Sacra.Wiki Stift Wiener Neustadt

Stift Wiener Neustadt

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Geschichtlicher Überblick

Gründung

In der auf Befehl des Babenbergerherzogs Leopold V. um 1194 nahe der Grenze gegen Ungarn angelegten, stark befestigten "Neuen Stadt" sind bereits ein halbes Jahrhundert nach der Stadtgründung eine beachtliche Anzahl von Ordensniederlassungen nachzuweisen: um das Jahr 1250 gibt es hier ein Kloster der Minoriten, eines der Dominikaner und eines der Dominikanerinnen sowie ein Haus des Deutschen Ordens.

Während der Regierungszeit des frommen Habsburgers Friedrich III. (1440–1493) – dessen bevorzugte Residenz viele Jahrzehnte hindurch Wiener Neustadt gewesen ist – wird die Zahl der Niederlassungen geistlicher Orden innerhalb seiner Residenzstadt dann sogar mehr als verdoppelt. Zu den bereits bestehenden Klöstern (wobei das Dominikanerinnenkloster allerdings Anfang der vierziger Jahre des 15. Jahrhunderts zu bestehen aufhört) kommen nun noch ein Zisterzienserkloster (Stift Neukloster 1444), ein Stift Weltlicher Chorherren (1444), ein Stift Regulierter Augustiner-Chorherren (1459), eine Niederlassung des St-Georgs-Ritterordens (seit ca. 1476) sowie ein Paulinerkloster (1480). Außerdem gelingt es Kaiser Friedrich III. im Jahr 1469, die Zustimmung des Papstes für die Errichtung eines Bistums in Wiener Neustadt zu erhalten.

Mit Bulle vom 20. Dezember 1459 gab Papst Pius II. seine Zustimmung zur Gründung eines Augustiner-Chorherrenklosters in Wiener Neustadt und erfüllte damit den lange gehegten Wunsch Kaiser Friedrichs III. – er hatte ihn bereits anlässlich seines Romaufenthaltes 1452 Papst Nikolaus V. vorgetragen. Eine wichtige Voraussetzung für diese Klostergründung war bereits im Juni 1459 geschaffen worden: nachdem die Weltlichen Chorherren auf die ihrem Stift inkorporierte Pfarrkirche St. Ulrich, in der westlichen Vorstadt von Wiener Neustadt gelegen, verzichtet hatten, stand diese Kirche (u. zw. mit allen Zugehörungen) nun als Ausstattung für die Augustiner-Chorherren zur Verfügung. Der Stiftbrief für das Kloster der Regulierten Augustiner-Chorherren in Wiener Neustadt blieb bedauerlicherweise nicht erhalten. Es ist jedoch überliefert, dass der Augustinerkonvent nach dem Willen des kaiserlichen Stifters aus Propst, Dechant und 30 Chorherren bestehen sollte – diese große Zahl mag aber kaum je erreicht worden sein, denn die auch hier höchst unzulängliche Dotation hätte dies nur schwerlich erlaubt: Kaiser Friedrich III. vermochte seiner neuen Stiftung lediglich Burg und Herrschaft Hornstein im ungarischen Komitat Ödenburg, diverse dazugehörige Besitzungen in Deutsch- bzw. Ungarisch-Brodersdorf und in Stinkenbrunn, ferner eine Mühle an der Schwarza in Breitenau und schließlich ein gegenüber der Wiener Neustädter Burg gelegenes Haus zu schenken.

Den Gottesdienst hatten die Augustiner-Chorherren ab 1459 zunächst in der Pfarrkirche St. Ulrich zu versehen. Aber es war die am 8. Juni 1460 vom päpstlichen Legaten Kardinal Bessarion zu Ehren der heiligen Jungfrau Maria geweihte große, neue Kirche "ob dem tor" in der Burg (die spätere St. Georgskirche), die Friedrich III. von allem Anfang an den Augustiner-Chorherren zugedacht hatte. In einer Urkunde vom 12. Juni 1460 heißt es jedenfalls, dass der Kaiser

"ein Convent und Kirchen in Unser Burg auf dem Tor in der Neustadt mit firsatz, datz darin hinfuer ewiglich wonen und ein Convent machen und sein sullen Probst, Dechant und der korherren sannd Augustius Regel, gepauet, erhebet und gestifftet..."

habe. Rund ein Jahrzehnt wirkten die Augustiner-Chorherren tatsächlich an der Marienkirche "ob dem Tor" in der kaiserlichen Burg.

