenbruderschaft gewidmet ist und als Grabkapelle der Pröpste diente.

1978 begann die Renovierung und Revitalisierung von Kreuzgang und Kapelle und das Bundesdenkmalamt führte Grabungen durch, wobei nicht nur Fundamente aus der romanischen Epoche freigelegt, sondern auch die Gräber der Pröpste Judinus und Erath entdeckt wurden. Die Deckenfresken der Kapelle (Allegorien zum Messopfer und im vorderen Teil schwierig zu deutende Emblemata) mit üppigen, italienisch anmutenden Stuckverzierungen, befanden sich in einem sehr guten Zustand, da keine Übermalung stattgefunden hatte. Im rückwärtigen Teil der Kapelle wurden gotische Bauelemente frei sichtbar belassen. Die reiche Ausstattung des an sich kleinen Raumes lässt auf eine größere Bedeutung in früherer Zeit schließen. In der Chronik wird er als mittelalterliche "Kapitelkapelle" bezeichnet, für die es immer wieder Stiftungen gegeben hat. Das Bauwerk muss in seinem Grundriss auf die romanische Andreaskapelle zurückgehen, um die herum die ersten Klostergebäude errichtet wurden.

Barocke Bauphase

St. Andräs heutige Gestalt stammt aus der Zeit nach der Türkenbelagerung. Im Jahre 1683 hatten sowohl das Kloster als auch das Gotteshaus arge Verwüstungen erlitten, die in den folgenden Jahren nur notdürftig behoben wurden. Erst Augustin Erath, der 1698 die Leitung des Stiftes übernahm, begann 1702 mit dem Neubau der Klostergebäude, den er 1705 abschloss. Eine Inschrift oberhalb des Eingangs in die Prälatur, deren Deckenstuck vor kurzem restauriert wurde, trägt dieses Datum. In diese Zeit fällt auch die Errichtung des reich stuckierten Refektoriums sowie der Gerichtsstube, die ebenfalls mit Deckenstuck (Rechtssymbole) ausgestattet ist. Beide Räume sind heute noch in sehr gutem Zustand erhalten.

Der Propst beabsichtigte auch den Wiederaufbau der halb verfallenen Kirche; deshalb ließ er zunächst 1701/02 den Turm erhöhen und neu bekrönen. Dass die Neugestaltung des Turmes Jakob Prandtauer oblag, geht aus einem Dokument aus dem Herzogenburger Stiftsarchiv hervor, das die charakteristischen Schriftzüge Prandtauers und die Eigenheiten seiner Orthographie zeigt: "Beileiffigen Iberschlag zu den Khirch-durem gebei. zu St. Andtree." Um das total verwüstete Stift größer und schöner zu gestalten, schuf Erath einen Platz als neuen Mittelpunkt der Anlage, und zwar auf dem Areal des alten, damals noch hinter der Kirche befindlichen Friedhofs, und errichtete dort eine figurenreiche Mariensäule. Vieles spricht dafür, dass Jakob Prandtauer auch mit der Planung für die Kirche beauftragt wurde.

Im Jahr 1709 berichtete Erath in seinen "Annalen", er habe eine Entwurfszeichnung für den Umbau der Kirche in Händen, den er leider noch nicht verwirklichen könne. Das Wesentliche daran war die Umorientierung von Eingang und Hochaltar, wie sie später, nämlich 1729, tatsächlich vorgenommen wurde. Nach diesem Plan sollte aber der alte Baubestand nicht niedergerissen, sondern nur durch Ummantelung der Pfeiler neu gestaltet werden. Unter Eraths Nachfolger, Anton von Ruckenbaum, erfolgte am 3. Mai 1726 in Gegenwart des St. Pöltner Propstes Michael Führer die Grundsteinlegung, am 16. Juli 1729 wurde das neue Gebäude - allerdings noch ohne Innenausstattung - durch den Bischof von Passau, Joseph Dominik Graf Lamberg, geweiht. Ruckenbaum hatte entweder einen neuen Entwurf oder eine völlige Umarbeitung des ursprünglichen Prandtauer-Planes anfertigen lassen, die bis auf Teile der Nordmauer eine Neuerrichtung und zugleich eine Verlängerung des für das inzwischen vergrößerte Kloster offensichtlich zu bescheidenen Kirchenschiffes um ein Joch zur Folge hatte. Die Längenerweiterung bedingte allerdings eine geringfügige Achsenverschiebung nach Süden, die durch die Lage der damals knapp nordöstlich der alten Kirche befindlichen, auf die romanische Andreaskapelle zurückgehende Annenkapelle erzwungen wurde. Offensichtlich wagte man es nie, am Grundriss der ehrwürdigen "Kapitelkapelle" Änderungen vorzunehmen. Auch heute verlaufen ihre Mauern in der Längsrichtung nicht parallel zum Kirchenschiff.

