Stift Dürnstein: Unterschied zwischen den Versionen
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Die prächtig mit Miniaturen ausgestattete Stiftungsurkunde für das Augustiner-Chorherrenstift Dürnstein wurde am 17. Februar 1410 ausgestellt. Der Errichtung der Kanonie liegt jedoch eine ältere Marienkapelle zugrunde, die Elisabeth von Kuenring, Witwe Eberhards von Wallsee zu Graz, und Heidenreich von Maissau stifteten und die 1373 erstmals genannt ist. Elisabeth gehörte zur letzten Generation der Dürnsteiner Linie ihrer Familie und ließ ihre Kapelle im Kuenringerhof erbauen, den sie von ihren Verwandten erworben hatte. Heidenreich von Maissau war ein angeheirateter Cousin Elisabeths und Pfandinhaber der landesfürstlichen Herrschaft Dürnstein. Gemeinsam erwarben sie verschiedene Gülten und Liegenschaften, um sie ihrer Kapelle „Unserer Frau" zu widmen. Spätmittelalterliche Kapellengründungen wie diese dienten dem liturgischen Totengedenken an die Stifterfamilie und verbanden eine tief empfundene Sorge um das jenseitige Seelenheil mit einem adeligen Anspruch auf Repräsentation und Memoria, einer formellen und rituellen Pflege der Erinnerung. | Die prächtig mit Miniaturen ausgestattete Stiftungsurkunde für das Augustiner-Chorherrenstift Dürnstein wurde am 17. Februar 1410 ausgestellt. Der Errichtung der Kanonie liegt jedoch eine ältere Marienkapelle zugrunde, die Elisabeth von Kuenring, Witwe Eberhards von Wallsee zu Graz, und Heidenreich von Maissau stifteten und die 1373 erstmals genannt ist. Elisabeth gehörte zur letzten Generation der Dürnsteiner Linie ihrer Familie und ließ ihre Kapelle im Kuenringerhof erbauen, den sie von ihren Verwandten erworben hatte. Heidenreich von Maissau war ein angeheirateter Cousin Elisabeths und Pfandinhaber der landesfürstlichen Herrschaft Dürnstein. Gemeinsam erwarben sie verschiedene Gülten und Liegenschaften, um sie ihrer Kapelle „Unserer Frau" zu widmen. Spätmittelalterliche Kapellengründungen wie diese dienten dem liturgischen Totengedenken an die Stifterfamilie und verbanden eine tief empfundene Sorge um das jenseitige Seelenheil mit einem adeligen Anspruch auf Repräsentation und Memoria, einer formellen und rituellen Pflege der Erinnerung. | ||
Im Stiftungsbrief vom 15. Juni 1378 wurde die Kapelle dem Kaplan Elisabeths, Johannes von Weitra, verliehen, der auch für den Unterhalt von zwei weiteren Priestern zu sorgen hatte. Als Elisabeth ein Jahr später verstarb, wurde aufgrund ihres Testaments eine Änderung der Dotation notwendig. Heidenreich von Maissau ließ darum am | Im Stiftungsbrief vom 15. Juni 1378 wurde die Kapelle dem Kaplan Elisabeths, Johannes von Weitra, verliehen, der auch für den Unterhalt von zwei weiteren Priestern zu sorgen hatte. Als Elisabeth ein Jahr später verstarb, wurde aufgrund ihres Testaments eine Änderung der Dotation notwendig. Heidenreich von Maissau ließ darum am 1. Februar 1380 einen zweiten Stiftungsbrief ausstellen. Die Anzahl der Seelenmessen ließ er erweitern und verfügte auch eine Ausspeisung an drei Arme, die die Schule besuchten, welche hier erstmals genannt ist. | ||
Nach dem Tod des ersten Kaplans 1387 verlieh Hans von Maissau, Heidenreichs Sohn, die Stiftung an [[Stephan von Haslach]], in dem die Tradition schon frühzeitig den fundator, den Gründer des späteren Chorherrenstiftes sah. Der Kaplan der Maissauer Stephan ist für die Jahre 1402 und 1403 mehrfach als herzoglicher Kammerschreiber nachzuweisen. Er führte in seinem Wappen - abgebildet auf seinem Grabstein in der Krypta sowie auf der Stiftungsurkunde von 1410 - den von zwei Kreuzen flankierten Blumenkorb, das Zeichen der heiligen Dorothea und spätere Wappen des Chorherrenstiftes. Der Altar dieser Heiligen, für die Leutold von Maissau 1399 eine Messstiftung errichtete, sollte im besonderen dem Totengedenken seiner Familie gewidmet sein und der Kaplan Stephan hatte die getreuliche Ausführung der Seelgeräte zu besorgen. Die Bedeutung des Dorotheaaltar es ist auch insofern eine besondere, als nämlich dafür eine eigene Kapelle im Kreuzgang errichtet wurde. | Nach dem Tod des ersten Kaplans 1387 verlieh Hans von Maissau, Heidenreichs Sohn, die Stiftung an [[Stephan von Haslach]], in dem die Tradition schon frühzeitig den fundator, den Gründer des späteren Chorherrenstiftes sah. Der Kaplan der Maissauer Stephan ist für die Jahre 1402 und 1403 mehrfach als herzoglicher Kammerschreiber nachzuweisen. Er führte in seinem Wappen - abgebildet auf seinem Grabstein in der Krypta sowie auf der Stiftungsurkunde von 1410 - den von zwei Kreuzen flankierten Blumenkorb, das Zeichen der heiligen Dorothea und spätere Wappen des Chorherrenstiftes. Der Altar dieser Heiligen, für die Leutold von Maissau 1399 eine Messstiftung errichtete, sollte im besonderen dem Totengedenken seiner Familie gewidmet sein und der Kaplan Stephan hatte die getreuliche Ausführung der Seelgeräte zu besorgen. Die Bedeutung des Dorotheaaltar es ist auch insofern eine besondere, als nämlich dafür eine eigene Kapelle im Kreuzgang errichtet wurde. | ||
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Damit eine klösterliche Erneuerungsbewegung nicht erstarrte, bedurft en die Konvente eines engen Austausches untereinander und der Festlegung konkreter Statuten, die die Augusstinusregel ergänzten. Die Stifte Dürnstein und St. Dorothea schlossen 1426 ein Bündnis, das der Einheit und Eintracht dienen sollte und mit dem man sich des gegenseitigen Beistandes im Fall von Zwistigkeiten in den Konventen versicherte. Es waren auch Professen aus diesen beiden Stiften, die neue Statuten ergänzend zu den bestehenden ausarbeiteten, die besonders die Liturgie und die Stundengebete betrafen. Später wurden diese ''statuta vetera et nova'' um Vorschriften für die einzelnen Stiftsämter ergänzt und in einem einzigen Kompendium, den sogenannten „Wiener Konstitutionen", zusammengefasst und vom Bischof vom Passau und vom Legaten des Papstes bestätigt. Sie bildeten die gemeinsame Grundlage für einen Verband verschiedener Chorherrenstifte: Dem Bündnis von Dürnstein und St. Dorothea schlossen sich mit der Übernahme der Ordensvorschriften die von Kaiser Friedrich III. neu gegründeten Klöster in Wr. Neustadt (Niederösterreich) und Rottenmann (Steiermark) sowie die wieder errichtete Kanonie Glatz (Schlesien) an und bildeten ab 1460 eine vom Kaiser angeregte und geförderte Kongregation, welche allerdings durch den raschen Niedergang der Neugründungen schon im 16. Jahrhundert wieder ein Ende fand. | Damit eine klösterliche Erneuerungsbewegung nicht erstarrte, bedurft en die Konvente eines engen Austausches untereinander und der Festlegung konkreter Statuten, die die Augusstinusregel ergänzten. Die Stifte Dürnstein und St. Dorothea schlossen 1426 ein Bündnis, das der Einheit und Eintracht dienen sollte und mit dem man sich des gegenseitigen Beistandes im Fall von Zwistigkeiten in den Konventen versicherte. Es waren auch Professen aus diesen beiden Stiften, die neue Statuten ergänzend zu den bestehenden ausarbeiteten, die besonders die Liturgie und die Stundengebete betrafen. Später wurden diese ''statuta vetera et nova'' um Vorschriften für die einzelnen Stiftsämter ergänzt und in einem einzigen Kompendium, den sogenannten „Wiener Konstitutionen", zusammengefasst und vom Bischof vom Passau und vom Legaten des Papstes bestätigt. Sie bildeten die gemeinsame Grundlage für einen Verband verschiedener Chorherrenstifte: Dem Bündnis von Dürnstein und St. Dorothea schlossen sich mit der Übernahme der Ordensvorschriften die von Kaiser Friedrich III. neu gegründeten Klöster in Wr. Neustadt (Niederösterreich) und Rottenmann (Steiermark) sowie die wieder errichtete Kanonie Glatz (Schlesien) an und bildeten ab 1460 eine vom Kaiser angeregte und geförderte Kongregation, welche allerdings durch den raschen Niedergang der Neugründungen schon im 16. Jahrhundert wieder ein Ende fand. | ||
Eines der wichtigsten Instrumente zur Aufrechterhaltung eines regeltreuen Ordenslebens stellte die Visitation dar, also der Besuch des Klosters durch delegierte Visitatoren, oft Vorsteher anderer Konvente, welche sich vor Ort ein Bild über das klösterliche Leben zu machen hatten. Dabei erhielt der Konvent eine carta visitationis, worin Vorschriften darüber verzeichnet sind, worauf in Bezug auf die Einhaltung der Ordensstatuten in Zukunft besonders zu achten sei. Obwohl die Ernennung von Visitatoren eigentlich ein Recht des zuständigen Diözesanbischofs war, stellte sich der österreichische Herzog Albrecht V. selbst an die Spitze der klösterlichen Reformbewegungen des ausgehenden Mittelalters und erlangte die päpstliche Machtbefugnis, mit von ihm ernannten Visitatoren über die Regeltreue in den Klöstern seines Landes zu wachen - waren diese doch nicht nur geistlicher und kultureller, sondern auch ein wichtiger ökonomischer Rückhalt seiner Landesherrschaft. 1418 ernannte der Herzog unter anderem den ersten Propst von Dürnstein, Martin, und den Propst von [[Wittingau]], [[Andreas]], zu Visitatoren für die Chorherrenstifte [[Herzogenburg]], [[Klosterneuburg]] und [[St. Florian]]. | Eines der wichtigsten Instrumente zur Aufrechterhaltung eines regeltreuen Ordenslebens stellte die Visitation dar, also der Besuch des Klosters durch delegierte Visitatoren, oft Vorsteher anderer Konvente, welche sich vor Ort ein Bild über das klösterliche Leben zu machen hatten. Dabei erhielt der Konvent eine carta visitationis, worin Vorschriften darüber verzeichnet sind, worauf in Bezug auf die Einhaltung der Ordensstatuten in Zukunft besonders zu achten sei. Obwohl die Ernennung von Visitatoren eigentlich ein Recht des zuständigen Diözesanbischofs war, stellte sich der österreichische Herzog Albrecht V. selbst an die Spitze der klösterlichen Reformbewegungen des ausgehenden Mittelalters und erlangte die päpstliche Machtbefugnis, mit von ihm ernannten Visitatoren über die Regeltreue in den Klöstern seines Landes zu wachen - waren diese doch nicht nur geistlicher und kultureller, sondern auch ein wichtiger ökonomischer Rückhalt seiner Landesherrschaft. 1418 ernannte der Herzog unter anderem den ersten Propst von Dürnstein, Martin, und den Propst von [[Wittingau]], [[Andreas]], zu Visitatoren für die Chorherrenstifte [[Stift Herzogenburg|Herzogenburg]], [[Stift Klosterneuburg|Klosterneuburg]] und [[Stift St. Florian|St. Florian]]. | ||