Einem Wunsch Kaiser Friedrichs III. entsprechend, schrieb Papst Pius II. den Augustiner-Chorherren zu Wiener Neustadt eine Kleidung vor, die sich von der sonst üblichen durch ihre Farbe unterschied: anstatt eines weißen Habits sollten sie einen braunen Habit mit einem goldfarbenen Kreuz auf der rechten Seite tragen; für das Almuzium (Schultermäntelchen aus Pelz), das über dem Habit getragen wurde, war an Festtagen und in der Kirche die Farbe weiß (anstatt, wie üblich, schwarz) vorgesehen, an gewöhnlichen Tagen und außerhalb der Kirche hatte man ein braunes Almuzium umzunehmen. Wie dem Propst der Weltlichen Chorherren stand auch dem Propst der Augustiner-Chorherren das Recht auf Pontifikalien zu.

Die Gründung des Stiftes der Augustiner-Chorherren ist als Relief auf dem Friedrichsgrab im Wiener Stephansdom festgehalten: zu beiden Seiten des in der Mitte thronenden hl. Ulrich kniet je ein Infulierter - vermutlich Propst und Dechant; diese Gruppe wird von dreizehn (ebenfalls knienden) Kanonikern umgeben. Die Inschrift lautet: "CANOICI REGULARES S. ULRICI NOVE CIVITATIS".

Vom Einzug der Augustiner-Chorherren in Wiener Neustadt bis zur Übersiedelung nach St. Ulrich

Es waren wohl in erster Linie Chorherren aus dem Kloster St. Dorothea in Wien, die 1459 / 60 in der Kaiserresidenz Wiener Neustadt Einzug hielten und den Grundstock für das neu gegründete Augustiner-Chorherrenkloster das elbst bildeten. Auch Wilhelm Bermut , den Kaiser Friedrich III. als ersten Prop st seiner neues ten Klostergründung präsentiert e, ist ein Chorherr von St. Dorotllea gewesen. Wahrscheinlich wurden vom Wie ner Ne ustädter Augu stinerkonv ent auch die im Stift St. Doroth ea in Wien geltend en Statuten übernomm en. Props t Wilhelm und die mit ihm geko mm enen Kanoniker nahm en Wohnun g in dem vom Kaiser von der Eysner in geka uften, der Burg gegenüb er liegenden I laus; als sich dies bald als zu klein erw ies, erwarb Friedrich III. für die Augustiner-Chorhe rren noch zwei an das genannt e Haus anschließend e Bürgerh äuser. Hier hatt en die Wiener Ne ustädter Augustiner-Chorherr en nun in den nächsten zehn Jahren ihren Sitz - wobei sich diese Örtlichkeit als sehr praktisch hin sichtlich der Abhaltun g des Gottesdiens tes in der den Häusern gegenüb er liegenden Marienkirche der kaiserlichen Burg erwies, die Betreuung der ziemlich weit entfernt davon liegend en Pfarr kirche St. Ulrich jedoch zu einem Probl em werden ließ. Dieses Problem wurde ein Jahrzehnt später folgendermaßen gelöst: vermutli ch 1468/6 9, also zur Zeit von Kaiser Friedrich s III. Zwe item Romzug, übersiedelten die August iner-Chorherren aus ihren bei der kaiserlichen Burg gelegenen Hä usern in die Vorstadt St. Ulrich w1d bezoge n Wohnun g in den zur Pfarrkir che St. Ulr ich gehörigen Gebäud en: Friedrich III. hatt e Papst Paul II. darauf hin gewiese n, daß die Entfernu ng zw ischen Kloster und Kirche der Wiener Ne ustädter Augustiner-Chorherren so groß sei, daß die Chorherre n ihren Verpfli chtun gen weitaus besser nachgehen könnt en, würden sie bei der Kirche St. Ulrich selbst wohnen. Daraufhin beauftrag te der Paps t den Abt des Stiftes Neuklo ster in Wiener Neustad t, St. Ulrich zu einer Konve ntsprops tei zu erheben und das Kapitel der Augustiner-Chorherre n von der Marienkirche ob dem Tor in der Burg nach St. Ulrich zu versetzen. Die Angelegenheit zog sich hin: erst 1471 hatte Abt Johannes die ihm anbefohlene Errichtu ng der Props tei St. Ulrich und die Versetztmg der Augustiner-Chorh erre n dorthin dur chgeführt.

