Stift Vorau: Unterschied zwischen den Versionen
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Wie viele alte Klöster hat auch Vorau seine Gründungslegende, der die bekannte Hubertuslegende zugrundeliegt. | Wie viele alte Klöster hat auch Vorau seine Gründungslegende, der die bekannte Hubertuslegende zugrundeliegt. | ||
Eines Tages, während er in seinen Wäldern um Vorau jagte, da gelangte der steirische Markgraf Otakar plötzlich an eine Lichtung, in deren Mitte die erst unlängst zu Ehren des hl. Apostels Thomas geweihte Kapelle stand. Und hier zeigte sich ihm im Dämmerschein der Nebelschwaden die Silhouette eines prächtigen Hirsches. Der Blick des Tieres schien ihn festzubannen, so | Eines Tages, während er in seinen Wäldern um Vorau jagte, da gelangte der steirische Markgraf Otakar plötzlich an eine Lichtung, in deren Mitte die erst unlängst zu Ehren des hl. Apostels Thomas geweihte Kapelle stand. Und hier zeigte sich ihm im Dämmerschein der Nebelschwaden die Silhouette eines prächtigen Hirsches. Der Blick des Tieres schien ihn festzubannen, so dass er die gespannte Armbrust wieder langsam sinken ließ. Durch das geheimnisvoll einspinnende Nebeltreiben gewahrte Otakar zwischen den weitausladenden Geweihstangen ein leuchtendes Kreuz. Ein feiner Glockenton vom Dachreiter der Thomaskapelle durchbrach die Stille und wirkte wie eine Erlösung auf den an Körper und Geist erstarrten Markgrafen. Als sein Blick sich wiederum der Waldlichtung zuwandte und erneut die Gestalt des Hirschen einzufangen suchte, fanden seine durch die seltsame Erscheinung ermüdeten Augen nur noch das Blätterkleid und Beerengestrüpp des Waldes, durch das hindurch der Hirsch geflüchtet war. | ||
Dieses Erlebnis war für Otakar ein Fingerzeig des Allmächtigen, sein Vorhaben, ein Kloster zu gründen, an dieser Stelle zu verwirklichen. Seinen | Dieses Erlebnis war für Otakar ein Fingerzeig des Allmächtigen, sein Vorhaben, ein Kloster zu gründen, an dieser Stelle zu verwirklichen. Seinen Entschluss ließ er sofort urkundlich besiegeln. | ||
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Als sechstes Kloster der Steiermark (nach Göß, Admont, St. Lambrecht, Rein und Seckau) wurde Vorau in jenem abgeschiedenen Landstrich zwischen Wechsel und Masenberg gegründet, den nach dem Tod des Grafen Ekbert III. von Formbach-Pitten (er fiel 1158 vor Mailand) Markgraf Otakar III. von Steier erbte. Markgraf Otakar, der durch sein Erbe eine besondere Machterweiterung erhalten hatte, war nun bestrebt, die Erschließung dieser unwirtlichen und noch äußerst dünn besiedelten Landstriche vorwärtszutreiben. Deshalb übergab er seinen Eigenbesitz um Vorau (predium nostrum Vorowe dictum) dem Erzbischof von Salzburg, damit hier ein Kloster der regulierten Chorherren des hl. Augustin errichtet werde. Die im Jahr 1163 erfolgte Gründung fällt in die Zeit der Blüte der Augustiner-Chorherren in der weitausgedehnten alten Salzburger Kirchenprovinz. Um seinem Wunsch auch Rechtskraft zu verleihen, rief Markgraf Otakar wohl im Spätherbst des Jahres 1163 zu Fischau am Steinfeld (Niederösterreich), dem damaligen geistigen und weltlichen Vorort für unsere Landschaft, eine größere Anzahl geistlicher und weltlicher Herren zusammen, tat ihnen nochmals seinen Willen kund, legte ihn in einer Urkunde fest, ließ die anwesenden Zeugen namentlich beisetzen und besiegelte die Urkunde mit seinem Reitersiegel. | Als sechstes Kloster der Steiermark (nach Göß, Admont, St. Lambrecht, Rein und Seckau) wurde Vorau in jenem abgeschiedenen Landstrich zwischen Wechsel und Masenberg gegründet, den nach dem Tod des Grafen Ekbert III. von Formbach-Pitten (er fiel 1158 vor Mailand) Markgraf Otakar III. von Steier erbte. Markgraf Otakar, der durch sein Erbe eine besondere Machterweiterung erhalten hatte, war nun bestrebt, die Erschließung dieser unwirtlichen