Stift Klosterneuburg
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Datum von | 24.11.1114
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Geschichtlicher Überblick
Die Gründung des weltlichen Kollegiatstiftes
Um das Jahr 50 n. Chr. errichteten die Römer an der Stelle des heutigen Stiftes ein Kastell, das an diesem strategisch wichtigen Punkt den Übergang über die Donau sichern sollte. Es war der westlichste militärische Stützpunkt in der Provinz Oberpannonien, doch leider konnte bis heute sein Name nicht eindeutig geklärt werden. Ursprünglich waren die Gebäude aus Holz. Wie in anderen Grenzkastellen wurden die hölzernen Bau- ten am Anfang des 2. Jahrhunderts durch Steinbauten ersetzt. Während des 5. Jahrhunderts wurde das Kastell wie die ganze Provinz von den römischen Truppen geräumt. Erst im 11. Jahrhundert setzte wieder eine kontinuierliche Besiedlung ein, die "Neuburg" genannt wurde, im Gegensatz zur "Alten Burg", den Ruinen des Römerkastells (Burg und Stadt sind in dieser Zeit als Synonyme anzusehen). Etwa 2 km donauaufwärts bestand schon seit dem frühen 9. Jahrhundert eine Ufersiedlung um die Kirche St. Martin. In der Mark Österreich hatte seit 976 das Geschlecht der "Babenberger" das Amt der Markgrafen inne. Ihre Aufgabe war, die Grenze nach dem Sieg über die Magyaren (955) nicht nur zu sichern, sondern auch weiter nach Osten vorzuschieben. Dementsprechend verlegten die Markgrafen ihren Sitz von Pöchlarn, dem ursprünglichen Herrschaftszentrum, weiter nach Melk, dann Gars am Kamp (gegen die Slawen), Tulln, und schließlich ließ sich Markgraf Leopold III. in Neuburg nieder. Leopold III. war durch die Heirat mit Agnes, der Tochter Kaiser Heinrichs IV. und Schwester Heinrichs V., in die Reihe der vornehmsten Reichsfürsten aufgestiegen. Da Agnes in erster Ehe mit Herzog Friedrich von Schwaben, dem ersten Staufer, verheiratet gewesen war, kam noch die Versippung mit diesem zukunftsträchtigen Geschlecht hinzu. Agnes brachte aber nicht nur hohes Ansehen, sondern auch reiche materielle Mittel mit in die Mark, so dass ihr Gatte in der Lage war, seine neu gewonnene Stellung sichtbar zu dokumentieren. Dazu sollte nicht nur ein neues, prächtiges Wohngebäude, sondern auch ein Stift für weltliche Kanoniker dienen. Über die Gründung dieses Stiftes berichtet eine bekannte Legende. Demnach habe Leopold an der Stelle, an der er auf der Jagd den verlorenen Schleier seiner Gattin nach neun Jahren wiedergefunden habe, das Stift Neuburg errichtet. Das entspricht nicht der historischen Wirklichkeit, wenngleich die Legende für den mittelalterlichen Menschen schon einen Aussagewert hatte, der hier nicht zur Diskussion steht. Jedenfalls fand Leopold hier schon mindestens zwei Kirchen im Bereich des ehemaligen römischen Kastells vor: die bereits 1108 urkundlich überlieferte Marienkirche und die St.-Afra-Kapelle, dazu noch die ziemlich bescheidene Burg des Stadtherrn (als solcher ist ein Graf Walther von Chling bezeugt). Ander Stelle dieses "festen Hauses" baute nun Leopold, als er seinen Sitz in Neuburg aufschlug, ein prächtiges Gebäude, dass in Größe und Anlage dem Palas der Wartburg, der Burg von Meißen und anderer fürstlicher Residenzen entsprach. Heute ist in dem mehrfach umgebauten Trakt das Stiftsarchiv untergebracht. Um das Jahr 1113 zog Leopold III. nach Neuburg, und ein Jahr später gründete er das zur Residenz gehörige Kollegiatstift Am 12. Juni 1114 wurde der Grundstein zur neuen Stiftskirche gelegt, die die größte Kirche des Landes werden sollte. Auch die Gründung des weltlichen Kollegiatstiftes war ein Prestigeprojekt Ein geistliches Kollegium gehörte zur Hofhaltung eines mächtigen Fürsten. Übrigens existierte auch in Lorch an der Rems, wo Leopolds Gattin als Herzogin von Schwaben residiert hatte, ein Kollegiatstift für zwölf Kanoniker und einen Propst. Es entsprach also den Gepflogenheiten der Zeit, ein solches Stift zu errichten, und auch in Neuburg lebten ein Propst und zwölf Kanoniker. Nach dem Tode des ersten Propstes Otto um das Jahr 1126 – er war zugleich Pfarrer von Falkenstein – setzte der Markgraf seinen begabtesten Sohn Otto zum Nachfolger ein und sandte ihn mit großem adeligen Gefolge (vermutlich jenen 15 Jünglingen, die später mit ihm ins Kloster Marimond eintraten) zum Studium der Theologie nach Paris. Das war für den Propst eines Kollegiatstiftes damals ein ungewöhnlicher Aufwand und lässt vermuten, dass der Markgraf seinen Sohn zum Bischofsamt ausersehen hatte und Neuburg zum Bischofssitz machen wollte. Darauf deutet auch die reiche Besitzausstattung des Stiftes hin und die Monumentalität der Stiftskirche, die durchaus das Format einer Bischofskathedrale hat. Auf Grund des Eigenkirchenrechts hätte Markgraf Leopold wohl die Möglichkeit gehabt, ein solches Landesbistum an seinem Regierungssitz zu errichten, und für das kirchliche Leben im Lande wäre es auch sehr förderlich gewesen, denn der Diözesanbischof (Passau) und der Metropolit (Salzburg) saßen weit in der Ferne. Aber diese Bischöfe sahen die kirchenpolitischen Pläne des Markgrafen mit tiefem Misstrauen. Als daher der junge, in Frankreich studierende Prinz Otto 1132 überraschend samt seinen 15 Gefährten in das strenge Zisterzienserkloster Marimond eintrat und damit die Pläne seines Vaters durchkreuzte, sahen die Bischöfe ihre Stunde gekommen. Erzbischof Konrad von Salzburg, Bischof Reginmar von Passau und Bischof Roman von Gurk hielten gemeinsam mit anderen Klerikern in Neuburg eine kleine Synode. Und es gelang ihnen – sicherlich mit massiver Unterstützung des nunmehrigen Zisterziensermönches Otto – den Markgrafen zur Aufgabe seiner kirchenpolitischen Pläne zu bewegen. Leopold entließ die weltlichen Kanoniker samt ihrem Propst Opold, der schon während der Abwesenheit des jungen Otto als dessen Vikar fungiert hatte, und stattete sie mit anderen Pfründen aus. Neuburg sollte ein Kloster von Augustiner-Chorherren werden. Damit verzichtete er auf seine Eigenkirchenrechte, denn die Regularkanoniker unterstanden grundsätzlich immer dem Diözesanbischof. In der Lebensbeschreibung Leopolds, dem "Chronicon pii marchionis", heißt es, dass der Markgraf die weltlichen Kanoniker entlassen habe, weil sie ihm den Gottesdienst unachtsam und allzu nachlässig zu versehen schienen. Das ist kaum wörtlich zu verstehen, sondern ist ein Topos oder Gemeinplatz, wie man ihn häufig in mittelalterlichen Texten zur Begründung einer Regeländerung oder Reform lesen kann. Übrigens hat Otto seinen Vater im selben Jahr dazu veranlasst, in Heiligenkreuz auch ein Kloster seines eigenen, des Zisterzienserordens, zu gründen. Eine zweite Ursache dürfte auch eine gewisse Rolle spielen. Wir wissen, dass die in Augsburg ansässigen Grafen von Cham und Vohburg, deren letzter Spross Bischof Hermann von Augsburg (1096–1133) war, gewisse Rechte in Neuburg besaßen. Darauf deutet die schon länger bestehende Afrakapelle hin (die heilige Afra war Patronin von Augsburg). Als Bischof Hermann 1108 im Gefolge Heinrichs V. durch Neuburg zog, fand er hier ihm untertänige Zinsleute vor, die er der hiesigen Marienkirche übereignete. Bischof Hermann, der lange von den Anhängern der Kirchenreform bekämpft worden war, starb am 11. März 1133. Das könnte dazu beigetragen haben, dass in Neuburg der Weg für die Reform frei wurde.