Zur Unterstützung der klösterlichen Erneuerung wurden Professen aus Reformklöstern in andere Konvente ausgesandt, so etwa 1433 auf Weisung des Erzbischofs von Salzburg Dürnsteiner Chorherren nach Stift Vorau (Steiermark). In Ranshofen (Oberösterreich) wurde ein Kanoniker aus Dürnstein, [[Wolfgang Strobl]], zum Propst postuliert und reformierte das Kapitel. Weitere Dürnsteiner Chorherren gehörten zum ersten Konvent der neuen Kanonie in [[Schrattenthal]] (Niederösterreich), die 1477 gegründet wurde. Immer wieder wurde der Propst von Dürnstein von anderen Prälaten gebeten, für einige Zeit einen Konventualen aufzunehmen, um ihn echte Klosterzucht zu lehren. | Zur Unterstützung der klösterlichen Erneuerung wurden Professen aus Reformklöstern in andere Konvente ausgesandt, so etwa 1433 auf Weisung des Erzbischofs von Salzburg Dürnsteiner Chorherren nach Stift Vorau (Steiermark). In Ranshofen (Oberösterreich) wurde ein Kanoniker aus Dürnstein, [[Wolfgang Strobl]], zum Propst postuliert und reformierte das Kapitel. Weitere Dürnsteiner Chorherren gehörten zum ersten Konvent der neuen Kanonie in [[Schrattenthal]] (Niederösterreich), die 1477 gegründet wurde. Immer wieder wurde der Propst von Dürnstein von anderen Prälaten gebeten, für einige Zeit einen Konventualen aufzunehmen, um ihn echte Klosterzucht zu lehren. | ||
Version vom 28. April 2020, 14:31 Uhr
Geschichtlicher Überblick
Gründungsgeschichte und Spätmittelalter
Die prächtig mit Miniaturen ausgestattete Stiftungsurkunde für das Augustiner-Chorherrenstift Dürnstein wurde am 17. Februar 1410 ausgestellt. Der Errichtung der Kanonie liegt jedoch eine ältere Marienkapelle zugrunde, die Elisabeth von Kuenring, Witwe Eberhards von Wallsee zu Graz, und Heidenreich von Maissau stifteten und die 1373 erstmals genannt ist. Elisabeth gehörte zur letzten Generation der Dürnsteiner Linie ihrer Familie und ließ ihre Kapelle im Kuenringerhof erbauen, den sie von ihren Verwandten erworben hatte. Heidenreich von Maissau war ein angeheirateter Cousin Elisabeths und Pfandinhaber der landesfürstlichen Herrschaft Dürnstein. Gemeinsam erwarben sie verschiedene Gülten und Liegenschaften, um sie ihrer Kapelle „Unserer Frau" zu widmen. Spätmittelalterliche Kapellengründungen wie diese dienten dem liturgischen Totengedenken an die Stifterfamilie und verbanden eine tief empfundene Sorge um das jenseitige Seelenheil mit einem adeligen Anspruch auf Repräsentation und Memoria, einer formellen und rituellen Pflege der Erinnerung.
Im Stiftungsbrief vom 15. Juni 1378 wurde die Kapelle dem Kaplan Elisabeths, Johannes von Weitra, verliehen, der auch für den Unterhalt von zwei weiteren Priestern zu sorgen hatte. Als Elisabeth ein Jahr später verstarb, wurde aufgrund ihres Testaments eine Änderung der Dotation notwendig. Heidenreich von Maissau ließ darum am 1. Februar 1380 einen zweiten Stiftungsbrief ausstellen. Die Anzahl der Seelenmessen ließ er erweitern und verfügte auch eine Ausspeisung an drei Arme, die die Schule besuchten, welche hier erstmals genannt ist. Nach dem Tod des ersten Kaplans 1387 verlieh Hans von Maissau, Heidenreichs Sohn, die Stiftung an Stephan von Haslach, in dem die Tradition schon frühzeitig den fundator, den Gründer des späteren Chorherrenstiftes sah. Der Kaplan der Maissauer Stephan ist für die Jahre 1402 und 1403 mehrfach als herzoglicher Kammerschreiber nachzuweisen. Er führte in seinem Wappen - abgebildet auf seinem Grabstein in der Krypta sowie auf der Stiftungsurkunde von 1410 - den von zwei Kreuzen flankierten Blumenkorb, das Zeichen der heiligen Dorothea und spätere Wappen des Chorherrenstiftes. Der Altar dieser Heiligen, für die Leutold von Maissau 1399 eine Messstiftung errichtete, sollte im besonderen dem Totengedenken seiner Familie gewidmet sein und der Kaplan Stephan hatte die getreuliche Ausführung der Seelgeräte zu besorgen. Die Bedeutung des Dorotheaaltar es ist auch insofern eine besondere, als nämlich dafür eine eigene Kapelle im Kreuzgang errichtet wurde.
Mit dem dritten Stiftungsbrief vom 26. Jänner 1395 erhöhte Hans von Maissau die Anzahl der Kapläne auf vier, denen er neu erworbene Güter widmete, und erweiterte ihre Aufgaben im liturgischen Gedenken an die Stifter. Als der Frauenkapelle schlielich 1402 die Johanneskapelle auf der Burg inkorporiert wurde, kündigte sich bereits der Plan an, aus der Gemeinschaft der Kapläne ein Kollegiatstift zu machen. Vorgesehen war der Unterhalt von zwölf Priestern, zu dem auch die Dürnsteiner und die Grafenwörther Pfarrkirchen beitragen sollten, deren Patronatsrechte der Kapelle 1407 übertragen wurden. Bereits 1403 war mit dem Tod Leutolds von Maissau die Hauptlinie seiner Familie erloschen, die Führung des Hauses und damit das Patronat der Dürnsteiner Kapelle übernahm Otto von Maissau, der hohe und einträgliche Funktionen am landesfürstlichen Hof bekleidete. Er gab die ursprüngliche Absicht, ein weltliches Kanonikat zu errichten, auf und stiftete am 17. Februar 1410 ein Augustiner-Chorherrenstift, dessen Ordensleben nach den Vorschriften der böhmischen Chorherren stifte Raudnitz und Wittingau ausgerichtet wurde.
Von Stift Raudnitz (Roudnice) an der Elbe in Nordböhmen, gegründet 1333 als erstes Augustiner-Chorherrenstift Böhmens vom Bischof von Prag, Johannes von Drazic, ging eine Erneuerungsbewegung des Ordens aus. Unter den ersten Kanonien, die von Raudnitz besiedelt wurden, war auch Wittingau (Třeboň) in Südböhmen, errichtet 1367.Die Konvente der Raudnitzer Reform waren getragen vom Bestreben um eine verinnerlichte Spiritualität im Geiste der devotio moderna, einer Frömmigkeitsbewegung, die durch die Betrachtung des Lebens und Leidens Christi den Weg zu einer apostolischen Nachfolge suchte und ihren Ausdruck auch in der Kunst, vor allem im gotischen Andachtsbild, fand. Die Chorherren strebten danach, die augustinische Einheit in Herz und Seele (cor unum et anima una) in einer sichtbaren Einigkeit im klösterlichen Zusammenleben erfahrbar zu machen: durch strengen Verzicht auf privates Eigentum, durch Tragen einheitlicher Ordenskleidung, sorgfältige Einhaltung der Gebetszeiten und Fastenvorschriften. Sie pflegten das Studium der Kirchenväter, besonders des heiliger Augustinus, als Inspiration zu einer wahren vita apostolica. Eine päpstliche Dispens gestattete es ihnen, zur Förderung ihrer Studien eigene Zellen anstelle des sonst üblichen gemeinsamen Schlafsaals zu bewohnen.
Dürnstein war das erste Chorherrenstift im österreichischen Raum, das die Gewohnheiten von Raudnitz übernahm. Der erste Konvent setzte sich zusammen aus der Gemeinschaft der ehemaligen Kapläne und aus Professen aus Wittingau, sie wählten den ersten Propst namens Martin. Stephan von Haslach brachte das Vermögen seiner Kapelle in die junge Kanonie ein und wurde Pfarrer von Dürnstein. Er erlebte noch, als 1414, ein Jahr vor seinem Tod, Dürnsteiner Kanoniker nach Wien entsandt wurden, um die Umwandlung der landesfürstlichen Dorotheakapelle in ein Chorherrenstift mit Raudnitzer Statuten mitzutragen. Damit eine klösterliche Erneuerungsbewegung nicht erstarrte, bedurft en die Konvente eines engen Austausches untereinander und der Festlegung konkreter Statuten, die die Augusstinusregel ergänzten. Die Stifte Dürnstein und St. Dorothea schlossen 1426 ein Bündnis, das der Einheit und Eintracht dienen sollte und mit dem man sich des gegenseitigen Beistandes im Fall von Zwistigkeiten in den Konventen versicherte. Es waren auch Professen aus diesen beiden Stiften, die neue Statuten ergänzend zu den bestehenden ausarbeiteten, die besonders die Liturgie und die Stundengebete betrafen. Später wurden diese statuta vetera et nova um Vorschriften für die einzelnen Stiftsämter ergänzt und in einem einzigen Kompendium, den sogenannten „Wiener Konstitutionen", zusammengefasst und vom Bischof vom Passau und vom Legaten des Papstes bestätigt. Sie bildeten die gemeinsame Grundlage für einen Verband verschiedener Chorherrenstifte: Dem Bündnis von Dürnstein und St. Dorothea schlossen sich mit der Übernahme der Ordensvorschriften die von Kaiser Friedrich III. neu gegründeten Klöster in Wr. Neustadt (Niederösterreich) und Rottenmann (Steiermark) sowie die wieder errichtete Kanonie Glatz (Schlesien) an und bildeten ab 1460 eine vom Kaiser angeregte und geförderte Kongregation, welche allerdings durch den raschen Niedergang der Neugründungen schon im 16. Jahrhundert wieder ein Ende fand.