und noch äußerst dünn besiedelten Landstriche vorwärtszutreiben. Deshalb übergab er seinen Eigenbesitz um Vorau (predium nostrum Vorowe dictum) dem Erzbischof von Salzburg, damit hier ein Kloster der regulierten Chorherren des hl. Augustin errichtet werde. Die im Jahr 1163 erfolgte Gründung fällt in die Zeit der Blüte der Augustiner-Chorherren in der weitausgedehnten alten Salzburger Kirchenprovinz. Um seinem Wunsch auch Rechtskraft zu verleihen, rief Markgraf Otakar wohl im Spätherbst des Jahres 1163 zu Fischau am Steinfeld (Niederösterreich), dem damaligen geistigen und weltlichen Vorort für unsere Landschaft, eine größere Anzahl geistlicher und weltlicher Herren zusammen, tat ihnen nochmals seinen Willen kund, legte ihn in einer Urkunde fest, ließ die anwesenden Zeugen namentlich beisetzen und besiegelte die Urkunde mit seinem Reitersiegel. | ||
Die Gründungsurkunde gibt die Grenzen des Stiftungsgutes an, woraus wir sehen können, dass es sich größtenteils um noch ungerodetes Waldland handelte. Weiters befreite in dieser Urkunde der Gründer das Stift von allen Abgaben. Trotz des Vorliegens der Gründungsurkunde ist die Gründungsgeschichte von Vorau in ein gewisses Dunkel gehüllt, fehlt doch das genaue Ausstellungsdatum. Es steht aber fest, daß die Urkunde nach der Geburt Markgraf Otakars IV., also nach dem 19. August, sicher jedoch einige Zeit vor der Pfarrerhebungsurkunde von Mönichwald ausgestellt wurde. Im nahe gelegenen Mönichwald, einer Schenkung des Grafen Ekbert von Formbach an die Benediktiner der Abtei Formbach am Inn, die nördlich | Die Gründungsurkunde gibt die Grenzen des Stiftungsgutes an, woraus wir sehen können, dass es sich größtenteils um noch ungerodetes Waldland handelte. Weiters befreite in dieser Urkunde der Gründer das Stift von allen Abgaben. Trotz des Vorliegens der Gründungsurkunde ist die Gründungsgeschichte von Vorau in ein gewisses Dunkel gehüllt, fehlt doch das genaue Ausstellungsdatum. Es steht aber fest, daß die Urkunde nach der Geburt Markgraf Otakars IV., also nach dem 19. August, sicher jedoch einige Zeit vor der Pfarrerhebungsurkunde von Mönichwald ausgestellt wurde. Im nahe gelegenen Mönichwald, einer Schenkung des Grafen Ekbert von Formbach an die Benediktiner der Abtei Formbach am Inn, die nördlich vom Wechsel-Semmering zu Gloggnitz ein Priorat besaßen, weihte Erzbischof Eberhard am 17. Dezember 1163 in Anwesenheit zahlreicher hochrangiger Zeugen ein zu Ehren des hl. Petrus erbautes Gotteshaus, erhob es zur Pfarrkirche und bestimmte die Grenzen der Pfarre. | ||
Unmittelbar danach muss Erzbischof [[Eberhard von Mönichwald]] weggezogen und unverzüglich auf den besten Verbindungswegen nach Friesach gereist sein, stellte er doch dort schon am 20. Dezember neue Urkunden aus. Die Gründungsurkunde des Stiftes Vorau ist also wahrscheinlich im September oder Oktober 1163 ausgestellt worden, während der eigentliche Gründungsakt, auf den in der Urkunde Bezug genommen wird, in Vorau zeitlich vorher stattgefunden haben muss. Nichts weist darauf hin, dass die Akte von Fischau und Mönichwald hintereinander stattgefunden haben, ja die völlig anderen Zeugen in diesen beiden Urkunden sprechen sogar dagegen. Weil eine Klostergründung aber umfangreicher Vorarbeiten, Erhebungen und Genehmigungen bedurfte, dürften die notwendigen Maßnahmen bereits einige Zeit zurückreichen, jedenfalls vor den Zeitpunkt der Geburt des Sohnes, die in der Überlieferung als Anlaß der Stiftsgründung angesehen wird. Auch der Text der Urkunde spricht dafür, dass Markgraf Otakar III. schon vor der Zusammenkunft in Fischau Unterhandlungen mit Erzbischof Eberhard I. geführt hatte.