Am 14. August 1729 heiratete der aus dem Waldviertel stammende Baupolier Leopold Wißgrill in der Stiftskirche von St. Andrä, wobei im "Tauf- und Heiratsbuch von St. Andrä", das sich heute im Diözesanarchiv von St. Pölten befindet, unter dem genannten Datum der Zusatz vermerkt ist: "...diese Brautleute waren die ersten, so in der neuen Kirch sind copulirt worden." Wißgrill genoss wohl deshalb den Vorzug, in dem noch unfertigen Gotteshaus heiraten zu dürfen, weil er bereits damals jene Funktion eines Baupoliers ausübte, die er unmittelbar nachher beim Umbau des Stiftes Altenburg im Dienste Munggenasts innehatte.

Nach der Verlegung des Kircheneingangs zum neugeschaffenen Vorplatz hin ergab sich nun die Notwendigkeit, über dem Portal eine repräsentative Schauwand zu errichten. Diese imposante Fassade wächst in drei nach oben stufenweise sich verjüngenden Geschoßen empor; sie ist dem eigentlichen Baukörper vorgeblendet und wirkt infolge schwacher Risalitbildung ungemein flächig. Die beiden unteren Geschoße verbindet eine Riesenpilasterordnung zu einer aufwärtsstrebenden Einheit, die allerdings durch einen Dreiecksgiebel über dem Portal unterbrochen wird. Über das zweite Geschoß legt sich, deutlich abgesetzt durch ein Gesims, das schmale, geschwungene Giebelgeschoß. Der strenge Aufbau der Fassade wird durch dekorative Elemente gemildert: Wir finden große gerahmte Fenster, in Nischen stehen Heiligenstatuen – oben Petrus und Paulus, darunter Johannes der Täufer und Johannes der Evangelist –, das Giebelfeld zeigt ein Reliefbild mit dem Martyrium des Kirchenheiligen und auf den Voluten der Seitenteile sitzen weibliche Allegorien von Glaube und Hoffnung, den Giebel bekrönt das brennende (vergoldete) Herz der Liebe, zugleich auch Symbol für den Ordensvater Augustinus.

Besondere Bedeutung kommt dem Portal zu: Zwischen übereck gestellten Säulen, die ein mit der Giebelrundung korrespondierender Segmentbogen verbindet, begrüßt die Besucher die Madonna mit dem Jesuskind. Im Gegensatz zur Wandfläche ist die Portalzone also plastisch durchkomponiert. Das Portal von St. Andrä erinnert an den Hochaltar der nahen, von Munggenast barockisierten Pfarrkirche von Pottenbrunn. Wir finden auch dort die übereck gestellten, ein Bildnis rahmenden Säulen mit hohem Gebälk, hinter dem sich zwischen doppelten Segmentbögen der Auszug wölbt. Auch zu Dürnstein findet sich eine Beziehung: Die ursprüngliche Farbgebung der Stiftskirche von St. Andrä, die im Jahre 1894 bei einer Renovierung verändert wurde, war in Blaugrau, Weiß und Dunkelgrau gehalten, eine Mischung, die das Bundesdenkmalamt ebenso am Dürnsteiner Kirchturm festgestellt und bei der letzten Restaurierung zur Anwendung gebracht hat. Der Umstand, dass zur Ausschmückung von St. Andrä ebenso wie in Pottenbrunn vorwiegend St. Pöltner Künstler und Handwerker herangezogen wurden – wie etwa die Stukkateure Johann Pöckh und Christoph Kirchner – untermauert weiters die Autorschaft Munggenasts an der Architektur. Dem St. Pöltner Bildhauer Peter Widerin sind sicherlich der größte Teil der Fassadenpl astik und auch mehrere Skulpturen des Innenraums zuzuschreiben, obwohl als einziger Beweis für seine Beteiligung an der Dekoration eine Rechnung über "vier Kindln" vorliegt. Mit Sicherheit stammt jedenfalls auch die Plastik des seitlichen Marienaltares von Peter Widerin. Zu Seiten der gotischen Madonnenstatue knien hier große vergoldete Engel.

