Sacra.Wiki Stift Herzogenburg

Stift Herzogenburg

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Historische Namensformen

Das ursprüngliche Stift St. Georgen wurde wegen der Überschwemmungen 1244 traisenaufwärts nach Herzogenburg verlegt und wurde so zum Kloster St. Georg in Herzogenburg. Im Laufe der Jahrhunderte wurde es umgangssprachlich nur mehr „Stift Herzogenburg" genannt. Der Name „Herzogenburg" kommt etymologisch von der befestigten Siedlung, von der Burganlage eines oder mehrerer Herzöge. Die latinisierte Form „Ducumburgensis" weist auch auf mehrere duces hin. Möglicherweise sind damit die beiden Brüder Wilhelm II. und Engelschalk gemeint, die als Grenz- und Markgrafen zugleich auch Heerführer (duces) waren. Sie fanden im Jahr 871 in den Kämpfen gegen die Mährer den Tod.

Die "-burg"-Namen entstanden im 9. Jahrhundert und bedeuteten in karolingischer Zeit die zu Schutzräumlichkeiten ausgebauten Herrenhöfe, aus deren umliegenden Gebäuden sich im Laufe der Zeit die späteren Städte entwickelten. Das Burggebäude in Herzogenburg ist schon vor vielen Jahrhunderten abgekommen. Man vermutet aber einige Mauerreste im heutigen Agneswerk, Wienerstraße Nr. 28. (Lit.: WEIGL, Heinrich, Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich, 8 Bde., Wien 1964-1981; SCHUSTER, Elisabeth, Die Etymologie der ruederösterreichischen Ortsnamen, 1. Teil (Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich, Reihe B), Wien 1989 ff.; HAUSNER, Isolde /SCHUSTER, Elisabeth, Altdeutsches Namenbuch, Wien 1989 ff.)

Politische und kirchliche Topographie

Nach der Schlacht auf dem Lechfeld 955 wurden die Magyaren von Otto I. aus dem niederösterreichischen Kernland vertrieben und das Land wurde neuerlich durch Grenzmarken abgesichert. Die ottonische Mark reichte auf österreichischem Boden bis zur Traisen. Mit Gründungsurkunde vom 5. Juli 1014 schenkte Kaiser Heinrich II. dem Bistum Passau Land für die Erbauung von Kirchen und Pfarrhöfen. Je eine königliche Hube wurde dafür in den Orten Herzogenburg, Krems, Tulln, Altenwörth-Kirchberg und Stockerau zur Verfügung gestellt. Damit wurde das Gebiet um Herzogenburg eine eigene Pfarre.

1112 gründete Bischof Ulrich von Passau das Chorherrenstift St. Georgen. 1244 übersiedelten die Chorherren in das 12 km südlich gelegene Herzogenburg. Diese Stadt liegt an der Traisen, fast im geographischen Mittelpunkt von Niederösterreich. Sie gehört heute zum politischen Bezirk St. Pölten-Land und ist ein eigener Gerichtsbezirk. Nach Herzogenburg ist auch das Dekanat benannt. Es gehört zur Diözese St. Pölten und umfasst 14 Pfarren. (Lit.: WOLF, Hans, Niederösterreich (Erläuterungen zum Historischen Atlas der österreichischen Alpenländer, II. Abt.: Die Kirchen- und Grafschaftskarte, 6. Teil), Wien 1955; R UPP/ScHMIDTBAUER, Herzogenburg, 1991)

Patrozinien

Das Stift Herzogenburg, das ursprünglich bei der bischöflichen Eigenkirche in St. Georgen an der Donau gegründet wurde, übernahm den hl. Georg als Patron. Der Name „Georg" kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Bauer". Das rote Tatzenkreuz des hl. Georg wurde zum Stiftswappen. Die Urkunden sprechen von einem monasterium sancti Georii (1177, Sta. Hn . 7) bzw. von einer ecclesie sancti Georii (1214, Sta. Hn. 21). Die ursprüngliche Georgskirche wird am Anfang auch die Klosterkirche gewesen sein und wahrscheinlich zum Georgspatrozinium auch den passauischen Patron, den hl. Stephan, bekommen haben. Mit der Übersiedlung der Chorherren nach Herzogenburg behielt das Stift das Patrozinium vom hl. Georg. In den Urkunden wird es ecclesie sancti Georgii in Herzogenbure (1249, Sta. Hn. 40) genannt.

Wahrscheinlich war die neuzuerbauende Stiftskirche 1262 (zum Teil) fertig, da als Hauptpatron der hl. Georg genannt wird (Sta. Hn. 46). 1286 werden auch die hl. Jungfrau Maria und der hl. Stephan als Patrone genannt (Sta. Hn . 56). Die alte Pfarrkirche in Herzogenburg bestand noch bis ins 17. Jahrhundert und hatte seit der Gründung im Jahre 1014 das Patrozinium von Passau, den hl. Stephan. Anlässlich der Weihe der neuerbauten Stiftskirche in Herzogenburg im Jahre 1785 wurde diese auch als Pfarrkirche bezeichnet und der hl. Jungfrau Maria, dem hl. Georg und dem hl. Stephan geweiht (Sta. Hn. 1388). Auf dem Hochaltarbild von Daniel Gran, 1746, sind die Patrone Georg und Stephan neben der sitzenden Muttergottes mit dem Jesuskind dargestellt. In den letzten Jahrhunderten hat sich für das Stift das Patronat des hl. Georg, für die Stifts- und Pfarrkirche Herzogenburg das Patronat des hl. Stephan eingebürgert.

Geschichte

Gründung

An der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert konnten im unteren Traisental die Passauer Bischöfe ihren pastoralen Einfluss am erfolgreichsten geltend machen. Bischof Ulrich I. von Passau (1092- 1121) stiftete mit der Gründungsurkunde vom 18. August 1112 ein Eigenkloster für Augustiner-Chorherren bei seiner Kirche in St. Georgen. Diese lag am linken Traisenufer, dort, wo damals der Fluß in die Donau mündete. Als seelsorgliches Aufgabengebiet und als Existenzgrundlage übergab der Bischof seinem Kloster St. Georgen die beiden Mutterpfarren Traisenburg und Herzogenburg. Wahrscheinlich sandte er aus dem reformierten Stift St. Nikola bei Passau oder auch aus dem Reformstift Rottenbuch (Bayern) Chorherren nach St. Georgen an der Traisen.

Über die Errichtung der Stiftsgebäude in St. Georgen unter dem ersten Propst Wisinto I. (1112-1117) sind wir leider nicht unterrichtet. In den ersten Jahrzehnten war die Existenz des Klosters einerseits von den Hochwassern der Donau und andererseits von der wirtschaftlichen Schwäche infolge zu geringer Dotierung bedroht. Zur Beseitigung dieser Schwierigkeiten wollte nun der Passauer Bischof Konrad (1148/49-1164), ein Sohn des hl. Leopold, das Kloster St. Georgen mit der noch offenen Stiftung des Walter von Traisen vereinigen und den Konvent nach St. Andrä an der Traisen verlegen. Nach dem Widerstand des Testamentvollstreckers Otto III. von Rechberg-Lengbach, der den Wunsch des Verstorbenen erfüllen wollte und eine eigenständige Gründung anstrebte, bediente sich die Passauer Seite einer gefälschten päpstlichen Bestätigung, nach der der Bischof Propst Hartwig von St. Georgen die Kapelle des hl. Andreas anvertraut habe, und es kam am 30. Dezember 1160 zur Gründung des Stiftes St. Andrä an der Traisen. Aufsicht und damit Verfügungsgewalt hatte der Propst von St. Georgen.

Otto wollte aber seine Rechte auf St. Andrä nicht aufgeben und überantwortete nach Beendigung des Schismas das neugegründete Stift St. Andrä dem päpstlichen Stuhl. 1185 kam ein päpstlicher Schutzbrief, der das Obereigentum des Papstes bestätigte und alle anderen Ansprüche ausschaltete. Der Besitz des Stiftes wurde bestätigt, ebenso die freie Propstwahl. Mit dieser Urkunde blieb das Stift St. Andrä selbständig und die Vereinigung mit Herzogenburg war verhindert worden. Bischof Konrad verbesserte in den Jahren 1158 und 1160 die finanzielle Situation des Stiftes St. Georgen, indem er zur Entsumpfung der ungesunden Umgebung den Bau eines Wassergrabens ermöglichte und außerdem den Chorherren die Pfarre Marquardsurvar (heute Haitzendorf) und den Schwaighof bei Zeiselmauer schenkte. 1175/76 wurde jedoch das Gebiet nördlich der Donau - und damit die Besitzungen des Stiftes im Waldviertel - durch den Einfall Herzog Sobieslaws verwüstet. Unter den späteren Schenkungen an das Kloster während der Regierungszeit Propst Wisintos II. (1191- 1204) ist ein Stiftungsbrief von 1201 bemerkenswert, der ein Nonnenkloster in St. Georgen voraussetzt. In einer Urkunde aus der Zeit um 1230 werden die Schwestern Kunigunde und Ehrentraud von Zebing als Kanonissen von St. Georgen genannt. Dieser Frauenkonvent ist anlässlich der Übersiedlung des Männerklosters nach Herzogenburg auch mitverlegt worden. Die Schwesterngemeinschaft war nicht sehr groß, hatte nur geringes Vermögen und stand wahrscheinlich unter der Oberaufsicht des Propstes.