Eines der wichtigsten Instrumente zur Aufrechterhaltung eines regeltreuen Ordenslebens stellte die Visitation dar, also der Besuch des Klosters durch delegierte Visitatoren, oft Vorsteher anderer Konvente, welche sich vor Ort ein Bild über das klösterliche Leben zu machen hatten. Dabei erhielt der Konvent eine carta visitationis, worin Vorschriften darüber verzeichnet sind, worauf in Bezug auf die Einhaltung der Ordensstatuten in Zukunft besonders zu achten sei. Obwohl die Ernennung von Visitatoren eigentlich ein Recht des zuständigen Diözesanbischofs war, stellte sich der österreichische Herzog Albrecht V. selbst an die Spitze der klösterlichen Reformbewegungen des ausgehenden Mittelalters und erlangte die päpstliche Machtbefugnis, mit von ihm ernannten Visitatoren über die Regeltreue in den Klöstern seines Landes zu wachen - waren diese doch nicht nur geistlicher und kultureller, sondern auch ein wichtiger ökonomischer Rückhalt seiner Landesherrschaft. 1418 ernannte der Herzog unter anderem den ersten Propst von Dürnstein, Martin, und den Propst von Wittingau, Andreas, zu Visitatoren für die Chorherrenstifte Herzogenburg, Klosterneuburg und St. Florian. Zur Unterstützung der klösterlichen Erneuerung wurden Professen aus Reformklöstern in andere Konvente ausgesandt, so etwa 1433 auf Weisung des Erzbischofs von Salzburg Dürnsteiner Chorherren nach Stift Vorau (Steiermark). In Ranshofen (Oberösterreich) wurde ein Kanoniker aus Dürnstein, Wolfgang Strobl, zum Propst postuliert und reformierte das Kapitel. Weitere Dürnsteiner Chorherren gehörten zum ersten Konvent der neuen Kanonie in Schrattenthal (Niederösterreich), die 1477 gegründet wurde. Immer wieder wurde der Propst von Dürnstein von anderen Prälaten gebeten, für einige Zeit einen Konventualen aufzunehmen, um ihn echte Klosterzucht zu lehren.
Vom päpstlichen Legaten und Bischof von Brixen, Nikolaus von Kues, wurden jene Visitatoren ernannt, die 1451 unter anderem auch Dürnstein besuchten. In ihrer noch erhaltenen Visitationsurkunde hinter ließen sie detaillierte Anweisungen zum Tagesablauf der Chorherren: über das Chorgebet, die tägliche Kapitelsitzung und die Erholungszeiten für Gespräch und Umtrunk. Sie verfügten über die Art der Tonsur ebenso wie über die Amtsbefugnisse des Propstes und die Ehrehrbietung, die ihm die Kapitularen zu erweisen hatten. Ausführlich erörterten sie die Bedeutung einer strengen Observanz und wiesen den Prälaten an, dass er jene Brüder, die das Kloster verlassen und in ein freier es wechseln wollten, an einen noch härteren und strengeren Ort schicken sollte, nämlich in den Klosterkerker. Das Leben in Reformklöstern war von jeher ein hartes gewesen, doch bot die Spiritualität und gemeinsame Lebensführung ein hohes Maß an Zugehörigkeit, Orientierung und Sicherheit - Werte, die der Herbst des Mittelalters nicht für jeden bereithielt.
Dürnstein war stets ein kleines Kloster gewesen, auch in Hinblick auf seine wirtschaftliche Situation, und doch war es in den ersten Generationen seines Bestehens eine gefestigte, geistliche Institution mit einem stabilen Konvent. Auf jenen Urkunden, die von Notaren aufgezeichnet wurden und in denen die Konventualen die Rechtmäßigkeit einer Propstwahl bestätigten, haben bei sechs Wahlen zwischen 1431 und 1521 durchschnittlich immer an die 15 Professen unterschrieben. Für ihren Unterhalt sorgten auch die zahlreichen frommen Stiftungen, die dem Kloster zugewendet wurden: Gelddienste oder Liegenschaften, meist Weingärten, übertrugen die Bürger der Stadt und die Bauern des Umlandes, damit die Chorherren Totenmessen für sie sangen oder lasen. Das Stiftungswesen war auch ein bedeutender ökonomischer Faktor und brachte umwälzende Veränderungen im Grund- und Rentenmarkt. In dem komplexen Wirtschaftsgefüge einer Gegend, die sich zudem schon lange auf den Weinbau und -handel spezialisiert hatte, konnte ein Einzelner leicht in Nöte geraten. Die erhaltenen Kaufurkunden belegen, dass manch einer seinen Weingarten an das Kloster verkaufen musste, um seine Schulden zu bezahlen.
Zudem er lebte im 15. Jahrhundert jede Generation der Dürnsteiner Bürgerschaft Kriegshandlungen: zuerst den Hussitensturm, dann die Kämpfe zwischen Friedrich III. und seinem Bruder Albrecht VI. und schließlich den Krieg gegen Ungarn; Verwüstungen und Engpässe im landwirtschaftlichen Ertrag waren die Folge. In manchen Seelgerätstiftungen dieser Zeit werden die Nöte der Bevölkerung spürbar: In der Fastenzeit des Jahres 1492 stiftete ein Dürnsteiner namens Simon Brücklmüllner der Kanonie 300 Pfund Pfennige, für die der Propst Grundstücke kaufen sollte, aus deren Ertrag Seelenmessen zu bezahlen wären, doch so aber in den kriegsleyffen tauglich und nutz grunt nit vail sein, wurde die Stiftung aufgeschoben und über andere Abgaben zwischenfinanziert. Berührend an diesem Stiftungsbrief ist vor allem, dass der Stifter seine Schenkung entgegen dem sonst üblichen Brauch nicht nur seinem eigenem Seelenheil und dem seiner Familie zugedacht hat, sondern auch dem aller ellenden armen waisen, die nichts anders haben dann das heylig almuesen.
Reform und Reformation
Das Verlangen nach Erneuerung und Reform in der Kirche hatte am Ausgang des Mittelalters nicht nur die Klöster erfasst, es wurde in zunehmenden Maße ein existentielles Anliegen auch der Laien. In einer Zeit, in der bestehende kirchliche Strukturen oft nicht mehr als heilsam und beseligend wahrgenommen werden konnten, fanden die Menschen zu anderen Formen eines religiösen Miteinanders, zu einer neuen Frömmigkeit und Theologie. Der monastische Gedanke einer besonderen Gottesnähe und der Verrichtung einer Gebetsarbeit als „Sorge für die Seelen", besonders für deren jenseitiges Schicksal , geriet in eine Krise. Auch in Dürnstein versiegten allmählich die frommen Stiftungen, der Nachwuchs im Konvent blieb aus, das reformatorische Gedankengut hingegen fand immer weitere Verbreitung. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Stiftes und die Last der Kriegssteuern führten außerdem noch zu Überschuldung. Im Jahr 1544 fanden die landesfürstlichen Visitatoren in Dürnstein nur mehr den Propst, einen Konventualen und zwei Weltpriester , die für das Messelesen angestellt und besoldet wurden. Noch im gleichen Jahr wurde nach dem Tod von Propst Urban Hanal - nicht ohne kaiserlichen Einfluss - Franz Abstemius zum Propst erhoben, ein ehemaliger Domherr von Stuhlweißenburg, der wegen der Osmanen nach Wien geflohen war und dort an der Universität als Lektor gewirkt hatte. 1553 präsentierte ihn der Kaiser als Bischof von Wiener Neustadt, als solcher war er an der Erhebung seines Nachfolgers in Dürnstein, Leopold Maurer, beteiligt. Propst Leopold bemühte sich, die wirtschaftliche Grundlage des Klosters zu stabilisieren und jene Grundstücke wiederzuerlangen, die unter Propst Urban ohne Zustimmung seines Kapitels veräußert bzw. dem Stift aufgrund einer mangelhaften Verwaltung entfremdet worden waren. Doch schon bei der nächsten Visitation 1566 wurde Propst Kaspar Pangel für seine hohen Ausgaben kritisiert, die mehr der Prachtentfaltung denn der Nützlichkeit dienen würden. Die Situation der österreichischen Klöster veranlasste Kaiser Maximilian II., es nicht nur bei gelegentlichen Visitationen bewenden zu lassen, sondern einen ständigen Klosterrat damit zu beauftragen, vor allem über die wirtschaftlichen Belange der Konvente zu wachen. Das führte allerdings schon bald zu Kompetenzstreitigkeiten mit den bischöflichen Stellen, besonders mit dem Passauer Offizial und Generalvikar, der seinen Sitz in Wien hatte. In vorher nie gekanntem Ausmaß begannen die Aktenberge zu wachsen: mit Befehlen und Verordnungen des Landesfürsten und seiner Regierung, mit Relationen und Intimationen der Räte und Beamten, mit Anfragen und Ermahnungen des Offizialats, mit Suppliken und Beschwerdebriefen aus den Klöstern. Als im Jänner 1571 Propst Kaspar starb, berichtete der Dechant der nahe gelegenen Stadt Krems, Christoph Lebitsch, an das Passauer Offizialat, dass das Kloster bis auf einen „Bärtigen", das heißt einen Laienbruder, völlig verwaist sei. Er habe darum, wie nach dem Tod eines Klostervorstehers vorgeschrieben, die Sperre des Kirchenschatzes durchgeführt. Da nun an eine Wahl mangels Kapitel nicht zu denken war, musste ein neuer Propst postuliert, also eingesetzt werden. Der Kremser Dechant fügte seinem Schreiben einen kleinen Zettel bei, in dem er andeutete, dass er sich selbst gern um diesen Posten bewerben würde. Der übliche Weg in dieser Situation war jedoch, in anderen Klöstern desgleichen Ordens nach einem geeigneten Nachfolger zu suchen. Die kaiserlichen Klosterräte forderten den Passauer Generalvikar auf, in Frage kommende Kandidaten zu benennen. Im Offizialat begannen Empfehlungsschreiben von Prälaten für Mitbrüder einzugehen. Der Herzogenburger Propst benannte seinen Dechanten Jakob Reisser. Stellvertretend für ein Kapitel traten die Prälaten der Augustiner-Chorherren in Dürnstein zusammen und postulierten Reisser zum Propst. Er war der erste von acht Dürnsteiner Prälaten in Folge, die alle aus anderen Chorherrenstiften kamen. Von den Klosterräten wurde Reisser in die Verfügungsgewalt des weltlichen Besitzes - Klostergut galt ja als kaiserliches Kammergut – eingeführt - und von den Beauftragten des Bischofs von Passau mit seinem geistlichen Amt betraut. 