Das Augustiner-Chorherrenstift zu Wiener Neustadt und der St.-Georgs -Ritterorden

Um das Jahr 1478 holte Kaiser Friedrich III. den von ihm geg ründet en und 1469 von Papst Paul II. bestätigten St-Geo rgs-Ritterorden nach Wiener Neustad t. Dem bisher eher bescheiden dotierten Ritte rorden überga b Friedrich III. die seit der Übersie delung der Augustiner-C horherren an die Kirche St. Ulrich wieder zur Verfügung stehend e, der hl. Maria gewe ihte Kirche ob dem tor (die spä tere St. Georgskirche) in der kaiserlichen Burg zu Wiener Ne ustadt. Damit nicht genu g, scheint Hans Siebenhir ter, erster Hochmeister des St-Geo rgs-Rittero rdens, dem Kaiser die Idee eingegeben zu haben, den Paps t um eine Vereinigun g des St- Georgs-Ritterord ens mit dem Bistum Neustad t zu ersuche n: diese Vereinigung hätte die Wiener Ne ustädter Domki rche mit allen daz ugehörige n Besitzungen unter den Einflu ß der Georgsritter gebracht und ihr Position sehr gestärk t; Papst Sixtus IV. zeigte sich höchst entgege nkommend und vereinigte tatsä chlich mit Bulle vom 24. Juni 1479 Bistum Neusta dt und St-Georgs-R itterorde n. Diese Verbin dung Bistum - St -Georgs- Ritterorden bestand jedoch nur auf dem Papier: Bü;chof Peter von Ne ustadt bekä mpfte sie mit großer Ausda uer w1d weigerte sich hartnäckig, dem Georgs-Ritterorden irgendwelche Rechte an der Liebfrauen-Pfarrkirche, also dem nunmehrigen Dom, zuzugestehen. Nach dem Tod des Matthia s Corvinus im Jahre 1490 und der Zurückgewinnung der von den Ungarn besetzten Stadt Wiener Neustadt durch König Maximilian I. verfolgte der seine letzten Lebensjahre in Linz verbringende Kaiser Friedrich III. einen neuen Plan, um sowohl Anse hen als auch Ausstattung des St-Georgs-Ritterordens aufzubessern : Als die Ungarn im Jahre 1487 in die westliche Vorstadt der überaus tapfer verteidigten Stadt Wiener Neustadt eingedrungen waren, war bei den heftigen Kämpfen die Kirche St. Ulrich und das dort befindliche Kloster der Augustiner-Chorherren weitgehend zerstört worden. Nach der Vertreibung der ungarischen Besatzung im Jahre 1490/ 91 fehlte es an Mitteln, um Kirche und Kloster St. Ulrich unverzüglich wiederaufz ubau en. Das mag Kaiser Friedrich III. veranlaßt hab en, die Übersiedelung der obdachlos gewordenen Augustiner-Chorherren an die Domkirche (bzw. in den dazugehörigen Propsthof) in Erwägung zu ziehen. Da Bischof Peter Engelbrecht am 17. Februar 1491 gestorben war, hatte man von dieser Seite keinen Protest zu erwarten; auch Peter Engelbrec hts Nachfolger würde gegen diese Entscheidung kaum etwas einzuwenden haben , beabsichtigte der Kaiser doch Augustin Kiebinger, Propst der Augus tiner-Chorherren zu Wiener Neustadt, dem Papst als neuen Bischof von Wiener Neustadt zu präsentieren. Allerding s stellte Friedrich III. die Bedingung, daß sowo hl der zukünf tige Bischof als auch der gesamte Konvent der August iner-Chorherren in Zukunft den Ordenshabit der Georgsritter tragen müßten: so würde man end lich die schon (allerdings nur vom Kaiser und den Georgsrittern) so lange gewünschte tatsächliche Vereinigung von St-Georgs-Ritterorden und Bistum - und nun auch Augustiner-Chorherrenstift - erreic hen. Nachdem Hochmeist er Johann Geumann und sechs Angehörige des St-Georgs-Ritterordens diesem Vorhaben Friedrichs III. ihre Zustimmung gegeben hatten , erklärt e sich auch der zum Kaiser nach Linz befohlene Chorherrenpropst Aug ustin Kiebinger bereit, die Neustädter Bischofswürde zu den oben genannten Bedingungen anzunehmen. Die von Kaiser Friedrich III. in Linz beurkundete verainigung und vertrag zwischen dem Hochmeister des St-Georgs-Ritterordens und dessen Mitbrüdern einerseits, sow ie dem Propst zu St. Ulrich und dem Konvent der Regulierten Augustiner-Chorherren andererseits, datiert vom 20. April 1491. Dieser Vertrag räumt den Augustiner-Chorherren Anrecht auf Wohnung und Seelsorge bei der bisher dem St-Georgs-Ritterorden inkorporierten Wiener Neustädter Pfarrkirc he, also dem Dom, ein. Neben der den Augustiner -Chorh erren als sitz und wonung zugestandenen Domkirche verblieb ihnen aber nach wie vor die Propstei St. Ulrich. Außerdem erhielt der Augustiner-Konvent noch das nahe bei Wiener Neustadt gelegene Dorf Saubersdorf, ferner 100 Pfund Pfennig jähr liche Gült aus dem kaiserlichen Kammergut, und schließlich noch das Privileg, jährlich 24 Dreiling Wein in Wiener Neustadt ausschenken zu dürfen, und zwar ohne dafür ,, Unge ld" entrichten zu mü ssen. Doch ungeachtet dieser recht beachtlichen Schenkungen und Benefizien, scheint bei den Wiener Neustädter Augustiner-C horh erren schon bald nach Vertragsabschluß ein Sinneswandel eingetreten zu sein: plötzlich lehnten sie es strikte ab, zum äußeren Zeichen für die erfolgte Vereinigung den Habit des St-Georgs-Ritterordens anzuziehen ... Der von Alter und Krankheit geplagte Kaiser mußte sich damit abfinden , daß die von ihm so sehr gewünschte Vereinigung des St.