Unter Propst Engelschalk (1242-1267), dem zwölften Propst des Stiftes St. Georgen, kam es zu der unumgänglichen Übersiedlung. Das Stift hatte zwar in den vorangehenden Jahrzehnten sein Vermögen durch einige Schenkungen und günstigen Tauschhandel vermehren können und profitierte an der wirtschaftlichen Blüte des Landes unter Herzog Leopold VI., doch belastete es der Verlust der finanziellen Einnahmen in den Zehentgebieten nördlich der Donau durch die neuerlichen Einfälle der Böhmen und Mährer. Untragbar wurde die Situation durch die häufigen Überschwemmungen der Donau, die das Stift zeitweise sogar zur Insel machten.

Als neuer Wohnsitz kamen die beiden Pfarrbesitzungen des Stiftes in Frage, und zwar Traisenburg/Pfarrkirchen und Herzogenburg. Auch Pfarrkirchen war zu nahe an der Donau gelegen und so fiel die Wahl auf Herzogenburg. Als sofortige Wirtschaftshilfe erteilte der Bischof dem Stift noch im selben Monat die Befreiung vom Bergrecht für die Weingärten in Königstetten. In der Übertragungsurkunde vom 19. März 1244 übergab er dem Konvent seine Rechte in der Pfarre Herzogenburg. Durch all diese Begünstigungen wurde Bischof Rudiger zum Retter und zweiten Gründer des Stiftes. Die Stiftsgebäude in St. Georgen verfielen im Laufe der Zeit und wurden von der Donau überschwemmt. Im Jahre 1822 konnte man noch bei niedrigem Wasserstand der Donau die Fundamente des zerstörten Klosters sehen. Von den Nebengebäuden haben sich in unmittelbarer Nähe wahrscheinlich nur Mauerreste der Klostermühle in der heutigen Gutschermühle erhalten.

Spätmittelalter

Propst Engelschalk (1242-1267) begann vermutlich gleich nach der Übersiedlung des Konvents (1244) mit dem Bau der Klosteranlage in Herzogenburg, die aus dem Konventgebäude der Chorherren, der Stiftskirche, dem Frauenkloster mit einer Kapelle und den Wirtschaftsgebäuden bestand.

Während der jahrzehntelangen Bauzeit siedelten sich in der Nähe des Stiftes, "auf der Widern", Handwerker und Stiftsangestellte an. Diese Siedlung hatte einen eigenen Markt und wurde später nur mehr der Obere Markt genannt. Die Übersiedlung des Chorherrenkonventes dürfte schon 1249, der Bau der Stiftskirche aber erst viele Jahrzehnte später abgeschlossen worden sein. Die romanische Pfarrkirche - mit der Gründungsurkunde vom 5. Juli 1014 hatte Kaiser Heinrich II. auch in Herzogenburg die Errichtung einer Pfarre ermöglicht - wurde daher in den ersten Jahrzehnten auch für die stiftlichen Funktionen verwendet. Nach der Fertigstellung der Stiftskirche war sie wieder normale Pfarrkirche und bestand als solche bis ins 16. Jahrhundert.

Über das Leben der Chorherren im Mittelalter berichtet der Stiftschronist Frigdian Schmolk mit den Worten des 19. Jahrhunderts:

"Die Lebensweise der Chorherren war eine sehr strenge: Schon zur Mitternachtsstunde gingen sie in Prozession zum Chore, um dort Gott zu loben und zu preisen; auch zur Arbeit und zur Mahlzeit gingen sie im geordneten Zuge. Täglich wurde nach der Prim ein „Capitel" gehalten, wo besonders von Besserung und Bestrafung der Fehlenden die Rede war; jeder sollte seine Fehler selbst bekennen oder anderen dieselben anzeigen. Nachher beschäftigten sich die Chorherren mit Handarbeit außer dem Stifte, oder innerhalb desselben mit Abschreiben von Büchern, mit Zurichten des Pergamentes, mit Lederarbeiten, Weberei, Drechslerei usw., außerdem hatten sie die Gärten zu pflegen, Unkraut auszurotten, ja selbst von Heu machen und Reinigen der Rüben wird in Handschriften erzählt. Für diese Verrichtung war die Zeit vom „Capitel" bis zur Terz, nachmittags bis zur Vesper bestimmt. Nach der feierlichen Conventmesse war die Zeit bis zur Sext zum Studieren, Lesen, für religiöse Gespräche und Krankenbesuche bestimmt. Das Mittagsmahl war sehr einfach bestellt, ausgenommen die sogenannten „pietantiae" oder „Frohmähler", bei welcher Gelegenheit die Anzahl der Gerichte vergrößert wurde. Nach Tisch begaben sich die Regularen ins Dormitorium, wo man las, betete oder ausruhte bis 2 Uhr, um welche Zeit der Chor oder die Vigilien für die Todten abgehalten wurden. Hierauf war gemeinsamer Trunk im Refectorium, worauf man die Zeit bis zur Vesper mit Handarbeit ausfeilte. Dann folgte das Abendmahl, worauf die Zeit bis zur geistlichen „Collation" zum Lesen und Schreiben bestimmt war, wobei aber strenges Stillschweigen zu beobachten war. An die geistliche „Collation" reihte sich das Completorium, nach dessen Abbetung das Asperges folgte, worauf sich die Chorherren ins Dormitorium zur Ruhe begaben. Stillschweigen war an bestimmten Orten und zu gewissen Zeiten auferlegt. Die Fasten und Abstinenzen wurden sehr streng gehalten: Von der Pfingstoctave bis Mitte September wurde am Mittwoch und Freitag nur eine ordentliche Mahlzeit gehalten, im Advent und die ganze Fastenzeit war Abstinenz von Fleisch, ja sogar von Eiern und Käse geboten."

Die ersten Pröpste von Herzogenburg waren nicht nur mit dem Stiftsbau, sondern auch mit der Errichtung von Befestigungsanlagen beschäftigt, da die Bürger des ausgehenden 13. Jahrhunderts durch Mongolenstürme, Ungarnangriffe und durch herumstreifende Kriegsscharen in der rechtlosen bzw. kaiserlosen Zeit besonders gefährdet waren. Der Untere Markt Herzogenburg hatte den Babenbergern gehört, bis er 1210 durch Tausch in den Besitz des bayerischen Klosters Formbach am Inn übergegangen war. Diese Zweiteilung der Grundherrschaft verhinderte auch, dass Herzogenburg schon früher zur Stadt erhoben wurde. Die vielen Schenkungen an der Wende zum 14. Jahrhundert bezeugen, dass man sich dem jungen Kloster sehr verbunden fühlte, seine Leistungen anerkannte und sich gern in seinen geistlichen Schutz stellte.

Die finanzielle Lage des Stiftes Herzogenburg war so gut, dass Propst Siegfried noch ein Haus in der Singerstraße in Wien erwerben konnte. Er kaufte auch einige Häuser auf der Widern, und nach und nach ging der Obere Markt von Herzogenburg in Stiftsbesitz über. Die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts zählt zu den "goldenen Zeiten" des Stiftes. Unter dem folgenden Propst Nikolaus I. Payger von Würmla (1361-1374) erlebte das Stift Missernten und musste Kriegssteuern an Herzog Rudolf IV. und Papst Gregor XI. zahlen. Die Kurie forderte den zehnten Teil aller Einkünfte, um den Krieg gegen Florenz und Mailand fortführen zu können. Das Stift geriet nach langer Zeit wieder in Verschuldung, was Propst Nikolaus sehr bedrückte, wie aus seiner eigenhändigen Eintragung in ein Zehentregister zu entnehmen ist. Alle Klöster des Landes habe Herzog Rudolf ausgepreßt und das Erbgut Christi in Soldgeld verwandelt. Die klösterlichen Chronisten seiner Zeit nannten Rudolf einen neuen Nero.