Der Einzug der Augustiner-Chorherren
Die Einführung der Regularkanoniker entsprach dem Reformprogramm des Salzburger Erzbischofs Konrad. Die Augustiner-Chorherren sollten geistliche Stützpunkte im Land aufbauen, um die Seelsorge im Geist der Kirchenreform zu betreiben und zugleich Bollwerke der rechtmäßigen Kirche zu bilden. Angesichts der im Hochmittelalter häufigen Spaltungen war das ein wichtiger Aspekt. Die Bischöfe schlugen dem Markgrafen auch gleich den Mann vor, der das reformierte Kloster Ieiten sollte: Hartmann, den bisherigen Propst von Chiemsee. Dieser war ein hervorragender Exponent des Salzburger Reformkreises und hatte schon Erfahrung im Reformieren von Konventen. Er hatte 1122 im Salzburger Domkapitel als Dekan die Augustinusregel eingeführt und leitete seit 1129 das Chorherrenstift Chiemsee. Er zog mit einer ausgewählten Mannschaft in Neuburg ein, die aus verschiedenen Konventen stammte. Man nennt St. Nikola, Chiemsee, Rottenbuch und das Salzburger Domkapitel. Als eigentliches Mutterkloster betrachtete man in Neuburg immer das Stift St. Nikola bei Passau, das 1067 von Bischof Altmann von Passau gegründet worden war. Es war, wie gesagt, eine ausgesuchte Mannschaft, unter der sich bedeutende Persönlichkeiten befanden. Zwei Brüder des berühmten Propstes Gerhoch von Reichersberg waren dabei, Marquard und Rudiger, beide versierte, in Paris geschulte Theologen, und beide wurden später nacheinander Propst. Mit dem Einzug der Regularkanoniker wurde Neuburg schlagartig zu einem theologischen Zentrum von hohem Niveau, wovon mehrere literarische Arbeiten der Konventualen zeugen. Außerdem war das Stift tatsächlich durch Jahrhunderte ein unerschütterlicher Stützpunkt streng kirchlichen Geistes und in allen Spaltungen ein treuer Parteigänger des römischen Papstes. Markgraf Leopold, der offenbar noch immer kirchenpolitische Ambitionen hatte, trug Hartmann seine Eigenpfarren zur Inkorporation an. Das war an sich im Sinne der Kirchenreform, denn die Kanoniker sollten ja in der Pfarrseelsorge tätig sein und dem Eigenkirchenwesen entgegenwirken. Mit den 13 landesfürstlichen Pfarren hatte es aber eine eigene Bewandtnis, denn sie scheinen auf kirchenrechtlich nicht ganz einwandfreie Weise in den Besitz des Markgrafen bzw. dessen Vaters Leopold II. gekommen zu sein. Daher verweigerte Propst Hartmann die Annahme dieser Pfarren und übernahm nur die Pfarre Klosterneuburg für sein Stift. Im Greifensteiner Zehentvertrag vom September 1135 übertrug Markgraf Leopold dem Bischof von Passau den Zehent der übrigen zwölf Pfarren, und für Klosterneuburg entschädigte er ihn durch anderweitigen Besitz. Das "Chronicon pii marchionis" berichtet, daßss Propst Hartmann dem Kloster eigene Statuten gegeben habe, die mit folgenden Worten beginnen: Sub testimonio Christi et ecclesiae. Diese Statuten sind leider nicht erhalten, was darauf schließen lässt, dass sie nicht allzu lange gültig waren. Später galten in Klosterneuburg wie in fast allen süddeutschen Chorherrenstiften die Statuten des Stiftes Marbach im Elsass. Durch eine Bulle vom 30. März 1134 verlieh Innozenz II. dem Stift den päpstlichen Schutz. Am 29. September 1136 wurde die Stiftskirche geweiht, nachdem ihr Innenraum fertiggestellt worden war (das gewaltig geplante Westwerk konnte nur zum Teil ausgeführt werden). Dieselben Bischöfe, die drei Jahre zuvor die Reform des Stiftes durchgesetzt hatten, nahmen nun die feierliche Weihe vor: Konrad von Salzburg, Regjnmar von Passau und Roman von Gurk. Markgraf Leopold konnte sich nicht lange an dem prächtigen Kirchenraum freuen, denn er starb schon wenige Wochen später am 15. November 1136. Er wurde im Kapitelsaal in einer Gruft beigesetzt, und die Grabstätte des "milden Markgrafen", wie er schon zu Lebzeiten genannt wurde, erfreute sich bald eines regen Zustroms von Wallfahrern, die ihn als Heiligen verehrten. Bis zur offiziellen Heiligsprechung sollten aber noch Jahrhunderte vergehen. Mit dem Tod Leopolds III. erlosch Klosterneuburgs Funktion als Herrschersitz. Die Witwe Agnes wohnte zwar weiterhin hier bis zu ihrem Tod am 24. September 1143 und wurde an der Seite ihres Gatten bestattet. Aber Leopolds Söhne schlugen ihre Residenzen anderswo auf: Leopold IV. zog als Herzog von Bayern nach Regensburg, und Heinrich II, der erste Herzog von Österreich, machte Wien zur Hauptstadt des Landes, was sein Vater schon vorbereitet hatte. Das Kloster hatte nun seinen mächtigen Beschützer verloren, was zu gewissen Sorgen Anlass gab. Papst Innozenz Il., der schon am 8. Januar 1137 der Witwe Agnes in einem ausführlichen Schreiben Trost über den Tod ihres Gatten gespendet hatte, schrieb neuerlich am 11. April desselben Jahres an die Markgräfin und empfahl das Stift Neuburg und dessen Propst Hartmann ihrer besonderen Fürsorge. Am 30. November 1137 nahm er das Stift in einer feierlichen Urkunde neuerlich unter päpstlichen Schutz. Auch Bischof Reginmar von Passau erneuerte im selben Jahr alle Privilegien des Stiftes. Man scheint also wirklich mit dem Tod des Stifters Befürchtungen für die Zukunft verbunden zu haben und wollte sich absichern. Die Persönlichkeit des angesehenen Propstes Hartmann bot überdies eine gewisse Sicherheit. Als aber Hartmann Ende 1140 zum Bischof von Brixen ernannt wurde, sorgte sich das Stift neuerlich um seine Zukunft und um das Recht der freien Propstwahl. Deshalb wurde Anfang 1141 eine Stiftungsurkunde Leopolds III. hergestellt, die zwar inhaltlich zweifellos richtig, formal aber eine Fälschung war. Hier werden die Rechte des Stiftes und des nach der Regel des heiligen Augustinus lebenden Konvents besonders hervorgehoben. Ob diese Urkunde die Ursache war oder ob sich der schon gefestigte Konvent aus eigenen Kräften behaupten konnte, ist nicht wesentlich. Er nahm auf jeden Fall eine sehr positive Entwicklung. Wie gefestigt der ursprünglich zusammengewürfelte Neuburger Konventbereits war, geht schon daraus hervor, dass Bischof Hartmann das von ihm 1142 in der Nähe seiner Bischofsstadt Brixen gegründete Kloster Neustift mit Chorherren aus Klosterneuburg besetzen konnte. Hartmann starb am 23. Dezember 1164 in Brixen im Ruf der Heiligkeit. Da er in Brixen begraben wurde, hat sich in Klosterneuburg kein Kult für ihn entwickelt. Hier wurde einzig der Stifter Leopold III. als Heiliger verehrt.