1573 wurde jedoch gemeldet, dass der Propst des Stiftes Herzogenburg „seiner gelübd vergessen und von angezaigtem gotzhaus entwichen“ sei und das Kapitel seinen ehemaligen Dechanten zum neuen Propst berufen habe. Damit war Dürnstein erneut vakant, dieses Mal wurde ein Konventuale des Chorherrenstiftes St. Dorothea in Wien namens Adam Faber zum Propst erhoben. Aus seiner Amtszeit sind erstmals Auseinandersetzungen mit der evangelischen Konfession dokumentiert. Die von Kaiser Maximilian II. gewährte Religionskonzession, die es dem Adel erlaubte, auf seinen Herrschaften evangelische Prediger anzustellen, markierte die rasche Ausbreitung des protestantischen Bekenntnisses. Konkrete Konflikte zwischen dem katholischen Stift und den evangelischen Grundherren entzündeten sich häufig an der Frage der Pfarrrechte. Während die Schlossprediger auch die Sakramente spendeten und die Toten bestatteten, blieben die dem Stift inkorporierten Pfarrkirchen leer. Die Frage des Zugriffs auf die Kirchengüter der Pfarre Dürnstein und Erhebungen über die Konfession der Bürger waren Kern der Auseinandersetzungen zwischen Propst Adam und dem protestantischen Grundherrn Reichard Streun von Schwarzenau. Dieser versicherte selbstbewusst, dass in ganz Dürnstein keiner zu finden sei, der der katholischen Konfession anhänge, und wollte man die Dürnsteiner dazu zwingen, würden sie die Stadt verlassen und der Weinbau läge darnieder. Auch in der Pfarre Grafenwörth hatten vor der Regierungszeit des Propstes Adam evangelische Prediger gewirkt, oft mit Duldung des Stiftes als Patronatsherrn – sei es aus Mangel an anderen Seelsorgern, sei es im Bemühen um eine Erneuerung, bevor die Konfessionsgrenzen sich verhärtet hatten. Zu Beginn seiner Amtszeit suchte Propst Adam darum an,dass die Kirche von St. Johann bei Grafenwörth, eine Stiftung des 14. Jahrhunderts, die seit der Inkorporation ins neu gegründete Stift Dürnstein auch pfarrliche Rechte hatte, seiner Pfarre Grafenwörth einverleibt werde, da sie durch die häufigen Überschwemmungen der Donau in Verfall gekomm n sei. Propst Adam ging es aber auch darum, die Kirche von St. Johann dem Einfluss des evangelischen Grundherrn zu entziehen. Er beklagte, dass der Pächter der Herrschaft das Getreide der Pfarräcker in den eigenen Meierhof bringen lasse und damit seinem Vikar in Grafenwörth den Unterhalt entziehe. Diesen hatte er selbst eingesetzt, nachdem er „ainen sectischen pfarrer alda doch mit harter muehe austriben“.Schließlich sei es so weit gekommen, dass sich der Vikar selbst „zu den rebellischen geschlagen“ hat und nun mehr seine Besoldung im Schloss erhielt und dort auch predigte. Die St. Johanner Kirche wurde dabei von der Grundobrigkeit als Stützpunkt der evangelischen Seelsorge betrachtet. Der Grundherr Hans Rueber, wegen seiner Funktion als Befehls haber eines ungarischen Reiterheeres häufig abwesend, gewährte seinem Feldkaplan, dem namhaften Flacianer Joachim Magdeburg, Aufenthalt in seinem Schloss zu Grafenwörth. Dass der nächste Propst Matthias Schreckeisen zwischen der Herrschaft und dem Stift einen Vergleich erzielte, wonach nämlich St. Joharn, eine Filialkirche von Grafenwörth bleiben sollte, jedoch die zugehörigen Kirchenlehen gegen eine jährliche Zahlung von 30 Talern der Herrschaft zur Nutzung überlassen werden, verhinderte nicht, dass das Stift auch weiterhin genug Anlass zur Klage über protestantische Prediger fand, welche die Dürnsteiner Vikare in Grafenwörth in ihren Rechten und in ihren Einkünften merklich beschnitten. Matthias Schreckeisen war ein Konventuale aus St. Dorothea in Wien, ihm wurde nach dem Tod Adam Fabers 1589 die Verwaltung Dürnsteins übertragen, da das dortige Kapitel selbst keine Person namhaft machen konnte, die für diese Aufgabe qualifiziert gewesen wäre. Der Klosterrat drängte auf die Installation Schreckeisens als Propst, doch der Passauer Offizial und Generalvikar Melchior Khlesl verbat sich entschieden jede Einmischung seitens weltlicher Behörden und untersagte Schreckeisen unter Androhung kirchlicher Sanktionen, sich vom Klosterrat installieren zu lassen. Khlesl war eine zentrale Figur der Gegenreformation in Österreich und verfolgte mit großer Hartnäckigkeit und Konfrontationsbereitschaft seine Ziele. Als im März 1590 die Klosterräte den Verwalter Schreckeisen in die Temporalien, also seine weltlichen Amtsbefugnisse, einsetzten, worauf dieser sich in seinen Briefen nur mehr Propst nannte, ließ sich Khlesl nicht präjudizieren und verweigerte Schreckeisen, den er stets nur als Administrator titulierte, die Installation in die Spiritualien, die geistlichen Vollmachten. Jahrelang erbat sich der Dürnsteiner Vorsteher immer wieder diese Konfirmation seines Amtes. Im Jahr 1592 schlossen Passau und Wien einen Vertrag, worin das gemeinsame Vorgehen der Beauftragten des Bischofs und des Klosterrates reglementiert wurde, womit in Zukunft Vorkommnisse wie in Dürnstein vermieden werden sollten. Matthias Schreckeisen wurde im September 1594 offiziell zum Propst erhoben, nachdem der Bischof von Passau selbst seine Installation angeordnet hatte. Der neue Propst starb allerdings schon im folgenden Jahr. Wieder musste Khlesl dem Landesfürsten berichten, dass in Dürnstein „aus mengl der conventualen an disem ort khain election gehalten werden khünne.“ Balthasar Puchseer aus St. Dorothea fungierte als Administrator, die Klostersperre hatte der Kremser Dechant Andreas Hofman vorgenommen. Um liturgisches Gerät für die Osterfeiern 1596 entnehmen zu können, musste Puchseer den Dechanten um Öffnung der Sakristei bitten. Eine rasche Entscheidung über die Nachfolge war nötig, aber für den Passauer Offizial war das mehr als eine pragmatische Erwägung. Es war ihm sehr daran gelegen, nach Dürnstein auch den rechten Mann zu entsenden, denn das Kloster läge, wie er dem Kaiser berichtete, „rings herumb under den khezern“. Damit spielte er auf die starke protestantische Bürgerschaft von Krems und Stein an, die seinen eigenen gegenreformatorischen Maßnahmen heftig Widerstand geleistet hatte. Bereits Propst Adam Faber war vom Klosterrat verschiedentlich mit Untersuchungen der Kremser und Steiner Verhältnisse betraut worden. Khlesl wollte darum in Dürnstein vor allem einen guten Prediger haben, der die katholische Reform, die mit den zukunftsweisenden Entschließungen des Konzils von Trient Inhalt und Form bekommen hatte, glaubhaft vertreten konnte und die Bevölkerung wieder der katholischen Konfession zuführte. Er war überzeugt, diese Person in einem Klosterneuburger Chorherrn namens Nikolaus Arnold gefunden zu haben. Dieser war Administrator des ehemaligen Heiligen-Geist-Klosters Pulgarn (Oberösterreich) gewesen und hatte das Klostergebäude durch einen unvorsichtigen Schuss, der die Scheune entzündete, niedergebrannt. In den letzten Jahren habe er ihm, Khlesl, in Klosterneuburg und Korneuburg, als er dort „die reformation für genomben, nützlich und trefflich beistandt gelaistet“, und jeder andere Kandidat schien ihm „im predigen diesem Arnoldo nichts zu vergleichen.“ Eine Bewerbung eines Dürnsteiner Konventualen namens Johann Hofmann um die vakante Propstei parierte Khlesl, indem er berichtete, dieser Hofmann hab e zu Zeiten von Propst Matthias „sich gegen seinen herrn offentlich vernemen lassen, er khöne on weibsbilder nit sein“,worauf er um Lösung seiner Bindung ans Kloster gebeten hätte, die ihm auch gewährt worden war. Nur sei er später zurückgekommen und habe nun als ältester Profess des Klosters seinen Anspruch auf die Propstwürde erhoben. Im September 1596 wurde schließlich Nikolaus Arnold zum Propst von Dürnstein installiert , starb jedoch nur sechs Wochen später. Balthasar Puchseer, der ehemalige Verwalter Dürnsteins, wurde sein Nachfolger. Melchior Khlesl berichtete über ihn an den Bischof von Passau, dass er sich zwar „frumb, erbar, nüchtern, kheusch und züchtig, also sine quaerela gehalten“ habe, „was aber das predigen belangdt, hatt er woll khain gnadt darzue“. Als Puchseer 1599 starb, war Khlesl bereits Bischof von Wien. Die Verwaltung des Stiftes wurde dem Konventualen Johaimes Hofmann übergeben, eben jener, der schon einmal versucht hatte, die Leitung des Klosters zu übernehmen. Dass jedoch die Spiritualien dem St. Pöltner Chorherrn Georg Ursus zur Administration überantwortet wurden und dass das Offizialat beim Kaiser ansuchte, er möge auch die Temporalien übertragen bekommen , zeugen davon, dass man die Akte Hofmann nicht vergessen hatte. Hofmann wandte sich auch an die Bürgerschaft Dürnsteins, und diese unterstützte seine Bewerbung um die Prälatur bei der Grundobrigkeit, weil man sich kannte und auf gute Nachbarschaft hoffte, also wohl von seiner Seite keine gegenreformatorischen Maßnahmen in der protestantischen Stadt erwartete. Als Hofmanns Bemühungen keine Erfolge zeitigten, verschwand er - er war der letzte Konventuale in Dürnstein gewesen. Georg Ursus schaffte es kaum, ganz allein alle geistlichen Aufgaben wahrzunehmen und erhielt zudem kaum Unterhalt von den weltlichen Administratoren, die der Klosterrat eingesetzt hatte. An eine Propstwahl war wieder einmal nicht zu denken, doch selbst eine Postulation war schwierig, da die Situation auch in den anderen Klöstern des Ordens kaum besser war. Als neuer Prälat wurde schließlich der Propst von St. Andrä an der Traisen namens Melchior Kniepichler, ehemals Chorherr des Stiftes St. Pölten, nach Dürnstein transferiert. Propst Melchior war schon bei seinen Zeitgenossen eine umstrittene Person. Man warf ihm vor, in seiner Wirtschaftsführung die Schuldenlast zu vergrößern und mit seinem eigenmächtigen Handeln die Rechte seiner Konventualen zu übergehen. Sein schroff es Auftreten polarisierte, besonders in seiner Auseinandersetzung mit den Gläubigen der evangelischen Konfession. Er vertrat einen durchaus kämpferischen, gegenreformatorischen Katholizismus,und letztlich wird gerade diese Beharrlichkeit dazu beigetragen haben, dass man ihn in mehreren Klöstern zum Propst postulierte. Die Frage der Konfessionszugehörigkeit war zu jener Zeit unmittelbar auch eine Frage der politischen Macht und der gesellschaftlichen Ordnung. Das führte unweigerlich dazu, dass theologische Bestimmungen über sakramentale Gnadenwirkung, über Rechtfertigung des sündigen Menschen und die Rolle der Kleriker in der konkreten Situation von Pastoral und Herrschaft als Polemiken in handfesten Streitigkeiten instrumentalisiert wurden. Als sich der evangelische Schlossprediger des Georg Rueber in Gra- fenwörth „Pfarre r von St. Johann" nannte, war Propst Melchior Kniepichler entrüstet, schließlich sei er nur „ein pur lauterer lay und seinem stanndt nach ainem jeden schneider und schuester gleich.