Zur Erleichterung der angespannten finanziellen Lage gewährten die Herzöge Albrecht III. und Leopold III. dem Stift Privilegien, da die geistlichen ... , der Probst und das gotzhaus ze Herzogenbur g in grozzer geltschulde und kumber sind. 1373 wurde das Stift von der Pflicht der Gastung befreit: deshalb wurde allen Herren, Rittern und Knechten, Edlen und Unedlen entboten, Herzogenburg in keiner Weise durch zu große Inanspruchnahme der Gastfreundschaft zu beschweren. Einen interessanten Einblick in die Situation des Herzogenburger Konvents gibt eine Urkunde aus dem Jahre 1378. Vor der Propstwahl hatten die Chorherren folgende Forderung an den künftigen Propst zusammengestellt: Der Propst solle jährlich über alle Ausgaben und Einnahmen Rechnung legen. Er wurde angehalten, den Chorherren an bestimmten Festtagen und zur Aderlaßzei t ungeschmälerte Mahlzeiten zu geben. Außerdem solle er täglich die Frühmesse halten. Alle Jahre habe er Sommer- und Wintergewänder für die Chorherren zu besorgen. Ohne Wissen des Dechants und der beiden ältesten Chorherren dürfe er keinen Kapitularen entfernen oder versetzen und ebensowenig jemanden ohne deren Zustimmung aufnehmen. Schließlich solle der für die Chorherren bestimmte Wein in einem eigenen Keller aufbewahrt werden. Diese Forderungen spiegeln einerseits schon etwas von dem kapitularen Prinzip der Chorherren - der Vorsteher des Hauses ist bei wichtigen Entscheidungen an die Zustimmung seiner Kapitularen gebunden - andererseits aber auch etwas von der Bequemlichkeit des Konvents. Durch den Ausfall der Zehente im Waldviertel geriet das Stift unter Propst Johannes III. (1401- 1433), einem der längstregierenden Pröpste, wieder in finanzielle Schwierigkeiten. Ursache dafür waren einerseits die Verwüstungen durch die Kriegshandlungen des angreifenden mährischen Markgrafen Procop, andererseits die Zehentübergriffe der Verteidiger unter dem Söldnerführer Zacharias Haderer. Propst Johannes III. erreichte als Entschädigung dafür von den Herzögen Wilhelm und Albrecht IV. die Begünstigung, im Schankhau s des Stiftes, dem „Mühlhofkeller" , zwölf Faß Wein ohne Ungeld (Steuer) ausschenken zu dürfen. Er bemühte sich auch erfolgreich um den Schutz des apostolischen Stuhles. Unter Propst Johannes III. fand eine Stiftsreform nach den Bestimmungen des Konstanzer Konzils statt. Bei der Visitation im Stift Herzogenburg 1418 war nachwei slich auch der erste Propst des Chorherrenstiftes Dürnstein, das 1410 im Geiste der Raudnitzer Reform gegründet worden war, anwesend. Und so wurden die Raudnitzer Statuten auch in Herzogenburg Grundlage einer Erneuerung. Propst Johannes war auch ein eifriger Förderer der Lateinschule des Stiftes. Hier legten im Zeitraum von 1399 bis 1433 zahlreiche Schüler den Grundstein zu ihrer Bildung, die sie befähigte, die Universität zu besuchen. In den Matriken der Universität Wien werden 20 Bürgersöhne aus Herzogenburg und der nächsten Umgebung genannt. Während der Regierungszeit des Propstes Ludwig Gössel (1457-1465) kamen im Zusammenhang mit dem Bruderkrieg zwischen Kaiser Friedrich III. und Erzherzog Albrecht VI. die Truppen des Böhmenkönigs Georg von Podiebrad nach Niederösterreich und durchzogen, weil sie keinen Sold bekamen, plündernd das Land. Im Jahre 1463, am dritten Tag nach dem Osterfest, wurde der Markt Herzogenburg mit dem Stift von den Räuberscharen (ca. 3.000 Mann) unter Georg von Vetau eingenommen und verwüstet. Die Mehrzahl der Bürger und Chorherren verloren durch die fanatischen Hussiten ihr Leben. Nur wenigen gelang die Flucht, unter ihnen Propst Ludwig. Die zurückgeblie benen Chorherren wurden, weil sie sich weigerten, die heiligen Geräte herauszugeben, von den Soldaten niedergemetzelt. Wahrscheinlich ging damals auch der Konvent der Kanonissen zugrunde, oder aber er hat durch Mangel an Klostereintritten schon früher ein friedliches Ende gefunden. Im Laufe des Jahres 1465 begannen die Chorherren mit dem Wiederaufbau des Stiftes. Dieser zweiten gotischen Baupha se des Stiftes sollte aber kein langer Bestand gegönnt sein, denn schon 1477 belagerten und eroberten die Soldaten des ungarischen Königs Matthias Corvinus nach ihrem Sieg über Kaiser Friedrich III. Herzogenburg . Wieder brannte das Kloster nieder . Der nach St. Pölten geflohene Propst konnte seine in Rudolfsberg bei Wagram gefangengehaltenen Mitbrüder erst nach Bezahlung einer hohen Summe in die Ruinen seines Klosters zurückführen. Eine Stiftschronik berichtet: Die Kleinodien, Kelche und den Schmuck der Kirche, heilige Bücher, sowie Getreide, Wein und verschiedenen Hausrat des Klosters haben die erwähnten Räuber fortgeschleppt. Was nach Abzug der Feinde noch übrig blieb, wurde von „Freunden", von etwas zweifelhaften Bürgern, aber auch Adeligen, besonders von einem gewissen Baron von Tops, während die Konventualen in Fesseln waren, verschleppt. Innerhalb von 15 Jahren mußten die Chorherren diese zwei Schicksalsschläge verkra ften. Sie begannen unter Propst Georg I. Eisner (1484-1513) mit dem erneuten Aufbau ihres Klosters. Dieser Propst konnte durch sorgfäl tige Verwaltung und durch Schenkungen des Matthias Corvinus, der die Verwüstungen seiner Söldner wieder gutzumachen versuchte, die wirtschaftlichen Verhältnisse seines Hauses sanieren. Es gelang ihm sogar, im Laufe der Jahre die Stiftsgebäude prächtig auszustatten. Ein Zeitgenosse schildert seine Eindrücke während eines Besuches im Stift Herzogenburg folgendermaßen: Das Kloster selbst hat manch Rühmenswertes: es ist mit großem Fleiß gebaut, so daß es die meisten auch in Österreich übertrifft. Es besitzt eine geräumige Kirche, große prächtige Häuser, unter welchen besonders diejenigen hervorragen, welche Propst Georg, welcher noch lebt, erbaut hat. Er errichtete eine neue Wohnung des Propstes, welche er derart an den Wänden mit Gemälden schmückte, daß ich kaum eine Schönere gesehen habe, außer in Vorau, welche aber nicht vollendet ist. In dem oberen Teil sind Gewölbe angebracht, an welchen eine Goldkugel befestigt ist, aber auch die Wände entbehren nicht des Schmuckes von Drechslerarbeiten. - Georg erbaute auch zwei Refektorien, eines für den Winter, das andere für den Sommer. Er vollendete auch manch andere bequeme Räume, besonders auch einen, welcher dem Refektorium am nächsten ist. Dort ist ein enger Raum, wo die Brüder bei einem Trunke gemütlich beisammensitzen können. Das Kloster besitzt auch Graben, Wall und Mauern, so daß es nicht leicht eingenommen werden kann. Ein ungarischer Hauptmann warf einmal alle Brüder und den Propst aus dem Hause und machte aus dem Kapitelsaal einen Pferdestall. Die Tätigkeit des Propstes fand auch in Rom Anerkennung. 1498 erlaubte Papst Alexander VI. ihm und allen seinen Nachfolgern den Gebrauch der Mitra, des Stabes und Ringes und der anderen Pontifikalien. Am 7. Mai 1512 brach in einem Haus auf dem Unteren Marktplatz ein Brand aus, der auch auf die Widern übergriff und die Stiftsgebäude teilweise in Schutt und Asche legte. Das Feuer zerstörte zuerst das Turmdach, griff auf das Dormitorium und Refektorium über, wobei alle Zellen der Brüder mit dem Winterrefektorium ausbrannten. Außerdem wurden das Krankenhaus, die Wohnung des Dechants, die Bibliothek und die Sakristei ein Raub der Flammen. Das Feuer sprang auch auf das Mariensacellum über und vernichtete dort die Orgel. Ebenso brannte die Schule nieder. Die Kirchenausstattung- die Tafelbilder und die Altäre - wurde verschont.

