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Kloster Neustift

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Geschichte

Zeit der Gründung Als der selige Bischof Hartmann im Jahre 1140 von Erzbischof Konrad I. von Salzburg auf den Bischofsstuhl von Brixen berufen wurde, erwartete ihn als Oberhirte einer großen Diözese diesseits und jenseits des Brennerpasses keine leichte Aufgabe. Als Fürstbischöfe im Heilig-Römischen Reich waren seine Vorgänger immer wieder in politische Händel zwischen Papst und Kaiser verwickelt gewesen. Durch ihre häufige Abwesenheit war die Diözese ohne gezielte geistliche Leitung, mangelhaft war die Ausbildung des Klerus und verwahrlost die Seelsorge.

Hartmann hatte sich bereits in der Erzdiözese Salzburg als Leitfigur der gregorianischen Kirchen- und Klerusreform ausgezeichnet und war schließlich als Propst nach Klosterneuburg berufen worden. Seine Lebensaufgabe erwartete ihn aber in Tirol. Hartmann sah im Gemeinschaftsleben der Geistlichen nach der Regel des hl. Augustinus eine geeignete Einrichtung, um die Priester selbst und ihre Arbeit in der Seelsorge zu reformieren. Als Regularkanoniker sollten sie die Lebensweise der Mönche in einem Kloster mit der priesterlichen Aufgabe der Seelsorge im Dienste des Bischofs zu verbinden wissen.

In der Zeit, als Hartmann nach Brixen kam, gab es in Tirol noch kein Kloster der Augustiner-Chorherren. Diesem Mangel wollte er bald abhelfen. So kam es durch seine Bemühungen schließlich dazu, dass im Jahr 1142 vom alten Domstift aus und in nächster Nachbarschaft dazu ein neues Stift ("Neustift") gegründet werden konnte. Von der alten Dompriesterzelle in Brixen wurde eine neue Zelle ("Novacella", "Neocella") ins Leben gerufen.

Am Sonntag vor Allerheiligen des Jahres 1142 konnte Bischof Hartmann die Weihe der Kirchen- und Klosteranlage vornehmen. Das zahlreiche Erscheinen von Klerus und Adel zeigte das große Interesse der Öffentlichkeit für diese Neugründung des Bischofs. Als erste Besiedler berief er einige seiner ehemaligen Mitbrüder aus Klosterneuburg und einer von ihnen wurde als Heinrich I. (1143-1164) zum ersten Propst von Neustift gewählt. Ihm übertrug er auch bald die ersten Pfarreien Pfarre Naz und Pfarre Kiens, um die praktische Seelsorgsarbeit aufzunehmen.

Damit die Gemeinschaft des neuen Stiftes frei von wirtschaftlichen und weltlichen Sorgen ganz dem Gotteslob, der feierlichen Gestaltung der Liturgie und der geistlichen Arbeit nachkommen konnte, versorgte der Bischof seine Neugründung mit einer reichlichen Ausstattung an Besitzungen. Als Stifter konnte er dafür den Burggrafen Reginbert von Sähen und dessen Gemahlin Christina gewinnen. Bischof Hartmann selbst steuerte auch eine Reihe von Gütern und Zehenten bei.Weitere Wohltäter waren die Grafen von Görz und Tirol sowie die Edlen von Rodank, in deren Herrschaftsbereich Neustift lag.

Bischof Hartmann bemühte sich auch um die offizielle Bestätigung und Annahme des neuen Stiftes durch den Papst und den Kaiser. Im Jahre 1143 stellte Papst Innozenz II. mit Datum vom 9. April eine Bulle aus, mit der das Kloster Neustift samt seinen Besitzungen rechtens anerkannt und für exemt erklärt wurde. Es erhielt das Recht der freien Wahl des Propstes und des Vogtes sowie das Recht zur Beerdigung von Außenstehenden, die den Wunsch hatten, in diesem Kloster beigesetzt zu werden.