Das Stift im Mittelalter
Wie fast alle Regularkanonikerstifte im Hochmittelalter war auch Neuburg ein Doppelkloster. So errichtete Propst Hartmann neben dem Herrenstift ein Kloster für Augustiner-Chorfrauen, dessen Kirche der heiligen Maria Magdalena geweiht war. Das Stiftungsgut soll aus dem Vermögen der Markgräfin Agnes gestammt haben. Darauf deutet hin, dass im Frauenstift ihr Todestag, der 24. September, jedes Jahr feierlich begangen wurde. Die Chorfrauen lebten in strenger Klausur, verrichteten das Chorgebet und beschäftigten sich mit Handarbeiten, insbesondere mit der Herstellung und Instandsetzung liturgischer Gewänder und kirchlicher Textilien. Sie unterstanden einer gewählten Meisterin, für ihre geistliche Betreuung war ein Chorherr als custos dominarum zuständig. Die wirtschaftliche Verwaltung besorgte das Herrenstift. Nach dem Fortgang des ersten Regularpropstes Hartmann ins Bistum Brixen 1140/41 trafen die Befürchtungen der Kanoniker nicht ein. Der Konvent durfte den neuen Propst frei wählen, und aus dieser ersten Wahl ging der bisherige Stiftsdekan Marquard her- vor, ein Bruder des berühmten Kirchenreformers Propst Gerhoch von Reichersberg. Propst Marquard, der in Paris studiert hatte, führte das Stift durch eine sehr glückliche Periode. Er begann wahrscheinlich mit der Anlage des Traditionsbuches, in dem alle (auch die früheren) Schenkungen an das Stift verzeichnet wurden. Marquard konnte den Besitz des Klosters beträchtlich erweitern, von König Konrad III. die Befreiung von der Abgabe des "Marchfutters" erreichen und von päpstlichen Legaten Urkunden über weitreichende Privilegien entgegennehmen. Das bedeutendste darunter ist die Verleihung des Hirtenstabes (die undatierte Urkunde des Kardinallegaten Petrus ist zwischen 1147 und 1152 ausgestellt), eine ungewöhnlich frühe Auszeichnung für einen Kloster-vorsteher. Sie galt allerdings nur für ihn persönlich. Eine zweite Urkunde desselben Legaten räumte aber den Chorherren für die Zukunft das Recht ein, jede ihnen angebotene Kirche zur Verwaltung anzunehmen, und davon machte das Stift reichlichen Gebrauch. Für das Jahr 1158 ist ein Brand im Stift chronikalisch überliefert, doch erfahren wir nicht, welchen Schaden er anrichtete. Da weiter nichts darüber berichtet wird, kann man annehmen, dass die Schäden bald behoben waren. Ein wichtiger Erfolg des Propstes war, dass ihm 1162 Herzog Heinrich II. das Recht erteilte, die Untervögte des Stiftes abzusetzen. Damit war der entscheidende Schritt zur Entvogtung getan, denn vom Hauptvogt, dem Landesfürsten, hatte das Stift kaum willkürliche Eingriffe zu erwarten. Propst Marquard war sehr viel in kirchlichem Auftrag unterwegs, meist im Gefolge des Salzburger Erzbischofs . Für das geistige Niveau des Stiftes war es von großer Bedeutung, dass Marquard drei seiner jüngeren Brüder zum Eintritt in Klosterneuburg bewegen konnte. Der erste, Friedrich, starb bald nach seiner Ankunft. Rudiger und Heimo aber waren beide glühende Anhänger ihres ältesten Bruders, des Propstes Gerhoch von Reichersberg, der nicht nur als Reformator des Klerus unermüdlich hervortrat, sondern auch ein fleißiger theologischer Schriftsteller war. Er vertrat eine traditionelle, an Bibel und Kirchenvätern orientierte Theologie und war ein Feind der aufkommenden Scholastik, an der er die allzu theoretische und abstrakte Methode ablehnte. Die Klosterneuburger Brüder standen ihm dabei wacker zur Seite und wurden in eine heftige Kontroverse mit Magister Petrus von Wien verwickelt, einem der prominentesten Vorkämpfer der neuen Theologie. Der Streit ging unentschieden aus: War Magister Petrus ein scharfer Logiker und beherrschte die dialektische Methode, so war ihm Rudiger in der historisch-kritischen Methode überlegen (wenn man diesen modernen Ausdruck gebrauchen darf) und trat an seine Quellen mit wissenschaftlich-kritischem Geist heran. Es scheint nun, dass Rudiger seiner theologischen Weltsicht ein sichtbares künstlerisches Denkmal setzen wollte und einen thematischen Entwurf für ein gewaltiges Kunstwerk erarbeitete. Dies dürfte allerdings erst geschehen sein, nachdem er 1167 die Nachfolge seines verstorbenen Bruders Marquard als Propst angetreten hatte. Es wurde überzeugend nachgewiesen, dass einige Werke Rudigers große Ähnlichkeit mit den Inschriften des Klosterneuburger Ambos auf weisen, des später sogenannten "Verduner Altars". Sein früher Tod im Jahre 1168 hinderte den Propst daran, das Vorhaben in die Tat umzusetzen. Erst sein Nachfolger Wernher konnte das Werk bei dem berühmten Goldschmied Meister Nikolaus von Verdun in Auftrag geben und damit eine der großartigsten Leistungen der mittelalterlichen Kunst anregen. Er nahm allerdings eine Änderung im Programm vor, indem er sechs Szenen aus der Eschatologie, der Lehre von den Letzten Dingen, einfügen ließ. Dies war damals durch die Schriften Ottos·von Freising sehr aktuell. Im Jahre 1181 war das Werk des Meisters Nikolaus vollendet. Es wird an anderer Stelle ausführlich gewürdigt. Im Schisma von 1159 bis 1180 stand das Kapitel von Neuburg treu zum römischen Papst. Da der zuständige Bischof von Passau ein Anhänger des Gegenpapstes war, ließen sich die Chorherren nicht von ihm die Weihen erteilen. Deshalb zogen im März 1167 ungefähr 30 Kleriker des Stiftes nach Friesach, wohin der von den Anhängern des Gegenpapstes vertriebene Erzbischof Konrad II. von Salzburg, ein Sohn des Markgrafen Leopold, geflüchtet war, und ließen sich von ihm die Priesterweihe erteilen. Propst Wernher wurde 1194 Bischof von Gurk. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts setzt in Klosterneuburg die Annalenschreibung ein. Ihre Zusammenhänge mit der übrigen Österreichischen Annalistik sind bis heute nicht restlos geklärt. Die bedeutendste Leistung auf diesem Gebiet ist das "Chronicon pii marchionis", die Lebensbeschreibung des Markgrafen Leopold. Ihr Verfasser war einer jener Chorherren, die in Friesach zum Priester geweiht wurden. Eine Besonderheit der Augustiner-Chorherren war ihre Liturgie, die sie sehr feierlich und zugleich volksverbunden gestalteten. Sie pflegten das geistliche Schauspiel in der Kirche ebenso wie den Volksgesang. Das Klosterneuburger Osterspiel, um 1200 niedergeschrieben, ist eines der berühmtesten Beispiele dafür. Hier finden wir auch schon ein deutsches Kirchenlied, "Christ ist erstanden", schriftlich überliefert. Das hohe geistige und wirtschaftliche Niveau, das in Neuburg im Jahrhundert der Gründung geherrscht hatte, ließ sich mit dem beginnenden 13. Jahrhundert nicht mehr ganz halten. Nun legten die Pröpste größeres Gewicht auf die Ausbildung eines Pfarrverbandes. Durch Schenkungen oder Tausch kamen mehrere Kirchen an das Stift. In dieser Zeit begann die Verehrung des Klosterstifters Leopold Ill., die schon bald nach seinem Tode eingesetzt hatte, zu einem regelrechten Wallfahrtsbetrieb zu werden. Das Österreichische Interregnum nach dem Aussterben des Herzogshauses der Babenberger (1246) brachte für das ganze Land schwierige Zeiten, und so auch für das Stift Klosterneuburg. Propst Konrad Coltstein (1226–1257) gelang trotzdem die wirtschaftliche Konsolidierung des Stiftes, aber das geistige und geistliche Leben trat eher in den Hintergrund. Hier schuf erst Propst Nikolaus I. (1257–1279) einen Wandel. Er gründete 1261 das Chorfrauenstift St. Jakob (das zweite in Klosterneuburg), ließ das erste Urbar des Stiftes anlegen und erreichte die kirchliche und weltliche Anerkennung verschiedener Besitztitel des Stiftes. Papst Alexander IV. gestattete ihm 1260 den Gebrauch der Pontifikalien. Gegen Ende des Jahrhunderts verschlechterte sich infolge der Verarmung des Volkes auch die wirtschaftliche Lage des Stiftes. Dass auch die Klosterdisziplin zurück ging, lässt ein Statut aus dem Jahre 1289 vermuten, welches das Würfelspiel unter den Chorherren verbot. Eine vom Passauer Bischof gesandte Visitationskommission setzte 1301 den Propst Hadmar aus dem Geschlecht der Esel von Gaaden ab. Gleichzeitig wurden dem Stift Statuten verordnet, die die Kompetenz des Propstes und des Konvents in wirtschaftlichen Fragen wesentlich einschränkten. Aber der abgesetzte Propst nützte die Abwesenheit Herzog Rudolfs III. aus, um mit Hilfe seiner leiblichen Brüder das Stift mit Waffengewalt zu erobern, was jedoch durch das energische Eingreifen der Herzogin Blanche verhindert werden konnte. Dem 1306 gewählten Propst Berthold gelang es, das Stift aus seiner Krise herauszuführen und wirtschaftlich und spirituell zu konsolidieren. Zeuge dafür ist der Passauer Bischof Wernhard von Prambach, der nicht nur die einengenden Visitationsstatuten von 1301 wieder aufhob, sondern auch in einem Schreiben an Papst Clemens V. im Jahre 1312 das Stift Klosterneuburg unter allen Klöstern des Ordens des hl. Augustinus in meiner Diözese das beste in der Ordensdisziplin und in jeder Hinsicht das würdigste nennt, und außerdem die große Gastfreundschaft, die ausgedehnte Seelsorge und die Feierlichkeit der Liturgie hervorhebt. Propst Bertholds Nachfolger Stephan von Sierndorf (1317-1335) hatte zunächst einen schweren Konflikt mit dem Stiftskapitel zu bestehen – einige seiner Widersacher wählten 1323 sogar einen Gegenpropst –, wurde aber sowohl vom Papst wie vom Landesfürsten rehabilitiert. Am 13. September 1330 brach in der Stadt Klosterneuburg eine große Feuersbrunst aus, die auf das Stift übergriff und es zu einem guten Teil zerstörte. Der Wiederaufbau, den der Propst zügig vorantrieb, gab Stephan von Sierndorf Anlass zu künstlerischen Aufträgen großen Stils, so dass man ihn gelegentlich einen "zweiten Grün- der" nannte. Das Mäzenatentum Stephans, der sich selbst sehr gerne abbilden ließ, wird in einem anderen Abschnitt gewürdigt. Die günstige wirtschaftliche und spirituelle Situation des Stiftes dauerte während des 14. Jahrhunderts weiter an. Dies wurde von höchster Stelle anerkannt, denn Papst Innozenz VI. verlieh die Pontifikalien, die bisher nur einzelnen Pröpsten gewährt worden waren, am 18. Januar 1359 dem Propst Ortolf von Walkersdorf und allen seinen Nachfolgern. Dieses Privileg war damals noch selten. 1382 kam dann noch der Gebrauch der Sandalien dazu, so dass die Pröpste sich seither aller bischöflichen Insignien bedienen dürfen. Auch das wissenschaftliche Leben blühte im Stifte, und der Kult des Markgrafen Leopold wurde immer populärer. Bereits 1326 wurde in Avignon von 13 Bischöfen eine prächtige Urkunde ausgestellt, die den Wallfahrern zum Grab des Markgrafen an bestimmten Tagen einen Ablass gewährte. Herzog Rudolf IV. wandte sich 1358 an den Papst mit der Bitte, den Heiligsprechungsprozess für den Klostergründer einzuleiten. Papst Innozenz VI. setzte tatsächlich eine Kommission zur Untersuchung ein, doch verlief die Angelegenheit wegen der unruhigen Zeitläufte im Sande. Erst 1466 sollte der Heiligsprechungsprozess wieder aufgenommen werden. Im Stift legte man schon 1323 ein Verzeichnis der Gebetserhörungen am Grab des Markgrafen an und suchte auch die historischen Nachrichten über sein Leben gesammelt festzuhalten. Eine Handschrift aus dem Jahre 1371, geschrieben im Auftrag des Propstes Koloman von Laa (1371–1394), enthält das Ergebnis dieser Sammlung. Der Anfang des 15. Jahrhunderts war durch verschiedene Ordensreformen gekennzeichnet. Bei den Benediktinern ging die Reform vom Stift Melk aus. Für die Augustiner-Chorherren gab das Stift Raudnitz in Böhmen (gegründet 1333) den Anstoß zu einer Rückbesinnung auf die ursprünglichen Ordensideale. Das Konzil von Konstanz (1414-1418), zu dessen Programm die innere Reform der Kirche gehörte, machte sich die Ideen beider Richtungen zu eigen. Im Sinne des Konzils verordnete Herzog Albrecht V. eine Visitation aller Österreichischen Klöster. 