Reformation bis Barock

Der hochgelehrte Propst Johannes V. Bernhard von Nußdorf (1517-1533) begann sein Amt in einer sehr schwierigen Zeit. Im Jahr seiner Wahl trat Martin Luther zum erstenmal in Erscheinung. Zu dieser geistig-religiösen Revolution kam noch die Türkennot, Abb. 1: Gedenkmünze auf die Türkenbelagerung Wiens 1529 die 1529 ihren Höhepunkt mit der Belagerung Wiens erreichte. Die türkischen Streifscharen verschonten zwar Herzogenburg, das Stift wurde aber durch die Türkensteuer Ferdinands I. umso härter belastet. Unter seinem Nachfolger Bernhard I. Schönberger (1533-1541) wurden die Abgaben zur Finanzierung der Türkenkriege so groß, daß die Steuerschulden nur durch den Verkauf des Stiftshauses in Wien, Johannesgasse Nr. 3, abgedeckt werden konnten. In religiöser Hinsicht mußte der Propst die ersten Auswirkungen der protestantischen Lehre verkraften. Sein Mitbruder Johann Peurl hatte das Einkommen von einigen Pfarrkirchen vergeudet, die priesterliche Kleidung abgelegt und seinen Orden verlassen. Für viele Jahre war Bernhard der letzte frei gewählte Propst von Herzogenburg. Die nun folgenden Pröpste waren Weltpriester oder stammten aus anderen Ordenshäusern, wurden postuliert oder vom Kaiser ernannt. Auf Wunsch Kaiser Ferdinands 1. wählte der Konvent Philipp von Maugis (1541-1550) zum Propst. Philipp entstammte einer adeligen belgischen Familie, war ab 1545 Regent der niederösterreichischen Landesregierung und Erzieher der Söhne Ferdinands I. Noch im Jahre seines Amtsantrittes trat in Herzogenburg, wie in vielen Orten Österreichs, die Pest auf, an der täglich bis zu 30 Personen starben. Alle Chorherren im Stift mit Ausnahme des Propstes und eines Konventualen fielen der Seuche zum Opfer. Sein Nachfolger war Bartholomäus von Cataneis (1550-1563). Er entstammte einer vorne hmen italienisch en Familie aus Bergamo, war palatinischer Graf, apostolischer Protonofä r, oberster Hofkaplan u. v. a. m. Durch sein Administrationstalent gelang es ihm, das Stift über die finanziellen Hürden zu bringen. Wegen seiner Tüchtigkeit wurde er zum Administrator von Göttweig bestellt (1556-1563). In den letzten Jahren seiner Regierung erlebte das Stift jedoch einen seiner Tiefpunkte. Eine Kommission, die die Klöster visitierte, beanstandete, daß sich der Propst mit zwielichtigen Frauen herumtreibe und daß seine Konventualen alle sektisch seien und die Sakramente dem alten Kirchenbrauehe zuwider spendeten. Die Kommissäre erteilten ihm einen strengen Verweis und ermahnten ihn, in Hinkunft keinen Verdacht zu erregen sowie den Hauptübeltäter, den Dechant, abzusetzen und einzusperren. Nach dem Visitationsbericht vom Jahre 1561 befanden sich im Stift Herzogenburg vier Konventua len, drei Konkubinen, kein Eheweib und sechs Kinder. Am Ende seines Lebens mußte der Propst erkennen, daß er als Sonderbeauftragter in zu vielen Landesangelegenheiten unterwegs gewesen war, daß er in der Diplomatie zwa r vieles geleistet, als Vorstehender des Hauses aber versagt hatte . In dieser Krisenzeit des Stiftes wurde der Prälat von St. Andrä Johannes VI. Pülzer (1563-1569) zum Propst bestimmt. In seinem Wahlinstrument hieß es, er sollte baldmög lichst die Zahl der Chorherren ergänzen, da sich dieselben fast alle verloffen hätten. Wirtschaftskrisen, Hungersnot, Erhöhung der Steuern und die Tatsache, daß viele seiner Mitbrüder lutherisch wurden, trieben Propst Johannes VII. Glaz (1569-1572) zu einem Verzweiflungsakt: in der Nacht des 14. September 1572 floh er in Begleitung eines Dieners aus dem Stift. Nun folgte ein Mann aus dem eigenen Haus, Jakob Reisser (1573-1577). Durch seine Sparsamkei t und energische Haltung ging es sowohl finanziell als auch disziplinär im Stift aufwärts. Im Visitationsbericht wurde vermerkt, daß er keine goldene Kette und auch keine kostbaren Kleider trug, keine Spiele gestattete und die Musik bei Tisch abgeschafft habe. Außerdem hätten Propst und Konventua len keine Konkubinen. Er bemühte sich, Mitarbeiter aus dem Ausland zu bekommen, um die Ausbreitung der lutherischen Lehre zu stoppen. Denn die Gemeinde Herzogenburg war zum Großteil schon protestantisch, und die Pfarrkinder gingen bereits in die umliegenden Ortschaften, um bei den sektischen Predigern die Sakramente zu empfangen. Acht Monate lang gab es nun ein Tauziehen bei der Besetzung der ansehnlichen Prälatur in Herzogenburg. Schließlich postulierte der Klosterrat für das Stift den Propst des Chorherrenstiftes St. Dorothea in Wien Georg II. Brenner (1578-1590). Georg war Hofkaplan bei Kaiser Maximilian II. gewesen, und so begab es sich, daß Kaiser Rudolf II. zweimal auf Reisen im Stift übernachtete. Eine Parallele zur großen Politik der Rekatholisierung im Land läßt sich auch in Herzogenburg erkennen. Propst Georg schrieb 1579 an das Konsistorium und 1582 an Kaiser Rudolf II. einen Brief, in dem er die religiös gespaltene Situation in Herzogenburg schildert und den Herrscher um Unterstützung bittet, damit er den Unteren, Formbachischen Markt, der zum größten Teil protestantisch war, kaufen könne. Durch eine administrative Marktvereinigung und durch eine bessere religiöse Betreuung wollte der Propst die häufigen Streitigkeiten zwischen den Bürgern der beiden Märkte beseitigen. Die Trennung blieb jedoch bis 1806 bestehen. 1588 schlug der Klosterrat Georg sogar zum Bischof von Wiener Neustadt vor. Sein siegreicher Gegenkandidat Melchior Kies! half ihm einige Jahre später bei seinen Reformplänen. Die Bürger (vor allem die des Unteren Marktes) mußten von nun an an Sonnund Feiertagen dem Gottesdiens t mit allen vleis und gezimende Andacht beiwohnen. Wer zu den Predikanten auslief, wurde mit schwersten Strafen bedroht. Ebenso mußten die Herzogenburger ihre Kinder in die katholische Schule schicken, und dem Gesinde wurde verboten, sich während des sonntäglichen Gottesdienstes in Wirtshäusern oder auf Spielplätzen aufzuhalten. Kirche, Kloster- und Wirtschaftsgebäude wurden nun renoviert und ausgebaut , Meßgerä te, Bücher und Musikinstrumente angekauft. Der Lesehof in Königstetten wurde renoviert und der Hof zu Klosterneuburg fast zur Gänze neu erbaut. Wegen seiner Krankheit stand dem Propst in den letzten Jahren Paul Zynkh als Koadjutor zur Seite. Da es nach dem Tod des Propstes bei der Neubesetzung zwischen Klosterrat und dem Passauer Bischof zu Unstimmigkeiten gekommen war, verwaltete Paul Zynkh über ein Jahr als Administrator das Stift bis er zum Propst gewählt wurde (1591-1 602). Auf Grund der ständige n Türkengefahr wurden die Verteidigungsanlagen des Klosters gemäß dem kaiserlichen Mandat ausgebaut und die Rüstkammer des Stiftes mit moderneren Waffen versehen. Von den umfangreichen Restaurierungsarbeiten und Ankäufen gibt ein fünfeinhalb Seiten langes Verzeichnis Auskunft. Während eines halbjährigen Kuraufenthaltes des Propstes in St. Pölten ging es im Kloster drunter und drüber. Unter Lebensgefahr reiste der kranke Propst zurück und hielt ein Kapitel. Der Dechant wurde abgesetzt und im Lauf von drei Wochen bei Wasser und Brot dasig gemacht. Die letzten drei Jahre seines Lebens war der Propst Deputierter der niederösterreichischen Stände und hielt sich oft in Wien auf. Aus diesem Grund kaufte er dort 1601 ein Wohnhaus, den „Heidelberger Hof" in der Annagasse. Das Gebäude ist heute noch im Besitz des Stiftes und trägt den Namen „Herzogenburgerhof". Auf Landesebene konnte der Protestantismus Schritt für Schritt zurückgedrängt werden . Propst Paul bestellte den Weltpriester Georg Tirher aus Konstanz als Pfarrer für Herzogenburg. Dieser konnte durch seine eindrucksvollen Predigten viele Protestanten des Marktes zum katholischen Glauben zurückführen. Um die Jahrhundertwende war Herzogenburg wieder eine vorwiegend katholische Gemeinde. In den Dörfern ging die religiöse Erneuerung langsamer vor sich. Als Melchior Kniepichler, ehemaliger Propst des Stiftes Dürnstein, von König Matthias als Props t postuliert wurde (1609-1615), protestierte der