Kaiser Friedrich Barbarossa stellte auf Ansuchen Hartmanns beim Reichstag von Bamberg im Jahre 1157 dem Kloster eine Schutzurkunde aus, mit der er alle Besitzungen und Rechte von Seiten des Reiches anerkannte und bestätigte. Im gleichen Jahr übergab Bischof Hartmann selbst dem Kloster eine Gründungsurkunde, womit alle Rechte und die dem Kloster gestifteten Güter bestätigt wurden. Mit dieser Urkunde wurde auch die Urpfarre Naz, zu der Neustift gehörte, dem Kloster inkorporiert. Wieviel in der Praxis solche offiziellen Schreiben wert sind, zeigte sich bald.

Im Jahr 1164 starb Propst Heinrich. Er hatte der Gemeinschaft den Vorschlag gemacht, Rudiger, den Stiftsdekan von Klosterneuburg, zu seinem Nachfolger zu wählen. Im gleichen Jahr starb auch Bischof Hartmann. Sein Nachfolger im Bischofsamt war Otto von Andechs. Er veranlasste die Neustifter Gemeinschaft, Degenhard, einen Chorherren aus Dießen am Ammersee, zum neuen Propst zu wählen.

Bischof Hartmann ließ sein neues Kloster just in der nördlichsten Ecke des Brixner Talkessels erbauen, wo die Unwirtlichkeit des sich beliebig sein Bett schaffenden Eisackflusses alles andere als einladend schien. Gerade hier kreuzten sich die Königs- und Kaiserstraße aus dem Norden und die Ost-West-Tangente aus dem Pustertal. Damit die Chorherren die hospitalitas Augustiniana in die Praxis umsetzen konnten, gründete Bischof Hartmann zusammen mit dem Kloster auch ein Hospital, wo Reisende, Pilger, Arme und Kranke aufgenommen und versorgt wurden.

Bis zum Zeitpunkt des ersten großen Stiftsbrandes von 1190 hatte sich Neustift innerlich und äußerlich so gefestigt, dass der damalige Propst Konrad II. (1178-1200) an einen großzügigen Wiederaufbau denken konnte. Propst Konrad II. entstammte dem Geschlecht der Edlen von Rodank (Rodenegg) und war bewandert in der Kultur und Geisteswissenschaft seiner Zeit. Durch sein großes Wissen, seinen Eifer für das Gotteslob und die Liturgie und durch seine Großzügigkeit Kunstverständigen gegenüber, hob er das Stift zu Ehre und Ansehen. Nach dem Stiftsbrand von 1190 wurde auch der romanische Rundbau der Michaelskapelle ("Engelsburg"), ein burgartig angelegter Sakralraum, der zum Hospital gehörte, ausgebaut und zusammen mit der dreischiffigen romanischen Stiftsbasilika 1198 durch Bischof Eberhard von Brixen geweiht.