1418 kamen die Visitatoren ins Stift Klosterneuburg und veranlasstenden Propst Albert Steckh, der erst kürzlich auf dem Konzil die Bestätigung aller Rechte des Stiftes erlangt hatte, zum Rücktritt. Sie führten neue, strenge Statuten im Sinne der Raudnitzer Reform ein und ernannten mit Zustimmung des Stiftskapitels den bisherigen Stiftsdechant Georg Müestinger zum neuen Propst. Damit begann neuerlich eine Blütezeit des Stiftes, denn unter Propst Georg wurde nicht nur die Klosterzucht entscheidend gebessert, sondern dem Stift gelangen auch gewaltige kulturelle Leistungen. Die Stiftsbibliothek, von der an anderer Stelle ausführlich berichtet wird, erfuhr eine zielbewusste Erweiterung. Der Chorherr Johannes von Perchtoldsdorf erhielt beträchtliche Mittel, um in Padua Handschriften kanonistischen Inhalts zu kaufen oder kopieren zu lassen. Ebenso erwarb der Chorherr Koloman Knapp, der als Vertreter der Chorherrenstifte am Konzil von Basel teilnahm, dort Handschriften im Auftrag des Propstes. Aber auch in Klosterneuburg selbst wurden große Summen in die Bibliothek investiert. Die Künstler der Wiener Herzogswerkstatt, deren Namen wir nur aus den Klosterneuburger Rechnungsbüchern kennen, illuminierten hier in den Jahren 1420 bis 1428 zahlreiche kostbare Handschriften. Propst Georg Müestinger, der große Förderer von Wissenschaft und Kunst, war auch selbst als Forscher tätig. Als Schüler des berühmten Astronomen Johannes Schindel von Gmunden befasste er sich mit astronomischen und kartographischen Arbeiten und richtete sogar im Stift eine Werkstätte für diese Wissenschaften ein. Hier arbeitete Bruder Friedrich Amann aus der Benediktinerabtei St. Emmeram in Regensburg. Er stellte im Auftrag des Propstes in den Jahren 1421 bis 1423 die damals beste Landkarte von Europa her. Sie wird nach ihm "Fridericus-Karte" genannt, doch geht die Anregung zweifellos auf Propst Georg zurück. Der Nullmeridian (richtiger: Azimutstrahl) dieser Karte geht durch Klosterneuburg. Auch Petronell, der Geburtsort des Propstes, ist neben den großen Städten darauf eingezeichnet. Verschiedene Angaben auf dieser Karte lassen darauf schließen, dass sie durch Messungen an einem Globus gewonnen sein müssen. Sollte dies zutreffen, dann würde es bedeuten, dass in Klosterneuburg die ersten Globen der Welt konstruiert wurden. Um die Mitte des Jahrhunderts, also erstaunlich früh für unsere Gegend, fand auch der Humanismus ins Stift Klosterneuburg Eingang. Die Chorherren Wolfgang Winthager und Johannes Swarcz, die beide an der Wiener Universität lehrten, traten schon 1452 für das Studium der antiken Klassiker und die Errichtung eigener Lehrkanzeln für die humanistischen Studien ein. Unter anderem verfasste Winthager einen Kommentar zu den Lustspielen des Terenz. Das 1261 von Propst Nikolaus I. gegründete Chorfrauenstift St. Jakob in der Unteren Stadt hatte sich niemals richtig entfalten können und stand seit dem Jahre 1432 leer. Als nun der wortgewaltige Prediger gegen die Türkengefahr, der Franziskaner Johannes von Capestrano (auch Capistran genannt), in Klosterneuburg predigte, schenkte ihm Propst Simon Heindl 1451 das leere Kloster. Johannes, der später heiliggesprochen wurde, siedelte hier einen Konvent seines strengen Ordenszweiges der Franziskaner-Observanten an, der fortan erfolgreich in Klosterneuburg wirkte. Da den Observanten Ankauf und Verwaltung von Gütern untersagt war, sorgte eine Gemeinschaft von Bürgern, die "weltliche Bruderschaft von St. Jakob", für Unterhalt und Ausstattung des Klosters. Nach einer Pause von über 100 Jahren lebte der Heiligsprechungsprozess für Markgraf Leopold III. wieder auf. Den Anstoß dazu gab der Landtag des Jahres 1465, als die in Korneuburg versammelten Stände ein diesbezügliches Ansuchen an den Papst richteten. Obwohl damals wirre Zustände in der Österreichischen Politik herrschten und die Stände mit dem Landesfürsten Kaiser Friedrich III. in dauerndem Konflikt lebten, bestand in dieser Frage Einigkeit und der sonst so unentschlossene Friedrich setzte sich an der Kurie für die Kanonisation seines Vorgängers ein. Dies gereichte allerdings der Sache fast zum Schaden, denn dadurch kam in Rom der Verdacht auf, es handle sich nur um ein politisches Manöver. Erst als sich das Stift Klosterneuburg selbst mit Gesandtschaften und beträchtlichen Geldmitten einschaltete, machte der Prozess echte Fortschritte. Die vom Papst eingesetzte Untersuchungskommission stellte im Winter 1468I69 eingehende Nachforschungen an, weitere Zeugeneinvernahmen folgten im Mai 1469 und im Februar 1470. Der 1471 neu gewählte Papst Sixtus IV. verwarf den ganzen Prozess wegen formaler Mängel und ordnete neue Untersuchungen an, die in Klosterneuburg 1472/73 stattfanden. Die lange Dauer des Prozesses verschlang große Geldsummen, so dass das Verfahren schließlich aus materiellen Gründen zu scheitern drohte. Dazu kam noch eine neuerliche Verzögerung durch den Tod des Papstes 1484. Inzwischen sorgte der Krieg zwischen Kaiser Friedrich III. und König Matthias Corvinus von Ungarn für weitere Schwierigkeiten. Die ungarischen Truppen hatten am 9. April 1483 Klosterneuburg erobert und damit einen großen Teil Niederösterreichs unter ihre Kontrolle gebracht. Für den Heiligsprechungsprozess war das allerdings kein Nachteil, denn König Matthias schenkte dem Stift zur Deckung der Prozesskosten die große Summe von 2.200 Goldgulden. Vermutlich wollte er sich damit die Gunst des Volkes erkaufen, denn die Heiligsprechung des Markgrafen Leopold war in Österreich überaus populär. Der neue Papst Innozenz VIII. brachte nun den Prozessrasch zu einem günstigen Abschluss und vollzog die Kanonisation des Österreichischen Markgrafen in feierlicher Form am 6. Januar 1485. Eine kaiserliche Gesandtschaft, bestehend aus dem Ritter Marquard von Breisach und dem Klosterneuburger Stiftsdechant Thomas List, nahm in Rom daran teil. Der letzte Akt einer Heiligsprechung ist die Translation, die feierliche Erhebung der Reliquien des neuen Heiligen. Daran war in Klosterneuburg zunächst nicht zu denken, denn das Land stand unter ungarischer Herrschaft, und der Kaiser, dem die Heiligsprechung so am Herzen gelegen war, wollte selbst daran teilnehmen. Im Stift jedoch rüstete man für die Feierlichkeiten. Der Wiener Domherr und Humanist Ladislaus Sunthaym erhielt den Auftrag, eine Geschichte der Babenberger zu verfassen. Er tat dies schon in durchaus moderner Weise, indem er alle Orte persönlich aufsuchte und sich auch mit den Quellen kritisch auseinandersetzte. Sein Text, in deutscher Sprache verfasst, wurde 1491 auf acht große Pergamentblätter geschrieben, reich