-Georgs-Ritterordens mit Bistum und Augustiner-Chorherrenstift gescheitert war. Kurz vor seinem Tod im August 1493 setzte sich Friedrich III. beim Heiligen Vater in Rom dafür ein, daß man dort von der Inkorporation der Domkirche in den St-Georgs-Ritterorden, die denselben orden nit nuzlich gewesen ist, wieder Abstand nehme und den Dom dem Augustinerkloster inkorporiere. Dem kaiserlichen Wunsch wurde entsprochen und Rom erkannte in der Folge in Wiener Neustadt die Augustiner-Chorherren als Kathedralkapitel an. Ein Zugeständnis gab es auch hinsichtlich der Kleidung der Augustiner: es wurde ihnen schriftlich bestätigt , von nun an wieder auf der Straße den braunen Habit (in der Kirche mit Fehen Chorkappen) tragen zu dürfen. Als am 24. Juni 1495 Bischof Augustin von Neustadt starb, wurde nicht - wie man hätte erwarten können- der Prop st der Augustiner-Chorherren Johann Huntzdorfer zu dessen Nachfolger gewählt. Es ist wahrscheinlich der St-Georgs-Ritterorden gewesen, der eine Präsentation Huntzdorfer s zu hintertreiben gewußt hatte. So w1terblieb die Ernennung eines neuen Bischofs von Neustadt vorderhand: die Sympathie König Maximilian s I. - der 1493, nach dem Tode seines Vaters, Kaiser Friedrich III., an die Regierung gekommen war- gehörte ohne Zweifel dem St-Georgs-Ritterorden und der König unternahm nichts gegen dessen Intere ssen. Allerdings machte man weder von weltlicher, noch von geistlicher Seite den Augustiner-Chorherren den Besitz der Domkirche streitig. Sowohl Propst Johann Huntzdorfers Nachfolger Bernhard Zottmann wie auch der näch ste Chorherrenpropst, Egidius Wiblinger , erhielten ohne Schwierigkeiten seitens des Papstes die Ansprüche der Augustiner-Chorherren auf den Wiener Neustäd ter Dom zugesichert (1497 bzw. 1504). Im Jahre 1506 wurden die Wiener Neustädter Augustiner-Chorherren auch durch Maximilian I. in all ihren Rechten bestätigt. Während der bis zum Jahre 1521 andauernden Sedisvakanz des Neustädter Bistum s oblag dem Kapitel der Augustiner -Chorherren (das bereits während der Amtszeit des Bischofs Augustin Kiebinger 1491 bis 1495 gemeinsam mit diesem Bischof die Diözese regier t hatte) allein die Verwaltung des kleinen Stadtbistums. Die damit verbundenen Pflichten erfüllte das Kapitel zum einen Teil selbst, zum anderen Teil hatte sie sie einem Offizial übertragen. Mit dieser Entwicklung konnte natürlich der St-Georgs-Ritterorden auf keinen Fall einverstanden sein. So versuchten die Georgsritter ab 1497 mit ständigen Protesten, die Stellung der Augustiner-Chorherren zu erschüttern; Unterstützung erhielten sie dabei von dem ihnen stets wohlgesinnten König: Maximilian I. - der erst 1506 den Augustiner-Chorherren den Besitz der Domkirche bestätigt hatte - sprach noch im selben Jahr die genannte Kirche den Georgsrittern zu. Das heißt, er läßt ihnen die Wahl, entweder in Zukunft den Habit des St. Georgs-Ordens zu trag en - oder auf die Dompfarre zu verzichten ... Die Augustiner-Chorherren zeigten sich weder zur Annahme der Ordenstracht der Georgsritter, noch zum Verzicht auf die Domkirche bereit. So sah sich Kaiser Maximilian I. veranlaßt, eine Kommission einzusetzen, die die Augustiner zur Übergabe der Domkirche an den St.-Georgs-Ritterorden bewegen sollte. Worauf beide Seiten Urkunden vorlegten, die ihre Rechte und Ansprüche bestätigten; man war nicht im geringsten zum Nachgeben bereit. Die Verhandlungen zogen sich hin - erhielten die Augustiner-Chorherren in dieser Angelegenheit Unterstützung durch den Papst, so hatten die Georgsritter Kaiser Maximilian auf ihrer Seite. Auf Befehl des Kaisers wurden dem Augustiner-Chorherrnstift die aus der Innehabung der Domkirche resultierenden Einkünfte entzogen. Dieser seitens des Kaisers ausgeübte massive Druck brachte schließl ich die Entscheidung: im Jahre 1508 resignierten die August iner-Chorh erren (obwohl da s Recht eindeutig auf ihrer Seite war) und zogen sich aus dem Dorn zur ück. Mehr als ein Jahrzehnt später, 1522/ 23, schöpften sie noch einmal die Hoffnung, doch wieder zu ihrem Recht zu kommen, u. zw. mit Hilfe Erzherzog Ferdinand s, des späte ren Königs und Kaisers Ferdinand I. Doch die Bemühungen des Konvents, an dessen Spitze damals Propst Paulus Nuster stand, brachten keinen Erfolg: Sowohl der St.Georgs-Ritterorden als auch der 1521 eingesetzte neue Bischof von Neustadt Dr. Dietrich Kammerer setzten sich gegen die Wünsche und Bitten der Augustiner-Chorherren energisch zur Wehr.