Herzogenburger Konventuale Johannes Held in einem Schreiben an den Passauer Offizial, weil Propst Melchior in St. Andrä (1592-1599) Schulden gehäuft und von dann gezogen sei, er habe dann Tirnstain ohne Schulden angetreten und gehe nun mit Schulden weg (1599-1609); beide Male in Folge seiner verschwenderischen Freigiebigkeit gegen Verwandte und Freunde. Weiters klagt er, daß Melchior dem Trunke ergeben und in diesem Zustand unausstehlich streitsüchtig sei. Schließlich, daß Melchior das weibliche Geschlecht liebe und gerne Tanzunterhaltungen besuche . In den Klosterratsakten hieß es, dieser Mann war mehr Schelm als Mönch. Öfters fuhr der Propst während seiner Regierungszeit in Herzogenburg nach Wien, ins Gasthaus "Zum goldenen Strauß" am Neuen Markt, wo die fünfzehnjährige Wirtstochter Katharina zum Frohsinn des Herrn Prälaten das meiste beitrug. Nachdem diese ein Kind bekommen hatte, kam unvermutet am 26. Juli 1615 eine Untersuchungs- und Strafkommission nach Herzogenburg. Auf Grund der strengen Linie Klesls wurde der Propst gefangen nach Wien geführt, verhört und einige Monate eingesperrt. Erst nach drei Jahren wurde Melchior rehabilitiert und zum zweiten Male zum Propst von Dürnstein bestellt. Nach einigen Wahlturbulenzen in den folgenden Jahren bestimmte Kaiser Ferdinand II. den Dechant des Kathedralstiftes Seckau Martin III. Müller zum Vorsteher in Herzogenburg ( 1621- 1640). Er war ein eifriger Förderer der Gegenreformation, reformie rte das klösterliche Leben und führte neue Statuten ein. Er erreichte auch, daß ihm die Pfarre Hain wieder zurückgegeben wurde, wo bisher nur protestantische Prediger angestellt waren. Den Konflikt mit der dort tonangebenden protestantischen Familie der Jörger konnte erst sein Nachfolger Johannes Bauer (1640-1653) beilegen. Propst Joseph Kupferschein (1653- 1669) versuchte ebenfalls, auf friedliche Weise die Protestanten zum katholischen Glauben zurückzuge winnen. Er war sowohl ein gelehrter Mann (1641 war er Rektor der Universität in Wien) als auch ein tüchtiger Wirtschafter. Propst Anton Sardena (1669-1687) begann mit viel Schwung die weiteren Restaurierungsarbeiten bzw. die Barockisierung des Stiftes. 1679 / 80 wütet e die Pest in Her zogenburg und kostete vielen Menschen das Leben. In der Stiftsgeschichte von Dechant Beyer wird auch das Erscheinen eines Kometen vermerkt, der im Jahre 1680 am Fest des hl. Stephan zum ersten Mal erschien und als Vorbote der Türkenkriege interpretiert wurde. Am 14. Juli 1683 erschienen 200 bis 300 Türken vor Herzogenburg. Sie ließen den gut befestigten Ort zunächst ungeschoren . Als die Gefahr immer größer wurde, flüchtete der Prälat auf Bitten seiner Geistlichen mit dem Archiv und der Schatzkammer nach Dürnstein. Eines Tages kam dann eine ungewöhnlich große Schar Türken (angeblich zwischen 10.000 und 12.000 Mann), um Herzogenburg einzunehmen. Sie schichteten aus den verlassenen Bauernhäusern und Scheunen Stroh vor die Markttore, um sie durch Feuer zu zerstören. Der Chorherr Gregor Nast, der die Verteidigung von Herzogenburg leitete, ließ in aller Eile leere Weinfässer mit Erde und Sand füllen und hinter den Toren auftürmen, sodaß die Belagerer durch die vom Feuer zerstörten Tore nicht eindringen kom1ten. Die Bürger leisteten mit ihren Schußwaffen so tapfer Widerstand, daß dieser türkische Eroberungsversuch fehlschlug. Mit der Zeit erholten sich das Land und die Klöster von den Nachwirkungen der Türkenkriege, und mit der Wiederkehr von geordneten Zuständen verbesserte sich auch die wirtschaftliche und religiöse Situation. Propst Maximilian I. Herb (1687-1709) war lange Jahre ein eifriger Seelsorger und stand als Dechant und späterer Prälat seinen Mitbrüdern auf den Pfarren beim Wiederaufbau bei. In Haitzendorf wurde mit Hilfe von Jakob Prandtauer die Kirche renoviert und der Pfarrhof zur Sommerresidenz der Pröpste ausgebaut. 1714 entschloß sich der Herzogenburger Propst Wilhelm von Schmerling (1709- 1721), das Stiftsgebäude neu zu errichten. Das gewaltige Bauvorhaben wurde durch Grundund Gutsverkäufe finanziert. In einer zeitgenössischen Stiftsgeschichte wird folgendes berichtet: Im selben Jahr begann Propst Wilhelm mit großer Energie den kunstvollen Neubau des Klosters, den keiner seiner Vorgänger gewagt hatte, nach demselben weitläufigen und architektonischen Vorbild , wie er es in Melk gesehen hatte, das unter dem berühmten Abt Berthold in derselben Zeit errichtet wurde. Als Architekt nahm sich unser Wilhelm den, der die Bauten von Melk, bei St. Florian in Oberösterreich etc. errichtete, N. Brandauer von St. Pölten, einen erfahrenen Künstler. Er errichtete bei diesem Neubau zuerst den Trakt, der an die große Kirche anschließt, dann den anderen, in dessen Mitte der große Saal hervorgeht, den der kaiserliche Architekt Baron von Fischer senior entwarf und vollendete, und dann den entfernteren bis zum Haupttor, wo sich auch der Eingang von Norden her befindet ... Der Grundstein wurde am 25. Maid . J. in aller Feierlichkeit an der Epistelseite (eine andere Hand: Evangeliumseite) außen am Presbyterium gelegt. Der in Herzogenburg geborene Propst Leopold von Planta (1721-1740) erreichte die Aufnahme seines Hauses in die Lateranensische Kongregation, mit der Erlaubnis, ein violettes Mozett zu tragen. Damit bekam er für sich und seine Nachfolger von Papst Innozenz XIII. am 18. September 1724 das Recht, den Titel eines Lateranensischen Abtes zu tragen. Propst Leopold führte auch in dieser Zeit nach dem Beispiel von Klosterneuburg den schwarzen Talar anstelle der weißen Kleidung für seine Mitbrüder ein. Am Ende seines Lebens konnte Propst Leopold auf einen einheifüchen Stiftsbau blicken, der sich würdig in die Reihe der Stiftsbauten der großen österreichischen Barockprälaten einreiht. Die von Prandtauer gebauten Trakte sind vornehm und voll künstlerischen Lebens. Einzig an der Ostseite sprengt der Saalbau Fischers die Prandtauersche Fassade: er tritt um eine Achse hervor und überragt sie mit den Oberfenstern. Durch diese dramatische Vorgangsweise stellt Fischer seinen Rang als führender Architekt unter Beweis. Aus Protest gegen die „Pragmatische Sanktion" verbrüderten sich die Bayern und die Preußen mit den Bourbonen und drangen 1741 bis nach St. Pölten vor. Besonders die Franzosen plünderten das Gebiet zwischen Melk und St. Pölten. Weil das Stift eine Kriegssteuer in Höhe von 14.000 Gulden nicht gleich aufbringen konnte, nahmen die Franzosen den 32jährigen Propst Frigdian Knecht (1740-1775) als Geisel, und er wurde nach den Worten des Stiftsdechanten hin und hergeführt zu Schand und Spott. Erst nach sechstägiger Gefangenschaft und Zahlung des hohen Lösegeldes konnte der Prälat wieder ins Stift zurückkehren. 1743 entschloß sich der Prälat, die Kirche durch den jungen Franz Munggenast neu erbauen zu lassen. Der Turm wurde 1767 nach Entwürfen von Johann Bernhard Fischer von Erlach durch Matthias Munggenast ausgeführt. Die Architektur dieser Kirche und die Ausstattung durch Daniel Gran und Bartolomeo Altomonte können zu den großen Leistungen des österreichischen Barocks gezählt werden. In den Pfarren Stollhofen, Hain, Rottersdorf und Brunn ermöglichte Propst Frigdian ebenfalls die „Barockisierung" der Kirchen. Durch die Stiftung von 7.000 Gulden des Wiener Stadtrates Jakob Bodenreiter konnte in Theiß der Pfarrhof neu errichtet werden. Auf Grund seines wissenschaftlichen Intere sses kaufte der Propst Jahr für Jahr viele wertvolle Bücher, ordnete das Archiv und unterstüt zte den Aufbau eines eigenen Münz kabinetts. Auf mu sikalischem Gebiet war sein Mitbruder Georg Donberger tätig . Als Regenschori komponierte dieser unermüdlich , und seine Werke sind in den Musikarchiven vieler österreichischer Stifte zu finden. Als Propst Frigdian Knecht nach 35jähriger Amtsze it im Jahr 1775 starb, hinterließ er ein geordnetes Haus, das spirituell, künstlerisch und wirtschaftlich einen guten Ruf hatte. Er wird auch der dritte Gründer genannt.