illuminiert und am Grab des heiligen Leopold aufgehängt, um den zahlreich herbeiströmenden Wallfahrern historische Informationen über den neuen Heiligen und seine Familie zu geben. Im selben Jahr 1491 ließ das Stift diesen Text in Basel drucken. Er stellt somit die älteste gedruckte Landesgeschichte Österreichs dar. Dieser Text diente als Vorlage für das gewaltige Triptychon des "Babenberger-Stammbaums", eines in seiner Art und Größe einzigartigen Werkes. Nach Art einer Ausstellung wollte man dem Volk in dem riesigen Werk den neuen Landesheiligen samt seiner Familie im Bild vorführen und sorgte auch gleich für den erklärenden Text dazu: Volksbildung im besten Sinn unter Einsatz der damals wirksamen Mittel. Während im Stift alles für den Schluss- und Höhepunkt der Heiligsprechung, die Translation, vorbereitet wurde, ließ diese noch lange auf sich warten. Zwar war nach dem Tod des Matthias Corvinus 1490 die ungarische Herrschaft sehr rasch abgeschüttelt worden, aber Kaiser Friedrich starb auch schon 1493, und sein Sohn Maximilian wollte persönlich an der Translationsfeier teilnehmen. Da der junge König zunächst durch verschiedene Kriegshändel ferngehalten war und nicht nach Österreich kommen konnte, musste man die Feier der Reliquienübertragung bis 1506 verschieben. Für diesen Anlass malte der Passauer Maler Rueland Frueauf der Jüngere den berühmten Zyklus von vier Tafelbildern mit der Gründungslegende des Stiftes. Am 15. Februar 1506 fand dann die glanzvolle Feier der Reliquienerhebung statt. König Maximilian trug dem heiligen Vorgänger zu Ehren die Insignien eines Erzherzogs von Österreich. Er hatte das Silber zu dem kostbaren Schrein beigesteuert, den der Wiener Goldschmied Johannes Herczog anfertigte. In Erinnerung an die Synode von 1133 fungierte der Erzbischof von Salzburg als Leiter des Festaktes, assistiert von den Bischöfen von Passau und Gurk. Eine gewaltige Volksmenge war zusammengeströmt, und auch in den nächsten Jahren war Klosterneuburg das Ziel zahlreicher Pilger. Für sie ließ das Stift schon seit 1489 Abzeichen aus Blei oder Silber prägen, die sich die Wallfahrer ans Gewand (meist an den Hut) hefteten. Es ist sehr bezeichnend für den historischen Zug, der dem Leopoldskult von Anfang an innewohnte, dass Maximilian aus Anlass der Translation auch eine Art von Historikerkongress mit seinen Hausgenealogen im Stift Klosterneuburg abhielt.
Protestantismus und Gegenreformation
Die Heiligsprechung Leopolds III. und die damit verbundenen Festlichkeiten ließen noch einmal die typisch mittelalterliche Verflechtung von Religion und Politik, von Frömmigkeit und Öffentlichkeit glanzvoll in Erscheinung treten. Aber bald sollte sich zeigen, dass die Zeit anders geworden war. Am Anfang des 16. Jahrhunderts erhoben sich an vielen Orten Wirren und Unruhen. Im Stift Klosterneuburg wurde 1509 Georg Hausmanstetter aus einem niederösterreichischen Adelsgeschlecht zum Propst gewählt, ein Mann von großen Fähigkeiten. Diese wurden auch gleich im Dienst der Öffentlichkeit eingesetzt. Die niederösterreichischen Stände nominierten ihn zu ihrem Delegierten, und Kaiser Maximilian I. berief ihn sogar in die niederösterreichische Regierung, das "Regiment". Wegen dieser Verpflichtungen war er häufig vom Stift abwesend, was ihn dem Konvent entfremdete, zumal die finanzielle Lage des Hauses nicht gerade rosig war, denn die Kosten der Heiligsprechung des Markgrafen und hohe Steuerforderungen hatten zu einer zunehmenden Verschuldung des Stiftes geführt. Die Chorherren waren unzufrieden mit ihrem Propst, dem seine öffentlichen Funktionen wichtiger schienen als das Wohlergehen des Stiftes. So kam es 1513 zu einem offenen Aufruhr der Chorherren gegen Propst Hausmanstetter, sodass dieser sich genötigt sah, die Stiftsuntertanen aus Langenzersdorf zur Bewachung des Klosters herbeizubeordern. Man warf dem Propst vor, dass er schlecht wirtschafte und es an "Väterlichkeit" gegenüber dem Konvent mangeln ließe. Es war allerdings nicht der ganze Konvent, der sich empörte, sondern nur eine Mehrheit, die erwiesenermaßen von Bürgern aus Klosterneuburg und Wien aufgehetzt war. Ein wichtiges Motiv dabei war der Hass gegen die Regierung, der ja Propst Georg angehörte. Schließlich musste der Propst flüchten, und die Regierung ordnete zu Pfingsten 1513 die Rückeroberung des Stiftes mit Waffengewalt an. Es scheint, dass man sogar an eine Konfiskation des Reliquienschreins St. Leopolds dachte. Durch falsche Interpretation von Quellen wollte man daraus auf einen Überfall auf das Stift im Jahre 1519 schließen, doch entspricht dies nicht den Tatsachen. Jedenfalls scheint Propst Georg gewaltlos ins Stift zurückgekehrt zu sein. Drei Chorherren wurden als Rädelsführer des Aufstandes verhaftet und weggebracht. Eine Überprüfung der Wirtschaftsgebarung des Stiftes durch den Statthalter Markgraf Ernst von Baden rehabilitierte den Propst. Als Kaiser Maximilian anordnete, durch kaiserliche Amtspersonen die Gebarung des Stiftes ständig überwachen zu lassen, führte dies rasch zu einer Einigung der Streitparteien, denn so etwas wollte weder der Propst noch der Konvent. Hinfort herrschte Friede in der langen Regierungszeit Propst Georgs. Als nach dem Tode Maximilians I. 1519 eine offene Revolte der Stände gegen die vom Kaiser eingesetzte Regierung ausbrach, war Propst Georg, der ja selbst einst dieser Regierung angehört hatte, einer der wenigen, die ihr die Treue hielten. Das mag der Grund dafür gewesen sein, dass im Jahre 1520 zwei Landtage im Stift Klosterneuburg abgehalten wurden. Ihre Sitzungen fanden im Refektorium statt, so dass die Chorherren fast vier Monate hindurch in einem anderen Raum essen mussten. Der neue Landesfürst Ferdinand I. war gesonnen, ein strenges Exempel zu statuieren, und ließ im "Blutgericht" von Wiener Neustadt am 23. Juli 1523 mehrere Anführer der Rebellion zum Tode verurteilen. Diese harte Maßnahme entfremdete die Stände dem Landesfürsten noch mehr als bisher. Propst Georg hatte zwar nicht an der Gerichtsverhandlung teilgenommen, ja sich sogar in einem mutigen Schreiben an Erzherzog Ferdinand von den Todesurteilen