Protestantismus und Gegenreformation - das Ende der Wiener Neustädter AugustinerChorherren

Ende der zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts fand die Lehre Martin Luthers auch in Wiener Neustadt Eingang. Es waren hier vor allem die Augustiner-Chorherren mit ihrem Sitz in der Vorstadt St. Ulrich, die sich der neu en Lehre gegenüber höchst aufgeschlossen zeigten - schon um das Jahr 1528 wurde sie in der Kirche St. Ulrich gepredigt. Bei der zu diesem Zeitpunkt vom Landesfürsten angeordneten Visitation aller Klöster wur de bezüglich des Wiener Neustädter Augustiner-Chorherrenklosters St. Ulrich berichtet, daß man hier nicht nur etliche buecher der neuen opinion entdeckt hätte, sondern daß auch die Klosterdisziplin sehr zu wünschen übrig lasse. Daraufhin erging unverzüglich an die Visitatoren der Befehl, keine Zeit zu verlieren und sofort wider Brobst, Dechant und Khelner zu St. Ulrich vor der Newenstat von wegen Irer aufrürigen verkherlichen unnd lutherischen secten zu verfahren. Da sich jedoch Dechant und Kellermei ster rechtzeitig dem Zugriff der Obrigkeit entzogen hatten, konnten nur Prop st Paulus Nuster, ferner ein Profeß namens Augustin sow ie drei weitere, nam entlich nicht genannte Chor herren festgenommen werden. Sie wurden nach Wien gebracht und in Haft genomm en. Relativ rasch erklärten sich Propst Paulu s und der Profeß Augustin zu einem öffentlichen Widerruf bereit; von dem Bischof-Koadjutor Johann Fabri ist ihnen daraufhin die Lossprec hung gewährt worden. Die drei anderen Chorherren schein en.nicht bereit gewesen zu sein, zu widerrufen; sie wurden weiterhin in Wien gefange n gehalt en - wobei für ihren Unter halt im Gefängnis der Wiener Neustäd ter Augustinerkonvent aufzukommen hatt e. Noch im Jahre 1528 veran laßt die mit der Visitation betraute landesfürstliche Kommission Propst Paulus Nuster, einen Laien, u. zw . den Wiener Neustädter Bürger IIan s Mitterpacher, zum Verwalter der hauswirt schaft des wirtschaftlich arg zerr ütteten Klosters St. Ulrich einzusetzen. Als 1529 die Türken gegen Wien zogen, wurde in aller Eile auch die Grenzstadt Wiener Neustadt in Verteid igungszustand gesetzt. Dazu gehört e u.a. die Abtragung verschiedener Gebäude in den Vorstädten, um dem Feind keine Möglichkeit zu geben, sich darin zu verschanze n. Auch das nach der ung arischen Belageru ng nur notdürftig wieder instandgese tzte Kloster und die Kirche von St. Ulrich sind damals demoliert worden. Nach Beendigun g der Belagerun g Wiens und dem Abzug des türkischen Heeres ist in Wiener Neusta dt ein Wiederaufbau des damals von seinen Bewohnern wahrscheinlich bereits aufgegebe nen und verlassenen Augustiner-C horh errenklos ters von St. Ulrich woh l 1ucht mehr in Erwägu ng gezogen worde n. Noch im Jahre 1529 setzten von verschiedenen Seiten Bemühungen ein, sich die zu der abgebroche nen Augustinerpropstei St. Ulrich gehöri gen Besitzungen zu sichern: So wurd e zunächst gleich einmal der Rat der Stadt Wiener Neustadt bei König Ferdinand l. vorstell ig, um sich die genannten Güter zu erbitten. Dem Wunsch der Wiener Neustädter wur de 1530 entsproc hen, allerdings nur w1ter der Bedingung, den Erlös aus diesen nun von der Stadt verwalteten ehemal igen Besitzungen der Augustiner-Chorherren zur Verbesserun g der Stadtbefestigung zu verwenden. Es war aber offensichtlich nur Grund - und Hausbesitz, den der König der Stadt Wiener Neustad t damals überlassen hatt e: die Klosterbibliothek sowie wer tvolle Param ente, Ornate und Kirchengerät sind auf Befehl Ferdinands I. hin in die Burg gebracht worden und so vermutli ch in das Eigentum des St.