Propst Konrad, sensibel für die Nöte der Menschen, maß dieser sozialen Einrichtung als Tätigkeitsfeld für die Chorherren offenbar große Bedeutung zu. Johannes Librarius, der Chronist des 15. Jahrhunderts, berichtet, dass zu seiner Zeit das Hospital noch bestanden habe. [1]. In den Statuten der Chorherren aus dem Jahre 1557, in denen die einzelnen Tätigkeiten der Chorherren genau aufgeführt werden, wird weder ein Hospital noch ein "hospitalarius" erwähnt. Nur von einer Gästewohnung ist noch die Rede. Damit ist anzunehmen, daß in der Zeit zwischen 1463 und 1557 das Hospital aufgelassen wurde und auch die Engelsburg ihren ursprünglich zugedachten Sinn und Zweck verlor. Die Türkengefahr in Tirol im 15. Jahrhundert und die Wehranlage in Neustift Nachdem die Krieger der Osmanen 1453 Konstantinopel erobert hatten, versuchten sie über zwei Jahrhunderte lang mit immer größeren Aufgeboten nach Norden und nach Westen vorzurücken. Bereits im Jahre 1456 bangt e Tirol um seine Ostgrenze . Daher verfügte die Brixner Diözesansynode von 1457, daß jeden Tag beim Mittagläuten drei Vaterunser und Ave-Maria gebetet werden sollten. Die Priester mußten bei der hl. Messe ein eigenes Gebet für den Schutz vor den Türken einfügen. Im Jahre 1474 waren die Osmanen bereits vor Klagenfurt. Auf dem Reichstag von Augsburg bat der Kaiser um Hilfe. Auch die Bischöfe von Brixen, Trient und Chur waren da. Auf der Rückreise trafen sie in Innsbruck den Landesfürsten Sigismund, und man beschloß zusammen mit den Ständen, eine Türkensteuer zu erheben, die auch in Brixen eingeführt wurde. Im Jahre 1476 brach der Feind neuerlich in Kärnten ein und kam so nahe heran, daß er in einem halben Tag auf dem Boden der Brixner Diözese sein konnte. Wie man diese Gefahr in Neustift sah, geht aus der Handschrift des Stiftschronisten hervor (Cod. 931, 640 f.): Nam circa annum 1476, cum Turcarum irruptio ... Denn um das Jahr 1476 brachen die Türken in das deutsche Land ein, in Kiirnten, Steiermark, Österreich und in die Grenzgebiete der Grafs chaft Tirol und Görz; und nicht nur, daß sie alles Erreichbare verwüsteten und mit sich führten, sie verschleppten auch viele Christenmenschen aus diesen Ländern in die Sklaverei. Sie waren schon so nahe, daß die nächste Umgebung ihnen offenstand und auch unser Kloster bereits in höchster Gefahr war. Da trachtete unser fürsorglicher Propst nur mehr danach, ihrem plötzlichen Einfall ein Bollwerk entgegenzusetzen, um ihnen unsere Leute und deren Gut wenigstens nicht gleich überlassen zu müssen. Er bat daher den Erzherzog Sigismund um die Erlaubnis, das Kloster mit starken Mauern umringen zu dürfen, was ihm dieser auch gleich zugestand. Nun führte Propst Leonhard, ohne Zeit zu verlieren oder auf die Kosten zu achten, um Kloster und Kirche nicht so sehr starke als vielmehr hohe Mauern auf, um dem feindlichen Angriff gleichsam aus einer festen Burg mit Feuer und Schwert zu begegnen. Was sich dam;,ls in Neustift vor den Klosterpforten abspielte, muß ein gewaltiger Schock gewesen sein. Wie aus einem Traum schöngeistiger Visionen wurden die Chorherren gerissen und vor die Tatsache einer akuten Kriegsgefahr gestellt. Mit Begeisterung hatte man das Werden des gotischen Kirchenbaues verfolgt, erfreute sich am Glanz der neuen Flügelaltäre und schuf in der Buchmalerei des Skriptoriums eine paradiesische Welt. Nun wurde der von Propst Leonhard Pacher (1467-1483) in Angriff genommene Kirchenbau eingestellt, die Aufträge für die Ausstattung wurden zurückgenommen und alle verfügbaren Mittel für die neue Aufgabe eingesetzt. An