distanziert, aber er galt doch als Anhänger der alten Regierung und hatte sogar als einziger der Stiftsprälaten während des Aufstandes von 1519 zu ihr gehalten. Seinen guten Beziehungen zum Landesfürsten verdankte der Propst, dass ein gefährlicher Unfug verhindert werden konnte: 1527 wollten gewisse Kreise einen unehelichen Sohn Kaiser Maximilians I. namens Cornelius dem Stift Klosterneuburg als weltlichen Abt-Koadjutor aufzwingen, was aber nicht gelang. Die Lehre Martin Luthers drang früh in Österreich ein. Ihre Träger waren vor allem die Adeligen, die sich schon aus Opposition zum katholischen Landesfürsten der neuen Lehre anschlossen. Im Jahre 1528 war das Luthertum bereits so weit verbreitet, dass der Kaiser eine große Visitation aller Klöster anordnen musste. Sie brachte ein erstaunliches Ergebnis: unter den vielen Klöstern Niederösterreichs stand als einziges Klosterneuburg noch voll zum katholischen Glauben. Der Grund dafür war sicherlich die Persönlichkeit des Propstes Georg Hausmanstetter, der als Parteigänger des Landesfürsten schon seit Jahren in scharfem politischen Gegensatz zu den mehrheitlich protestantischen Landständen stand. So lang Propst Georg regierte, blieb das Stift daher katholisch. Die religiösen Auseinandersetzungen jener Jahre waren überschattet von der Türkengefahr. Als diese Gefahr nach der Niederlage des ungarischen Heeres bei Mohács 1526 akut wurde, musste das Stift große finanzielle Opfer für die Kriegsrüstung bringen, während die Stände eher passive Resistenz leisteten. Die militärische Gefahr bot ihnen eine gute Gelegenheit, vom bedrängten Landesfürsten Zugeständnisse religiöser Art zu erpressen. Um die hohen Kosten für die Verteidigung des Landes aufzubringen, musste das Stift Klosterneuburg auf Grund eines Dekrets Ferdinands I. wie andere geistliche Häuser seine gesamte Barschaft und den Kirchenschatz nach Wien abliefern. Am 23. August 1526 fand die Inventarisierung der Kleinodien statt, am 9. September wurden sie abgeliefert. Damals wurden fast alle mittelalterlichen Goldschmiedewerke eingeschmolzen, darunter auch der Reliquienschrein des hl. Leopold. Die Gefahr rückte immer näher. In den nächsten Jahren wurde die Rüstkammer des Stiftes, die Propst Georg seit seinem Regierungsantritt sehr gut ausgestattet hatte, in höchster Eile instandgesetzt. Als die Türken 1529 schon bedrohlich nahe waren, entschloss sich Propst Georg, mit seinem Konvent nach Passau zu fliehen. Im Stift blieben nur der Stiftshofmeister Hans Stolbrokh und der königliche Regimentsrat Melchior von Lamberg zurück. Diese beiden warben in aller Eile 120 Söldner an und nahmen die Verteidigung in die Hand. Die Bevölkerung flüchtete in die Obere Stadt bzw. in das Stift. Am 27. September 1529 standen die Türken vor Klosterneuburg. Sie besetzten die Untere Stadt, die geräumt worden war, plünderten die Häuser und steckten sie in Brand, wobei auch die Pfarrkirche St. Martin und die Franziskanerkirche St. Jakob in Flammen aufgingen. Alle Angriffe auf die Obere Stadt konnten jedoch abgewehrt werden. Am 16. Oktober gaben schließlich die Türken die Belagerung auf und zogen von Klosterneuburg ab, ebenso von Wien. Als aber die Chorherren anfang November ins Stift zurückkehren wollten, verweigerte ihnen Melchior von Lamberg den Einlass. Er hatte nämlich kein Geld, um die Söldner zu entlohnen, und wollte auf diese Art das Stift zur Zahlung zwingen. König Ferdinand musste Lamberg befehlen, die Chorherren und Chorfrauen wieder in ihre Klöster einzulassen. Er befahl aber auch dem Propst, Lamberg die aufgelaufenen Kosten zu ersetzen. Nach längerem Hin und Her zahlte der Propst 2.000 Gulden. Die Schäden, die die Bevölkerung an Leib und Gut erlitten hatte, waren groß. Im Wienerwald irrten viele verlassene Kinder herum. König Ferdinand befahl am 5.Januar 1530, dass das Stift sich dieser Kinder annehmen und möglichst viele bei sich unterbringen sollte. Unter der Bevölkerung hatte es aber auch Kollaborateure gegeben, die es mit den Türken gehalten hatten. Sie wurden nach Abzug des Feindes festgenommen, im Stift eingesperrt und schließlich nach Wien gebracht. Mit dem Abzug der Türken war aber die Bedrohung nicht vorbei. Der Landesfürst brauchte dringend Geld zur weiteren Rüstung. Schließlich einigte sich die Regierung mit den niederösterreichischen Landständen auf eine Summe von 36.000 Gulden. Nun gab es wieder einen Konflikt mit dem Prälatenstand, denn das Stift Klosterneuburg wollte die bereits ausgelegten 2.000 Gulden auf seinen Betrag aufgerechnet haben. Solche Opfer waren tatsächlich nötig, denn die türkischen Oberfälle und Raubzüge dauerten fort, wenn auch zunächst keine große Invasion erfolgte. Der Propst von Klosterneuburg musste allein mehr Pferde für die Kriegsrüstungen stellen als alle anderen Prälaten des Viertels unter dem Wienerwald zusammen. Bis zum Tode Propst Georg Hausmanstetters am 3. Dezember 1541 war das Stift Klosterneuburg treu bei der katholischen Religion geblieben. Aber bald drang auch hier protestantisches Gedankengut ein. Am 19. Februar 1548 verkündete der Chorherr Johannes Weiß „zum Ärger seiner Mitbrüder“ die neue Lehre. Er predigte gegen die geistliche Kleidung, gegen Chorgebet, Fasten und Reliquienverehrung. 