“ Für ihn waren solche Leute nichts als „sektische Seelenmörder,die zudem noch das Volk aufwiegelten, denn es seien „dieses die frücht der lutherischen evangelii, das- wo solches eingerissen – daselbst allerley widerspennigkheit, truz, aufruehr, zertrennung des hailsambenfridens, verachtung des loblichen gesetz und obrigkheiten, unndtertrückhung der alten warheit und allerley Laster und gewaltthätigkheiten im schwang gehen.“ Schwere Anschuldigungen erhob der Propst auch gegen die Bürger der Stadt Dürnstein, mit denen schon die Pröpste Adam und Balthasar Konflikte gehabt hatten. Kniepichler warf ihn en vor, die Kirchenrechnung nicht ordnungsgemäß zu legen - die Verwaltung der pfarrlichen Liegenschaften lag ja seit dem späteren Mittelalter in Händen einer Zeche, einer Korporation der Pfarrleute unter Vorsitz des Zechmeisters. Weiters beklagte er, dass die Bürger die Pfarrkirche überhaupt nicht mehr besuchten, sondern die Sakramente beim evangelischen Prediger im nahe gelegenen Weißenkirchen empfingen, wo sie ihm doch als ihrem Pfarrherrn Gehorsam schuldeten. Die Kinder würde man in einer eigenen Schule unterrichten, anstatt sie in die Pfarrschule zu schicken, und Bestattungen würden eigenmächtig auf einem eigenen Friedhof vorgenommen werden. Bei den landesfürstlichen Behörden fanden diese Klagen Gehör: Unter Rudolf II. begannen auch in Niederösterreich die ersten Maßnahmen zur Rekatholisierung zu greifen. In Dürnstein stellte sich eine Abordnung von kaiserlichen Reformationskommissären bei Richter und Rat ein und wies einen landesfürstlichen Befehl vor, nachdem die vom Propst angezeigten Verfehlungen sofort einzustellen seien. Der Stadtrichter Marx Preuhauser berief sich in seiner Erwiderung auf die Zugehörigkeit zur Dürnsteiner Grundobrigkeit - und tatsächlich war dem evangelischen Adel die freie Religionsausübung noch nicht untersagt worden - und verlangte für die anderen Anklagepunkte ein ordentliches Verfahren vor dem landesfürstlichen Gericht. Denn was die Kirchengüter betreffe, so habe der Propst selbst die Ernte der Pfarre ins Stift bringen lassen und die Zechlade mit allen Urkunden, die die Besitzungen der Pfarrkirche belegten, unrechtmäßig an sich genommen. Für die Kinder werde keine Schule unterhalten, sondern der Stadtrichter unterweise die Kinder seiner Familie zu Hause „im gebett, in gottsfurcht und lere sy das abc und buchstabiren.“ Von beiden Seiten wurde der Streit mit heftiger Polemik und scharf en Worten geführt: Propst Melchior beschrieb die Bürger als widerspenstige, respektlose Rebellen, die die katholische Konfession als „abgötterey“ verunglimpften, Mistgruben entlang der Klostermauer anlegten und ihn mit zahlreichen städtischen Steuerforderungen traktierten. Die Bürger wiederum stellten den Propst als üblen Despoten dar, der ihnen Bestattungen auf dem Friedhof der Pfarre verweigerte mit den Worten, „wir sollten unsere stinkhenden leichnamb gleichwoll in die Thonaw oder ander unsaubere örther werffen und verscharren. Die Dürnst einer Grundherrin Regina Streun intervenierte bei Erzherzog Matthias für ihre Bürger und erbat, dass sie ihrer Religion wegen nicht weiter belastet werden sollten, zu der sie sich stets „frey und offen bekhandt, auch darinnen erzogen worden“ seien. Verschiedentlich getroffene Vergleiche zwischen Stift und Stadt, die vor Schiedsgerichten ausverhandelt wurden und besonders die Kirchengüter, die Stolgebühren und die städtischen Abgabenforderungen betrafen, konnten den Konflikt nicht endgültig beilegen. Im Jahr 1622 erging schließlich auf entsprechendes Gesuch des Propstes Melchior hin an die Stadt der kaiserliche Befehl, an der Fronleichnamsprozession teilzunehmen, wo mit den Bürgern ein offenes Bekenntnis zum Katholizismus abverlangt wurde. Wer weiterhin seiner evangelischen Konfession treu bleiben wollte, war schon bald zum Auswandern gezwungen: auch etliche Dürnsteiner Familien lösten 1629 ihren Haushalt auf und verließen das Land. Im Jahr 1609 wurde Melchior Kniepichler als neuer Propst von Herzogenburg postuliert. Ein Chorherr des dortgen Kapitels, der ursprünglich selbst gewählt, aber von der Wahlkommission nicht bestätigt worden war, erhob beim Offizialat erfolglos Einspruch gegen Kniepichler, der nichts als Schulden in Dürnstein hinterlassen habe und außerdem streitsüchtig und dem Trunke und den Frauen ergeben sei. Nach Dürnstein wurde Thomas Parstorffer, ein Konventuale aus Waldhausen postuliert, welches Kloster ihn 1612 als seinen neuen Propst zurückrief. Die weiteren Jahre stand Dürnstein unter der Administration von Stift Göttweig. Geeignete Kandidaten für die Nachfolge konnten nicht gefunden werden bzw. konnten sich staatliche und kirchliche Stellen auf keinen neuen Propst einigen. Mittlerweile war der Konflikt zwischen dem Herzogenburger Kapitel und seinem Propst Melchior Kniepichler eskaliert: Er war des Konkubinats angeklagt und seines Amtes enthoben worden. Als 1618 eine Neuwahl in Herzogenburg anstand, wehrte man sich gegen eine eventuelle Wiedereinsetzung Kniepichlers, der schließlich wieder nach Dürnstein berufen wurde und dort bis zu seinem Tod 1628 Propst blieb. Als das Kapitel in diesem Jahr zur Neuwahl zusammentrat, erhielten zwei Kandidaten die gleiche Stimmenanzahl: Matthäus Khuen, Profess und Senior aus Dürnstein und Vikar in Grafenwörth, und Nikolaus Hay, Profess in Herzogenburg und Pfarrer von Haitzendorf. Hay, der aus Franken stammte, war bereits 1621 zum Herzogenburger Propst gewählt worden, hatte jedoch zugunsten eines vom Kaiser favorisierten Gegenkandidaten verzichtet. Nachdem die Wahlkommission Matthäus Khuen als für nicht tauglich zum Propstamt befunden hatte, wurde Nikolaus Hay zum Prälaten erhoben und verblieb fast 20Jahre in diesem Amt. In dieser Zeit begann die Gegenreformation auch die letzten Reste evangelischer Religionsausübung aufzuspüren und zu beseitigen. Propst Nikolaus erhielt den kaiserlichen Auftrag , Nachforschungen über geheime Bündnisse „unkatholischer Bürger“ in Dürnstein und Weißenkirchen anzustellen und darüber zu berichten. Sein Nachfolger als Propst, Matthias Feldhorn, seit langem wieder der erste Dürnsteiner Konventuale in diesem Amt, wurde vom Kaiser zum Reformationskommissär im Viertel ober dem Manhartsberg für das Tal Wachau ernannt. Er ließ Berichte über die Konfessionsbekenntnisse der Untertanen erstellen, Privathäuser, in denen evangelische Gottesdienste gefeiert wurden, aufspüren, Pönalen für Widerspenstigkeit verhängen sowie verbotene Bücher konfiszieren. Selbst in dieser Zeit der Verfolgung findet sich in einem Verhörprotokoll die Beteuerung einer Untertanin, niemals durch Ablegung der Beichte und Empfang der Kommunion eine Konversion zum katholischen Glauben vollziehen zu wolle, und „wenn man sie darzue wird bewzingen wollen, sie sich in die fluht begebe.“
Barock und Aufklärung
Zu Beginn der Neuzeit hatte sich das Klosterleben durch innere und äußere Umstände sehr weit von seinen ursprünglichen Idealen entfernt gehabt. Die Restauration der Klöster im Zuge der katholischen Reform sollte ihren Ausdruck nicht nur in einer Entfaltung eines nach außen dargestellten neuen, barocken Glanzes finden, sondern auch eine innere Erneuerung einleiten. Mit dem Sieg des Katholizismus, dem sich das habsburgische Herrscherhaus eng verbunden hatte, und nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges begann eine sinnenfällige, dem Volksbrauch nahestehende Frömmigkeit Alltag und Festzeit im religiösen Leben zu prägen und die Berufungen zum Priesteramt wurden zahlreicher. Auch der Konvent von Dürnstein hatte sich wieder vergrößert und bedurfte einer Besinnung auf die alten Regeln und Statuten des Ordensleben, die gleichzeitig auch einer neuen Zeit Rechnung trugen. Bereits 1630 hatte eine Visitation durch den Propst von Klosterneuburg stattgefunden, der dem Dürnsteiner Konvent erneuerte Hausstatuten verordnete, die den Tageslauf im klösterlichen Zusammenleben „morem vetustorum imitando“, dem alten Brauch nacheifernd, gestalten sollten. Die von bischöflicher Seite 1665 durchgeführte Visitation legte folgende Richtlinien fest: Die Klausur, die man in den letzten Jahren vernachlässigt hatte, sollte wieder streng beachtet werden. Das Ordensgewand sollte ohne jeden Luxus sein und stets getragen werden, auch in der Öffentlichkeit. Privateigentum der Chorherren wurde untersagt, auch die Kirchengüter der Pfarren sollten die Vikare als Eigentum des Stiftes und nicht als ihr persönliches betrachten. Zu bestimmten Stunden sei auf das Schweigen im Kloster Bedacht zu nehmen, Erholungszeiten sollten den Konventualen ein- oder zweimal in der Woche gewährt werden. Dafür sollten sie Erlaubnis zum Spaziergang sowie einen eigenen Aufenthaltsraum und geeignete Spiele erhalten. Die Mahlzeiten sollten dem Stand eines Religiosen angemessen sein: sie hatten sättigend zu sein, aber nicht zu erlesen und zu süß. Zur Zeit dieser Visitation bekleidete Reinhard Faust das Amt des Propstes. Er stammte aus Mainz und hatte vorher dem Jesuitenorden angehört. Bei der Umsetzung der Klosterreform hatte er keine sehr glückliche Hand und zeigte wenig Geschick in der Leitung des Konvents. Die Chorherren opponierten gegen ihn und brachten eine seitenlange Klageschrift beim Passauer Offizialat ein. Siebeschrieben ihren Prälaten als ausgesprochen tyrannischen und herrschsüchtigen Menschen, der ständig ein Terzerol, also eine kleine Taschenpistole, bei sich trage und sie damit bedrohe. Jede Zusammenkunft der Brüder verhindere er und sie „derffen diebus recreationis nit spazirn gehen noch mitain- ander offentlich dicurrirn, dieweil er ihm einbilt, man redet von ihm.