In der Stiftskirche war aber noch ein anderer hervorragender Bildhauer tätig. Der Schalldeckel der holzgeschnitzten, mit schwerer Vergoldung prunkenden Kanzel zeigt den Kirchenvater Augustinus, der zwei zu seinen Füßen gekrümmte Ketzer in die Tiefe stürzt, während die Bekehrten (hier als Indianer dargestellt) verklärend zu ihm aufblicken. Den Kanzelkorb ziert ein vergoldetes Relief, das Innere der Kirche von S. Ambrogio in Mailand darstellend, in der der Kirchenvater Ambrosius predigt und unter dessen Zuhörern sich vermutlich der junge Augustinus befindet. Nach vor kurzem entdecktem und ausgewertetem Archivmaterial ist es nun erwiesen, dass der Passauer Bildhauer Joseph Mathias Götz Schöpfer der Kanzel war. Außerdem befindet sich unter den Kunstsammlungen des Stiftes Herzogenburg eine von Götz verfertigte Holzfigur Johannes' des Täufers, die aus St. Andrä stammt.

Unter den Handwerkern und Künstlern, die gleichzeitig für St. Andrä und Pottenbrunn tätig waren, finden wir auch den Maler Johann Georg Schmidt, der in Pottenbrunn das Hochaltarbild und in St. Andrä drei Seitenaltarbilder – hl. Nikolaus, hl. Augustinus und die Glorie des hl. Johannes Nepomuk – sowie das Fresko über der Orgelempore geschaffen hat. St. Andräs schönster Schmuck sind die Fresken und Altarbilder Paul Trogers, deren Entstehung von Wanda Aschenbrenner um 1730/31 datiert wird. Von der Tätigkeit des großen Malers in der Stiftskirche ist nur eine Rechnung erhalten, die sich auf das Altarblatt "Heilige Dreifaltigkeit" auf einem Seitenaltar bezieht. Vermutlich aus der Trogerschule hervorgegegangen ist das Ölbild im Presbyterium, die Berufung der Brüder Petrus und Andreas durch Jesus am See Genezareth, sowie ein Seitenaltarbild, Maria und Anna. Vom neapolitanischen Maler Luca Giordano stammt das rechte Ölbild im Presbyterium, die Abnahme des hl. Andreas vom Kreuz. Trogers Hauptarbeiten aber leuchten – von dem ihm zugeschriebenen Hochaltarbild "Kreuzigung des hl. Andreas" abgesehen – von der Decke. Es handelt sich um sechs Platzlfresken (das letzte Fresko – König David spielt auf der Harfe – wurde von Johann Georg Schmidt geschaffen), deren spektakulärstes in einem weit geöffneten, von strahlendem Licht erfüllten Himmelsraum den auferstandenen, von jubelnden Engelscharen umgebenen Christus über Sünde, Tod und Teufel triumphieren lässt. Die herrlichen Farben haben ihre Leuchtkraft seit der Entstehungszeit unverändert bewahrt.

Bibliothek

Drei Jahre nach der Einverleibung von St. Andrä nach Herzogenburg, am 14. September 1786, forderte die Niederösterreichische Landesregierung die unverzügliche Einsendung der Bücher – ohne Ausnahme – mit einem Bibliothekskatalog. Der barocke Bibliotheksraum des Andräer Klosters befand sich in unmittelbarer Nähe der Prälatur, im l. Stock des Hauses über dem Refektorium. Der Raum besteht heute noch, mit dem originalen frühbarocken Steingewände, Büste und Jahreszahl 1705 über dem Eingang. In der Leichenpredigt über Propst Augustin Erath wird die Ausstattung mit schönen und sinnreichen Gemälden sowie mit auserlesenen Büchern gepriesen. 50 Jahre später, um 1770, fällt die Beschreibung der Bibliothek von St. Andrä durch Adalbert Blumenschein eher negativ aus.