<ref>Wir haben daher aus Gottesfurcht und Liebe zu Gott im Hinblick auf unser und unserer geliebten Gattin Kunigunde Seelenheil sowie auf jenes unseres teuersten Sohnes Otakar und aller unserer Vorfahren unser Gut, Vorau genannt, kraft unserer Herrschaftsgewalt an den Stuhl von Salzburg übergeben und mit Rat unseres Herrn Eberhard, des ehrwürdigen Erzbischofs, auf ebendem Gut nach der Regel des heiligen Augustinus lebende Ordensmänner für alle Zeiten angesiedelt.</ref> | Unmittelbar danach muss Erzbischof [[Eberhard von Mönichwald]] weggezogen und unverzüglich auf den besten Verbindungswegen nach Friesach gereist sein, stellte er doch dort schon am 20. Dezember neue Urkunden aus. Die Gründungsurkunde des Stiftes Vorau ist also wahrscheinlich im September oder Oktober 1163 ausgestellt worden, während der eigentliche Gründungsakt, auf den in der Urkunde Bezug genommen wird, in Vorau zeitlich vorher stattgefunden haben muss. Nichts weist darauf hin, dass die Akte von Fischau und Mönichwald hintereinander stattgefunden haben, ja die völlig anderen Zeugen in diesen beiden Urkunden sprechen sogar dagegen. Weil eine Klostergründung aber umfangreicher Vorarbeiten, Erhebungen und Genehmigungen bedurfte, dürften die notwendigen Maßnahmen bereits einige Zeit zurückreichen, jedenfalls vor den Zeitpunkt der Geburt des Sohnes, die in der Überlieferung als Anlaß der Stiftsgründung angesehen wird. Auch der Text der Urkunde spricht dafür, dass Markgraf Otakar III. schon vor der Zusammenkunft in Fischau Unterhandlungen mit Erzbischof Eberhard I. geführt hatte.<ref>Wir haben daher aus Gottesfurcht und Liebe zu Gott im Hinblick auf unser und unserer geliebten Gattin Kunigunde Seelenheil sowie auf jenes unseres teuersten Sohnes Otakar und aller unserer Vorfahren unser Gut, Vorau genannt, kraft unserer Herrschaftsgewalt an den Stuhl von Salzburg übergeben und mit Rat unseres Herrn Eberhard, des ehrwürdigen Erzbischofs, auf ebendem Gut nach der Regel des heiligen Augustinus lebende Ordensmänner für alle Zeiten angesiedelt.</ref> | ||
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Bischof Roman kannte ja die Gegend und hat den abgelegenen Gebirgskessel wohl für eine Stiftsgründung als besonders geeignet befunden. Auch dass hier ein Chorherrenstift gegründet wurde, dürfte in erster Linie auf Bischof Roman zurückgehen, denn neben den Zisterziensern waren die Chorherren damals der modernste Orden der Zeit, der sich gerade in einem mächtigen Aufschwung befand. Auch Erzbischof Konrad ließ sich von der Idee des Propstes [[Gerhoch von Reichersberg]], alle Priester zu Mönchen zu machen, begeistern und begann mit seinen in Salzburg residierenden Klerikern das gemeinsame Leben nach der Regel des großen Kirchenlehrers Augustinus mit einem Dompropst an der Spitze. Er führte die Augustinerregel auch bei der Geistlichkeit der Maria Saaler Kirche ein, und der erste Chorherrenpropst dieser Kirche, schon ab 1124 urkundlich nachweisbar, war Roman, der später als Bischof von Gurk ebenfalls von einem Chorherrenkapitel umgeben war. | Bischof Roman kannte ja die Gegend und hat den abgelegenen Gebirgskessel wohl für eine Stiftsgründung als besonders geeignet befunden. Auch dass hier ein Chorherrenstift gegründet wurde, dürfte in erster Linie auf Bischof Roman zurückgehen, denn neben den Zisterziensern waren die Chorherren damals der modernste Orden der Zeit, der sich gerade in einem mächtigen Aufschwung befand. Auch Erzbischof Konrad ließ sich von der Idee des Propstes [[Gerhoch von Reichersberg]], alle Priester zu Mönchen zu machen, begeistern und begann mit seinen in Salzburg residierenden Klerikern das gemeinsame Leben nach der Regel des großen Kirchenlehrers Augustinus mit einem Dompropst an der Spitze. Er führte die Augustinerregel auch bei der Geistlichkeit der Maria Saaler Kirche ein, und der erste Chorherrenpropst dieser Kirche, schon ab 1124 urkundlich nachweisbar, war Roman, der später als Bischof von Gurk ebenfalls von einem Chorherrenkapitel umgeben war. | ||