Baumaterialien fehlte es ja nicht. Sie waren in Menge für den Kirchenbau herbeigeschafft worden. Auf den Wehrgängen der Mauer hielten die Männer der Stiftsfeuerwehr und des Dorfes Übungen für den Ernstfall ab. Es war geplant, auch die Dorfbewohner von Neustift in letzter Stunde hinter die Klostermauern zu holen. Die Gefahr zog im Osten ab, aber man traute dem Frieden nicht. Im Jahre 1483 wurde auf landesfürstlichen Druck Lukas Härber aus Bad Waldsee in Schwaben zum Propst von Neustift gewählt . Ihm, der von weither kam , standen die Chorherren zunächst skeptisch und abwartend gegenüber. Gar bald gewann er aber ihr Vertrauen und bewährte sich als vortrefflicher Beschützer und Bauherr des Stiftes. Um es in Zukunft noch wirksamer gegen allfällige Eindringlinge zu schützen , baute Propst Lukas die Wehranlage seines Vorgängers besser aus, machte aus der Michaelskapelle eine Wehrburg und verlieh ihr dadurch noch mehr Ähnlichkeit mit der Engelsburg von Rom. In den Annalen des Stiftes wird sie in dieser Zeit Castrum divi Archangeli genannt. Neben der Burg ließ der Propst ein neues Richterhaus erbauen, das durch einen Gang über die Straße hinweg direkt mit der Burg verbunden war (Taf. lb). Neustift lag auf dem Gebiet des Gerichtes Rodenegg, und die niedrige Gerichtsbarkeit (Behandlung aller Vergehen mit Ausnahme der Todesstrafe) hatte in Neustift ihren Sitz. Das Stift mußte dafür Quartier und Unterhalt bereitstellen. In der Zeit um 1500 war die große mittelalterliche Pilgerbewegung bereits verklungen. So hatten auch das Hospiz und seine Kapelle in der Engelsburg den ersten Dienst erfüllt. Die vier massiv gemauerten Kammern im Untergeschoß wurden künftig hin als Kerkerzellen verwendet. Die Zeit des Bauernaufstandes Um den Bauernstand war es am Ausgang des Mittelalters in Tirol, ähnlich wie anderswo, nicht gut bestellt. Steuerdruck und soziale Benachteiligung gaben immer wieder Anlaß zu Verbitterung und Unzufriedenheit gegenüber Adel und Klerus. Auch über die Klöster, die sich eines beachtlichen Wohlstandes erfreuten, war man empört. Die Privilegien, die sie genossen, und die Steuerfreiheiten, die ihnen von Kaisern und Landesfürsten gewährt wurden, schafften böses Blut im Bauernstand. Wanderprediger mit ketzerischen Reden zum Abschütteln jeglicher Autorität durchzogen das Land. Bergknappen aus dem Norden, die in den Kupfer- und Silberminen Tirols arbeiteten, erzählten von einer ganz neuen Freiheit des Christenmenschen von den Zwängen der Kirche. Alles zusammen war Zündstoff genug, um sich im geeigneten Augenblick zu entladen. Bereits zu Pfingsten des Jahres 1520 wollte eine Rotten von 800 Bauern und Pächtern in Brixen losschlagen. Sie konnten vorn Pfleger auf Rodenegg Sigisrnund Prandisser gerade noch einmal zurückgehalten werden. Als dann aber im Frühjahr 1524 in süddeutschen Landen und im Salzburgischen mit der Berufung auf die Freiheitslehre Martin Luthers der allgemeine Bauernaufstand ausbrach, griff diese Bewegung auch auf Tirol über. Den unnrnittelbaren Anlaß zum Losschlagen sahen die Bauern der Brixner Gegend in der Verurteilung des Rebellenführers Peter Paßler. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion hatten sie ihn befreit und sammelten sich in der Milländer Au. Am 11. Mai 1525 zogen sie gegen die Stadt Brixen. Auf die Adeligen und auf die Domherren hatten sie es abgesehen. Der Fürstbischof war zu der Zeit in Innsbruck. Seine Residenz wurde erstürmt, und der Anführer der Bande Michael Gaisrnair richtete darin sein Hauptquartier ein. Am 12. Mai, dem Tag der großen Plünderung in Brixen, wurden die Bauern auf das Kloster Neustift aufmerksam gemacht, wo ebenfalls reiche Beute zu machen sei. Es wurden zunächst fünf Agenten entsandt, um vorn Stift eine Brandschatzungssurnme von 5.000 Gulden zum Loskauf von der Einäscherung zu verlangen. Als sie den Propst Augustin Posch nicht antrafen, verhandelten sie mit dem Stiftsverwalter Georg Kirchmair von Ragen. Da dieser auf so eine horrende Summe nicht eingehen konnte, erschien noch am 12. Mai 1525 der ganze aufgehetzte Haufen unter der Führung von Michael Gaismair in Neustift, und die Verwüstung an heiliger Stätte nahm ihren Lauf. An der Auffindung der Zinsbücher waren alle jene interessiert, die auf stiftseigenen Höfen saßen. In den folgenden Tagen kamen sie in großer Zahl aus allen Gegenden, wo Neustift Besitzungen hatte. Viele kostbare Handschriften aus dem Skriptorium wurden verbrannt in der Meinung, dabei auch die richtigen gefunden zu haben. Die aber hatte Georg Kirchmair gerade noch rechtzeitig verstecken können und zog sie zum Staunen der Bauern wieder hervor, als alles vorbei war und gegen sie strafrechtlich verhandelt wurde. Natürlich bildete die Engelsburg als trotziges Bollwerk direkt am Wege mit ihrem befestigten Michaelstor eine besondere Provokation. An ihr tobten die Rebellen ihren zerstörerischen Mutwillen aus und feierten Orgien des Triumphes über ein zerstörtes Heiligtum. 18 Jahre lang stand die Engelsburg vor den Toren des Klosters im Zeichen des Trauerflors. Zerschlagen war der Altar der Kapelle, beschmutzt waren Böden und Wände, eingerissen die Dächer, den Stürmen von Schnee und Schauer schutzlos preisgegeben. Das Kloster selbst brauchte erst einmal etwas Zeit, um sich von dieser Heimsuchung irregeleiteter Geister wieder zu erholen. Durch eine Eingabe an den Landesfürsten Ferdinand mit der genauen Angabe der erlittenen Verluste wurden die namhaft gemachten Plünderer gerichtlich zur Rückerstattung des geraubten Klostergutes gezwungen. Im Stiftsarchiv (Lade 16) gibt es zwei Verzeichnisse (Register des wiedergeprachten peutsguets Inns Gotzhaus Neuenstifft). Dabei handelte es sich vor allem um Geschirr und Geräte, Werkzeuge und Kleider sowie einige Handschriften. Der Großteil des entwendeten Vermögens an Geld und Vieh, Hausund Kirchensilber blieb verloren. Nach der Beruhigung der Lage richteten die Bauern an den Landesfürsten eine Petition, die zur Folge hatte, daß ihnen in einer neuen Landesordnung bedeutende Rechte und Vorteile in der Zinswirtschaft eingeräumt wurden. Die acht Jahre, in denen Augustin 1. Posch (1519-1527) Propst in Neustift war, brachten für das Stift auch eine Reihe anderer harter Schicksalsschläge. Eine Viehseuche brach aus, die den ganzen Bestand dezimierte, 1520 war ein Jahr mit einer großen Mißernte , und am Augustinitag dieses Jahres kam der Eisack mit einem verheerenden Hochwas ser, das die im Jahre 1507 kunstvoll erbaute Brücke und die Hälfte des Brückenwirts hauses mit sich riß. Dann brach ein Brand in den Wirtschaftsgebäuden aus, dem auch die gotische Mühle zum Opfer fiel. Doch der Geist des Ordensvaters Augustinus ließ die Gemeinschaft in Neustift dies alles überstehen, ohne am eigentlichen Auftrag irre zu werden. Kultur der Barockzeit Nach dem Dreißigjährigen Krieg und der religiösen Verunsicherung brach in den süddeutschen Ländern im 17. Jahrhundert ein Gefühl der Freude an der wiedergewonnenen äußeren und inneren Sicherheit auf, eine Hochstimmung, die auch den Glauben der Menschen erfaßte. Es läßt sich leicht denken, daß dieser neue Lebensansatz auch auf die Stifte und Klöster übergriff. Nach