"In diesem von dem zuerstgedachten [Stifte Herzogenburg] eine Viertelstunde über den Fluss Traysen entfernten, denen Geistlichen von dem nämliche Orden zuständigen Stifte besteht die Büchersammlung beyläuftig aus 5.000 Bänden. MSS [Manuscripte] sind keine, wohl aber von Autorib[us] classicis eine gute Anzahl vorhanden, deren die meisten aus der hochfürstl[ichen] Bibliothek zu Passau durch den dasigen Propsten Augustin Erath (welcher ehedessen Bücheraufseher ersagter Residenz gewesen) hierher gekommen, oder nach der Redensart der Geistlichen, so mich dahin geführet, dortselbst gestollen worden. Die Repositorien sind alt, und blau angestrichen. Die Decke ist niederig und mit einigen Sünnbildern schlechthin bemalen. Bey den oberen Fenstern hanget ein gemahltes Buch; oberhalb solcher steht geschrieben: 'Tolle, Lege', in dem Buch selbst 'Liber vite', und unterhalb demselben 'Legentibus assero Vitam'. Linkerhand befinden sich beim Herausgehen in einem Nebenzimmer die Doubletten, und etliche andere Bücher, die jedoch von gar keiner Erheblichkeit sind."

Im Aufhebungsinventar vom 11. September 1783 wird die Bibliothek folgendermaßen beschrieben:

"... in welcher sich unterschiedliche überhaupt gute Bücher von besten Authoren dem geistlichen Fache nach befinden, 3072 Stück nebst einer Anzahl minderen Gattungen und Aßzeten, wie in dem Catalog zusammengetragen zu finden..."

Der "Catalogus Bibliothecae Sand-Andreanae", angelegt unter Propst Augustinus Erath (1698–1719), wurde bis zum Tod des vorletzten Propstes Leopold Nickel (1751) geführt. Er befindet sich heute im Stiftsarchiv Herzogenburg. Der überwiegende Teil der Bücher ist in lateinischer Sprache abgefasst, das Erscheinungsjahr liegt hauptsächlich im 17. Jahrhundert, was allerdings nicht gleichbedeutend mit dem Zeitpunkt der Erwerbung sein muss. Schriften, die sozusagen zur liturgischen Grundausstattung gehören, wie Bibeln, "omnia opera" des Ordensvaters Augustinus, Predigten, Lektionare, Heiligenviten, Psalterien, Werke der Kirchenväter, Mystiker und Humanisten sind natürlich Hauptbestandteil des Catalogus. Die "Historia sacra" war ebenso vertreten wie die "Historia profana". Eine beachtliche Anzahl von medizinischen Werken, Bücher über Heilpflanzen und Kräuter, Hilfe bei der Krankenbetreuung – also alles, was für die Infirmarien notwendig ist – scheinen ebenfalls auf.

Unentbehrlich waren die neuesten Werken der Architektur von Vitruvius, Palladio und Andrea Pozzo, wobei die Werke des Letzteren sicherlich Vorbild für die Ausgestaltung des barocken Kirchenraumes von St. Andrä waren. Auch einige protestantische (vielleicht sogar konfiszierte?) Schriften sind erfasst, wie etwa die Folioausgabe von Martin Luther, 12 Bde., Jena 1575. Bücher mit dem Andräer Besitzvermerk lassen sich in der Universitätsbibliothek Wien nachweisen. Im Bibliothekskatalog sind auch einige Inkunabeln und Frühdrucke von unterschiedlicher Thematik verzeichnet, alle Nachforschungen bezüglich ihres Verbleibes verliefen bislang jedoch ergebnislos. Eine Bibel des aufgehobenen regulierten Chorherrenstiftes St. Pölten aus 1341 ist von Herwordus de S. Andrea illuminiert worden. Dessen künstlerische Fähigkeiten dürften sich also über die Klostermauern hinaus eines guten Rufes erfreut haben.