Roman weihte 1132 zusammen mit Erzbischof Konrad das Chorherrenstift Chiemsee, 1133 im erzbischöflichen Auftrag das Chorherrenstift Aue in Bayern, beide wohnten im Februar 1136 der Einweihung des Chorherrenstiftes [[Stift Klosterneuburg|Klosterneuburg]] bei, in Gegenwart Erzbischof Konrads konsekrierte Bischof Roman 1138 das Nonnenkloster in Reichersberg, im selben Jahr das regulierte Chorherrenstift Beyharting in Bayern, und 1140 war er bei der Gründung des Chorherrenstiftes Seckau anwesend, die ebenfalls auf seinen Rat hin erfolgt ist. Die Gründung dieses Chorherrenstiftes erfolgte zuerst in St. Marein, | Roman weihte 1132 zusammen mit Erzbischof Konrad das Chorherrenstift Chiemsee, 1133 im erzbischöflichen Auftrag das Chorherrenstift Aue in Bayern, beide wohnten im Februar 1136 der Einweihung des Chorherrenstiftes [[Stift Klosterneuburg|Klosterneuburg]] bei, in Gegenwart Erzbischof Konrads konsekrierte Bischof Roman 1138 das Nonnenkloster in Reichersberg, im selben Jahr das regulierte Chorherrenstift Beyharting in Bayern, und 1140 war er bei der Gründung des Chorherrenstiftes Seckau anwesend, die ebenfalls auf seinen Rat hin erfolgt ist. Die Gründung dieses Chorherrenstiftes erfolgte zuerst in St. Marein, musste aber drei Jahre später, weil der Ort an einer Durchzugsstraße lag und nicht die nötige Ruhe für ein religiöses Leben bot, nach Seckau verlegt werden. Roman, auf dessen Rat hin 1161 auch Dechantskirchen zur Pfarre erhoben wurde, dürfte sich diesen Fehlschlag zu Herzen genommen haben und für die neue Chorherrenniederlassung das abgelegene Vorau ausgesucht haben. | ||
Neben seiner Verbundenheit mit der Chorherrenidee dürfen wir aber nicht vergessen, dass Roman auch persönliche Bindungen an diese Gegend gefesselt haben, denn die Erben der Gründerin von Gurk, der hl. Hemma, Graf Wolfrad von Treffen und seine Gattin Hemma, gehörten ja seit 1141 zu den größten Grundherren des Vorauer Gebietes. Möglicherweise hat Bischof Roman, dessen Aufgabe es ja nicht war, kleine Kapellen zu weihen, auch deshalb 1149 das Kirchiein St. Thomas eingeweiht. | Neben seiner Verbundenheit mit der Chorherrenidee dürfen wir aber nicht vergessen, dass Roman auch persönliche Bindungen an diese Gegend gefesselt haben, denn die Erben der Gründerin von Gurk, der hl. Hemma, Graf Wolfrad von Treffen und seine Gattin Hemma, gehörten ja seit 1141 zu den größten Grundherren des Vorauer Gebietes. Möglicherweise hat Bischof Roman, dessen Aufgabe es ja nicht war, kleine Kapellen zu weihen, auch deshalb 1149 das Kirchiein St. Thomas eingeweiht. | ||
2.) Ist Bischof Roman in erster Linie als der geistige Vater des Stiftes Vorau anzusprechen, so bleibt der eigentliche Gründer Markgraf Otakar III. von Steier, der bedeutendste Fürst aus dem Geschlechte der Traungauer, der in seinem kurzen, aber tatenreichen Leben das Land Steiermark geschaffen hat. Begünstigt durch große Erbschaften, aber auch getrieben von unbändigem Herrscherwillen hat er die damals noch | 2.) Ist Bischof Roman in erster Linie als der geistige Vater des Stiftes Vorau anzusprechen, so bleibt der eigentliche Gründer Markgraf Otakar III. von Steier, der bedeutendste Fürst aus dem Geschlechte der Traungauer, der in seinem kurzen, aber tatenreichen Leben das Land Steiermark geschaffen hat. Begünstigt durch große Erbschaften, aber auch getrieben von unbändigem Herrscherwillen hat er die damals noch lose verbundenen Landschaften unserer Heimat verschmolzen und die Landesherrschaft begründet. Auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines Lebens vollführte er drei Klostergründungen, denn neben Vorau gründete er 1160 noch das Hospital am Semmering, womit er die Semmeringstraße öffnete, und kurz vor seinem Tod die Kartause Seitz bei Gonobitz. | ||