“ Er führe die Wirtschaft schlecht und verschenke alle Pretiosen. Besonders ausführlich wurde er beschuldigt, ein Verhältnis zur Frau seines Hofmeisters zu unterhalten, die er mit Geschenken überhäufe, so dass sie, „welche vorhero ein armes weib, sich zu Tirnstein alß ein vornems von ad/ geklaidet,“ und überhaupt sich schon wie die Hausherrin im Kloster gebärde. Er beschimpfe seine Konventualen als „bueben, pachanten, esel, idioten, adulteros,“ sperre sie grundlos in den Klosterkerker und mache ihnen das Leben so schwer, dass ein Mitbruder am Sterbebett bekannt habe: „der Faust ist schuldig an meinem unzeitigen todt.“ Propst Reinhard führte seinerseits gegen seine Konventualen Klage, dass sie ihm den Gehorsam verweigerten, eine Theateraufführung am Festtag des heiligen Augustinus zu einem Affront gegen seine Autorität gemacht und ihm schließlich angedroht hätten, seine Absetzung wegen schlechter Verwaltung der Klostergüter zu betreiben. Als Rädelsführer benannte er den Dechant en Franz Feldhorn, einen Bruder seines Vorgängers als Propst, und den Professen Honorius Arthofer. Man fand schließlich mit Hilfe einer Schlichtungskommission in einigen konkreten Punkten zu einem Vergleich zwischen Propst und Kapitel: Dass der Dechant wieder Verfügung über das Konventsiegel bekommen und ein Inventar der Kirchen schätze angelegt werden sollte, konnte dem eigenmächtigen Wirtschaften des Propstes entgegenwirken. Die Konventualen wurden ermahnt, die Ordensstatuten zu befolgen, sie sollten auch nicht in den Gebäuden des Propstes, sondern im Kapitelhaus wohnen. Die engen Zellen sollte der Propst für sie ausbauen, dass sie genügend Licht und Luft empfingen. Der Appell, einander ansonsten in brüderlicher Liebe zu begegnen, fruchtete wenig. Der Versuch, die Lage durch Einsetzung eines neuen Dechanten zu entschärfen, brachte nur neuen Zwiespalt. Feldhorn war zwar bereit zu resignieren, wollte aber Arthofer als seinen Nachfolger sehen. Als schließlich wenig später im Jahr 1668 Propst Reinhard starb, wurde der von ihm so geschmähte „Rebell" Honorius Arthofer sogar zum neuen Prälaten erwählt. Unter seiner Regierung wurde das neu ausgebaute Kapitelgebäude fertig gestellt. Sein Nachfolger war Karl Donrey, der allerdings schon nach wenigen Jahren bat, von der Bürde dieses Amtes, dem er sich weder gesundheitlich noch seelisch gewachsen fühlte , entbunden zu werden und eine Pension zu erhalten, die ihm ein standesgemäßes Leben ermöglichte. Von bischöflicher Seite erachtete man es für notwendig, einen neuen Propst von einem anderen Kloster nach Dürnstein zu berufen, da die Konventualen die Gutmütigkeit Donreys,der „die einsambkheit mehr als das regiern liebet,“ in einer Weise missbraucht hatten, dass sie „ganz dissolut worden, allen respect und gehorsamb, auch die clösterliche disciplin genzlich vergessen undt so liderlich worden,“ dass kein tauglicher Nachfolger unter ihnen zu finden sei. Die Wahl per Stimmzettel brachte im Konvent das vom Offizialat gewünschte Ergebnis: Es wurde Gottfried von Haslingen, ein Profess aus St. Dorothea, dem sein Propst ein gutes Zeugnis ausstellte, installiert. Unter den Pröpsten der Barockzeit ist vor allem die Erinnerung an Hieronymus Übelbacher bis heute lebendig geblieben, war er es doch, der den Umbau seines Klosters im Stil seiner Zeit nicht nur leitete, sondern nachweislich selbst großen Anteil am Programm und der Ausgestaltung des barocken Bauwerks nahm. Übelbacher wurde 1674 in Hollabrunn als Sohn bürgerlicher Eltern geboren, mit 18 Jahren trat er in den Orden ein und legte seine Profess in Dürnstein unter Propst Gottfried ab, den er sehr schätzte. Er studierte Theologie in Olmütz und Wien und erhielt die Priesterweihe. Im Stift hatte er mehrere Stiftsämter inne, er war auch Verwalter des Dürnsteiner Hofes in Wien und damit für die äußeren Angelegenheiten des Kapitels zuständig. Nach dem Tod von Propst Gottfried im Jahr 1710 wählten ihn seine 20 Mitbrüder zum neuen Prälaten. Er bekleidete nicht, wie manche seiner Vorgänger, ein Amt in der Niederösterreichischen Landschaft und verkaufte darum das Dürnsteiner Haus in der Wiener Singerstraße. 1722 errichtete er für seine Kleriker eine Hauslehranstalt, an der er selbst philosophische und theologische Fächer vortrug. Seine Aufzeichnungen über seine Geldaufwendungen, die er in Schreibkalender eintrug und durch tagebuchähnlichen Notizen ergänzte, belegen, dass er sich mit allen Details des barocken Umbaus eingehend befasste, sodass die Klostergebäude heute nicht nur das Stilempfinden ihrer Zeit und die Eigenheiten ihrer berühmten Baumeister repräsentieren, sondern in hohem Maß auch die persönlichen Vorlieben des Propstes Hieronymus. Nur mehr zwei Pröpste sollten ihm nach seinem Tod 1740 nachfolgen, Maximilian Leeb und Dominik Ruemer. Danach wurde das Stift von Kaiser Joseph II. aufgehoben. Die Ursache dafür lag im gewandelten Verhältnis des aufgeklärten Absolutismus gegenüber den kirchlichen und vor allem klösterlichen Einrichtungen. Weder die rechtliche und wirtschaftliche Eigenständigkeit der Konvente noch ihre besondere Religiosität passten in die Vorstellungen von einem Untertanenstaat, in dem allen kirchlichen Amtsträgern eine dem Gemein- bzw. Staatswohl dienende Funktion zugedacht war. Da die österreichische spätbarocke Kirche zudem mehr als reichlichen Priesternachwuchs hervorgebracht hatte, erachtete man den Ordensklerus als verzichtbar gegenüber den Weltklerikern, die in der staatlich beförderten und intensivierten Pfarrseelsorge eingesetzt wurden. Stift Dürnstein hatte überdies in josephinischer Zeit mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen: Der Personalstand betrug damals zwar 13 Chorherren, von diesen waren aber nur sechs zur Seelsorge in den Pfarren Dürnstein, Grafenwörth und Engabrunn (eine ehemalige Filiale von Grafenwörth) voll tauglich. Propst Dominik Ruemer, ein gebürtiger Dürnsteiner, war ein betagter Greis von über 80 Jahren. Der Stiftsdechant Franz Hoffmann ersuchte das Konsistorium des neu gegründeten Bischofssitzes in St. Pölten, die Stiftsadministration aus den Händen des senilen Propstes in die des Dechants zu übertragen, um weiterem Schaden vorzubeugen. Doch dies wäre als eine Angelegenheit der Temporalien eine Agenda der staatlichen Behörden gewesen, welche man aber nur ungern über die Dürnsteiner Situation in Kenntnis setzen wollte. 1787 starb Propst Dominik und eine Neuwahl wurde vorerst hinausgezögert. Mit Beschluss vom 19. Jänner 1788 wurde das Kloster schließlich aufgehoben, dem nahegelegenen Stift Herzogenburg einverleibt und die Stiftsherrschaft dem dortigen Prälaten zur Administration übergeben. Mit der Beauftragung von Propst Michael Teufel hatte man diese Aufgabe in umsichtige und bewährte Hände gelegt. Dass man ihn trotzdem schon nach einem Jahr zu einem Rechtfertigungsbericht über seine Verwaltertätigkeit aufforderte, lag an einer Denunziation eines ehemaligen Kanonikers aus Dürnstein, der damit spekulierte, eventuell selbst Administrator werden zu können. Propst Michael Teufel konterte seine Anschuldigungen mit Bravour und legte seinen Wirtschaftsplan vor, der von der Regierung genehmigt wurde: Im Klostergebäude wurden neben dem Pfarrer und seinen Kooperatoren auch die Schule und die Wohnung des Lehrers untergebracht. Mobilien und Liegenschaften wurden in Vorbereitung einer Versteigerung geschätzt: Der Erlös sollte dem Religionsfonds zugeführt werden, einer staatlichen Einrichtung, aus der Kirchenbau und Priesterbesoldung finanziert wurden. 1790 starb Joseph II. und sein Nachfolger Leopold II. erwog, die Aufhebung rückgängig zu machen. Die Hofkommission empfahl jedoch, den getroffenen Beschluss beizubehalten, da das kleine Kloster zur Aushilfe in der Seelsorge nicht benötigt würde. Von den Dürnsteiner Chorherren gingen vier in Pension, den Rest nahm Stift Herzogenburg bei sich auf. Der Großteil der Liegenschaften, vor allem der Weingartenbesitz in der Wachau, wurde in den näcsten Jahren veräußert, einiges verblieb bei Herzogenburg. Klostergebäude und Stiftskirche sind bis heute erhalten geblieben: Gotischer Baukern und barocke Schaufassade legen Zeugnis ab von der wechselhaften Geschichte eines kleinen, doch keineswegs unbedeutenden österreichischen Chorherrenstiftes.