Josephinismus bis Gegenwart

Mit Beginn der Alleinregierung durch Joseph II. 1780 kam auch für unser Kloster eine Zeit, die nicht leicht zu bewältigen war. Die Reformen überstürzten sich. Zwei Monate nach der Regierungsübernahme des Kaisers wurde Michael Teufel vom Kapitel zum neuen Propst gewählt (1782-1809). Er zeigte sich der Problematik des „josephinischen Experimentes" sehr gut gewachsen. Das Patent über die Klosteraufhebungen wurde auch für das Stift St. Andrä an der Traisen wirksam, das nach dem Tod des letzten Propstes Gregor Gründler 1783 dem Stift Herzogenburg einverleibt wurde. Propst Michael mußte dafür sorgen, daß die Auflösung ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Das Chorherrenstift Dürnstein wurde 1788 mit dem Stift Herzogenburg„ vereinigt". Gegen diesen Bescheid wehrte sich der Bischof von St. Pölten, doch wurde mit Hofdekret vom 7. Juni 1788 die endgültige Aufhebung des Stiftes angeordnet und die bisherige Stiftskirche in eine Pfarrkirche umgewandelt. Ein Höhepunkt in der Regierungszeit des Propstes Michael Teufel war die Weihe der Stiftskirche. Am 2. Oktober 1785 wurde die Kirche von Heinrich Johannes von Keren s, dem ersten Bischof, der in St. Pölten residierte, geweiht. Als durch die Aufhebung der Benediktinerabtei Formbach am Inn der Untere Markt Staatseigentum wurde, konnte ihn Propst Michael durch geschickte Verhandlungstaktik 1806 kaufen und mit dem Oberen Markt vereinigen. Am 23. September 1805 hatte Napoleon an Österreich den Krieg erklärt und marschierte schließlich nach Wien. Am 11. November 1805 kam es zum Gefecht bei Dürnstein-Loiben, dem einzigen wirklichen Erfolg für die verbündeten Russen und Österreicher im unglücklichen Feldzug von 1805. In einem Tagebuch werden eindrucksvoll die Drangsale in Herzogenburg während dieser franzö sischen Inva sion geschildert: Am Tag vor der Schlacht kam eine unabsehbare Menge Feinde auf Herzogenburg zu. Ihr Anfüher und Divisionskommandant General Le Gran bemühte sich, die ärgsten Greueltaten zu verhindern, aber dennoch wurden die Einwohner drangsaliert und der Marktrichter fürchterlich geschlagen. Die Keller wurden aufgebrochen, und unter Zechen, Plündern und Rauben verging die Nacht. - Am Tag nach der Schlacht quartierten sich einige französische Generäle im Stift ein. Die Soldaten, die in Gärten und Feldern lagerten, zündeten abends über tausend Feuer an, die die ganze Gegend hell erleuchteten. Ende November kamen dann die Holländer; diese erwiesen sich als unbändige Säufer und benahmen sich ärger als die Franzosen. Durch die oftmaligen hohen Geldforderungen der französischen Offiziere und die ständigen Einquartierungen von Soldaten war das Stift am Rande des Ruins. Propst Michael floh während des Krieges mit der Münzsammlung und anderen Kostbarkeiten nach Ungarn in die Abtei Zirc. Kämmerer Josef Leuthner brachte sich mit den anderen Wertgegenständen auf das Gut Primersdorf (Waldviertel) in Sicherheit. Im Rahmen des Österreichisch-Französischen Krieges im Jahre 1809 und der zweiten Eroberung Wiens durch Napoleon hatte Herzogenburg wieder unter französischen Truppen, ganz besonders unter den württembergischen Hilfstruppen zu leiden. Bei dieser zweiten Franzoseninvasion kam der Propst allerdings nicht mehr unbehelligt davon. Noch kurz vor seinem Tod wurde er in seinem Zimmer von einem französischen Husaren mißhandelt und seines Kreuzes und Ringes beraubt. Propst Michael Teufel hat um das Stift beinahe so große Verdienste wie sein Gründer - der Volksmund unterstrich das Weiterbestehen des Stiftes mit dem Bonmot: Der Teufel hat das Stift gerettet. Im Geiste der neuen josephinischen Begräbnisordnung wurde er als erster Stiftsvorsteher außerhalb des Ortes auf dem allgemeinen Friedhof in einem bescheidenen Mausoleum bestattet. 1977 wurden die sterblichen Überreste des Propstes exhumiert und neben seinem Grabdenkmal in der Stiftskirche beigesetzt. Der ehemalige Stiftsdechant Propst Aquilin Leuthner (1811-1832) konnte das Haus nur insofern aus der finanziellen Not retten, als er von Kaiser Franz 1., der viele Herren durch seinen Besuch im Stift im Jahre 1807 persönlich kannte, einen Nachlaß der Schulden erreichte. Nach einigen Jahren konnte der Propst das Bauvorhaben einer allgemeinen Schule in Herzogenburg durchführen. 1829 war der Bau des einstöckigen Schulgebäudes abgeschlossen, dem der Westtrakt des Kreuzganges mit seiner schönen gotischen Totenkapelle hatt e weichen mü ssen. Unter seinem Nachfolger Bernhard II. Kluwick (1832-1843) erreichte die aus Osteuropa kommende Choleraepidemie auch Niederösterreich. Die Angst vor dieser Seuche veranlaßte die Stiftsherren, zur Versorgung der Kranken an den Gangenden sogenannte Choleraöfen zu errichten: ... also die Küche zu weit entfernt ist, um schnell den notwendigen Tee und warmes Wasser herbeizuschaffen. Da die Ärzteräthe gegen diese Krankheit machtlos waren, versuchten sich die Gemeinden durch Abriegelung von der Umwelt sowie Immuni sierung durch Alkohol zu helfen. So entstand die Spruchtafel im stiftlichen Kellerstüberl : Die Angst vor Krieg und bösen Seuchen, der Reichersdorfer (Wein) wird's verscheuchen! Das Lebenswerk von Propst Bernhard war die Erbauung der Pfarrkirche in Theiß. Propst Karl Stix (1843-1847) konnte einen weiteren bedeutenden Schuldenerlaß bei Kaiser Franz l. erreichen. Aus Dankbarkeit feierte das Stift jahrzehnt elang den Todestag des Monarchen mit dem „Kaiserrequiem". Der Propst setzte sich auch für eine Erhöhung der Gehälter seiner Mitbrüder ein. 1844 konnte er die Jubiläumsfeier der Übertrag ung des Stiftes von St. Georgen nach Herzogenburg (1244) festlich begehen. Das Revolutionsjahr 1848 brachte auch entscheidende Veränderungen für das Stift unter Propst Josef II. Neugebauer (1847- 1856). Am 19. Februar 1848 wurde dem Prälaten von der Regierung zwar der faktische Besitz der aufgelassenen Stifte St. Andrä und Dürnstein bestätigt, am 7. September 1848 hob der Reichstag jedoch die bäuerliche Untertänigkeit auf, und das Feudalrecht mit Robot und Zehent wurde abgeschafft. Man war sich des Wertes dieser Gesetze für das Volk wohl bewußt, dem Ausfall eines großen Teils der Einnahmen konnte der Propst mit seinem Kapitel aber nur durch die Veräußerung des Gutes Primersdorf 1851 begegnen. Am 8. Oktober 1848 kam - auf der Flucht von Wien in die Festung Olmütz - Kaiser Ferdinand 1. mit seinem Gefolge nach Herzogenburg. Beim Aussteigen aus dem Wagen sprach der Kaiser zum Propst: Herr Prälat! Mich freut's, einmal Ihr Stift zu sehen und zu betreten. - Es ist mir ein recht schönes und freundliches Haus; ich habe es bisher noch nie gesehen. - Ich muß Sie heute schon um ein Mittagmahl und auch um ein Nachtquartier bitten. - Weil ich zum Nachmittagsgottesdienst zu spät gekommen bin, so ersuche ich Sie, uns um halb 6 Uhr noch einen heiligen Segen zu halten. Am selben Abend unterzeichnete der Kaiser ein Manifest „An die Völker meiner deutsch-erbländischen Provinzen". Als am nächsten Morgen der großartige Kaiserzug aus dem Weichbild Herzogenburgs schied, blieb kein Auge trocken. Der Name „Kaisergasse" erinnert noch heute an diese Begebenheit. 