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4.) In der Gründungsurkunde wird allerdings die Geburt des Sohnes nicht erwähnt. Otakar gibt hier seiner Hoffnung Ausdruck, dass nach dem Zeugnis der Schrift durch reiche Gaben die Sünden vergeben werden, weiters Gottesfurcht und die Sorge um das Heil seiner Seele, das seiner Frau Kunigunde und seines geliebten Sohnes Otakar sowie aller Vorfahren. Man ist daher fast geneigt, in der Gründung von Vorau eine Art Sühnestiftung zu sehen, was angesichts der rauhen und durchgreifenden Natur des Markgrafen naheliegend erscheint. | 4.) In der Gründungsurkunde wird allerdings die Geburt des Sohnes nicht erwähnt. Otakar gibt hier seiner Hoffnung Ausdruck, dass nach dem Zeugnis der Schrift durch reiche Gaben die Sünden vergeben werden, weiters Gottesfurcht und die Sorge um das Heil seiner Seele, das seiner Frau Kunigunde und seines geliebten Sohnes Otakar sowie aller Vorfahren. Man ist daher fast geneigt, in der Gründung von Vorau eine Art Sühnestiftung zu sehen, was angesichts der rauhen und durchgreifenden Natur des Markgrafen naheliegend erscheint. | ||
5.) Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Aspekt für die Stiftsgründung mag in den kolonisatorischen Absichten des Markgrafen gelegen sein. Die Steiermark ist im Gegensatz zu Salzburg oder Oberösterreich ein junges Kolonisationsland, das eine mehr | |||
6.) Vielleicht liegen der Stiftsgründung auch verteidigungsstrategische Aspekte zugrunde. Dem nach Osten offenen, dem Alpenwall vorgelagerten Land der östlichen Steiermark wurde durch die Geschichte ein Schicksal besonderer Härte auferlegt, da es als Glacis der Alpen zum Tummelplatz aller Völker wurde, die von Osten in den | |||
5.) Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Aspekt für die Stiftsgründung mag in den kolonisatorischen Absichten des Markgrafen gelegen sein. Die Steiermark ist im Gegensatz zu Salzburg oder Oberösterreich ein junges Kolonisationsland, das eine mehr abweisende als einladende Umwelt bot. Das 12. Jahrhundert jedoch brachte mit der Ausweitung der Kolonisation und dem Sieg der kirchlichen Reformbewegung eine Hochblüte der Klostergründungen. Erzbischof Konrad I. bediente sich bei seinem Erneuerungswerk vor allem der Chorherren, die zum Unterschied von den Mönchen auch in der Seelsorge tätig waren. Eine Stiftsgründung brachte auch Siedler, die die Erschließung dieses unwirtlichen Landstriches der nördlichen Oststeiermark vorwärtstrieben, Siedler die für das ihnen zugewiesene Land Zinse und Abgaben zu entrichten hatten,die auf Umwegen wiederum dem Landesfürsten zugute kamen. Nur ein besiedeltes Land brachte Einnahmen. | |||
6.) Vielleicht liegen der Stiftsgründung auch verteidigungsstrategische Aspekte zugrunde. Dem nach Osten offenen, dem Alpenwall vorgelagerten Land der östlichen Steiermark wurde durch die Geschichte ein Schicksal besonderer Härte auferlegt, da es als Glacis der Alpen zum Tummelplatz aller Völker wurde, die von Osten in den mitteleuropäischen Raum vorstießen. Die gegen Einfälle der Magyaren errichtete Mark fand ihre Nahtstelle zum Osten schließlich in einer nordsüdlich verlaufenden Grenzlinie, die infolge Fehlens von natürlichen, geographischen Hindernissen umfangreicher Grenzsicherung bedurfte. So wurde ein von Nord nach Süd verlaufender Burgengürtel angelegt, in dessen langer Kette vielleicht auch das Stift Vorau bei seiner Gründung als ein Glied miteingeplant war. Das im Laufe der Jahrhunderte zu einer starken Festung um- und ausgebaute Stift bot seit seiner Gründung bis in die Zeit der Türken- und Kuruzzenstürme im 18. Jahrhundert der ständig bedrängten Grenzbevölkerung bei Einfällen kriegerischer Horden eine letzte und willkommene Zufluchtsstätte. | |||
==Literatur== | ==Literatur== |
Version vom 25. Februar 2020, 15:18 Uhr
Geschichte
Gründungslegende
Wie viele alte Klöster hat auch Vorau seine Gründungslegende, der die bekannte Hubertuslegende zugrundeliegt.