Der älteste erhaltene Nekrolog des Stiftes, begonnen im 13. Jahrhundert, weitergeführt bis ins 15. Jahrhundert, befindet sich heute in der Österreichischen Nationalbibliothek. Die Eintragung unter dem 28. September lautet: "Waltherus, fundator huius ecclesiae." Eine in der Vatikanischen Bibliothek liegende "Ysagoge iuris", eine Einführung in das Kirchenrecht auf der Grundlage von Dekretalen, konnte vor einigen Jahren durch folgenden Besitzvermerk dem Kloster St. Andrä zugeordnet werden: "Iste liber est mo(naster)ii S. Andree c(is) Trays(enam)." Daraus kann man mit Sicherheit schließen, dass das kleine Kloster St. Andrä im ersten Viertel des 13. Jahrhundert eine Stätte der gelehrten Rechtspflege war.

Archivalien

Mit ziemlicher Sicherheit kann man annehmen, dass ein Großteil des damals bestehenden Archivs von St. Andrä nach Herzogenburg gekommen ist, was gewiss ein Verdienst von Propst Michael Teufel war. Er hat "... für die Conservierung der Archive von St. Andrä und Dürrenstein, die nach Herzogenburg kamen, der Wissenschaft große Dienste geleistet." Die früheste Erwähnung eines "Archivs" stammt aus dem Jahre 1566, wo die Rede von Stellen mit zwei Schubladen ist, in denen Briefe aufbewahrt sind. So erfährt man aus einem "Verzeichnüss" von 1592, dass in der Prälatur, wo sich auch die Kanzlei befand, ein Kasten stand, mit "allerlay missif, Aufsandtungen, Abschied, Verziecht, Quittungen, Inventarii, Verträg, Gerhabschaft, Raittungen und Acta." Bis zur Aufhebung des Stiftes blieb das Archiv im Prälaturtrakt. Der in Inventarien öfter erwähnte Aufsatzschrank mit "Lädln", worin die Stiftsbriefe und alten Schriften aufbewahrt wurden, befindet sich heute in den Archivräumen des Stiftes Herzogenburg. Beachtlich dezimiert wurden wichtige Verträge und Prozessakten bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als ein Andräer Klosteradvokat in Wien an Pest erkrankte und sämtliche Unterlagen aus Sicherheitsgründen verbrannt wurden.

Umfangreich ist der Bestand an Urkunden und Akten des Amtes Unter-Wölbling, das durch Verkauf vom Benediktinerinnenkloster am Nonnberg in Salzburg über einige Adelsfamilien an das Stift St. Andrä kam. Als großen Glücksfall kann man es bezeichnen, dass ein so einzigartiges Stück wie das Diplom von Kaiser Otto III. mit Bleisiegel aus 998 unbeschädigt und gut lesbar erhalten ist. In das Kloster kam die Pergamenturkunde wahrscheinlich durch die Verwandtschaftsbeziehung des Gründers Walther von Traisen mit den Lengbachern und Rechbergern. Besondere Beachtung verdient auch ein Ablassbrief aus 1490 in Prunkausstattung mit reicher Ornamentik und echten Goldbuchstaben. 1798 wurden Verschläge für den Transport der Archivalien angefertigt und diese in das Stift Herzogenburg gebracht, wo der Bestand als eigener, getrennter Archivkörper besteht. Insgesamt setzt sich das St. Andräer Archiv gegenwärtig aus 332 Urkunden (davon sind 288 aus Pergament; die erste deutschsprachige ist aus 1301) in chronologischer Ordnung und etwa 280 archivalischen Büchern, wie Einreichprotokoll-, Waisenamts- und Rentamtsbücher, die sogar bis 1913 weitergeführt wurden, zusammen. Der Großteil der 225 Aktenfaszikel (die Zahl wird sich nach vollständiger Sichtung noch erhöhen) stammt aus dem 17. und 18. Jahrhundert, wenig aus dem 16. Jahrhundert. Personal- und Bauakten sind nur marginal vorhanden.

Literatur

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  • WEIGL, Heinrich, Historisches Ortsnamensbuch von Niederösterreich, l. Bd., Wien 1964.
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