Sacra.Wiki Stift Schrattenthal

Stift Schrattenthal

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Geschichtlicher Überblick

Vorgeschichte

Ulrich von Eitzing, aus einem bairischen Rittergeschlecht stammend (der Ort Eitzing liegt nahe bei Ried im oberösterreichischen Innviertel), erwarb 1434 die von den Hussiten zerstörte Burg und das Dorf Schrattenthal, die er 1448 zu freiem Eigen erhielt. In der Folge ließ Ulrich - neben dem Wiederaufbau und Ausbau der Wehranlagen zu einer Wasserburg - die ebenfalls 1425 zerstörte Marienkapelle wiedererrichten. [1]

Die Größe der Kirche lässt sich aufgrund eines Berichtes des Dechants vom 27. Februar 1688 bestimmen. [2] Seine Angaben stimmen mit den erhaltenen Grundmauerresten annähernd überein; die Marienkirche hatte eine Außenabmessung von rund 19,5 m Länge und 14 m Breite. [3] Mit der Errichtung der Pfarrkirche 1450 wurde der Bau eines großen Kirchengebäudes abgeschlossen. Beide Gotteshäuser standen parallel, die Pfarrkirche war um ein Chorjoch länger als die Kapelle. Die Schiffe beider Häuser waren in ihrer gesamten Länge durch vier hohe Spitzbögen miteinander verbunden, bildeten also einen mächtigen, zweischiffigen Kirchenraum mit zwei Chören. Die Entstehungszeit zwischen 1434 und ca. 1450 sowie die Bauweise legen den Schluss nahe, dass bereits eine Doppelkirche geplant war. Es erscheint unwahrscheinlich, dass derartig hohe Verbindungsbögen mit profiliertem Maßwerk nachträglich eingebaut wurden. Beide Kirchenschiffe dürften mit ihren Westmauern in gleicher Linie abgeschlossen haben. (Diese Annahme konnte durch eine spätere Grabung bestätigt werden.)

Mit allen Mitteln und in der ungehemmten Ausübung seiner Funktionen (als Burghauptmann, Hubmeister, Anführer der Stände und Geldgeber Kaiser Friedrichs III.) verfolgte der Eitzinger sein Ziel, nicht nur der mächtigste Mann im Land unter der Enns, sondern auch dessen Herr zu werden. Ebenso großzügig wurde von ihm der Ort Schrattenthal ausgebaut und befestigt. Nach seinem Tod (1460) erreichte sein Bruder Stephan schließlich 1472 die Verleihung des Stadtrechtes für den erklärten Herrschaftsmittelpunkt der Eitzinger.

Gründung

Das Geschlecht der Freiherren (seit 1439) von Eitzing wusste sich auch in kirchlichen Belangen das schrittweisen Loslösung aus der Schottenpfarre Pulkau gründete Stephan gemeinsam mit seinen Söhnen Martin und Georg und seinem Bruder Oswald (auf Drosendorf) am 13.10.1476 bei der Kapelle Unser Lieben Frau ein Stift der regulierten Augustiner-Chorherren. Der bisherige Pfarrer Peter Achter resignierte auf die Pfarre. Eine Bestätigung der Stiftung durch den päpstlichen Legaten Alexander Bischof von Forli erfolgte 1479.

Kurze Blütezeit

Zur Zeit der Gründung umfasste der Konvent mit dem Propst sechs Kanoniker, die aus den Augustinerstiften Dürnstein (3), St. Dorothea in Wien (2) und St. Andrä an der Traisen kamen. Mit der Übernahme der Seelsorge in den Pfarren Schrattenthal und Joslowitz stieg die Zahl der Chorherren auf dreizehn.

Die Klostergründung steht im Zusammenhang der sog. "Raudnitzer Reform". Diese religiöse Erneuerungsbewegung begünstigte die Errichtung zahlreicher kleiner Stifte im böhmisch-süddeutschen Raum als Heimstätten strengen Ordensgeistes und großer Gelehrsamkeit von bedeutendem Einfluss. Mit Bezug darauf ist auch eine weitere Bereicherung religiösen Lebens zu verstehen: Stephans Sohn Martin II. führt 1494 die Bruderschaft zu Ehren der Sieben Schmerzen Mariens ein und übergibt sie mit Stiftungsurkunde vom 22. 11. 1506 in die Obhut der Augustiner-Chorherren. Gleichzeitig stattet er sie mit Einkünften und Gütern in einer Reihe von Orten im Wein- und Waldviertel aus, darunter das Dorf Ragelsdorf und zwei Baustellen in Schrattenthal.