Eines Tages, während er in seinen Wäldern um Vorau jagte, da gelangte der steirische Markgraf Otakar plötzlich an eine Lichtung, in deren Mitte die erst unlängst zu Ehren des hl. Apostels Thomas geweihte Kapelle stand. Und hier zeigte sich ihm im Dämmerschein der Nebelschwaden die Silhouette eines prächtigen Hirsches. Der Blick des Tieres schien ihn festzubannen, so dass er die gespannte Armbrust wieder langsam sinken ließ. Durch das geheimnisvoll einspinnende Nebeltreiben gewahrte Otakar zwischen den weitausladenden Geweihstangen ein leuchtendes Kreuz. Ein feiner Glockenton vom Dachreiter der Thomaskapelle durchbrach die Stille und wirkte wie eine Erlösung auf den an Körper und Geist erstarrten Markgrafen. Als sein Blick sich wiederum der Waldlichtung zuwandte und erneut die Gestalt des Hirschen einzufangen suchte, fanden seine durch die seltsame Erscheinung ermüdeten Augen nur noch das Blätterkleid und Beerengestrüpp des Waldes, durch das hindurch der Hirsch geflüchtet war. Dieses Erlebnis war für Otakar ein Fingerzeig des Allmächtigen, sein Vorhaben, ein Kloster zu gründen, an dieser Stelle zu verwirklichen. Seinen Entschluss ließ er sofort urkundlich besiegeln.
Gründung
Als sechstes Kloster der Steiermark (nach Göß, Admont, St. Lambrecht, Rein und Seckau) wurde Vorau in jenem abgeschiedenen Landstrich zwischen Wechsel und Masenberg gegründet, den nach dem Tod des Grafen Ekbert III. von Formbach-Pitten (er fiel 1158 vor Mailand) Markgraf Otakar III. von Steier erbte. Markgraf Otakar, der durch sein Erbe eine besondere Machterweiterung erhalten hatte, war nun bestrebt, die Erschließung dieser unwirtlichen und noch äußerst dünn besiedelten Landstriche vorwärtszutreiben. Deshalb übergab er seinen Eigenbesitz um Vorau (predium nostrum Vorowe dictum) dem Erzbischof von Salzburg, damit hier ein Kloster der regulierten Chorherren des hl. Augustin errichtet werde. Die im Jahr 1163 erfolgte Gründung fällt in die Zeit der Blüte der Augustiner-Chorherren in der weitausgedehnten alten Salzburger Kirchenprovinz. Um seinem Wunsch auch Rechtskraft zu verleihen, rief Markgraf Otakar wohl im Spätherbst des Jahres 1163 zu Fischau am Steinfeld (Niederösterreich), dem damaligen geistigen und weltlichen Vorort für unsere Landschaft, eine größere Anzahl geistlicher und weltlicher Herren zusammen, tat ihnen nochmals seinen Willen kund, legte ihn in einer Urkunde fest, ließ die anwesenden Zeugen namentlich beisetzen und besiegelte die Urkunde mit seinem Reitersiegel.
Die Gründungsurkunde gibt die Grenzen des Stiftungsgutes an, woraus wir sehen können, dass es sich größtenteils um noch ungerodetes Waldland handelte. Weiters befreite in dieser Urkunde der Gründer das Stift von allen Abgaben. Trotz des Vorliegens der Gründungsurkunde ist die Gründungsgeschichte von Vorau in ein gewisses Dunkel gehüllt, fehlt doch das genaue Ausstellungsdatum. Es steht aber fest, daß die Urkunde nach der Geburt Markgraf Otakars IV., also nach dem 19. August, sicher jedoch einige Zeit vor der Pfarrerhebungsurkunde von Mönichwald ausgestellt wurde. Im nahe gelegenen Mönichwald, einer Schenkung des Grafen Ekbert von Formbach an die Benediktiner der Abtei Formbach am Inn, die nördlich vom Wechsel-Semmering zu Gloggnitz ein Priorat besaßen, weihte Erzbischof Eberhard am 17. Dezember 1163 in Anwesenheit zahlreicher hochrangiger Zeugen ein zu Ehren des hl. Petrus erbautes Gotteshaus, erhob es zur Pfarrkirche und bestimmte die Grenzen der Pfarre.