1853 gab es eine kanonische Visitation durch den St. Pöltener Bischof Feigerle, und zwei Jahre darauf visitierte auch der Linzer Bischof Rudiger in Vertretung des Kardinals Fürst Schwarzenberg das Stift Herzogenburg. Auch er war sehr zufrieden mit dem Stand des Hauses und schied mit wahrer Herzensfreude vom Stift. Auch unter dem nächsten Vorsteher des Stiftes Propst Norbert Zach (1857-1887) herrschte ein gutes Klima im Haus. Von den 34 Mitgliedern des Stiftes waren 25 Priester in der Seelsorge tätig, vier hatten häusliche Offizien, zwei Kleriker studier ten an der theologischen Hauslehranstalt im Chorherrenstift Klosterneuburg, zwei Novizen wurden im Haus in die Lebensnorm der Chorherren eingeführt. Im Jahr 1862 gründete der Stiftskurat und spätere Dechant Ferdinand Mann den katholischen Gesellenverein, der sich um die seelsorglichen und menschlichen Anliegen der arbeitenden Bevölkerung kümmerte. Die Stadt Herzogenburg begann den Schritt ins Industriezeitalter, als 1874 die Firma Vollrath (Nägel, Schrauben) von Wien nach Herzogenburg/Oberndorf übersiedelte. 1875 folgte ihm Carl Grundmann, ein pensionierter Danziger Lokomotivführer, der sich auf die Erzeugung von Türschlössern spezialisiert hatte. In diese Zeit fällt auch die Planung und der Bau der Eisenbahnlinien im Raum Herzogenburg: Am 3. August 1885 wurde die Strecke Tulln- St. Pölten , am 16. Juli 1889 die Strecke Herzogenburg- Krems eröffnet. Seit dieser Zeit ist der Markt mit zwei Hauptverkehrsadern der Monarchie, mit der West- und der Franz-Joseph-Bahn, verbunden. Um der rasch anwachsenden Bevölkerung eine bessere Ausbildung und damit größere Berufschancen geben zu können, wurde die Stiftsschule schon 1867 zu einer Pfarr-Hauptschule erweitert. Heute wird dieses Gebäude neben der Stiftskirche von der Sonderschule und der Musikschule benützt. Auch das äußere Bild des Ortes änderte sich Mitte des 19. Jahrhunderts. Drei Tore der alten Marktbefestigung wurden abgetragen; ebenso Teile der Ringmauer. Ein Stückchen dieses mittelalterlichen Ensembles ist heute noch im nördlichen Stiftsbereich zu sehen, wo Mauer, Graben, Verteidigungsturm und das einzige noch bestehende Stadttor, das ,,Au-Tor", auch „Nordtor" genannt, erhalten blieben. Nach der Schlacht bei Königgrätz Mitte Juli 1866 drangen die preußischen Truppen bis ins Waldviertel vor, und das österreichische Militär zog sich (größtenteils kampflos) auf das südliche Donauufer zurück. Das Stift richtete im Auftrag der k. k. Statthalterei ein Spital für die Soldaten ein. Für seine Verdienste wurde der Propst im Jahre 1879 vom Kaiser mit dem Komturkreuz des Franz-Josephs-Ordens ausgezeichnet. Während seiner zehnmonatigen Funktion als Administrator des Stiftes veranlaßte Dechant Emmerich Wallner die Gestaltung des nach ihm benannten „Emmerichhofes" im Westtrakt des Stiftsgebäudes. In der Person des folgenden Propstes Frigdian II. Schmolk (1888-1912) vereinigten sich glücklich Kirchenfürst und Staatsmann. 1902 ernannte ihn Kaiser Franz Joseph zum Landmarschall (Vorsitzender des Landtages). Vier Jahre lang hatte er dieses Amt inne. In Anerkennung seiner Verdienste verlieh ihm der Kaiser die Würde eines Wirklichen und Geheimen Rates und berief ihn auf Lebenszeit als Reichsrat in das Herrenhaus. Um 1900 erreichte das Stift seinen höchsten Personalstand: 40 Konventualen gehörten zum Kloster. Unter Propst Frigdian wurden in den letzten beiden Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts das Stiftsgebäude, der Turm, die Orgel und das Innere der Kirche restauriert. Dechant Ferdinand Mann ließ auf seine Kosten 1903 den Maria-Lourdes-Altar errichten und die zwei Holzstatuen Herz-Jesu und Herz-Maria in der Kirche aufstellen. Sie zeugen von der Frömmigkeit des Volkes um die Jahrhundertwende. Von dieser Zeit sind noch die feierliche Erstkommunion und die Maiandachten lebendig geblieben. 1907 wurde der Zusammenschluß der österreichischen Chorherrenstifte zur „Österreichischen Kongregation der regulierten Lateranensischen Chorherren" erreicht. Als Konvisitator wurde Propst Frigdian Schmolk gewählt. Eine innige Freundschaft verband Propst Frigdian mit dem Wiener Bürgermeister Dr. Karl Lueger. Als dieser tödlich erkrankte, berief er seinen langjährigen Freund zu sich, der ihm die Tröstungen der Religion reichte. Schmolks Nachfolger wurde Georg III. Baumgartner (1913-1927). Mit größter Sparsamkeit und Umsicht lenkte er das Stift durch die wirtschaftlichen Erschütterungen des Ersten Weltkrieges. Er stellte das Sommerrefektorium als Kaserne für die Marschkompanien und den Theatersaal dem Roten Kreuz zur Pflege der Verwundeten zur Verfügung. Vom Krieg selber wurde Herzogenburg nur mittelbar betroffen: durch die vielen Gefallenen. Ihre Namen sind auf einer Marmortafel, rechts beim Eingang der Kirche, eingemeißelt. 1916 ließ Propst Georg das veraltete stiftliche Elektrizitätswerk in eine moderne Wasserkraftanlage mit Turbinen umbauen, die das Stift und Teile der Stadt Herzogenburg jahrelang mit Strom versorgte. Bedeutende Verdienste erwarb sich Georg Baumgartner durch seine wissenschaftliche Forschung über die Urgeschichte. Bis zuletzt arbeitete er mit großer Genauigkeit an der Hausgeschichte und an der Baugeschichte der Kirche und des Stiftes und verfaßte weiters den Artikel „Herzogenburg" in der Topographie von Niederösterreich. Die allgemeine Wirtschaftskrise machte sich auch im Stift bemerkbar. Das Steueramt St. Pölten drängte immer öfter unter Androhung der Zwangsverwaltung auf Bezahlung der Steuerschulden. Das Kapitel unter Propst Georg sah sich gezwungen, einem Beschluß zum Verkauf einzelner Wertgegenstände näher zu treten. Einige wertvolle Kunstgegenstände wurden verkauft. In diese politisch sehr schwierige Zeit fällt eines der größten Ereignisse für Herzogenburg, die Stadterhebung: Am 30. Juni 1927 beschloß der Landtag von Niederösterreich, den Markt Herzogenburg trotz der verhältnismäßig geringen Einwohnerzahl (2.800) zur Stadt zu erheben. Der spätere Landtagsabgeordnete und Vertreter des Klerus Ubald Steiner (1927-1946) wurde zum nächsten Propst gewählt. Es gelang ihm, das Stift durch die schwierige wirtschaftliche Lage der dreißiger Jahre zu führen. Leider ging es nicht ohne Verkauf von vielen Grundstücken und Kunstschätzen. Nachdem 1933 Adolf Hitler in Deutschland an die Macht gekommen war, spürte man auch in Herzogenburg den nationalsozialistischen Trend. Eines Sonntags wehte vom Kirchturm, in den einige junge Männer heimlich eingedrungen waren, die Hakenkreuzfahne. Am 13. Dezember 1933 mußte Prälat Steiner auf Weisung seiner kirchlichen Oberbehörde sein politisches Mandat in Herzogenburg zurücklegen. An seine Stelle trat Dechant Anton Rudolf, der von den Sozialdemokraten wohl bestgehaßte Chorherr. Er war der Typ von Priesterpolitiker, der die ohnehin spannungsgeladenen dreißiger Jahre durch sein Zelotentum und seine nie erlahmenden Bekehrungsversuche an ungläubigen „Marxisten" eher verschärfte denn beruhigte. Die Volksabstimmung vom 10. April 1938 brachte in Herzogenburg 2.047 Ja-Stimmen für den Anschluß Österreichs an Deutschland und nur fünf Gegenstimmen. In der Folgezeit erhielt Herzogenburg den Namen „Stadt der Treue". In diesen Jahren wurden die Repressalien gegenüber den kirchlichen Institutionen und der Geistlichkeit immer spürbarer. Die Stiftstaverne und der Theatersaal wurden beschlagnahmt. 