den Kriegswirren, in denen sie von den Potentaten dauernd zur Kasse gebeten worden waren, Kirchen- und Tafelsilber abgeliefert hatten , Belagerungen und Plünderungen ausgesetzt gewesen waren, konnten sie sich nun wirtschaftlich wieder erholen und begannen mit einer regen Bautätigkeit im neuen Stile des Barock. Im 17. und 18. Jahrhundert drückten je drei typische Barockprälaten Neustift ihren Stempel auf. Der erste unter ihnen war Propst Markus Hauser (1621-1 665). Ihm wird lobend nachgesagt , daß er sich sehr für das leibliche Wohl der Stiftsherren einsetzte. Weil der Wein der Eisacktaler Zehentbauern gar so sauer war, kaufte der Propst im Jahre 1623 in Bozen Weingüter an, errichtete einen feudalen Wirtschaftshof und nannte den Besitz ,,Mariaheim". In Wilten kaufte er vom Grafen Johannes von Wolkenstein das „Neustifter Schlößl" als Sommerresidenz und als Quartier für die Tage seines Aufenthaltes beim Tiroler Landtag in Innsbruck , wo die Tiroler Prälaten Sitz und Stimme hatten . In dieser Zeit wurden in Neustift auch prunkvolle Feste gefeiert. Das Jahr 1642 bot den Anlaß, das 500jährige Stiftsjubiläum festlich zu begehen. Im Jahre 1659 wurde das 50jährige Profeßjubiläum und 1662 das 50jährige Priesterjubiläum des Propstes gefeiert, wobei jeweils auch der Fürstbischof von Brixen mit seinem Hof und Vertreter des Tiroler Landesfürsten zugegen waren. Was bei solchen Gelegenheiten barocker Festtags stimmung Küche und Keller alles zu bieten hatten, wurde vom Maler Stefan Kessler 1659 in einem 10 m langen Ölgemälde festgehalten. Dieses hängt heute noch im Refektorium des Stiftes. Von Rom aus wurde damals dem Stift das Privileg erteilt, daß alle Christen, welche die sieben Altäre der Stiftskirche besuchten, die gleichen Ablässe wie beim Besuch der sieben Hauptkirchen in Rom gewinnen konnten. Auf Markus Hauser folgte Propst Hieronymus Rottenpuecher (1665-1678). Unter seinem Vorgänger waren die Chorherren sehr autoritär regiert worden. Nun stellten sie zur Propstwahl zehn Wahlkapitulationen auf, womit in vielen Dingen auch der Gemeinschaft ein Mitspracherecht gesichert werden sollte. Mit der Forderung Nr. 7 wollten die Chorherren durchsetzen, daß der Propst künftig auch zum gemeinsamen Tisch erscheine. Man empfand es offenbar als ein Unding für eine klösterliche Gemeinschaft, wenn der Propst im barocken Selbstbewußtsein wie ein kleiner Landesfürst einen separaten Tisch mit eigenen Dienern und einem Tafelorganisten führte. Propst Rottenpuecher nahm die Forderung der Mitbrüder wohlwollend auf und sorgte väterlich für alle. Der dritte Prälat des 17. Jahrhunderts war Fortunat Troyer (1678-1707). Unter ihm erlebte Neustift eine Blütezeit. Bei geistlichen und weltlichen Obrigkeiten stand der Propst wegen seiner Gelehrsamkeit in hohem Ansehen. Im Jahre 1688 nahm die Kongregation der Chorherren vom Lateran Neustift in ihren Verband auf und machte es aller ihrer Privilegien teilhaftig. Seither führen die Pröpste von Neustift den Titel „Abbas Lateranensis" und die Stiftsmitglieder sind auch lateranensische Chorherren. Beim großen Interesse des Propstes für die wissenschaftliche und literarische Tätigkeit, die er selber ausgiebig betrieb, versteht es sich, daß auf diesem Gebiete damals viel geleistet wurde. Die Mitgliederzahl des Stiftes nahm mehr und mehr zu. Durch die umfangreichen barocken Bauprojekte der drei Pröpste des 18. Jahrhunderts Augustin Pauernfeind (1707-1721), Anton Steigenberger (1737-1767) und Leopold I. de Zanna (1767-1787) erhielt Neustift im wesen tlichen sein heutiges Aussehen auf der Basis