-GeorgsRitterordens übergegangen. Eine zum Kloster St. Ulrich gehörige Mühle und das Sägewerk in Breitenau ist nicht der Stadt, sondern dem Rentmeister zugesproc hen word en. Gleichzeitig mit der Stadt Wiener Neustad t versuchte auch der damalige Neus tädter Bischof Dr. Dietrich Kammerer, zu Gunsten seines recht unzulänglich dotierten Bistums die Augustiner-Chorherren von St. Ulrich zu beerben. Bischof Dietrich (der 1528 in den St -Georgs-Ritterorden einge treten war) erhie lt dabei wertvolle Hilfe durch den Bischof von Wien Johann Fabri, der als Beichtvater und Berater König Ferdinands I. großen Einfluß auf dessen Entscheidungen hatte. Tatsäc hlich gelang es den Bischöfen von Wien und von Wiener Neustadt durch zusetzen, daß das Klostergut von St. Ulrich wieder der Stadt Wiener Neustadt entzogen wurd e. Es ist zunäc hst der Univer sität Wien inkorporiert, aber schon bald darauf (am 6. September 1535) dem Bischof von Wiener Neustad t zur Verwal tun g und Nutznieß ung überl assen worde n. Als Gegen leistung war vom Bistum Wiener Neustadt jährlich eine Summe von 443 Gulden an die Wiener Universität zu zahlen. Als es in der Folge immer wieder zu Differenzen zwischen Univers ität und Bistum kam, hat Kaiser Ferdinand I. am . 1. Novemb er 1551 dem Bistum Wiener Neustadt das Sanct Ulrich Closter sambt desselben gründe n, güttern, nutzungen, einkhomen,freyhaiten, rechten und gerechtigkeiten, nichts ausgeschlossen, gnediglich übergeben, incorporirt und eingeleibt.

Wirtschaftliche, rechtliche und soziale Verhältnisse

Wirtschaftliche Verhältnisse

Für das Kloster der Regulierten Augustiner-Chorherren in Wiener Neustadt - diese waren zur Betreuung der neuen Kirche ob dem tor in der Burg (der späteren St. Georgskirche) vorgesehen - hatte der kaiserliche Stifter im Jahre 1459 folgende Dotation vorgesehen: Die (damals auf ungari schem Boden gelegene) Herr schaft Hornstein mit etlichen andern Stukhen und guettern, ferner eine Mühle an der Schwarza in Breitenau und - als vorläufige Wohnung für die Augustiner-Chorherren gedacht-ein Haus in Wiener Neustadt. Im Jahr darauf schenkte Friedrich III. dem Augustiner-Chorherrenstift die Burg Pitten, zwei weitere an ihr Wiener Neustädter Hau s angrenzende Häu ser mit allen Rechten und Zugehörungen, sicherte ihnen den jährlichen Bezug von 60 Fuder Salz aus den Salinen in Aussee zu und übergab ihnen schließlich die bis dahin dem Stift Weltlicher Chorherren inkorporierte Pfarrkirche St. Ulrich samt den dazu gehörigen Einkünften. Trotz der steten Fürsorge Friedrichs III. für die beiden Wiener Neustädter Chorherrenstifte blieb deren Ausstattung immer noch hinter den tatsächlich vorhandenen Erfordernissen zurück. Dies hatte nicht nur eine Reduzierun g der ursprünglich für Wiener Neustadt vorgesehenen Kanonikerzahl zur Folge, sondern war Anlaß für die zuletzt nur Schwierigkeiten mit sich bringenden Bestrebungen, Chorherrenstifte und St.-GeorgsRitterord en zu vereinigen.