400 Herzogenburger traten aus der Kirche aus, und rund 100 Kinder wurden vom Religionsunterricht abgemeldet. Das Herzogenburger Pfarrblatt, das seit 1915 erschien, wurde wegen „Papierknappheit" 1941 eingestellt. Das Stift konnte aber auch vielen Flüchtlingen helfen. Zu Kriegsbeginn wurden 60 belgische Kriegsgefangene im Theatersaal einquartiert, die tagsüber bei den Landwirten in der Umgebung arbeiten mußten. Sonntags durfte mit ihnen nur hinter verschlossenen Kirchentüren eine Messe gefeiert werden. 1940 kamen Flüchtlinge aus Bessarabien, später Umsiedler aus Serbien und aus der ungarischen Batschka, zuletzt 50 Flüchtlinge aus Siebenbürgen. Zum „schwarzen Montag" wurde der 6. November 1944. 300 Bomben fielen in und um Herzogenburg: 20 Tote und große Sachschäden waren die traurige Bilanz. Am 14. April 1945 rückten nach einer kurzen Kanonade die Russen in Herzogenburg ein. Eine Gruppe von Herzogenburgern, unter ihnen Propst Ubald, ging ihnen mit der weißen Fahne entgegen. In den folgenden Tagen glich das Stift einem Militärlager. Im Kammeramt wurde die Kommandatur, im Theatersaal die russische Schneiderei und im Meierhof die Wäscherei eingerichtet. Die Autorität des Prälaten flößte den Russen den nötigen Respekt ein, und so schützte er die 500 Herzogenburger, vor allem die Frauen und Mädchen, die sich vor den Kriegshandlungen in die Kellerräume des Stiftes geflüchtet hatten. Er ließ auch in der Prälatur eine Krankenstation errichten, das Prälaturarchiv war die Apotheke, der Salon die Isolierstation, das Schlafzimmer die Entbindungsstation - im Bett des Prälaten kamen sechs Kinder zur Welt. Anfang Mai gab es die letzten Gefechte zwischen Russen und Deutschen. Am 9. Mai in der Frühe wurde der Waffenstillstand verkündet. Die Stiftsgebäude waren durch einige russische Bomben leicht beschädigt worden. Im Haus allerdings herrschte eine furchtbare Verwüstung. Weiters wiesen die Stiftswälder in der Umgebung von Herzogenburg große Schäden auf. Inmitten der Aufbauarbeiten starb Propst Ubald Steiner. Er hatte den Konvent mit sta rker, aber väterlicher Hand geführt, sich mutig gegen die Nationalsozialisten durchgesetzt und auf Grund seiner persönlichen Kontakte eine Aufhebung des Stiftes verhindert sowie Stift und Ort vor größerem Schaden bewahrt. Sein Nachfolger Georg IV. Hahn! konnte 1948 endlich vier neue Glocken in der Hoffnung weihen, daß sie länger als die vorhergehenden Glocken Gott die Ehr' und den Menschen den Frieden läuten mögen. 1942 hatten alle Glocken bis auf die größte, die Pummerin, der Rüstungsindustrie abgeliefert werden müssen. Wissenschaftliche Berühmtheit erlangte Propst Georg durch seine Arbeit auf dem Gebiet der Heimat- und Urgeschichtsforschung. Leider war fast seine ganze Regierungszeit als Propst von einer schweren Krankheit überschatten, was sich negativ auf das Klima und die Personalsituation des Stiftes auswirkte. Nach der Resignation des Propstes Georg Hahn! wurde Thomas Zettel (1963-1969) zum nächsten Vorsteher des Hauses gewählt. Nach langen Vorbereitungen öffnete 1964 das Stift Herzogenburg seine Räume und Säle für über 100.000 Besucher anläßlich seiner (etwas verspäteten) 850-Jahr -Feier. Der ebenerdige Teil des Altstiftes war renoviert wo rden, und das spätgotische Refektorium „glänzte" durch die kurz zuvor freigelegten Fresken um 1500. Daneben im frühbarocken Refektorium waren die Funde aus der Urund Frühgeschichte neu aufgestellt worden. Im Barockgebäude waren im ersten Stock die Gästezimmer für die restaurierten Kunstschätze des Stiftes frei gemacht. Im Festsaal, in der Bibliothek, im Bildersaal und in elf weiteren Ausstellungsräumen erlebten und erleben bis heute die Besucher die Glanzzeiten des Hauses. Im Jahr 1965 gab es eine einschneidende wirtschaftliche Umstellung: der Weinbau un d die Landwirtschaft konnten in Eigenregie nicht mehr positiv geführt werden, deshalb wurden beide Wirtschaftszweige verpachtet. Der Forst als dritte Einnahmequelle wi rd bis heute noch selbst geführt, die Jagden sind verpachtet. Leider kam es unter Propst Thomas wieder zum Verkauf von Kunstgegenständen und vieler Bücher, um die Zahlungsrückstände durch Renovierungen und den Waldankauf in Kleinzell zu begleichen . Ebenso wurde das Haus, in dem die ehemalige Stiftstaverne war, der Stadtgemeinde Herzogenburg verkauft. Im Jahre 1977 erreichten die ökumenischen Gespräche und Gottesdienste, die vom späteren Propst Maximilian initiiert wurden, ihren Höhepunkt in der Ausstellung ,,Kunst der Ostkirche". Zum ersten Mal feierten in diesem Zusammenhang die Vertreter aller elf östlichen und westlichen Kirchen in Österreich einen gemeinsamen Gottesdien st in der Herzogenburger Stiftskirche. Anläßlich des Jubiläums „50 Jahre Stadt Herzogenburg" wurde die Nordeinfahrt des Stiftes restauriert und der Innenhof nach barockem Vorbild neu gestaltet. In diesem Jahr, 1977, wurde auch der Abschluß der Turmrenovierung gefeiert. Propst Clemens Moritz (1969- 1979) wurde zum Ehrenbürger von Herzogenburg ernannt. Er war nicht ein Prälat im Sinne der prachtvollen Barockzeit - mußte er doch einen personellen Tiefstand von nur 14 Mitgliedern erleben-, wohl aber im Sinne des Ordensstifters Augustinus: ein Seelsorger, besorgt um seine Gemeinde und seine Mitbrüder. Auch nach der Resignation blieb Altpropst Clemens bis zum Jahr 1996 der Pfarrer von Herzogenburg. Mit Maximilian II. Fürnsinn (seit 1979) bekam das Stift nach 200 Jahren wieder einen gebürtigen Herzogenburger zum Propst. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Renovierung der Stifte und Pfarren . Allein mit einem Kostenaufwand von rund 50 Millionen Schilling wurde das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift Dürnstein in der Zeit von 1985 bis 1995 restauriert. 1982 wurde Propst Maximilian zum ersten Mal zum Vorsitzenden der niederösterreichischen Äbtekonferenz und zum Vorsitzenden der Diözesanen Superiorenkonferenz der männlichen Orden der Diözese St. Pölten gewählt. Von 1989 bis 1994 war er Vizepräsident der ökumenischen Stiftung Pro Oriente. Zu den zentralen Anliegen unseres Konventes gehört heute, daß das Stift - entsprechend der jahrhundertelangen Tradition - eine offene Begegnungsstätte ist. So gehen auf die Initiati ve von Propst Maximilian viele Tagungen, Bildung sverans taltungen und Zusammenkünfte von verschiedenen Institutionen und Vereinigungen zurück. Neben den zuvor erwä hnten ökumenischen Treffen haben etwa die Ritter vom Heiligen Grab in Jerusalem der Komturei St. Pölten hier regelm äßige Zusammenkünfte. Besonders erwähnenswert sind die „Herzogenburger Gespräc he", anläßlich derer mehrmals im Jahr 60 bis 80 Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Kunst und Kirche zentrale gesellschaftlich e Fragen behandeln. Die Bemühungen gehen dahin, unser Haus auch zum geistlichen Zentrum der Pfarr seelsorge werden zu lassen . Insbesondere geht es dabei um die Bildung von Pfarrverbänden und um eine engere Zusammenarbeit der Mitbrüder in den Pfarren sowie auch um die Weiterbildung und gt!islliche Vertiefung der pfarrlichen Mitarbeiter. Die wohl größte Veranstaltung des Jahres ist der „Niederöst erreiche Kinder sommer". Zu diesem Fest kommen an zwei Wochenend en rund 15.000 Kinder in unser Stift. Das Stift ist auch seit vielen Jahren einer der Veranstaltungsorte von „Musica Sacra" - den internationalen Kirchenmusiktagen in Niederösterreich. Großen Wert wird auf eine gute musikalische Gestaltung der Gottesdienste an den großen Festen des Kirchenjahres und auf den vorbildlichen Einsatz der bedeutenden Orgel der Stiftskirche gelegt.

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