Im Stiftsbrief werden auch genaue Anordnungen für den kirchlichen Dienst erlassen; die seit 1452 bestehende Pfarrschule wird erweitert und hat für Gottesdienste und besondere Anlässe (wie Osterspiele) sechs Chorknaben auszubilden. Als Stiftungskurator wird die Universität Wien eingesetzt. 1511 stiftet Martin zusätzlich eine jährliche Rente von 100 Gulden. Anlässlich der Gründung der Bruderschaft hatte Martin von Eitzing eine Darstellung der Sieben Schmerzen Mariens aus Holland, dem Entstehungsland dieser frommen Verbindung, nach Schrattenthal gebracht. Das beidseitig mit der gleichen Darstellung versehene Andachtsbild war in einem der vier Verbindungsbögen zwischen beiden Kirchen angebracht bzw. aufgehängt, und trug so nachhaltig zur Bedeutung der Stadt als Wallfahrtsort bei.

In der Marienkirche selbst stand vermutlich seit dieser Zeit eine spätgotische Statue der Maria mit dem Kind. "In der Mitte der Kapelle stehet der Altar mit dem Bildnuss Unser Frau", heißt es in dem genannten Bericht von 1688. Gegenstand der Verehrung waren somit während dreier Jahrhunderte zwei bedeutende Darstellungen der Gottesmutter. Diese Blüte des religiösen Lebens mit ihrem besonderen Akzent der Verehrung der Sieben Schmerzen fand auch darin ihren Ausdruck, dass in Schrattenthal das älteste in Österreich außerhalb Wiens gedruckte Buch entstand. Das Andachtsbuch von den Sieben Schmerzen Mariens, verfasst von dem Dominikaner Michael Franciscus de Furno ab Insulis, wurde am 20. März 1501 in einer im Stift eingerichteten Offizin (Buchdruckerei) vermutlich von einem wandernden Buchdrucker hergestellt, angesichts des regen Wallfahrtsbetriebes wahrscheinlich in größerer Auflage. Heute sind sechs erhaltene Exemplare bekannt.

Rascher Niedergang

Nachdem um 1521 Propst Myllius noch einen Neudruck des Andachtsbuches herausgegeben hatte, brachte das Eindringen der lutherischen Lehre in diesem Jahrzehnt einen plötzlichen Einbruch des (katholischen) kirchlichen Lebens mit sich. In Schrattenthal trug dazu besonders die Hinrichtung des Freiherrn Michael von Eitzing, des Bruders und Nachfolgers Martins, bei. [4] In der nun folgenden unruhigen Zeit verließen die Chorherren das Stift oder wurden daraus vertrieben. Unter dem vermutlich letzten, namentlich nicht bekannten Propst lebten immerhin noch sieben Chorherren im Stift, aber bereits 1527 scheint Ulrich IV. das Kirchenvermögen frei verwendet zu haben. Jedenfalls wird 1534 bereits wieder mit Kaspar Greyl ein Weltpfarrer für Schrattenthal genannt. Obwohl die Eitzinger damals erst zum Teil der neuen Lehre anhingen, war der Einfluss der Reformation schon spürbar. In einem Visitationsbericht von 1544 wird vermerkt: "Diese Kapelle und Stift ist zu einer Kirchfahrt erhebt worden dann jährlich eine große Anzahl Volk zu Unser Frauen Tagen gekommen ist, aber jetzt allein am Tag der Kirchweih."