Rechtliche Verhältnisse

Die Stadt Wiener Neustadt und somit auch das 1459 gegründete Chorherrenstift befand en sich infolge ihrer zeitweiligen Zugehörigkeit zum Herzogtum Steiermark während des Mittelalters im Einflußgebiet des Erzbischofs von Salzburg. Als 1469 das Bistum Neustadt gegründet wurde, entzog Papst Paul II. die neue Diözese - und damit auch die hier befindlichen beiden Chorherrenstifte-der Jurisdiktion des Salzburger Erzbischofs. Mit der 1477 erfolgten Ernennung Peter Engelbrechts, des Dechant en der Weltlichen Chorherren in Wiener Neustadt, zum Bischof von Neustadt ginge n die Rechte des Erzbischofs von Salzburg an den Neustädter Bischof über. Häufi g übten jedoch päpstliche Legaten bei den Wiener Neustädter Augu stiner -Chorh erren die Rechte des Ortsordinarius aus, nahm en Bestätigun gen und Verleihungen vor und erteilten Sondervo llmachten. Es war ganz im Sinne Kaiser Friedrichs 111., möglich st viele Recht shandlun gen vom Wiener Neustadt 699 Apostoli schen Stuh l selbst bestätigen oder durchführen zu lassen . Daß man sich in Angelegenheiten des Augustiner-Chorherrenklosters besonder s oft an Rom zu wenden hatt e, ist damit zu erklären, daß das Neustädter Bistum von 1495 bis 1521 vakant war.

Soziale Verhältnisse

Sowohl Pröp ste als auch Kanoniker der Augustiner -Chorherren in Wiener Neustadt waren fast durchw egs bürgerli cher oder bäuerlicher Herkunft. Sie kamen aus steirischen, kärntneri schen, salzburgi schen und österreichi schen Klöstern und Pfarren, aber auch aus Passau, aus Chiemsee usw.; es waren Geistliche der Erzdiözese Salzburg und der Diözese Passau. Während jedoch das weltliche Chorh errenstift zu Wiener Neustadt in enger Verbindun g zum Stift Spital am Pyhrn stand , hatte das Stift St. Doroth ea in Wien große n Einfluß auf das Wiener Ne ustädter Augustiner-Chorherren stift. Zu bischöflichen Würden gelangte der aus Chiemsee stammend e August in Kiebinger, der von 1491 bis 1495 an der Spitze des Neustädt er Bistum s stan d.