Wirtschaftliche, rechtliche und soziale Verhältnisse
Wirtschaftliche und soziale Entwicklung
Das Stiftungsgut der neu gegründeten Kanonie kam zum Gutteil aus der Dotation der älteren Marienkapelle. Es bestand anfänglich aus Weingärten in Dürnstein und im benachbarten Loiben, aus Erträgen von Lehen in und um Zagging (ca. 15 km südlich von Dürnstein), welche Elisabeth von Kueming-Wallsee gehörten, und aus angekauften Gütern in der Nähe Zaggings in Merking, Rust und Hain. Die Zagginger Güter fielen nach Elisabeths Tod an ihre Familie, die Kapelle erhielt dafür die Güter der Feste Streitwiesen (Nähe Pöggstall) und den Hof Neidegg in Oberloiben. Aus der Dotation der Dorotheakapelle im Kreuzgang stammten die stiftlichen Besitzungen in Willendorf in der Wachau, Groisbach, Litzendorf, Thalham und Schlaubing (bei Maria Laach am Jauerling). Die Dörfer Reichau und Ostra (nördlich von Dürnstein) erlangte das Stift aus der Dotation der inkorporierten Johanneskapelle in der Burg Dürnstein. Auch etliche Geld- und Naturaliendienste von Häusern, Wein- und Obstgärten gehörten zur Ausstattung. Einen eigenen Meierhof hatte das Kloster nicht nur in Dürnstein selbst, sondern auch in der Pfarre Grafenwörth für die Erträge aus den Kirchengütern in Grafenwörth, Wagram, Gösing und Kamp. Etliche Stiftungen erweiterten in der Folge die ökonomische Grundlage des jungen Klosters. Zahlreich waren im 15. Jahrhundert die Seelgeräte, mit denen eine Familie einen jährlichen Gelddienst, der an einen Weingarten oder Acker gebunden war, dem Stift übertrug, wofür die Chorherren einen „ewigen Jahrtag" begingen, also jährich eine Seelemnesse zelebrierten. Eine größere Zuwendung, nämlich Erträge aus Weißenkirchen, Joching und Wösendorf, erhielt das Stift 1415 durch eine Schenkung von Berthold von Basel, dem Arzt von Herzog Albrecht V. Der Pfarrer von Ravelsbach, Ulrich Hippeldorfer, stiftete einige Jahre später mehrere Liegenschaften und Einkünfte zu Parisdorf (bei Ravelsbach). Hans Härtl, der Bürgermeister von Krems und Stein, widmete 1499 mehrere Weingärten und Äcker bei Dürnstein und Loiben sowie einige Pretiosen an die neue Hl.-Kreuz-Kapelle im Kreuzgang, später „Kremser Kapelle" genannt . Zu gewendete Gelder wurden von den Pröpsten in den Ankauf weiterer Liegenschaften investiert, denn Grundbesitz war die wichtigste Kapitalanlage der klösterlichen Wirtschaftsführung. So wurden etwa Weingärten in Rohrendorf (bei Krems) und Zöbing (bei Langenlois) erworben. Mit landwirtschaftlichen Produkten wurde das Kloster unter anderem durch die Abgaben seiner Grundholden versorgt. Das waren Bauern, die den Grundbesitz des Klosters meist in Form einer Erbleihe oder auch zu Leibgeding erhielten und dafür Getreide, Hühner, Gänse, Eier, Käse sowie Pfennigdienste ablieferten. Zu den bedeutendsten Einnahmequellen des Stiftes gehörte jedoch von Anfang an der Weinverkauf. Das Recht, im Stiftskeller in Dürnstein eine Weinausschank zu betreiben, hatte bereits Stephan von Haslach für die Marienkapelle erworben. Die Schank war von der Zahlung des Ungelds, einer landesfürstlichen Alkoholsteuer, befreit, und zwar für Wein, den das Stift in Eigenbau erwirtschaftete, für eine Menge von 10 Dreiling Wein jährlich, also etwa 12.000 Liter. Auch andere landesfürstliche Privilegien unterstützten die Wirtschaftsführung: 1413 erteilte Herzog Albrecht V. das Recht, aus den landesfürstlichen Wäldern bei Dürnstein Brennholz zu entnehmen - ein Privileg, das das Stift gegenüber den verschiedenen Herrschaftsinhabern manchmal nur schwer durchsetzen konnte. 1415 gewährte der Herzog das Recht, Getreide zum eigenen Bedarf mautfrei ins Kloster zu führen. Weiters sollten die Chorherren vom landesfürstlichen Amtmann in Gmunden jährlich eine bestimmte Menge Salz beziehen. Diese Salzlieferung blieb bis 1784 aufrecht. Die Besitzungen des Stiftes Dürnstein waren insgesamt nicht besonders groß, und im Prälatenstand rangierte der Propst weit hinter den wohlhabenderen Konventen . Dennoch reichten die Einkünfte im 15. Jahrhundert für den Unterhalt von durchschnittlich 15 Konventualen. Diese brachten zudem ihr privates Vermögen in das Stift ein, denn auch wenn der Adelsvorbehalt in den Klöstern der alten Orden im Spätmittelalter bereits gefallen war, so traten doch keine gänzlich Besitzlosen in ein Chorherrenstift ein. Über die Herkunft der Professen lassen sich jedoch aufgrund mangelnder Quellen nur vage Angaben treffen. Viele kamen aus der näheren oder weiteren Umgebung: aus Dürnstein, Loiben, Weißenkirchen, Weitra, Zwettl, Krems, Stein, Tulln, Laa an der Thaya, Waidhofen , Klosterneuburg, Wien, Wels, Steyregg oder Graz. In der frühen Neuzeit, als es an Nachwuchs und auch Ausbildungsmöglichkeiten in den österreichischen Klöstern fehlte, kamen die Prälaten bisweilen auch aus entfernter liegenden Orten. Aus Budweis stammte Propst Urban Hanal, der dem Stift 1521 bis 1544 vorstand. Zu dieser Zeit waren Grundherrschaften umwälzenden ökonomischen Veränderungen ausgesetzt. Das mittelalterliche System der Rentenwirtschaft, in dem die fixen Abgaben der Bauern nicht auf Preisschwankungen reagierten und daher in Krisenzeiten ein Sinken der herrschaftlichen Realeinkünfte zur Folge hatte, wich allmählich einer marktorientierten Produktion und der Erwirtschaftung von Mehrwert, der im traditionellen Feudalsystem nicht zu erzielen war. Ökonomische und soziale Gegensätze wurden zunehmend größer und innerhalb der ständisch gegliederten Gesellschaft, in der auch für ein Kloster Ausgaben für Repräsentation unerlässlich waren, stieg der Geldbedarf. Verschärft wurden die Geldnöte Dürnsteins noch durch die hohen Steuern, mit denen die Kriege gegen das Osmanische Reich finanziert wurden und mit denen besonders die geistlichen Grundherrschaften schwer belastet wurden. In einer Gülteinlage - einer Besitzaufstellung als Grundlage für die Steuerbemessung - weisen die Chorherren den stiftlichen Neideggerhof in Oberloiben und den Scheibenhof bei Dürnstein als öde aus, beklagen weiters, dass ihnen in Grafenwörth großer Schaden entstehe „von dem wasser und guß der Tunaw und Champ, das dy vergangnn jarenn gar woll der drittaill vexung verdorben im stadl und auff dem veldt ist und dass in Dürnstein einige Weingärten der reiff pissen hat.“ Gleichzeitig blieben aufgrund veränderter Glaubensvorstellungen die Stiftungen aus und der Konvent schrumpfte ständig. Damit verlor auch die stiftliche Verwaltung an Effizienz, die Weingärten wurden nicht bewirtschaftet und die Einkünfte sanken. Propst Urban erwies in dieser schwierigen Lage wenig Geschick: Er deckte den Geldbedarf durch Verkauf von Grundbesitz und entzog damit dem Kloster seine wirtschaftliche Basis. Seine Nachfolger waren lange damit beschäftigt, diese Güter wiederzuerlangen. Da der Weinbau der wichtigste und vielversprechendste Wirtschaftszweig Dürnsteins war, versuchte das Stift in diesem Bereich die Einnahmen zuerhöhen. Propst Jakob Reisser verpachtete die brachliegenden Weingärten an Dürnsteiner Bürger. Das Kloster stellte den Inhabern der Weingärten Geräte und Presse zur Verfügung und erhielt die Hälfte oder das Drittel des Ertrags. Dem nächsten Propst, Adam Faber, gelang 1573 eine Erweiterung der Besitzungen, indem er bei den landesfürstlichen Behörden erwirkte, dass das aufgelassene Klarissenkloster, das dem Stift direkt benachbart lag, mitsamt seinen Gütern seinem Kloster einverleibt wurde. Wie andere Grundherrn versuchte in der Folge auch Stift Dürnstein seine Erträge zu steigern, indem es den Anteil der Eigenwirtschaft erhöhte und den Weinbau mit billigen Lohnarbeitern zu betreiben begann. Die Bürger Dürnsteins, die wegen der Konfessionsfrage ohnedies in heftigem Streit mit dem Kloster lagen, beschwerten sich bitter über Propst Melchior Kniepichler , dass er die klösterlichen Weingärten, die sie als Pächter in schlechtem Zustand übernommen und wieder kultiviert hätten, nun an „außwendigen, ja auch herrnlosen gesindl und ledigen hauern“ gegeben habe, die im alten Nonnenkloster hausten, der Stadt keine Steuern brächten und nur Unfug anstellten. Eine wichtige Einnahmequelle für ein Kloster waren auch die spezifisch kirchlichen Einkünfte. Der Zehent, also das Zehntel des landwirtschaftlichen Ertrages, den die Pfarrleute an den Patronatsherrn ihrer Kirche abführen mussten, teilte sich Dürnstein für die Pfarre Grafenwörth mit dem Stift Herzogenburg im Verhältnis 2 : 1. Den Zehent der Pfarre Dürnstein erhielt das Stift erst ab 1573 durch die Übernahme des Klarissenklosters, das den Chorherren zwar das Patronat abgetreten, aber weiterhin über die Güter und Einnahmen der Pfarre verfügt hatte. Den halben Dürnsteiner Weinzehent musste das Stift aber der Pfarre Krems überlassen, deren Filialkirche die Pfarre Dürnstein früher gewesen war. Es waren nicht zuletzt die Einkünfte aus den Kirchengütern und den Stolgebühren, die für liturgische Handlungen zu entrichten waren, die Anlass zu langen Auseinandersetzungen mit den evangelischen Untertanen gaben. Überhaupt konkretisierten sich Konflikte zwischen dem katholischen Stift und der protestantischen Bürgerschaft oft in strittigen Geldangelegenheiten. Die Stadtregierung lenkte im 16. Jahrhundert mit großem Selbstbewusstsein die Angelegenheiten des Gemeinwesens und die Bürger errichteten repräsentative Häuser, die dem Ort bis heute sein Gepräge geben . Die Steuerforderungen des Rates erschienen dem Stift unangemessen, während andererseits die Bürger die Erhöhung der Pachtgelder beklagten. Das Chorherrenstift besaß auch seit der Zeit seiner Gründung das „Urfahr", also das Recht auf den Fährbetrieb auf der Donau. 