der alten Anlage. Säkularisation und Wiederherstellung Mit dem ausgehenden 18. Jahrhundert hatte Neustift wirklich einen glanzvollen Höhepunkt in seiner Geschichte erreicht. Bis zur 11Götterdämmerung" der Säkularisation dauerte es freilich nicht mehr lange. Als Napoleon ganz Europa mit seinen Expansionskriegen überzog, wurde im Gefolge des Preßburger Friedens 1805 das Land Tirol mit dem Königreich Bayern verbunden. Die Säkularisation, die den bayerischen Stiften 1803 das Ende ihrer Geschichte bescherte, traf 1807 auch die sechs Tiroler Stifte. Am 17. September 1807 konnte der Neustifter Chronist den Folianten seiner Annalen schließen, weil nun der staatliche Aktuar die weiteren Aufzeichnungen für dieses Haus besorgen sollte. 1816 kehrte, nachdem mit dem Wiener Kongreß Tirol wieder dem Hause Habsburg zugesprochen worden war, eine stark reduzierte Gemeinschaft in ein verwahrlostes und geplündertes Kloster zurück. Erst in der Regierungszeit des Propstes Ludwig Mair (1832- 1851) konnte Neustift mit seiner Gemeinschaft und mit seiner Wirtschaft wieder richtig Tritt fassen. Im Jahre 1842 beging man das 700jährige Stiftsjubiläum mit großer Freude und Dankbarkeit. Unter Propst Remigius Weißsteiner (1883-1913) konnte eine Gesamtrestaurierung der Stiftskirche vorgenommen werden. Im Jahre 1895 wurden die Krankenpflege, die Küche und Wäscherei den Barmherzigen Schwestern aus Zams übertragen. Sie leisten ihre Dienste bis heute. Mit der Gründung der Österreichischen Chorherrenkongregation 1907 erlangte Neustift die volle Exemtion und unterstand nun nicht mehr dem Bischof von Brixen. Das betraf vor allem das Visitationsrecht. Der Erste Weltkrieg brachte für das Stift schwere Belastungen. Ein Teil der Wirtschaftsund Wohngebäude wurde für die Einquartierung von Militär beschlagnahmt. Als dann mit dem für Österreich ungünstigen Ausgang des Krieges Südtirol dem faschistischen Italien zugesprochen wurde, traten mit einem Male völlig andere Verhältnisse ein. 1939 / 40 war die Zeit der Option für alle Südtiroler, eine Zeit unsäglicher Repressalien, eine Zeit, die auch die Gemüter einer Klostergemeinschaft zu spalten drohte. Mit dem Einmarsch des deutschen Militärs und der Nazifizierung Südtirols wurden in einem Teil des Stiftsgebäudes ein Versorgungslager für die Südfront und eine Druckerei für die Zeitung „Front und Heimat" eingerichtet. Einige Chorherren mit italienischer Staatsbürgerschaft mußten nach Florenz fliehen, die jungen Mitbrüder wurden zum deutschen Militär an die Front geschickt. Die Besetzung des Stiftes durch das deutsche Militär hatte im März 1945 auch eine Bombardierung von Seiten der Alliierten zur Folge. Dabei wurde die Kirche mit der Gnadenkapelle schwer beschädigt, die Sakristei samt den Paramenten zerstört und der Turm abbruchreif angeschlagen. Die Bombenschäden betrafen das ganze Stift, besonders auch die Bibliothek. Die notwendigen Sanierungsarbeiten zogen sich über Jahre hin. Die gröbsten Schäden waren bald behoben . 1949 konnten zum Fest Allerheiligen die Glocken wieder geläutet werden. 1969 wurde Dr. Chrysostomus Gin er zum Propst gewählt. Sein Augenmerk ging sofort dahin, das Stift nach außen hin zu präsentieren: durch umfangreiche Restaurierungen der Gebäude, vor allem aber durch die Einrichtung eines Bildungshauses. Seit 1970 gibt es nun das Tourismuszentrurn (TZN). Ihm folgten das Bibelzentrum (BZN) und in den letzten Jahren das Ökozentrum (ÖZN) und das Computerzentrum (CZN).

Literatur

Einzelnachweise

  1. sicut adhuc habetur 1463
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