Bau- und Kunstgeschichte

Im Jahre 1493 wurd e dem Augu stiner-Chorherren stift zu Wiener Neustadt die Unserer Lieben Frau gewe ihte Wiener Neustädte r Pfarrkirche inkorporiert. Es wa r dies eine dreischiffige , spätromani sch-frühgotische Pfeilerbasilika aus dem 13. Jahrhundert mit einem Anfang des 14. Jahrhund erts anstelle der romanischen Choranlage erricht eten gotischen Querschiff und gotischem Chor. Das romanische Westwerk mit den beiden rund 60 m hohen Türmen (Ende des 19. Jahrhund erts. wegen Baufälligkeit abgetragen und rekonstruiert ) stammt aus dem 13. Jahrhund ert. Auf Friedrich III. geht eine heute noch z. T. erhaltene neue Innenausstattung zurück , so unter anderem die mit reichem Blend maßwerk, dem „AEIOU" und„ 1449" dekorier te „Hofemp ore" und die an den Pfeilern des Mittelschiffs stehenden lebensgroße n Aposte lstatuen sowie die darunt er angebrachten „Proph etentafeln" vom Meister des Winkler-Epitaphs (um 1490). In dem dur ch die Gründu ng des Bistums Neustadt 1469 zur Bischofskirche gewor denen Gotteshaus befind en sich eine Grablege der früh verstorben en Kinder Erzherzogs Ernst des Eisernen (die wappengeschmück te Deckplatte des Hoch grab es überdau erte die Barockisierung des Doms im 18. Jahrhundert) sowie einige Grabdenkmäler Wiener Neustädter Bischöfe. Die Marmorkanz el im Mittelschiff ist ein Geschenk des Kardin als, Bischofs von Wien und Administrator des Bistum s Neus tadt Melchior Khlesl aus den Jahren 1608 / 09. Über das Aussehen des mittelalterlich en Hauptaltars ist nicht s bekannt; seit 1767 /76 steht an seiner Stelle ein mäch tiger, sehr kostbar er Barockaltar; auf dem Altarbild ist Mariä Himmelfahrt (ein Werk des Gian Domenico Cignaroli , 1773) dar gestellt. Die Augu stiner -Chorherr en hatten aber bereit s vor der Domkirche die der hl. Maria geweihte Kirche ob dem tor in der Burg inne. Diese in den Jahren 1449 bis 1460 in den Westtrakt der Wiener Neustädter Burg eingebaute urspr üngliche Marien- und spä tere Georgskirche ist auf Wun sch Friedrich s III. den Augustiner-Chorherren sofort nach Fertigste llun g im Jahre 1460 über geben worden. Es war dies eine über einer gewaltigen gotischen Torhal le errich tete dreischiffige Hallenkirch e mit gerad em, von drei Fenstern dur chbroch enen Chorabschluß. Von den acht 13 m hoh en Säulen, die das Mittelschiff gegen die Seitenschiffe hin abgre nzten, hat die Zerstörungen, die Bomben im Zwe iten Weltkrieg in der Kirche anrichteten, lediglich eine einzige, freskengeschmückt e Säule gegenüber dem Oratorium der Kaiserin unversehrt überdau ert. Entlang der Nord-, West- und Südwand der Kirche zieht sich eine auf Kragste inen ruh ende, steinerne Galerie hin, die an der Nordwand im reich geschmückt en Oratorium des Kaisers, an der Südwand im Oratorium der Kaiserin endet. Unter den Stufen zum Hochaltar fand Kaiser Maximilian 1. (t 1519) seine letzte Ruhe stätte. Das mittlere der drei mit prachtvoll en Glasgemälden aus der Mitte des 16. Jahrhunderts versehenen Fenstern der Ostwa nd (durch Auslagerung im Zwe iten Weltkrie g vor der Zerstö rung bewahrt ) zeigt Maximilian I. mit seiner Famili e; darüber eine Darstellun g der Taufe Christi. Von der Originalverg lasung der Fenster der Nord- und Westwand hat sich nicht s erhalten. Auf Kaiser Friedri ch III. geht der große holzgeschnit zte, vergoldete Reliqui enschrein zurü ck. In dem zwölfeck igen Taufbe cken aus rotem Marmor, das Mitte des 15. Jahrhund erts geschaffen wurd e, ist mit großer Wahrscheinlichk eit der 1459 in der Wiener Neustädte r Burg geborene spä tere Kaiser Maximilian I. geta uft word en. An der dem Burghof zugewan dten Außenseite der St. Georgsk irche - als die Kirche 1479 vom Kaiser dem St.-Georgs-Ritterorden übergeben wurde, scheint bald darauf ein Patrozinium swechsel stattgefunden zu haben - befindet sich die berühmte Wappen wand, fertiggestellt im Jahre 1453: 107 Wappe nreliefs umgeben das Mittelfenster der Ostwand; unterh alb des Fensters steht die von den Wappen der habsburgischen Erbländer flankierte Statue Friedrich III. dar gestellt mit den Insignien eines österreichischen Erzherzogs. Nach oben schließen drei Baldachinnischen mit den Sandsteinfig uren der hl. Mari a (,,Kirschenmadonna"), der hl. Katharina und der hl. Barba ra die Wappe nw and ab. Über das Aussehen der zuerst dem Stift Weltlicher Chorh erre n, spä ter dann (1459) den Au gustiner-Chorherren übergebenen Kirche St. Ulrich und dem dazugehörigen Kloster ist nichts bekann t: Kirche und Kloster St. Ulrich wurd en bereits bei der Belagerun g der Stadt Wiener Neustadt dur ch die Ungarn in den Jahr en 1485 bis 1487 sch wer beschädigt, daraufhin vermutlich nur notdürftig wiederhergestellt und schließlich im Türk enjahr 1529 endgülti g abgetragen.

Literatur

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