Unmittelbar danach muss Erzbischof Eberhard von Mönichwald weggezogen und unverzüglich auf den besten Verbindungswegen nach Friesach gereist sein, stellte er doch dort schon am 20. Dezember neue Urkunden aus. Die Gründungsurkunde des Stiftes Vorau ist also wahrscheinlich im September oder Oktober 1163 ausgestellt worden, während der eigentliche Gründungsakt, auf den in der Urkunde Bezug genommen wird, in Vorau zeitlich vorher stattgefunden haben muss. Nichts weist darauf hin, dass die Akte von Fischau und Mönichwald hintereinander stattgefunden haben, ja die völlig anderen Zeugen in diesen beiden Urkunden sprechen sogar dagegen. Weil eine Klostergründung aber umfangreicher Vorarbeiten, Erhebungen und Genehmigungen bedurfte, dürften die notwendigen Maßnahmen bereits einige Zeit zurückreichen, jedenfalls vor den Zeitpunkt der Geburt des Sohnes, die in der Überlieferung als Anlaß der Stiftsgründung angesehen wird. Auch der Text der Urkunde spricht dafür, dass Markgraf Otakar III. schon vor der Zusammenkunft in Fischau Unterhandlungen mit Erzbischof Eberhard I. geführt hatte.[1]
Als Anstoß zur Gründung des Chorherrenstiftes Vorau können letztendlich mehrere Aspekte in Betracht gezogen werden:
1.) Die bisherige Literatur sieht in Bischof Roman I. von Gurk, den Vertreter des Erzbischofs von Salzburg, einen der Hauptakteure bei der Gründung des Stiftes. Roman, seit 1131 Bischof von Gurk, war seit 1138 bis zum Tod Erzbischof Konrads 1147 der eigentliche Regent der Metropolitankirche von Salzburg und auch der vertrauteste Ratgeber und die leitende Persönlichkeit der Erzdiözese unter dem neuen Erzbischof Eberhard I. Er hat nicht nur 1149 das erste Kirchlein St. Thomas im Wald in Vorau geweiht, sein Name wird auch in der Gründungsurkunde, die Markgraf Otakar in Fischau ausstellte, ausdrücklich hervorgehoben, denn er war damals der einzige anwesende Kirchenfürst.
Bischof Roman kannte ja die Gegend und hat den abgelegenen Gebirgskessel wohl für eine Stiftsgründung als besonders geeignet befunden. Auch dass hier ein Chorherrenstift gegründet wurde, dürfte in erster Linie auf Bischof Roman zurückgehen, denn neben den Zisterziensern waren die Chorherren damals der modernste Orden der Zeit, der sich gerade in einem mächtigen Aufschwung befand. Auch Erzbischof Konrad ließ sich von der Idee des Propstes Gerhoch von Reichersberg, alle Priester zu Mönchen zu machen, begeistern und begann mit seinen in Salzburg residierenden Klerikern das gemeinsame Leben nach der Regel des großen Kirchenlehrers Augustinus mit einem Dompropst an der Spitze. Er führte die Augustinerregel auch bei der Geistlichkeit der Maria Saaler Kirche ein, und der erste Chorherrenpropst dieser Kirche, schon ab 1124 urkundlich nachweisbar, war Roman, der später als Bischof von Gurk ebenfalls von einem Chorherrenkapitel umgeben war. Roman weihte 1132 zusammen mit Erzbischof Konrad das Chorherrenstift Chiemsee, 1133 im erzbischöflichen Auftrag das Chorherrenstift Aue in Bayern, beide wohnten im Februar 1136 der Einweihung des Chorherrenstiftes Klosterneuburg bei, in Gegenwart Erzbischof Konrads konsekrierte Bischof Roman 1138 das Nonnenkloster in Reichersberg, im selben Jahr das regulierte Chorherrenstift Beyharting in Bayern, und 1140 war er bei der Gründung des Chorherrenstiftes Seckau anwesend, die ebenfalls auf seinen Rat hin erfolgt ist. Die Gründung dieses Chorherrenstiftes erfolgte zuerst in St. Marein, musste aber drei Jahre später, weil der Ort an einer Durchzugsstraße lag und nicht die nötige Ruhe für ein religiöses Leben bot, nach Seckau verlegt werden. Roman, auf dessen Rat hin 1161 auch Dechantskirchen zur Pfarre erhoben wurde, dürfte sich diesen Fehlschlag zu Herzen genommen haben und für die neue Chorherrenniederlassung das abgelegene Vorau ausgesucht haben. Neben seiner Verbundenheit mit der Chorherrenidee dürfen wir aber nicht vergessen, dass Roman auch persönliche Bindungen an diese Gegend gefesselt haben, denn die Erben der Gründerin von Gurk, der hl. Hemma, Graf Wolfrad von Treffen und seine Gattin Hemma, gehörten ja seit 1141 zu den größten Grundherren des Vorauer Gebietes. Möglicherweise hat Bischof Roman, dessen Aufgabe es ja nicht war, kleine Kapellen zu weihen, auch deshalb 1149 das Kirchiein St. Thomas eingeweiht.