Spätere Entwicklung

Die Niederlage der Protestanten und das gleichzeitige Aussterben (1620) der Eitzinger bedeuteten das Ende der evangelischen Pfarre und Schule in Schrattenthal. Eine Erneuerung der Propsteipfarre verhinderte aber 1621 ein Brand von Kirche und Pfarrhof; die Betreuung des Ortes erfolgte seitdem durch die Pfarrer von Obermarkersdorf, die den Kirchenschatz (Kirchengeräte und Paramente) veräußerten und sich zum Teil sogar als Pröpste bezeichneten. Im Zug der Gegenreformation und des Barock kam es zu einem neuerlichen Aufleben der Wallfahrt. Einen Hinweis liefert wiederum der Bericht aus 1688 über den damals desolaten Zustand der Kirche. [5]

Seit 1650 entwickelte sich ein Streit um die Neubesetzung bzw. die Güter der Propstei, deren Herausgabe die Grafen Strozzi als Besitzer der Herrschaft verweigerten. Die Chorherrenstifte St. Andrä und St. Dorothea sowie das Bistum Passau beanspruchten die Propstei, wogegen die Wiener Jesuiten als Kuratoren Einspruch erhoben. Schließlich wurde 1669 St. Andrä das Recht zugesprochen, die Propsteigüter zu kaufen . 1690 wurde die Propstei durch Kaiser Leopold 1. dem Wiener Jesuitenkolleg inkorporiert. Bis 1715 war Schrattenthal Titularsitz eines im niederösterreichischen Landtag stimmberechtigten Propstes. Schließlich erwarb 1716 die Herrschaft Schrattenthal das frühere Stiftsgebäude um 150 Gulden. Mit diesem Jahr hörte das Stift Schrattenthal auch de iure zu bestehen auf. Im 18. Jahrhundert kann die Retzer Gottesdienstordnung aus den Jahren 1720 bis 1746 als Beleg für das weitere Bestehen der Wallfahrt dienen.

Für den Pfingstmontag ist dort eine Prozession nach Schrattenthal festgesetzt. Vom 16. bis zum 24. August wird alljährlich eine Wallfahrt (Prozession ex voto) nach Mariazell durchgeführt, als deren erste Station Schrattenthal vorgesehen ist. (Als späte augustinische Spur in Schrattenthal soll der Augustiner-Chorherr Dr. Theobald Johann Fritz Can. Reg., 1777-1848, Erwähnung finden. Im Schloss als Sohn des Verwalters geboren hatte er das Gymnasium in Znaim besucht und war dann in das Chorherrenstift Klosterneuburg eingetreten; er war Professor für Ethik und Moral an der Universität Wien sowie mehrmals Dekan der theologischen Fakultät.) Eine besondere Variante des Rosenkranzgebets, der „Sieben-Schmerzen-Rosenkranz", der seinen Ursprung in der oben angeführten Bruderschaft und Verehrung der Sieben Schmerzen Mariens hat, wird auch heute wieder am Schmerzhaften Freitag vor dem Palmsonntag gebetet.

  1. Im Stiftsbrief von 1476 heißt es: "unser lieben Frawen Capelln zu Schretental die weiland der Edel her her Ulrich von Eitzing, unser lieber brueder und vetter dem Gott genad, von seinem aigen guet von Newen aufpawt hat."
  2. "Die Kapellen ist inwendig von einer Mauer zu der andern 9 Klafter 12 Zoll lang, 5 Klafter 33 Zoll breit."
  3. Bereits am 21. Juli 1438 gab Papst Eugen IV. (als Dank für die Unterstützung durch Ulrich Eitzing beim Basler Konzil) "der Kapelle Unserer Lieben Frau zu Schrattenthal einen Ablass auf ewige Zeiten von einem Jahr und vierzig Tagen, welchen alle jene erhalten sollen, die am Mariae Verkündigungstage, mit gehöriger Vorbereitung durch Beicht und Communion sie andächtig besuchen und zu ihrer Erhaltung beisteuern würden."
  4. (Nach dem Regierungsantritt Kaiser Ferdinands I. waren die Anführer der Stände, darunter Michael, in eine Falle gelockt und auf dem Hauptplatz von Wiener Neustadt 1522 enthauptet worden.)
  5. "... dabei vor wenig Jahren nicht eine geringe Andacht der Benachbarten gewesen, auch die von Znaim wann sie mit der Procession nach Mariazell gehen noch allda zu theils ihre Andacht verrichten, neben einem Hochund Voraltar sind beiderseits sechs Altäre, jedoch ganz verwüstet, ... Die Fenster sind gänzlich ruiniert, daß der Wind und Schnee allerorten einschlagt. Das Dach ist baufällig, das Gewölb und Gemäuer also zerspalten, ... Die Kirche ist dann vom Herrschaftsbesitzer, Baron Putz von Adlersthurm, renoviert worden.
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