1596 beschwerte sich Propst Balthasar bei Richter und Rat der Stadt, dass sie ohne sein Einverständnis die Urfahr-Ordnung geändert hätten, und dass sie jedem Bürger, der ans gegenüberliegende Rossatz zum „sectischen predicanten“, also zum evangelischen Prediger, übersetzen wollte, nur einen statt der bisherigen zwei Pfennige abverlangten. Außerdem hätte der Pächter des Fährbetriebs so viele Ausnahmen gewährt, dass schon fast jeder Bürger sein eigenes Boot besäße. Schwierigkeiten in der Verwaltung brachten imm er wieder dieilmerstiftlichen Pro- bleme Dürnsteins mit sich. Bestand der Konvent noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts aus fast 20 Chorherren, so sank der Konventualenstand während der Regierung von Propst Urban bis 1544 auf einen einzigen Chorherren herab. Die nächsten hundert Jahre änderte sich daran wenig, so dass die folgenden acht Pröpste aus anderen Stiften berufen werden mussten: aus St. Dorothea, aus Herzogenburg, St. Pölten, Klosterneuburg und Waldhausen. Die Administration war dementsprechend schwierig. Propst Balthasar Puchseer begann 1597 einen langen Rechtsstreit mit dem Pächter der stiftlichen Weingärten in Zöbing, der dieselben unrechtmäßig an sich gezogen habe, obwohl sein Leibgedingvertrag aufgrund seiner schlechten Hauerarbeit gelöst worden war. Ausständige Pachtgelder versuchte noch Propst Melchior Kniepichler bei der Witwe des Pächters einzutreiben. Propst Melchior begann auch Listen anlegen zu lassen über jene Besitzungen, die dem Stift während der Reformationszeit von der evangelischen Grundobrigkeit bzw. den Bürgern in Dürnstein entzogen worden waren, und forderte ausständige Grunddienste aus den vergangenen Jahrzehnten ein. Eine weitere Möglichkeit der Gewinnmaximierung war die Arrondierung des klösterlichen Streubesitzes, bei dem die Bewirtschaftung aufwändiger und die Gefahr einer Entfremdung größer war. Solchen Grundbesitz hatte Dürnstein mit dem Amt Ederding, das in der Nähe Herzogenburgs lag und aus dem Besitz des ehemaligen Klarissenklosters stammte. Propst Nikolaus Hay tauschte 1634 dieses Amt mit den dazugehörigen Liegenschaften und Untertanen in Ederding und Oberwinden gegen die dem Stift Herzogenburg inkorporierte Pfarre Haitzendorf, der Nachbarpfarre von Grafenwörth. Jedoch hielt der Kontrakt nicht lange, denn ab 1664 sind wieder Herzogenburger Chorherren in Haitzendorf tätig. Dürnstein bekam dafür auf 15 Jahre die landesfürstliche Pfarre Hadersdorf am Kamp verliehen, deren Einkünfte helfen sollten, die Stiftschulden abzutragen. Im Jahr 1663 erwarb Propst Matthias Feldhorn den nahe gelegenen Förthof (bei Stein) mit allen Untertanen und Weingärten. Dass er den Kaufpreis von fast 10.000 Gulden aufbringen konnte, beweist, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Stiftes sich allmählich konsolidiert hatten. Die Rechnungsbücher, die ab dieser Zeit überliefert sind, weisen bereits positive Bilanzen im Jahresbudget auf. Größere Ausgaben wurden durch Darlehen finanziert, wie die Zahlungen von Kreditzinsen belegen. Auch die Größe des Konvents hatte wieder seinen früheren Stand erreicht, wenngleich die Gemeinschaft der Chorherren noch einige Zeit aufgerieben wurde im Spannungsverhältnis zwischen den strengen Ordensstatuten, der barocken Lebensführung des Klerikerstandes und des Adels, der abgerissenen Tradition klösterlicher Spiritualität und der Autorität mancher inkompetenter Pröpste. Doch fand man schließlich zu einem geregelten Klosterleben und achtete auch auf eine entsprechende Ausbildung der Chorherren, für die Propst Hieronymus Übelbacher 1722 eine Hauslehranstalt errichten ließ. Gleichzeitig wurde auch die Verwaltung übersichtlicher und stiftsintern organisierter. Im ausgehenden 17. und im 18.Jahrhundert waren bereits alle Leistungen der Grundholden und Untertanen, die das Stift erhielt, in Geldabgaben umgewandelt. Auch die Robot, also die Arbeitsleistung, zu der die Bauern ihren Grundherren gegenüber verpflichtet waren, konnte in Geld beglichen werden, bis sie unter der Regierung Josephs II. vollkommen aufgehoben wurde. Ein Gutteil der regelmäßigen Einnahmen des Stiftes bestanden aus Herrschaftseinkünften aus obrigkeitlichen Rechten: von den Holden Dienste und Besitzveränderungsabgaben bzw. von Pächtern Pachtgeld, von Untertanen Gerichtstaxen für Heiratsbewilligungen, Verlassenschaftsverhandlungen oder ähnliches und Steuern . Das Stift hatte im 18. Jahrhundert etwa 230 Untertanen, vor allem in Grafenwörth, weiters in Willendorf in der Wachau, in der Kremser Gegend (Förthof, Rührsdorf), am Wagram (Großwiesendorf), bei Herzogenburg (Oberwinden, Ederding), bei Böheimkirchen (Dürnhag), bei Ravelsbach (in Meiseldorf), in Ostra und Harrau (Gerichtsbezirk Spitz), Henndorf (Gerichtsbezirk Scheibbs), Bernharts und Kamles (Gerichtsbezirk Ottenschlag), Kilb (Gerichtsbezirk Mank) und Dürnstein. Der Zehent war verpachtet und wurde ebenfalls in Geld eingenommen. Fast ebenso viel wie alle diese Einnahmen zusammen erbrachte im 18. Jahrhundert der Weinbau in den Wachauer Weinbergen: Der Wein wurde im Dürnsteiner Stiftskeller und im Förthof ausgeschenkt bzw. in größeren Mengen gehandelt, wobei das Stift auch Käufer in Oberösterreich, Salzburg und Bayern hatte. Später hatte auch der Verkauf von Branntwein und Obst einen gewissen Anteil am stiftlichen Einkommen. Bei den jährlichen Ausgaben waren die Steuern an das Land sowie die Baukosten die größten Einzelposten, weiters die Aufwendungen für den Weinbau und für den Stiftsbetrieb mit Küche , Meierhof und Handwerkern. Wie sehr im Bewusstsein der Bevölkerung das Stift auch als Wirtschaftskörper sein Umfeld ökonomisch und sozial geprägt hatte, zeigt sich in einem Gesuch der Dürnsteiner Bürgerschaft aus dem Jahr 1789. Man erbat die Abtretung von einigen Joch Land aus dem Besitz des aufgehobenen Klosters, weil alle landwirtschaftliche Nutzungsfläche in der Stadt durch Stiftungen oder Kauf an das Kloster gekommen sei und jetzt kein Haus mehr genug Grund dabei hätte, um auch nur ein Pferd zu ernähren. Die Bürger hätten sich beim Stift als Hauerknechte verdingen müssen, und die Weingärten, die sie noch besäßen, seien die schlechten und gebirgigen. Durch die Aufhebung des Stiftes sei den Bürgern noch ein zusätzlicher Verdienst entgangen, da man früher Arbeit im Kloster gefunden hatte, vor allem, wenn der Propst Gäste hatte. Der Herzogenburger Propst Michael Teufel, der das aufgehobene Stift administrierte, sah in seinem Wirtschaftsplan vor, das Fährmannshaus und die Taverne des Stiftes an die Bürgerschaft abzutreten. Heute wird das Stiftsgebäude, in dem neben den Räumen der Pfarr e auch eine Volksschule untergebracht ist, für verschiedene Veranstaltungen und Ausstellungen genützt, eine Präsentation von Geschichte und Spiritualität des Chorherrenordens wird ständig gezeigt. Das eindrucksvolle barocke Bauwerk zieht auch viele Besucher an, und der aufmerksame Betrachter kann entdecken, dass dem reichhaltigen, barocken Figurenprogramm nicht nur religiöse Inhalte zugrunde liegen, sondern dass auch die sehr irdischen und profanen Aspekte klösterlichen Lebens, seine Wirtschaft und Verwaltung, ihren künstlerischen Ausdruck gefunden haben .
Rechtliche Verhältnisse
Otto von Maissau übernahm bei der Stiftung 1410 auch die Vogtei über die junge Kanonie, entband sie jedoch von allen Abgaben, die üblicherweise damit verbunden waren. Für den Fall seines kinderlosen Todes übertrug er das Vogteirecht 1412 Herzog Albrecht V. Dieser nahm das Stift 1413 in seinen Schutz und verfügte, dass keiner seiner Pfleger, Landrichter und Amtsleute die Stiftsuntertanen „besweren noch anvallen“ dürfe, jedoch ausgenommen die dem Landgericht vorbehaltenen Fälle. Dies waren in der Regel die Straftaten, die mit dem Tod geahndet wurden, nämlich Mord, Raub und Vergewaltigung. Kaiser Friedrich III. bestätigte 1459 dieses Recht der niederen Gerichtsbarkeit sowie die anderen Privilegien des Stiftes, die vor allem wirtschaftlich wichtig waren, nämlich das Urfahr, die Befreiung von Ungeld und Maut, die Salzlieferungen und das Recht der Brennholzentnahme aus den herrschaftlichen Wäldern. Als „obrister erbvogt und petvogt“ über die Klöster seines Lande s gestattete Friedrich III. die freie Wahl von Untervögten und verfügte, dass das Stift alle Rechte und Freiheiten innehaben sollte wie „die andre gefürste clöster hie in dem land“. Damit war Dürnstein rechtlich den landesfürstlichen Klöstern gleichgestellt. Relevant wurde die Rechtsstellung Dürnsteins vor allem in der Reformationszeit, in der das Passauer Offizialat gegenüber dem Klosterrat stets betonte, dass das Stift unmittelbar dem Bischof von Passau unterstellt sei und der Kaiser und Landesfürst daher kein Recht habe, auf die Propsterhebung Einfluss zu nehmen.