2.) Ist Bischof Roman in erster Linie als der geistige Vater des Stiftes Vorau anzusprechen, so bleibt der eigentliche Gründer Markgraf Otakar III. von Steier, der bedeutendste Fürst aus dem Geschlechte der Traungauer, der in seinem kurzen, aber tatenreichen Leben das Land Steiermark geschaffen hat. Begünstigt durch große Erbschaften, aber auch getrieben von unbändigem Herrscherwillen hat er die damals noch lose verbundenen Landschaften unserer Heimat verschmolzen und die Landesherrschaft begründet. Auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines Lebens vollführte er drei Klostergründungen, denn neben Vorau gründete er 1160 noch das Hospital am Semmering, womit er die Semmeringstraße öffnete, und kurz vor seinem Tod die Kartause Seitz bei Gonobitz.
3.) Den letzten Anstoß zur Gründung des Stiftes Vorau gab sicherlich die Geburt des langersehnten Erben, des nachmaligen Markgrafen Otakar IV. und späteren ersten Herzogs der Steiermark (1180-1192), am 19. August 1163. Die Ehe Otakars III. mit Kunigunde, der Tochter Dietpolds III. von Cham-Vohburg, die schon vor 1146 geschlossen worden war, war also eineinhalb Jahrzehnte kinderlos geblieben.
4.) In der Gründungsurkunde wird allerdings die Geburt des Sohnes nicht erwähnt. Otakar gibt hier seiner Hoffnung Ausdruck, dass nach dem Zeugnis der Schrift durch reiche Gaben die Sünden vergeben werden, weiters Gottesfurcht und die Sorge um das Heil seiner Seele, das seiner Frau Kunigunde und seines geliebten Sohnes Otakar sowie aller Vorfahren. Man ist daher fast geneigt, in der Gründung von Vorau eine Art Sühnestiftung zu sehen, was angesichts der rauhen und durchgreifenden Natur des Markgrafen naheliegend erscheint.
5.) Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Aspekt für die Stiftsgründung mag in den kolonisatorischen Absichten des Markgrafen gelegen sein. Die Steiermark ist im Gegensatz zu Salzburg oder Oberösterreich ein junges Kolonisationsland, das eine mehr abweisende als einladende Umwelt bot. Das 12. Jahrhundert jedoch brachte mit der Ausweitung der Kolonisation und dem Sieg der kirchlichen Reformbewegung eine Hochblüte der Klostergründungen. Erzbischof Konrad I. bediente sich bei seinem Erneuerungswerk vor allem der Chorherren, die zum Unterschied von den Mönchen auch in der Seelsorge tätig waren. Eine Stiftsgründung brachte auch Siedler, die die Erschließung dieses unwirtlichen Landstriches der nördlichen Oststeiermark vorwärtstrieben, Siedler die für das ihnen zugewiesene Land Zinse und Abgaben zu entrichten hatten,die auf Umwegen wiederum dem Landesfürsten zugute kamen. Nur ein besiedeltes Land brachte Einnahmen.
6.) Vielleicht liegen der Stiftsgründung auch verteidigungsstrategische Aspekte zugrunde. Dem nach Osten offenen, dem Alpenwall vorgelagerten Land der östlichen Steiermark wurde durch die Geschichte ein Schicksal besonderer Härte auferlegt, da es als Glacis der Alpen zum Tummelplatz aller Völker wurde, die von Osten in den mitteleuropäischen Raum vorstießen. Die gegen Einfälle der Magyaren errichtete Mark fand ihre Nahtstelle zum Osten schließlich in einer nordsüdlich verlaufenden Grenzlinie, die infolge Fehlens von natürlichen, geographischen Hindernissen umfangreicher Grenzsicherung bedurfte. So wurde ein von Nord nach Süd verlaufender Burgengürtel angelegt, in dessen langer Kette vielleicht auch das Stift Vorau bei seiner Gründung als ein Glied miteingeplant war. Das im Laufe der Jahrhunderte zu einer starken Festung um- und ausgebaute Stift bot seit seiner Gründung bis in die Zeit der Türken- und Kuruzzenstürme im 18. Jahrhundert der ständig bedrängten Grenzbevölkerung bei Einfällen kriegerischer Horden eine letzte und willkommene Zufluchtsstätte.
Literatur
- Text 1
- Text 2
Einzelnachweise
- ↑ Wir haben daher aus Gottesfurcht und Liebe zu Gott im Hinblick auf unser und unserer geliebten Gattin Kunigunde Seelenheil sowie auf jenes unseres teuersten Sohnes Otakar und aller unserer Vorfahren unser Gut, Vorau genannt, kraft unserer Herrschaftsgewalt an den Stuhl von Salzburg übergeben und mit Rat unseres Herrn Eberhard, des ehrwürdigen Erzbischofs, auf ebendem Gut nach der Regel des heiligen Augustinus lebende Ordensmänner für alle Zeiten angesiedelt.