1554 wurde Propst Christoph Starl (1551-1558) wegen verdächtiger Aüßerungen in seinen Predigten von Ferdinand I. zur Rechenschaft gezogen. Vor allem warf ihm der König zu große Duldsamkeit gegen protestantische Lehren vor. Dass diese Vorwürfe nicht aus der Luft gegriffen waren, sollte sich nach Starls Tod zeigen. Die Chorherren wählten 1558 Peter Hübner zu seinem Nachfolger. Der neue Propst bekannte sich offen zum Luthertum und förderte die neue Lehre in der Stadt. Er ließ die jungen Kleriker und Novizen in protestantischem Geist ausbilden, predigte selbst nach der protestantischen Postille des Johann Spangenberg und hielt sich im Stiftsspital eine Konkubine. Er förderte auch das Studium junger Klosterneuburger in Wittenberg. Als er schließlich mit seiner Konkubine Anna in der Stiftskirche öffentlich Hochzeit hielt, wurde er von einer kaiserlichen Kommission im September 1562 seines Amtes enthoben und am 8. Januar 1563 durch ein offizielles kirchliches Urteil abgesetzt und exkommuniziert. Unter seinem Nachfolger Leopold Hintermayr wurde es nicht viel besser. Eine Visitation des Jahres 1563 stellte im Stift folgenden Personalstand fest: sieben Chorherren, sieben Konkubinen, drei Eheweiber, 14 Kinder. Die Wirtschaftslage des Stiftes war katastrophal. Propst Leopold gelang es aber, binnen kurzem die Schulden abzutragen, und daher ließ ihn die Regierung sein Leben lang ungeschoren. Die Stadt Klosterneuburg war fast ganz zum Protestantismus übergegangen. Katholischer Gottesdienst wurde nur mehr im Franziskanerkloster gefeiert. Die Franziskaner hielten meist auch die lateinischen Hochämter in der Stiftskirche, während die Chorherren mehr oder weniger protestantische Riten vollzogen. Die Pfarre St. Martin war rein lutherisch und hatte verheiratete Seelsorger. Das Chorfrauenstift St. Magdalena ging gänzlich ein. Im Jahre 1568 starb die letzte Chorfrau. Als Propst Leopold Hintermayr 1577 plötzlich starb, erlaubte der Kaiser angesichts dieser Zustände keine freie Wahl eines Nachfolgers. Nach heftigen Auseinandersetzungen und Kämpfen zwang Kaiser Rudolf II. dem sich erbittert sträubenden Konvent den Kandidaten seiner Wahl auf, den Wiener Domdechanten Kaspar Christiani, einen norddeutschen Weltpriester. Seine Strenge und sein Glaubenseifer ließen erwarten, dass er das Stift wieder katholisch machen werde. Und so geschah es auch. Nachdem ihn der Papst vom Noviziat dispensiert und er die Ordensgelübde abgelegt hatte, entfernte er die lutherischen Chorherren aus dem Kloster, darunter den Stiftspfarrer Pranz Kammerling, und suchte den verbliebenen Rest zu einem strengen Katholizismus zurückzuführen. Er entließ die protestantischen Stiftsbediensteten und bemühte sich vor allem, taugliche Persönlichkeiten zum Eintritt ins Stift zu bewegen. Das waren zum Teil bereits angesehene Leute, wie der Graner Domherr Balthasar Polzmann und der Priester Sebastian Küeller aus Görz. Binnen kurzem konnte man den Klosterneuburger Konvent wieder als katholisch bezeichnen. In der Stadt stieß der Propst aber auf heftigen Widerstand. Die vielfältigen Schwierigkeiten und sein zorniges Temperament setzten Propst Kaspar derart zu, dass er schon nach sechs Jahren seiner Amtsführung im Alter von 43 Jahren starb. Der neue Propst Balthasar Polzmann (1584–1596) hatte es vielleichter als sein Vorgänger, zumal der Protestantismus in Österreich seinen Höhepunkt bereits überschritten hatte, woran nicht zuletzt die Uneinigkeit im eigenen Lager die Schuld trug. Der Stiftskonvent war voll katholisch und so zahlreich, dass mehrere Chorherren als Prälaten die Leitung fremder Klöster übernehmen konnten. Auch die Stadt Klosterneuburg kehrte langsam zur katholischen Religion zurück. Besonderen Eifer für die Bekehrung der Protestanten entwickelte seit 1594 der Stiftspfarrer Dr. Andreas Weißenstein, ein ehemaliger Protestant. Dieser gelehrte Mann (er war Professor der Philosophie an der Wiener Universität) führte durch seine vorzüglichen Predigten und feierlich gestalteten Gottesdienste den Großteil der Bevölkerung in die katholische Kirche zurück. Am Anfang des 17. Jahrhunderts galt Klosterneuburg wieder als katholische Stadt. Im Stift drückte sich der Sieg der Gegenreformation auch künstlerisch aus, indem einige Bauten in "gotischem" Stil errichtet wurden, um die Rückkehr zum alten Glauben zu dokumentieren. Die Gegenreformation brachte auch einen neuen Aufschwung des Leopoldskultes. Propst Balthasar Polzmann verfasste die erste wissenschaftliche Lebensbeschreibung des Klostergründers, die 1591 im Druck erschien. Vor allem aber begann er 1584 mit der Prägung der Leopoldspfennige und brachte damit wirkungsvoll einen katholischen Heiligen unter die Leute. Ob die Einführung der Ordensnamen im Stift Klosterneuburg ursächlich mit der katholischen Restauration zusammenhängt, ist nicht sicher. Die älteste Nachricht über die Annahme eines neuen Namens bei der Einkleidung ist für den 31. Mai 1599 überliefert. Der nächste Fall wird aus dem Jahr 1610 berichtet, und binnen kurzem bürgerten sich die Ordensnamen ein. Die Gegenreformation, wie man den Kampf gegen den Protestantismus zu nennen pflegt, hatte für die Klöster Österreichs schwerwiegende Folgen. Im Jahre 1568 wurde der "Klosterrat" als staatliche Aufsichtsbehörde für die kirchlichen Angelegenheiten geschaffen. Zunächst wirkte sich diese Behörde recht segensreich aus, da sie für die Abschaffung verschiedenener Missstände sorgte. Aber bald wurde sie zu einem bürokratischen Hemmnis für die kirchliche Entwicklung. Gereichte die Einsetzung des Propstes Kaspar Christiani 1578 immerhin dem Stift und der katholischen Religion zum Nutzen, so sollte sich das Staatskirchenturn schon bald im gegenteiligen Sinn auswirken. Als die Chorherren nach dem Tode des Propstes Balthasar Polzmann im Jahre 1596 den Stiftspfarrer Dr. Andreas Weißenstein zu seinem Nachfolger wählten, verweigerte auf Antrag des Klosterrates Kaiser Rudolf II. ihm die Bestätigung. Der Grund dafür war, dass Weißenstein für die Freiheit der Kirche von staatlicher Bevormundung eintrat. Vier Jahre währten die Kämpfe des Stiftskapitels mit den landesfürstlichen Behörden, bis die Chorherren resignierten und auf Weißensteins Antrag den Wiener Domherrn Thomas Rueff zum Propst postulierten. Auch im Jahre 1614 wurde ein gewählter Propst, der Chorherr Chrysostomus Sarioth, vom Kaiser nicht bestätigt. Auf Grund kaiserlicher Anordnung war das Stift, wie andere Klöster auch, dazu verpflichtet, für die kaiserlichen Hofjagden Hunde zu unterhalten, die jeweils zur Verfügung gestellt werden mussten, wenn der Kaiserhof in der Nähe jagte. Diese Hunde sind in Klosterneuburg seit 1564 nachweisbar. 1571 wurde für sie ein Stall im Bereich des Stiftsspitals bei der Gertrudskirche gebaut, wo sie ein eigener Rüdenknecht betreute. Später wollte man in diesen kaiserlichen Jagdhunden die Nachkommen jener Hunde sehen, die angeblich den Schleier der Gattin St. Leopolds gefunden und damit den Anstoß zur Gründung des Stiftes gegeben hätten.